3. Kompetenzen

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Europarecht I
Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice
Humboldt-Universität zu Berlin
Pflichtvorlesung im Öffentlichen Recht
3. Studiensemester
Wintersemester 2010/11
§ 3 Kompetenzordnung der
EU
Kompetenzordnung
Artikel 3 VI EUV
„Die Union verfolgt ihre Ziele mit
geeigneten Mitteln entsprechend
den Zuständigkeiten, die ihr in den
Verträgen übertragen sind.“
Prinzipien der
Kompetenzordnung
Vermutung für nationale Zuständigkeit : Art. 4 I EUV
Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung : 5 II EUV
Grundsatz der Subsidiarität: Art. 5 III EUV + Prot. (2)
Grundsatz der Verhältnismnäßigkeit: Art. 5 IV EUV
Typen von EU-Kompetenzen
Ausschließliche
Kompetenzen
Art. 2 I
Art. 3 AEUV
Geteilte
Zuständigkeiten
EU - MSt
Art. 2 II
Art. 4 AEUV
Unterstützung,
KoordinieRung,
Ergänzung
Gemeinsame Außen und
Sicherheit
spolitik
Art. 2 V
Art. 6 AEUV
Art. 2 IV
Art. 23 ff. EUV
Koordinierung der Wirtschafts- und
Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten
Art. 2 III. 127 ff., 145 ff. AEUV
Definition von Kompetenzumfang
und Verfahren
Art. 2 VI AEUV: Der Umfang der Zuständigkeiten der
Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung ergeben sich
aus den Bestimmungen der Verträge zu den einzelnen
Bereichen.
Beispiel: Art. 43 II u. III AEUV
(2)
Das Europäische Parlament und der Rat legen
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und
nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses
die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte nach
Artikel 40 Absatz 1 sowie die anderen Bestimmungen fest,
die für die Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen
Agrar- und Fischereipolitik notwendig sind.
Art. 114 I AEUV - Binnenmarkt
(1) Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist,
gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die
nachstehende Regelung. Das Europäische Parlament
und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen
Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des
Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen
zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche
die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts
zum Gegenstand haben.
... Abs. 2 - 10 AEUV
Wahl der Rechtsgrundlage
1. Ziel und Gegenstand des Rechtsakts
2. Bei zwei möglichen Rechtsgrundlagen kommt es an auf die
Verfahrensvorschriften (Einstimmigkeit, EP-Beteiligung)
Gleiche
Verfahren
Doppelte
Rechtsgrundlage
Verschiedene
Verfahren
Gleichgewicht
Schwerpunkt
Wenn kompatibel
Nicht kompatibel
Demokratischeres
Verfahren
Hauptgegenstand
Wahl der Rechtsgrundlage 1
Kriterien nach EuGH Rs. C-301/06 - Vorratsdatenspeicherung:
60 Die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts muss sich nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs auf objektive,
gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu
denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des
Rechtsakts gehören (vgl. Urteil vom 23. Oktober
2007, Kommission/Rat, C-440/05, Slg. 2007,
I-9097, Randnr. 61 - Meeresumwelt).
Wahl der Rechtsgrundlage 2
EuGH, Rs. C-94/03 – Rotterdamer Abkommen
34. Einleitend ist darauf zu verweisen, dass sich die eines gemeinschaftlichen Rechtsakts einschließlich der Wahl der Rechtsgrundlage im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen
Vertrages gewählten nach ständiger Rechtsprechung auf objektive,
gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen muss, zu denen
insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören .
Schwerpunktregel bei zwei möglichen Rechtsgrundlagen:
35. Ergibt die Prüfung eines Gemeinschaftsrechtsakts, dass er
zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und
lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende
ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung
hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen,
und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende
Zielsetzung oder Komponente erfordert.
Wahl der Rechtsgrundlage 3
EuGH, Rs. C-94/03 – Rotterdamer Abkommen, Ls. 2 Abs. 2
• Dazu ist zum einen zu bemerken, dass der gemeinsame Rückgriff auf
die Artikel 133 EG und 175 Absatz 1 EG nicht deshalb
ausgeschlossen ist, weil die für diese beiden Rechtsgrundlagen
vorgesehenen Verfahren unvereinbar wären. Das Rotterdamer
Übereinkommen gehört nämlich nicht zur Kategorie der Abkommen,
die nach Artikel 133 Absatz 5 EG Einstimmigkeit im Rat erfordern, so
dass der zusätzliche Rückgriff auf Artikel 133 EG keine Auswirkungen
auf die im Rat geltenden Abstimmungsregeln haben konnte, da diese
Vorschrift grundsätzlich ebenso wie Artikel 175 Absatz 1 EG vorsieht,
dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließt. Zum anderen ist
der gemeinsame Rückgriff auf die Artikel 133 EG und 175 Absatz 1
EG auch nicht dazu angetan, die Rechte des Parlaments zu
beeinträchtigen, da zwar der erste dieser beiden Artikel in Verbindung
mit Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG die Anhörung dieses
Organs vor dem Abschluss eines Abkommens im Bereich der
Handelspolitik nicht vorsieht, wohl aber der zweite zu diesem
Ergebnis führt.
Insbesondere: Strafrecht
EuGH Rs. C-440/05, Rn. 65 - Meeresumwelt):
Zwar fällt das Strafrecht grundsätzlich ebenso wie das Strafprozessrecht
nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom
11. November 1981, Casati, 203/80, Slg. 1981, 2595, Randnr. 27, vom 16.
Juni 1998, Lemmens, C-226/97, Slg. 1998, I-3711, Randnr. 19, und vom 13.
September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 47), doch kann der
Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn die Anwendung wirksamer,
verhältnismäßiger und abschreckender strafrechtlicher Sanktionen durch die
zuständigen nationalen Behörden eine zur Bekämpfung schwerer
Beeinträchtigungen der Umwelt unerlässliche Maßnahme darstellt, die
Mitgliedstaaten gleichwohl zur Einführung derartiger Sanktionen verpflichten,
um die volle Wirksamkeit der von ihm in diesem Bereich erlassenen
Rechtsnormen zu gewährleisten.
Hat sich das geändert ?
Art. 83 II iVm. Art 76 AEUV (dazu BVerfGE 123, 267 Lissabon, Rn. 253, 352 ff.)
Grenzen der EU-Kompetenz: Identitätsund Rücksichtnahmeklausel
Art. 4 II EUV
Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den
Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren
grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen
Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen
Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die
grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die
Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz
der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale
Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der
einzelnen Mitgliedstaaten.
Problem 1 Aushöhlung nationaler
Zuständigkeiten
BVerfGE 89, 155 (172 f.) - Maastricht
„Der Beschwerdeführer trägt unter Berufung auf Einschätzungen des Präsidenten der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften Delors (Rede ...) und des Mitgliedes der
Kommission Bangemann (in: ...) vor, dass schon bisher nahezu
80 % aller Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts durch
das Gemeinschaftsrecht festgelegt und nahezu 50 % aller
deutschen Gesetze durch das Gemeinschaftsrecht veranlasst
seien. Der Unions-Vertrag erweitere nunmehr diese
Kompetenzen des Rates als exekutives Legislativorgan
wesentlich und nehme dem Deutschen Bundestag weitgehend
Entscheidungskompetenzen.“
Anders: Töller, ZParl 2008, 3: ca. 40 % der Gesetze mit „EUImpulsen.“
Kompetenzordnung: Lösung ?
BVerfGE 123, 267 – Lissabon u.a.
Rn. 351: „Für die Beurteilung der Rüge einer verfassungswidrigen Entleerung der Aufgaben des Deutschen
Bundestages kann dahinstehen, wie viele mitgliedstaatliche
Gesetzgebungsakte bereits europäisch beeinflusst, präformiert
oder determiniert sind (vgl. zuletzt Hoppe, Die Europäisierung
der Gesetzgebung: Der 80-Prozent-Mythos lebt, EuZW 2009, S.
168 f.). Es kommt für die verfassungsrechtliche Beurteilung der
Rüge nicht auf quantitative Relationen, sondern darauf an, dass
der Bundesrepublik Deutschland für zentrale Regelungs- und
Lebensbereiche substantielle innerstaatliche
Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben.
Problem 2: Flexibilitätsklausel Art. 352 AEUV
(1) Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten
Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und sind
in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der
Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des
Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften. Werden diese Vorschriften vom
Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen, so beschlie゚t er
ebenfalls einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des
Europäischen Parlaments.
(2) Die Kommission macht die nationalen Parlamente im Rahmen des Verfahrens zur
Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach Artikel 5 Absatz 3 des
Vertrags über die Europäische Union auf die Vorschläge aufmerksam, die sich auf
diesen Artikel stützen.
(3) Die auf diesem Artikel beruhenden Maßnahmen dürfen keine Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den Fällen beinhalten, in denen die Verträge
eine solche Harmonisierung ausschließen.
(4) Dieser Artikel kann nicht als Grundlage für die Verwirklichung von Zielen der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik dienen, und Rechtsakte, die nach diesem
Artikel erlassen werden, müssen innerhalb der in Artikel 40 Absatz 2 des Vertrags über
die Europäische Union festgelegten Grenzen bleiben.
Lösung: BVerfGE 123, 267 – Lissabon ?
Rn. 236: „Art. 352 AEUV begründet nicht nur eine Handlungszuständigkeit für die Europäische Union, sondern lockert zugleich
das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Denn ein
Tätigwerden der Europäischen Union soll in einem vertraglich
festgelegten Politikbereich auch dann möglich sein, wenn eine
konkrete Zuständigkeit nicht vorhanden, ein Tätigwerden der
Europäischen Union aber erforderlich ist, um die Ziele der
Verträge zu erreichen“ (Art. 352 Abs. 1 AEUV).
Rn. 327: „Die Vorschrift kann also dazu dienen, im nahezu gesamten Anwendungsbereich des Primärrechts eine Zuständigkeit
zu schaffen, die ein Handeln auf europäischer Ebene ermöglicht.
Rn. 417: „Soweit von der Flexibilitätsklausel in Art. 352 AEUV
Gebrauch gemacht werden soll, erfordert dies jeweils ein Gesetz
im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG.“
Schutz der nationalen Zuständigkeiten
und Handlungsspielräume im
Vertragsrecht
1: Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeit
2: Negativabgrenzungen im Vertrag selbst
3. Opt-out Regelungen - Ungleichzeitigkeit ?
4. Identitätsklage vor dem EuGH ?
5. Nationale Verfassungsgerichte ?
Ansatz 1
Subsidiarität/Verhältnismäßigkeit
Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV-Lissabon
Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem
Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität
und der Verhältnismäßigkeit an. Die nationalen Parlamente
achten auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach dem in
jenem Protokoll vorgesehenen Verfahren.
Protokoll Nr. 2: „Frühwarnmechanismus“
Artikel 6: „Die nationalen Parlamente oder die Kammern eines
dieser Parlamente können binnen acht Wochen nach dem Zeitpunkt der Übermittlung eines Entwurfs eines Gesetzgebungsakts
... in einer begründeten Stellungnahme ... darlegen, weshalb der
Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip
vereinbar ist.“ (...)
Subsidiarität/Verhältnismäßigkeit
Subsidiaritätsklage vor dem EuGH
Artikel 8 Protokoll Nr. 2: „Der Gerichtshof der Europäischen Union
ist für Klagen wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts gegen das
Subsidiaritätsprinzip zuständig, die nach Maßgabe des Artikels 263
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union von
einem Mitgliedstaat erhoben oder entsprechend der jeweiligen
innerstaatlichen Rechtsordnung von einem Mitgliedstaat im Namen
seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses
Parlaments übermittelt werden.“
Art. 23 Ia GG: „Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht,
wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsaktes der Europäischen
Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Europäischen
Gerichtshof Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag
eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet...“
Lösungsansatz 2: Negativabgrenzung
Grundsätze
I. Art. 4 II 2 EUV : Identitätsklausel
Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere
die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit.
Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige
Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.
Art. 2 V 2 AEUV Zum Bereich der Koordinierungs- und ergänzenden
Kompetenzen:
Die verbindlichen Rechtsakte der Union, die aufgrund der diese
Bereiche betreffenden Bestimmungen der Verträge erlassen
werden, dürfen keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten beinhalten.
Negativabgrenzung Beispiel
Artikel 167 AEUV
(1) Die Union leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen
der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und
regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des
gemeinsamen kulturellen Erbes.
...
(5) Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels
erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem
ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung
des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter
Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.
- erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission
Empfehlungen.
Negativabgrenzung weitere Fälle
Art. 72 AEUV: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Schutz
der inneren Sicherheit
Art. 77 IV AEUV: Dieser Artikel berührt nicht die Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten für die geografische Festlegung ihrer Grenzen nach dem
Völkerrecht.
Art. 88 III AEUV: Anwendung von Zwangsmaßnahmen bleibt
ausschließlich Sache der einzelstaatlichen Behörden
Art. 153 Abs. 5 AEUV: Kompetenz gilbt nicht für “das Arbeitsentgelt, das
Koalitionsrecht, das Streikrecht und das Aussperrungsrecht”
Art. 165 I AEUV: Achtung der Verantwortung der MSt. Für die
„Lehrinhalte“ “Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen“, + Abs. 4
Art. 167 I AEUV: Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaten, Wahrung
der Vielfalt... + Abs. 5: Ausschluss der Harmonisierung
Art. 168 VII AEUV: Verantwortung der MSt. Für Organisation des
Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung, Abs. 5:
Blutspende und Verwendung von Organen.
Lösungsansatz 3: Ungleichzeitigkeit
1. Wirtschafts- und Währungsunion: Art. 139 ff. AEUV
und Protokolle Nr. 15-18: UK, Dänemark, Frankreich
2. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
a.
Protokoll Nr. 19: Schengen-Besitzstand. Fortentwicklung durch
verstärkte Zusammenarbeit von 25 Mitgliedstaaten
b.
Protokoll Nr. 20: Ausnahme zu Binnenmarkt für UK und Irland betreffend
Personenkontrollen
Protokoll Nr. 21: Opt-out UK und Irland zum RFSR
Protokoll Nr. 22: Position Dänemarks: Opt-out zum RFSR
c.
d.
3. Charta der Grundrechte
a.
Protokoll Nr. 30: in UK und Polen
b.
Europäischer Rat v. Oktober 2009 : Protokoll über die Erstreckung von
Protokoll Nr. 30 auf Tschechien
Lösungsansatz 4: Identitätsklage vor
dem EuGH
1. Identitätsklausel des Art. 4 II EUV: justiziable Rechtsnorm
2. Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflichten nach Art. 4 III
EU-L: „achten und unterstützen sich die Union und die
Mitgliedstaaten gegenseitig...“
3. Zuständigkeit des EuGH bzw. des EuG für
a. Direktklagen nach Art. 263 AEUV
b. Prüfung der Gültigkeit von Rechtsakten im
Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV
Ansatz 5: Mitverantwortung der
Nationalen Verfassungsgerichte
1. Begründungsversuche
a. Souveränität der Mitgliedstaaten als Herren der Verträge
b. Vorrang der Verfassung - abgeleitete Geltung des europäischen
Rechts (Brückentheorie)
2. Gegenargumente:
a. Vorrang des europäischen Rechts (Gleichheit vor dem Gesetz)
b. Zuständigkeit des EuGH (Art. 263, 267, 274 AEUV)
c.
Funktionsfähigkeit der Europäischen Union
d. „Not-Kompetenz“ nur im System der gegenseitigen
Verfassungsstabilisierung (Art. 2 EUV, Art. 23 I GG)
3. Pluralistischer Ansatz: Mitverantwortung der obersten Gerichte im
europäischen Verfassungsverbund. Im Erg. ähnl. Di Fabio FAZ
21.10.10
Artikel 263 AEUV
„... Zu diesem Zweck ist der Gerichtshof für Klagen zuständig,
die ... wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher
Formvorschriften, Verletzung dieses Vertrags oder einer bei
seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen
Ermessensmissbrauchs erhebt.“
BVerfGE 89, 155 – Maastricht
„Dementsprechend prüft das Bundesverfassungsgericht,
ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und
Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten
Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen...“
Artikel 274 AEUV
„... Soweit keine Zuständigkeit des Gerichtshofs der
Europäischen Union aufgrund der Verträge besteht, sind
Streitsachen, bei denen die Union Partei ist, der
Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte nicht
entzogen.
BVerfGE 2 BvE 2/08 u.a. – Lissabon Ls. 4
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Organe und
Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unionsrechtlichen
Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 des
Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon
<EUV-Lissabon>) in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten
Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten... Darüber hinaus prüft das
Bundesverfassungsgericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität
des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG
gewahrt ist...“
BVerfGE 2 BvE 2/08 u.a. – Lissabon Ls. 4
Die Ausübung dieser verfassungsrechtlich radizierten
Prüfungskompetenz folgt dem Grundsatz der
Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, und sie
widerspricht deshalb auch nicht dem Grundsatz der loyalen
Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV); anders können die von
Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV anerkannten grundlegenden
politischen und verfassungsmäßigen Strukturen souveräner
Mitgliedstaaten bei fortschreitender Integration nicht gewahrt
werden. Insoweit gehen die verfassungs- und die
unionsrechtliche Gewährleistung der nationalen
Verfassungsidentität im europäischen Rechtsraum Hand in
Hand.