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Grundzüge des Rechts
An Introduction to Law
Haftungsbegrenzung
Limitation of Liability
Gérard Hertig (ETH Zurich)
Herbst 2012
Inhaltsverzeichnis
Course Outline
1. Zusammenfassung: Unerlaubte Handlung
2. Haftungsbegrenzung
3. Leistung durch Dritte
4. Gründung einer Kapitalgesellschaft
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1. Zusammenfassung: Unerlaubte Handlung
• Voraussetzung
–
–
–
–
Rechtswidrigkeit (=Widerrechtlichkeit)
Schaden
Adäquater Kausalzusammenhang
Verschulden?
• Adäquater Kausalzusammenhang
– CH/D: Regelmässiger Lauf der Dinge
– UK/US: Proximate cause
• Schaden
– Differenztheorie:
What if not?
– Herabsetzungsgründe
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2. Haftungsbegrenzung
Limitation of liability
•
Vertragliche Vereinbarung als Voraussetzung
Limitation has been contractually agreed
–
Vertragliche und ausservertragliche Haftung
Liability for contracts and torts
–
Kein Ausschluss der Haftung für Körperschaden
Liability cannot be excluded for injuries
–
Warnung als Vertrauensverhinderung
Warning to prevent reliance
•
Haftung und Förderung
•
Schilderung der Förderungen
Liability and obligation
Obligation design
–
Weniger versprechen, weniger verlangen
–
Risikoverteilungsklauseln, Erschwerung der Rechtsverfolgung
–
Asymmetrische Vorteile und Nachteile?
Promising less, reduced consideration
Allocating risks, constraining litigation
A Trade-off ?
Beispiele: Anstrengung statt Ergebnis, Hol- statt Bringschuld
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Haftungsausschluss
Excluding liability
• Verhalten der Gegenpartei und Dritten
Counterparty and third party behavior
• Eigenes Verschulden / Own fault
– Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Intent and gross negligence
• In der Regel unzulässig / Generally prohibited
• CH: Einsatz von Hilfspersonen / Using subordinates
– Mittlere und leichte Fahrlässigkeit
Moderate and unimportant fault
• Nicht zulässig, wenn sie der Natur des Geschäfts
widerspricht
Invalid if contravenes prototypical professional duties
• Sorgfältige Erbringung berufstypischer Pflichten:
Ärzte, Anwälte, Apotheker, Banken, Gastwirte
Due care for prototypical professional duties: Doctors,
attorneys, pharmacist, Banks, restaurateur
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Beschränkung der Haftung
Constraining liability
• Auch nicht für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Not allowed for intent and gross negligence either
• Natur des Geschäfts: Interessenabwägung
Justified in view of the parties‘ respective interests
• Beschränkung für Schadenersatz
Limiting damages
– Schadensarten
Type of damages
• Entgangener Gewinn
Forgone profits
• Voraussehbarer Schaden
Foreseeable damage
– Schadensberechnung
Damage determination
– Teilschadenersatz / Versicherung
Capping damages / Insurance
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AGB als Mittel der Abwälzung der Risiken
Risk Shifting through General Terms and Conditions
• Individualabreden gehen vor
Primacy of ad hoc arrangements
– Vertragsentstehung und langfristige Beziehungen
Formation of contract and long term relationships
– Überwachung der Angestellten
Monitoring employees
• Strengere Masstäbe für AGBs (siehe Vertragsentstehung)
More restrictive approach for general terms and conditions
• Inhaltskontrolle für Haftungswegbedingungen?
Fairness review for limitations of liability?
Beispiel: Gerichtliche Zurückhaltung 123 III 292, 298 →
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BGE Tonwerke Thayngen 123 II 292, 298 (1997)
• Das Vertragsrecht wird zunehmend «materialisiert»,
die formale Vertragsfreiheit durch materielle
Vertragsgerechtigkeit verdrängt, besonders deutlich
etwa in den Gebieten des Miet- und Arbeitsrechts, des
Konsumentenschutzes oder der AGB.
• Die zeitgemässe Rechtsüberzeugung ist nicht mehr
allein vom Schwarz-weiss-Schema der Gültigkeit oder
Nichtigkeit privater Rechtsgestaltung geprägt, sondern
fasst immer fester auch in der Grauzone der
geltungserhaltenden Reduktion fehlerhafter Kontakte
durch richterliche Inhaltskorrektur Fuss.
• Die Möglichkeit richterlicher Vertragsgestaltung
entspricht augenfällig dem Zeitgeist.
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3. Leistung durch Dritten
Using Third Parties
• Kann haftungsbegrenzend wirken
May reduce liability
• Beschränkt möglich für persönliche Leistungspflichten
Not always possible when performance is person-specific
– Erfüllung nur durch Schuldner selbst möglich
Debtor is only person that can perform
Beispiel: Künstler
– Begrenzung der Übertragbarkeit
Constraining the use of third parties
• Vermutung, dass ein Dritter nicht als Substitut (selbständig)
leisten kann
Substitution by third party is presumed forbidden
Beispiele: Arbeitsvertrag, Werkvertrag, Auftrag
• Hilfspersonen (nicht selbstständig) können nur unterstützend
eingesetzt werden
Auxiliaries may only serve for supporting tasks
Beispiele: Arzt (Laboruntersuchung), Anwalt
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Haftungsrisiko des Übertragenden / Debtor‘s Liability Risk
Volle Übertragung im Interesse des Gläubigers
Substituting sole performer in creditor’s interest
• Substitut an Stelle des Schuldners (selbständig)
Third party performs instead of debtor (independently)
• Dritter verletzt übertragene Pflicht  Haftungsbefreiung:
Gehörige Sorgfalt in der Auswahl + Instruktion des Dritten
Third party fails to perform: Due care in selecting and informing third
party
• Dritter handelt rechtswidrig  Keine Haftung
Third party acts unlawfully: No liability
Beispiele: Bezug eines Spezialisten (Fall 1), Berater
Sub-Unternehmer(?)
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Fall 1: Schätzung eines Kunstgegenstandes
•
Die Eheleute H besassen eine Lampe von Emile Gallé, für die ihnen A am 29.
November 1977 CHF 15'000 anbot.
•
Die Eigentümer wollten die Lampe zuerst durch Sachverständige schätzen lassen.
Anfangs Dezember sprach Frau H zu diesem Zweck bei der S/Zürich vor. Die
Angestellte antwortete ihr, dass die Lampe von der Firma S/London anhand einer
guten Fotografie geschätzt werden müsse.
•
Am 9. Dezember erkundigte sich Frau H. bei Fräulein V. nach dem Schätzungswert,
der noch nicht vorlag. Die Angestellte rief sogleich London an, wo man die
Fotografie aber noch nicht erhalten hatte. Sie beschrieb deshalb dem Experten G
telefonisch die Lampe. G schätzte sie auf CHF 8'000 bis 12'000 Franken.
•
Am 17. Dezember verkauften die Eheleute H die Lampe für CHF 16'500 an A.
•
Anfangs Februar 1978 fiel dem Gallé-Experten der S/London die Fotografie der
Lampe in die Hände. Er schloss daraus, dass es sich nicht um eine Serienlampe
handeln könne, sondern dass eine Einzelausfertigung vorliegen müsse.
•
Er gab am 6. Februar dem Direktor der S/Zürich davon Kenntnis, der seinerseits
sogleich die Eheleute H. unterrichtete und den Wert der Lampe nun auf CHF
30'000 bis 40'000 Franken schätzte.
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Beurteilung (siehe auch 112 II 347, 1986)
• S/Zurich AG hat das ihm übertragene Geschäft in der Regel persönlich
auszuführen.
• Angesichts der Vielfalt von Fällen ist selbst bei erlaubter Substitution eine
unterschiedliche Behandlung am Platz, je nachdem ob der Beauftragte im
eigenen Interesse (z.B. zur Vergrösserung seines geschäftlichen
Leistungsvermögens oder seines Umsatzes) oder im Interesse des
Auftraggebers einen Dritten beiziehe (z.B. Bezug eines Spezialisten durch
einen beauftragten Arzt oder Anwalt).
• In Fällen der ersten Art bestehe kein Grund, den Beauftragten in Bezug auf
die Haftung für Erfüllungsgehilfen besser zu stellen als andere Schuldner,
die bei Verwendung von Hilfspersonen der allgemeinen Regel
unterständen.
• Eine beschränkte Haftung rechtfertige sich dagegen, wenn der
Beauftragte sich an einen Spezialisten wende, um den Auftrag
sachgemäss zu erfüllen; dies falls liege die Übertragung des Geschäftes im
Interesse des Auftraggebers.
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Beurteilung (siehe auch 112 II 347, 1986)
• Im vorliegenden Fall ist der Dritte sowohl im Interesse des Auftraggebers
wie des Beauftragten beigezogen worden. Die S. AG hat die Anfrage
weitergeleitet, weil sie nach ihren eigenen Angaben nicht über die
notwendigen Mitarbeiter verfügt. Sie hat sich aber nicht an irgendeinen
Sachverständigen gewandt, sondern hat die Anfrage einem Experten ihres
Mutterhauses in London unterbreitet.
• Nach seinen Werbetexten bietet der S.-Konzern als Ganzes seine Dienste
an. Nicht nur der Konzern, sondern auch der Betrieb der Beklagten ist so
organisiert, dass mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Kunden
gewonnen und erhalten werden können.
• Bei derart engen Beziehungen zwischen Firmen, die einander mit
Diensten aushelfen, fehlt ein sachlicher Grund für eine Beschränkung
eigener Verantwortung. Unter den gegebenen Umständen liegt vielmehr
nahe, dass die S/Zurich für das Verhalten des Experten in London, der den
Wert der Lampe offensichtlich verkannt hat, als Geschäftsherr haftet.
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Haftungsrisiko des Übertragenden / Debtor‘s Liability Risk
Mitwirkung im Interesse des Schuldners
Using auxiliaries in debtor’s interest
• Hilfsperson  Erfüllungshilfe
Auxiliary contributes to performance under the supervision of debtor
• Hilfsperson verletzt übertragene Pflicht  Haftungsbefreiung: Im Vertrag
vorgesehen, sonst wie wenn Geschäftsherr selbst tätig wäre
Third party breaches contract: Liable as if performed himself unless contractual liability
limitation
• Hilfsperson handelt rechtswidrig  Haftungsbefreiung:
Subordinate acts unlawfully: Debtor not liable if she proves:
– Nicht in Ausübung der Verrichtung: Kein funktioneller Zusammenhang
Subordinate did not act in exercise of functions: No functional relationship
– Gebotene Sorgfalt in Auswahl, Instruktion, Überwachung (CH)
Due care in selecting, informing and monitoring subordinate
– Sorgfältige Organisation des Betriebes (!)
Operational risk is properly dealt with (not the case when unlawful act?)
Beispiele: Angestellter (Fall 2), Diebstahl bei Malerarbeiten, Subunternehmer (?)
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Fall 2: Haftung für Hilfspersonen
• F erlitt am 14. Oktober 1980 bei Bauarbeiten einen Unfall. Er war
zusammen mit anderen Arbeitern damit beschäftigt, einen 690 kg
schweren Schachtrahmen mit Hilfe eines Baggers hochzuheben und auf
dem Schacht anzubringen.
• Dabei riss eine der beiden Aufhängeschlaufen aus, worauf der Rahmen
herabfiel und den rechten Fuss von F zerquetschte.
• F arbeitete danach wieder bei der gleichen Bauunternehmung als
Maschinist, war aber für manuelle Arbeiten nicht mehr voll einsatzfähig.
Die SUVA setzte die Erwerbsunfähigkeit von F auf 30% fest.
• Im Februar 1983 erhob F beim Appellationshof des Kantons Bern Klage
gegen die H. AG, welche den Schachtrahmen hergestellt hatte. Er
verlangte Schadenersatz von rund CHF 69'000.– und eine Genugtuung von
Fr. 15'000.
• Zur Begründung der Klage machte er geltend, die H. AG hafte als
Geschäftsherr, weil die Aufhängeschlaufe wegen eines Fehlers bei der
Herstellung des Schachtrahmens ausgerissen sei.
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Beurteilung (siehe auch BGE 110 II 456 - 1984)
•
•
•
•
•
Der H AG kann bezüglich Auswahl der Arbeiter, denen die Herstellung der
Schachtrahmen übertragen war, kein Vorwurf gemacht werden.
Auch die Überwachung durch den Vorarbeiter, der Stichproben gemacht habe, sei
genügend gewesen. Die seit Jahren mit dem Arbeitsvorgang vertrauten Arbeiter hätten
beste Gewähr dafür geboten, die einfache und alltägliche Verrichtung ordnungsgemäss
auszuführen. Es sei weltfremd zu fordern, dass während des gesamten
Herstellungsvorgangs stets jemand hinter den Arbeitern hätte stehen und sie
überwachen müssen.
Es stellt sich aber die Frage, ob die Hilfspersonen ausreichend instruiert worden sind. Es
sind auch dann erhöhte Anforderungen an die Pflicht zur Erteilung von Anweisungen zu
stellen, wenn die Arbeit der Hilfspersonen als solche nicht gefährlich ist, Fehler bei der
Herstellung des Erzeugnisses aber zu einer Gefahr für Leib und Leben führen können.
Dass das Ausreissen einer Aufhängeschlaufe während des Hochhebens des 690 kg
schweren Schachtrahmens fatale Folgen haben konnte, musste der H AG bewusst sein.
Sie hätte ihre Arbeiter nachdrücklich darauf hinweisen müssen, dass auch ein
geringfügiges Versehen beim Härtevorgang die Funktionstüchtigkeit der Schlaufen in
Frage stelle.
Es ist aber davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen der
Fabrikationsfehler durch das Erteilen derartiger Anweisungen nicht hätte verhindert
werden können.
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Beurteilung (siehe auch BGE 110 II 456 - 1984)
•
Der Geschäftsherr habe noch nachzuweisen, dass er seinen Betrieb zweckmässig organisiert
habe.
•
Die H AG war verpflichtet, alle nötigen und zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um
Herstellungsfehler zu verhindern, dass mangelhafte Erzeugnisse verkauft wurden.
•
Kann ein Fabrikationsfehler selbst mit einer anderen Organisation des Herstellungsvorgangs
nicht vermieden werden, so drängte sich die Vornahme einer Endkontrolle auf.
•
Die H AG bringt vor, die Schachtrahmen würden nach der Fertigung aus der Fabrikhalle auf
den Lagerplatz transportiert, indem sie an den Schlaufen angehoben und weggeführt würden.
Dieser bewährte innerbetriebliche Vorgang komme einer Testanordnung nahe. F weist
demgegenüber mit Recht darauf hin, dass bei einer eigentlichen Kontrolle zu prüfen wäre, ob
die Schlaufen einer höheren als der normalen Belastung standhalten.
•
Unklar ist aber, wie eine zweckmäßige, vom Aufwand her zumutbare und technisch
realisierbare Endprüfung zu gestalten wäre. Sollte es keine Möglichkeiten einer derartigen
Prüfung gegeben haben, so durfte die H AG nicht darauf verzichten, ohne durch eine sicherere
Konstruktion die Gefahr, dass eine Schlaufe ausreisst, auf ein Minimum zu reduzieren.
•
Die H AG hätte also die Konstruktion der Schachtrahmen so verändern müssen, dass ein
Ausreißen der Schlaufen auch dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auszuschließen war, wenn deren Festigkeit nicht geprüft wurde oder geprüft werden konnte.
Dass eine sicherere Konstruktion ohne großen Mehraufwand möglich ist, beweisen die
Änderungen, welche die Beklagte seit 1979 oder 1980 bezüglich der Aufhängeschlaufen
vorgenommen hat.
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4. Gründung einer Kapitalgesellschaft
Setting-up a Business Corporation
• AG für grössere Firmen, GmbH für KMUs?
AG for larger firms, GmbH for SMEs?
≠
• Leitung : Verwaltungsrat / Geschäftsführer
Management : Board or general manager
• Gesellschaftsanteile : Übertragbarkeit
Shares : Transferability
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Kapital- oder Personengesellschaften I
Corporations vs. Partnerships
• Rechtspersönlichkeit
Legal personality
– K
Ja
– P
Möglich / possible (F, USA)
Fast möglich / quasi-personality (CH, D)
Beispiel: Personengesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte
erwerben und vor Gericht klagen
• Investoren als Eigentümer
Investor ownership
– K
Ja
– P
Ausscheiden von Gesellschaftern mag Auflösung
bewirken
Existence affected by change in partners
Beispiel:
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Kündigung von seitens eines Gesellschafters,
wenn keine Übereinkunft über die Fortsetzung der
Gesellschaft besteht
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Kapital- oder Personengesellschaften II
Corporations vs. Partnerships
• Beschränkte Haftung
Limited liability
– K:
Ja
– P:
Nein, mit Ausnahmen (e.g. USA)
Beispiel: Insolvenz, Fall 3, Fall 4
• Leitung ist delegiert
Delegated management
– K:
Ja
– P:
Möglich, aber eher Geschäftsführung durch
Gesellschafter
Possible, but rather hands-on management
• Übertragbare Gesellschaftsanteile
Transferable shares
– K:
Ja
– P:
Grundsätzlich nein
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Fall 3: Durchgriff
• V war alleiniger Gesellschafter der L GmbH. Im Dezember 1999
verkaufte die L GmbH der M AG ein Grundstück zum Preis von CHF
6,5 Mio. zu erwerben.
• Im Februar 2000 erhob einen unbezahlten Gläubiger der L GmbH
eine Anfechtungsklage gegen V.
• Entscheid des Kantonsgerichtes.
Mit der Veräusserung der Liegenschaft sei der Gesellschaft ihr
Hauptaktivum entzogen worden (über den Verbleib der
Gegenleistung sei nichts bekannt). Bei dieser Konstellation sei durch
den Schleier der juristischen Person durchzugreifen.
• Entscheid des Bundesgerichtes.
Beim Durchgriff wird die rechtliche Selbstständigkeit einer
juristischen Person nicht beachtet. Dazu bedarf es eines
eigentlichen Rechtsmissbrauchs, einer offenbar zweckwidrigen,
missbräuchlichen Verwendung der juristischen Person durch die
beherrschende Person. Ein solcher Tatbestand liegt indes hier nicht
vor. Die Anfechtungsklage richtet sich von vornherein gegen V, der
die Selbstständigkeit der Gesellschaft nicht vorgeschoben, um sich
persönlichen Verpflichtungen zu entziehen.
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Fall 4: Vertrauenshaftung
• Die Musikvertrieb AG begann im Jahr 1986 mit der Planung
eines neuen Lager- und Verteilzentrums («Dispodrom»).
• Im Januar 1989 reichte die EOP AG der Musikvertrieb AG
eine Offerte für die Entwicklung und Einführung der EDVApplikation ein, auf deren Verbindlichkeit sich die Parteien
in der Folge unterschriftlich einigten.
• Im Mai 1990 fusionierte die EOP AG mit der Infocall AG.
Sowohl die EOP AG als auch die Infocall AG waren
Tochtergesellschaften der Telecolumbus AG, die ihrerseits
eine Tochtergesellschaft der Motor-Columbus AG war.
• Das «Dispodrom» nahm Anfang Januar 1991 den Betrieb
auf. Bei der Betriebsaufnahme kam es zu einem
Zusammenbruch des EDV-Systems.
• Am 7. Oktober 1994 reichte die Musikvertrieb AG Klage
gegen die Motor-Columbus AG ein, mit dem Begehren, die
Beklagte sei zu verpflichten, CHF 7'081'102 zu bezahlen.
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Beurteilung (siehe auch BGE 124 III 297)
• Das erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten der Muttergesellschaft
kann unter Umständen auch bei Fehlen einer vertraglichen oder
deliktischen Haftungsgrundlage haftungsbegründend sein kann.
• Eine derartige Vertrauenshaftung kommt jedoch nur unter strengen
Voraussetzungen
in
Betracht.
Der
Geschäftspartner
einer
Tochtergesellschaft hat deren Kreditwürdigkeit grundsätzlich selbst zu
beurteilen und kann das Bonitätsrisiko nicht einfach generell auf die
Muttergesellschaft abwälzen. Die Muttergesellschaft hat nicht unbesehen
für den Erfolg des Tochterunternehmens einzustehen und haftet bei
dessen Scheitern den Geschäftspartnern nicht ohne weiteres für allfälligen
Schaden, der ihnen aus dem Misserfolg erwächst.
• Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit
oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird. Eine Haftung
entsteht nur, wenn die Muttergesellschaft durch ihr Verhalten bestimmte
Erwartungen in ihr Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung
erweckt, später aber in treuwidriger Weise enttäuscht.
• Ebensowenig genügen Werbeaussagen, in denen bloss in allgemeiner
Form auf eine bestehende Konzernverbindung hingewiesen wird.
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Beurteilung (siehe auch BGE 124 III 297)
• Als Grundlage für ihr Vertrauen macht die Klägerin geltend, auf
dem Briefpapier der EOP/Infocall AG sei der Hinweis «Ein
Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» aufgedruckt gewesen
und in den Werbeunterlagen sei die EOP/Infocall AG als ein
«schnellwachsendes Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe»
vorgestellt worden.
• Sie durfte jedoch in guten Treuen keine konkreten Zusicherungen
in Bezug auf ein bestimmtes Konzernverhalten der Telecolumbus
AG ableiten.
• Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der vorliegende Fall
nicht mit dem Fall Swissair vergleichen. Dort war die Einbindung
der Tochtergesellschaft in den Konzern der Muttergesellschaft
werbemässig stark herausgestrichen und in den Werbeunterlagen
vor allem auch ausdrücklich zugesichert worden war, dass die
Tochtergesellschaft nach den «gleichen unternehmerischen
Maximen wie ihre Mutter» arbeite und dass der Konzern hinter
dem Tochterunternehmen stehe.
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Abschwächung der Unterschiede
Mitigating the Differences
• Vertragsfreiheit
Contractual freedom
• Aktionäre haften
Shareholders may be liable
– als Verwalter
As managers
– Regress
Recourse
– wenn sie opportunistisch handeln
Shareholder opportunism
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