Arbeitsrecht im Betrieb 10 - Dr. Ingendahl, Rust und Steinkuhl

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Arbeitsrecht im Betrieb
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Mitarbeiter- Recruting &
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG
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Personalmanagement:
• Personalplanung:
Unterrichtung BR § 92 I BetrVG
• Personalbedarf
– Gegenwärtig und zukünftig
– Quantitativ und qualitativ
• Personaldeckung (-beschaffung, -abbau)
• Personalentwicklung
• Personaleinsatz
• Personal- Marketing
• Personal- Recruiting: Bewerbungs- und
Einstellungsverfahren
• Mitarbeiter
- Incentives
- Controlling: Leistungskontrolle
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Personalpolitik
• Auswahl geeigneter Mitarbeiter:
• Personalbedarf, Bewerbungsverfahren, Einstellung
• Gesunderhaltung der Mitarbeiter:
• Prävention:
– Arbeitsschutz & -sicherheitsgesetze: Compliance
– Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM
• Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX:
– Nach 6 Wochen Erkrankung oder bereits früher
– Leidens- oder krankheitsgerechter Arbeitsplatz sowie
Hilfe bei allen Problemen, ggf. durch selbständige Berater
• Unfähigkeit zur geschuldeten Arbeit:
•
•
•
•
Anpassung Arbeitsbedingungen: Freier, leidensgerechter Arbeitsplatz
Änderungskündigung
Beratung zum Schutz durch das soziale Netz
Kündigung aus personenbedingten Gründen
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personal recruting: Rechtlich
• Abwerbung: Grundsätzlich zulässig
• Wettbewerbswidrigkeit, § 3 UWG: Nur bei
Hinzutreten besonderer Umstände
• Verleiten zum Vertragsbruch: Aufforderung zur
Verletzung (noch) bestehender arbeitsvertraglicher
Verpflichtungen
• Erteilung einer unrichtigen Auskunft
• Ausnutzung von Geschäftsgeheimnissen des
Mitbewerbers
• An betriebliche e-mail- Adresse, § 7 II Nr. 3 UWG
• Telefonanrufe am Arbeitsplatz als „cold calls“, sofern
mehr als erste Kontaktaufnahme, BGH 22.11.2007 – I ZR
183/04
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Stellenausschreibungen:
Vorvertragliches Schuldverhältnis:
• Arbeitgeber:
– Rücksichtnahme
– Aufklärung über wesentliche Umstände
• Arbeitnehmer: Offenbarungspflichten
Qualifikation und Eignung
Vollzug einer Freiheitsstrafe
Transsexualität: ggf. nach ausgeschriebener Stelle
Gesundheitszustand,
z.B. Kraftfahrer: Alkoholabhängigkeit
– Nicht: Schwangerschaft, Familienplanung
– Behinderung, wenn sie Beschäftigung ausschließt
–
–
–
–
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Bewerbung
• Vorstellungskosten: Aus Aufforderung zur
Vorstellung
• folgt Ersatzpflicht der erforderlichen
Auslagen, §§ 670, 662 BGB
• Ausschluss muss unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht werden
• Bewerbungsunterlagen:
• Unterrichtung Betriebsrat, § 99 I BetrVG
• Anspruch auf Rückgabe
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Fragerecht des Arbeitgebers:
• Bei berechtigtem + schutzwürdigen Interesse:
•
•
•
•
Schulzeugnissen und Noten
Fachliche Qualifikation und berufliche Erfahrungen
Auslandsaufenthalte, Sprachkenntnisse wenn f. Tätigkeit relevant
Eignung für die konkrete Tätigkeit, auch körperliche
• Einzelfälle:
•
•
•
•
•
•
•
•
zulässig?
Alter/ Geburtsdatum und Geburtsort
grds. ja
Alkohol- + Drogenabhängigkeit, HIV, Raucher
nein
Bisheriger Verdienst, Vermögensverhältnisse, Bonität
nein
Gewerkschafts-, Religions-, Parteizugehörigkeit
nein
Schwangerschaft, Heirats- & Familienplanung
nein
Schwerbehinderung
nein
- jedoch nach 6-monatiger Beschäftigung
ja
Vorstrafen: Nur wenn Verurteilung einschlägig zur Tätigkeit
Ansteckende Krankheiten
ja
• Verstoß: Arbeitnehmer hat das Recht zur Lüge
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Eignungsuntersuchungen
• Eignungstests:
• Nichtärztliche Untersuchungen
• Graphologische Gutachten
• Psychologische Tests
• Krankheiten und Gesundheitszustand:
• Fragerecht: Bei Bezug zu beruflichen Anforderung
• Ärztliche Untersuchungen bei Bezug zur Tätigkeit:
– AG definiert gesundheitliche Anforderungen
– Durch Betriebsarzt o. Arbeitsmediziner:
Schweigepflicht – muss entbunden werden
– Ggf. Pflicht: z.B. JArbSchG, BG
• Genomanalyse: Verbot, §§ 19 ff GendiagnostikG
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personal recruting:
• Stellenausschreibung:
• Aufforderung zur Abgabe eines Arbeitsangebotes
• Keine unzutreffenden Angaben
• Diskriminierende Einstellungsvoraussetzungen:
Vermutung für Benachteiligung, §§ 11, 7, 1 AGG:
–
–
–
–
–
–
–
Geschlechtsneutrale Ausschreibung
Verkäuferin bis 35 Jahre
Deutscher Metallfacharbeiter
Hausmeisterehepaar: Gleichgeschlechtliche Paare?
Berufsanfänger, Junganwalt, Frauenkanzlei
Trainee für Young Professionals / Hochschulabsolventen
Übliche Bewerbungsunterlagen = Foto und Lebenslauf
• Auswahlprozess AGG: Verbot jeder (nachweisbaren) Diskriminierung
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Allgemeines GleichbehandlungsG
• Als Kriterium für Differenzierung unzulässig =
Diskriminierung, § 1:
–
–
–
–
Rasse
Geschlecht
Religion
Alter
- ethnische Herkunft
- sexuelle Identität
- Weltanschauung
- Behinderung
• Anwendungsbereich, §§ 6-18:
– Beschäftigte & Bewerber, § 6 Abs. 1:
Arbeitsbedingungen einschl.
• Zugang zur Erwerbstätigkeit und beruflicher Aufstieg
• Entgelt, Aus- und Weiterbildung, Kündigungen
– Arbeitgeber, § 6 Abs. 2
– Ausschreibung Arbeitsplatz: Stellenanzeige, § 11
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Allg. Gleichbehandlungsgesetz
• Benachteiligungsverbot, § 7:
•
•
–
–
–
–
–
Arbeitgeber, Arbeitskollegen und Dritte
Formen der Benachteiligung, § 3:
Abs. 1: Unmittelbare = weniger günstige Behandlung
Abs. 2: Mittelbar durch scheinbar neutrale Regelung
Abs. 3: Belästigung
Abs. 4: sexuelle= unerwünscht + Verletzung der Würde
Abs. 5: Anweisung zu Verhalten
• Mittelbare Diskriminierung, Muster:
– Gruppenbildung nach nicht verbotenen Kriterien
– Eine Gruppe wird kollektiv und unmittelbar benachteiligt
– Mit Gruppe sind statistisch sind insbes. gegen
Benachteiligung Geschützte betroffen
BAG 21.06.2012 - 8 AZR188/11
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Allg. Gleichbehandlungsgesetz
• Zulässige Kriterien:
•
•
•
•
Ausbildung Erfahrungen
Kenntnisse, auch Sprachen, insbes. Deutschkenntnisse
Vollzeitbeschäftigung (trotz § 5 TzBfG)
Auch: Fußballfan clubbezogen, fraglich: Ossi / Wessi
• Unzulässige Kriterien:
Sexuelle Identität
Geschlecht
Jung, dynamisch:
Alter
Führerschein:
Behinderte mittelbar
Gesund
Behinderte
Hochschulabsolventen / Young Professionals übersetzt
junger Fachmann /-frau
– Familienplanung
Geschlecht Frau
–
–
–
–
–
ArbG D´dorf 13.3.2013 - 11 Ca 7393/11; BAG 21.6.2012 - 8 AZR188/11
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Zulässige Benachteiligungen
Berufliche Anforderungen, § 8:
• Objektiv für Ausübung der Tätigkeit wesentlich
und entscheidend, nicht nur zweckmäßig:
• Verkehrsanschauung:
– Erzieher in Mädcheninternat
– Trendmoden für Jugendliche nicht durch Verkäufer
der Elterngeneration
– Damenmoden
• Kaum durch unternehmerisches Konzept:
– Frauenbuchhandlung oder –kanzlei
• Nicht durch Kunden- oder Käufererwartung:
– Weibliche Vertriebsmitarbeiterin, Kosmetik?
• Entgeltgleichheit, Abs. 2: Die Aspekte des § 1
rechtfertigen keine unterschiedliche Bezahlung
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Rechtfertigung Diskriminierung
• Nachteile verhindert oder ausgeglichen, § 5:
• Durch geeignete und angemessene Maßnahmen
• Z.B. Verpflichtung öffentlicher Arbeitgeber,
schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgespräch
einzuladen, § 82 S. 2 SGB IX
• Religion oder Weltanschauung, § 9
• Alter, § 10 , Fallgruppen Z. 1 bis 6, jeweils
– Legitimes Ziel
– Angemessenheit des Mittels: vernünftig und geeignet
– Erforderlichkeit des Mittels: geringster Eingriff
BAG vom
zur Altersgrenze für Beschäftigung
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Ungleichbehandlung: Folgen
• Arbeitgeber muss die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung
ergreifen, § 12 Abs. 1
• Flankierend und Verstärkung:
• Beschwerderecht des Beschäftigten, § 13
• Leistungsverweigerungsrecht des AN, § 14
neben § 273 BGB
• Maßregelungsverbot, § 16,
neben § 612 a BGB
• Schadensersatzanspruch, § 15
– Materieller Schaden, Abs. 1
– Immaterieller Schaden, Abs. 2
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Schadensersatzansprüche, § 15:
• Materieller S., Abs. 1: Außer kein Verschulden
• Entgangener Verdienst: Differenzrechnung
• Immaterieller S., Abs. 2: Verschuldensunabhängig
• bei jeder Benachteiligung, § 7, wenn nicht
– in Auswahl einbezogen
– eingestellt
• Ausnahme: Keine ernsthafte Bewerbung (§ 242)
• Angemessene Entschädigung:
– Alle Umstände einbeziehen, auch Abschreckung
– Maximal 3 Monatsgehälter, wenn bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt: Beweis AG
• Ausschlussfrist 2 Monate, Abs. 4 : Schriftliche
Geltendmachung
BAG 21.06.2012 - 8 AZR 188/11
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Allg. Gleichbehandlungsgesetz
• Beweislast, § 22: Abgestuft
• Mitarbeiter: Vortrag + Beweis von Indizien, die
eine Benachteiligung i.S.d. § 1 AGG vermuten
lassen, z.B. § 82 SGB IX
• Arbeitgeber: Beweis, dass kein Verstoß vorlag
• Kein Auskunftsrecht des Bewerbers,
• ob ein anderer eingestellt wurde oder
• aufgrund welcher Kriterien
• Gibt der Arbeitgeber dem abgelehnten Bewerber
keine Auskunft über seine Auswahlentscheidung,
lässt das allein noch keine Diskriminierung
vermuten.
BAG vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/08
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Lebensalter & Personalauswahl
• Altersstrukturanalyse und AltersgruppenManagement
– Zieldefinition: Gewünschte Verteilung
– Verhinderung Überalterung: Einstellung Junge
• Neueinstellungen:
AGG
• Lebensalter als Kriterium unzulässig
• Kündigung „sozial wirksam“:
• Betriebsbedingt und Sozialauswahl
– Lebensalter hemmend
– Nicht: Verjüngung des Mitarbeiterschaft
• Altersgruppenbildung, § 1 Abs. 3 S.2 KSchG:
– Nur Erhalt einer bestehenden Altersstruktur
– Kündigung aus allen Altersschichten proportional
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• Vermeidungs-Strategie:
– Ausschreibung & Auswahlverfahren:
Ohne jede Diskriminierung
– Einstellungsentscheidung: geheim
– Ablehnungsschreiben: Ohne
Begründung & immer freundlich
• Auswirkungen AGG im Betrieb:
– Einstellungsvoraussetzungen
leistungsorientiert
– Betriebsklima vorurteilsfrei –
integrierend
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AGG konforme Stellenausschreibung
• Alter:
– Keine Altersangabe (Zwischen… Nicht älter als..)
– Keine direkte Ansprache einer Zielgruppe:
» Jünger: Young Professionals, junge Dynamiker
» Älter: Erfahrene Alte Hasen, rüstige Rentner
– Selbstbeschreibung: Wir sind jung & dynamisch
• Geschlecht: Stets geschlechtsneutral
• Ethnische Herkunft und Rasse:
– Signalwort „Muttersprache“ meiden
– Sprachkenntnisse: nur soweit für Stelle
erforderlich
– Lichtbild nicht explizit anfordern
• Behinderung: Keine Hinweise
– Körperlich belastbar, geistig flexibel
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Thomas „Tom“ Neuwirth gewinnt als
„Conchita Wurst“ den Eurovision Song
Contest 2014
Was ist im Einzelnen alles „Wurst“?
Lese § 1 AGG!
Die Privatperson Tom Neuwirth & die Kunstfigur Conchita Wurst sind zwei
eigenständige Persönlichkeiten mit ihren eigenen Lebensläufen, die
gemeinsam ein markantes Zeichen für Toleranz und gegen
Diskriminierung setzen.
Conchita verdankt ihre Geburt dem Umstand, dass Tom Zeit seines
Lebens mit Diskriminierung zu kämpfen hatte. Also schuf er eine Frau mit
Bart. Als auffälliges Statement. Als Katalysator für Diskussionen über
Begriffe wie „anders“ oder „normal“. Als Ventil, mit dem er seine
Botschaft unübersehbar und unüberhörbar in alle Welt tragen will.
Aussehen, Geschlecht und Herkunft sind nämlich völlig WURST, wenn es
um die Würde und Freiheit des Einzelnen geht. „Einzig und allein der
Mensch zählt“, sagt Tom/ Conchita, „jeder soll sein Leben so leben
dürfen, wie er es für richtig hält, solange niemand zu Schaden kommt.“
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Der transsexuelle Lagerarbeiter
Die Fa. Naturstein Niederrhein GmbH mit über 20
Arbeitnehmern beschäftigt in ihrem Lager seit über 5
Jahren den zuverlässigen und allseits geschätzten
Herrn Victor. Herr Victor offenbart dem Geschäftsführer, dass er „im falschen Körper lebe“. Nach einer
medizinischen Geschlechtsumwandlung werde er
zukünftig als Frau Victoria leben.
1. Der Geschäftsführer erklärt Ihnen, dass er im Lager
keine Frau einsetzen könne, u.a. gäbe es nur Männertoiletten und –umkleiden. Er bittet Sie um Vorschläge,
das Arbeitsverhältnis auf schnellstem Wege zu
beenden.
2. Nach einem halben Jahr verlangt Victoria die
Umschreibung ihres Arbeitszeugnisses auf sich als Frau.
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Arbeitsrecht im Betrieb
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Lösung: Der transsexuelle Lagerarbeiter
1. Transsexuellen Gesetz: Regelt nur Änderung Vornamen
2. Anfechtung:
1.
2.
Kein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum, § 119 Abs. 1 BGB
Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 Abs. 2 BGB:
1. Geschlechterzuordnung: Im Lager wohl ja
2. Aber: Geschlecht nach AGG kein zulässiges Kriterium
3. Kündigung, soziale Rechtfertigung, § 1 KSchG:
1.
2.
Personenbedingt: Geschlecht gem. AGG kein zulässiges Kriterium
Betriebsbedingt: Sofern im Lager reiner Männerarbeitsplatz, insbes.
sofern Gründe gem. § 8 AGG
4. Einigung mit Kriterien:
1.
2.
Psychologisches Problem des Mitarbeiters:
Muss sein Leben im anderen Geschlecht neu beginnen
Abfindung zum Ausgleich von
1.
2.
Bei Verlangen nachträglich auf Namen der Frau,
Grundsatz der Wahrheit hindert jedoch Umschreibung
5. Zeugnis:
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Fall: Stewardessen für Air Furt
Im Hinblick auf die andauernde Ertragskrise
gibt der neue CEO der kränkelnden Airline
aus Erfurt einen Wechsel der Personalpolitik
bekannt:
Man werde zu dem ursprünglichen Konzept
ausschließlich weiblichen Kabinenpersonals
zurückkehren und damit für die Fluggäste
attraktiver werden. Bereits aufgrund der
Berichterstattung in der Presse rechne er mit
einer Welle von Bewerbungen attraktiver
junger Frauen.
Der homosexuelle H fühlt sich angesprochen.
Welche Aussichten hat seine Bewerbung?
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Lösung: Stewardessen für Air Furt
1. Wenn Air Furt das neue Personalkonzept realisiert, hat die Bewerbung
keinen Erfolg.
2. Hingegen Chancen gem. § 15 auf
materiellen / immateriellen Schadensersatz,
weil
1.
2.
in der Pressemitteilung Männer allgemein und
älteren Frauen im Besonderen benachteiligt werden,
dieser Verstoß die Rechtswidrigkeit der Benachteiligung im Bewerbungsverfahren indiziert, §§ 3, 7,
11, 22 AGG
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Entschädigungsansprüche nach AGG
Das beklagte Land hatte 2 Stellen für Lehrkräfte
in einer JVA ausgeschrieben. Der Kläger ist
Diplompädagoge und bewarb sich als zu 60 %
Schwerbehinderter. Mit Schreiben vom 29.08.,
Zugang am 02.09. lehnte das Land die
Bewerbung ab. Mit am 04.11. eingegangenen
Schreiben meldet Kläger Schadensersatz- und
Entschädigungsansprüche an, weil er nicht zu
einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
Welche Ansprüche hat der Kläger?
BAG 15.03.2012 - 8 AZR 160/11
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Lösung: Entschädigungsanspruch AGG
1. Entschädigungsanspruch wegen immateriellen
Schaden, § 15 Abs. 2 AGG:
1. Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“, § 6 I 2
2. Benachteiligung als Schwerbehinderter, §§ 7,
22 AGG: Rechtsverstoß, § 82 SGB IX
1.
2.
3.
3.
Als Schwerbehinderter auf Bewerbung
bei öffentlichem AG nicht eingeladen
obwohl objektiv geeignet
Höhe kann in Ermessen des Gericht gestellt werden,
keine Begrenzung auf 3 Monatsgehalt
2. Verfall, § 15 Abs. 4 AGG: Schriftlich innerhalb 2
Monaten geltend machen, bis 2.11., hier erst
am 04.11.
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Entschädigungsansprüche nach AGG:
M GmbH entwickelt kundenspezifische Datenbanklösungen basierend auf dem MS SQL Server (2000/ 05)
vorwiegend für industrielle Prozessanwendungen. Am
22.06. 2009 schrieb sie Stellen für „zwei freiberufliche
Mitarbeiter (bei Eignung Festanstellung möglich) als
Net Entwickler (m/w) SQL Datenbankentwickler
zwischen 25 und 35 Jahren“ aus.
Der am 27.03.1956 geborene K bewarb sich erfolglos.
Nachdem M GmbH zumindest einen Bewerber zu
einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, sah sie
letztlich von einer Einstellung ganz ab.
K erhebt am 27.10.2009 Klage beim Arbeitsgericht auf
Zahlung einer Entschädigung von 26.400 €. Hat K
einen Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG?
BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11
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Entschädigungsanspruch § 15 Abs. 2 AGG
1. Persönlichen Anwendungsbereich des AGG:
1.
2.
Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 I 2 „Beschäftigter“
Unerheblich insoweit, ob Bewerber :
1.
2.
objektiv geeignet ist oder
die Bewerbung subjektiv ernst gemeint war
(ggf. jedoch Einwand des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB)
2. Unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 I:
1.
2.
Wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten
Grundes einen Nachteil erfährt, bei Einstellung oder
Beförderung nicht in die Auswahl einbezogen, sondern
vorab ausgeschieden wird.
Eine Benachteiligung wird nicht beseitigt durch
1.
2.
Nichtbesetzung der ausgeschriebenen Stelle,
spätere Einstellung o. Beschäftigung des Benachteiligten
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Entschädigungsanspruch: Fortsetzung
1. obwohl er objektiv für die ausgeschriebene Stelle
geeignet war:
1.
2.
Nach Anforderungsprofil des Arbeitgebers
Im Arbeitsleben herrschende Verkehrsanschauung
2. Zulässiger Einwand: Keine ernsthafte Bewerbung
3. Rechtzeitig innerhalb der 2- Monatsfrist, § 15 IV?
4. Höhe bei immateriellem Schaden: Gericht berücksichtigt Art und Schwere der Benachteiligung, ihre
Dauer und Folgen, Anlass und Beweggrund des
Handelns, Wiederholungsfall und abschreckende
Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber.
BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11
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Arbeitsrecht im Betrieb
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Altersabhängige Staffelung der
Urlaubsdauer:
• In Arbeits- und Tarifverträgen
• Unwirksam wegen Altersdiskriminierung
• Anpassung der Dauer „nach oben“
BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10
Gegennormen zum Diskriminierungsverbot:
Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung bei:
•
•
•
•
•
Verfolgung eines rechtmäßigen Ziels, § 3 Abs. 2
Positiven Maßnahmen ("affirmative actions"), § 5
Differenzierung wg. beruflicher Anforderungen, § 8
"Kirchenklausel„, § 9 AGG
Zulässige Differenzierung aufgrund Alters, § 10 AGG
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Altersgrenze in Betriebsvereinbarung
Der 1942 geborene A ist seit 1980 bei der B AG
beschäftigt. Nach der von beiden Parteien
unterzeichneten Einstellungsmitteilung war das
Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit
geschlossen. Eine Betriebsvereinbarung aus
dem Jahr 1976 sah die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65.
Lebensjahres vor. Dieses vollendete A im
August 2007.
A wendet sich gegen die Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses, er sieht sich auch wegen
seines Alters benachteiligt.
BAG 05.03.2013 -1 AZR 417/12
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Arbeitsrecht im Betrieb
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Lösung: Altersgrenze Betriebsvereinbarung
1. Erreichung des Rentenalters und Beginn der
Altersrente
a) beenden Arbeitsverhältnisse nur bei
Vereinbarung im Arbeitsvertrag,
b) sind kein Kündigungsgrund, § 41 SGB VI
2.
Regelung in Betriebsvereinbarung, § 77 II :
Wahrung von Recht + Billigkeit, § 75
BetrVG, bei Anspruch auf Regelaltersrente.
3.
Keine Altersdiskriminierung
Ergebnis: Das Arbeitsverhältnis ist beendet.
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Tarifliche Altersgrenzen im MTV
P, geboren am 25.04.1949, ist seit vielen Jahren
Flugzeugführer bei der Lufthansa.
Gem. Nr. 5 a des Manteltarifvertrages für das
Cockpit-personal der Lufthansa endet das
Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem
das 60. Lebensjahr vollendet wird, ohne dass es
einer Kündigung bedarf.
P ist nicht damit einverstanden, dass sein
Arbeitsverhältnis am 30.04.2009 enden soll und
erhebt Klage auf Entfristung.
Mit Erfolg?
BAG 18.01.2012 - 7 AZR 112/08
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Arbeitsrecht im Betrieb
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Tarifliche Altersgrenzen im MTV
– Für Befristung kein sachlicher Grund, § 14 I 1 TzBfG
– §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG: Auf Alter beruhende
Ungleichbehandlung bei der Entlassung
– Zulässigkeit wegen Alters gem. § 10 AGG:
– Wegen beruflicher Anforderungen, § 8 I
• Unterschiedliche Behandlung
– Objektiv
– Angemessen und
– durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt
• Mittel: Nur angemessen und erforderlich
• Mit 60. Geburtstag keine objektive Änderung
Ergebnis: Pensionierung mit Vollendung 60.
Lebensjahr unwirksam
Bei Ausgleich durch Frührente wirksam, § 5 AGG
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Wartezeitkündigung wegen Aidserkrankung
Medic AG stellt intravenös verabreichte Arzneimittel
zur Krebsbehandlung her. Sie stellt A als ChemischTechnischen Assistenten zur Arbeit im Reinraum ein.
Bei der Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach
Beginn der Arbeit teilt A dem Betriebsarzt seine HIVInfektion mit, der Arzt äußerte Bedenken gegen den
Einsatz im Reinraumbereich. Nach Entbindung von
der ärztlichen Schweigepflicht teilte er Medic die
Infektion mit. Noch am selben Tag kündigte Medic
das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner
ansteckenden Krankheit könne sie A nach ihrem QSSystem nicht einsetzen.
Mit der Kündigungsschutzklage macht A geltend, er
sein behindert. Die Kündigung sein unwirksam, sie
diskriminiere ihn wegen seiner Behinderung. Zurecht?
BAG vom 19.12.2013– 6 AZR 190/12
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Arbeitsrecht im Betrieb 10 S
Wartezeitkündigung wegen Aidserkrankung:
1. Kündigungsschutzgesetz:
Nicht in
Wartezeit 6 Monate, § 1 Abs. 1 KSchG
2. Schwerbehinderung:
a) Bei symptomloser HIV – Infektion fraglich, hier 10%
b) Kündigungsschutz nach 6 Monaten, § 90 I SGB IX
3. Diskriminierung iSd. § 3 I AGG:
a) Behinderung: Beeinträchtigung an der Teilhabe an
der Gesellschaft aus körperlichen Gründen
b) Kündigung wegen „Behinderung“ ist außerhalb
Kündigungsschutzgesetz nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs.
1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem
nicht entgegen.
c) Rechtfertigung, sofern der Einsatz des Klägers im
Reinraum nicht durch angemessene/ zumutbare
Vorkehrungen ermöglicht werden kann.
4. Ergebnis: Zurückverweisung zur Aufklärung
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Arbeitsrecht im Betrieb
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Fall: Sprachdiskriminierung
S GmbH betreibt ein öffentliches Hallenbad. Die 55- jährige
V aus dem ehemaligen Jugoslawien mit kroatischer Muttersprache ist seit Juni 1985 zur Reinigung und seit 14 Jahren
als Vertretung an der Kasse tätig. V muss mit Kollegen,
Vorgesetzten und Kunden sprechen. Da V dies immer
schlechter gelingt, fordert S sie auf, auf eigene Kosten
einen Deutschkurs zu besuchen; V ist hierzu nur auf Kosten
der S bereit. Eine Abmahnung nimmt S zwar zurück, bittet
aber zugleich den Rechtsanwalt der V, „unabhängig von
juristischen Kategorien“ seine Mandantin zu bewegen,
„schlicht ihre Resistenz gegenüber der Sprache eines
Landes aufzugeben, in dem sie sich seit mehr als 25 Jahren
aufhält“.
V fordert von S GmbH eine Entschädigung in Höhe von
15.000 €, weil sie sich wegen ihrer Rasse sowie ihrer
Nationalität diskriminiert fühlt.
Mit Erfolg?
BAG 22.06.2011 – 8 AZR 48/10
Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitsrecht im Betrieb
10 S
Lösung: Schadensersatz gem. § 15 II
1. Unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1:
Sprache wird nicht als Merkmal verpönt
2. Mittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 2:
1.
2.
Dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien o.
Verfahren beachteiligen geschützte Gruppe besonders
Nicht, wenn durch rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt
und Mittel angemessen und erforderlich
3. Belästigung, § 3 Abs. 3:
1.
2.
3.
Unerwünschte Verhaltensweise
Im Zusammenhang mit Grund § 1 AGG
verletzt die Würde
4. Tarif- o. Vertragsverstoß als Benachteiligungsindiz:
Nur Vorschriften, die zumindest auch den Schutz von
Arbeitnehmern wegen Merkmalen § 1 AGG bezwecken
(nicht § 84 II, aber § 81, 82 SGB IX)
Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitsrecht im Betrieb
10 S
Bewerbungskonzept: Keine Stelle
aber Schadensersatz
1. Anzeige / Stellenausschreibung mit
Diskriminierung
2. Bewerbung als objektiv Diskriminierter
3. Beobachtung, ob im Auswahlverfahren
vorzeitig ausgeschlossen, § 3
4. Schadensersatz binnen 2 Monatsfrist
anmelden.
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