Was tun, wenn die Arbeit nicht mehr zu schaffen ist?

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Transcript Was tun, wenn die Arbeit nicht mehr zu schaffen ist?

Was tun, wenn die Arbeit
nicht mehr zu schaffen ist?
Mein Arbeitsvertrag verpflichtet
mich zur Erbringung einer in ihm
bestimmten Dienstleistung!
§611 BGB: Vertragstypische Pflichten
beim Dienstvertrag: (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste
zusagt, zur Leistung der versprochenen
Dienste, der andere Teil zur Gewährung
der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Nebenpflichten aus dem
Arbeitsvertrag
§ 241 BGB (2) Pflichten aus dem Schuldverhältnis: Das Schuldverhältnis kann nach
seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die
Rechte, Rechtsgüter und Interessen des
anderen Teils verpflichten.
§ 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben: Der
Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu
bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte es erfordern.
Was bedeutet das?
Beschäftigte sind verpflichtet, im Rahmen
ihrer Möglichkeiten die Arbeitsleistung zu
erbringen und den Arbeitgeber vor Schaden
zu bewahren.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, im Rahmen
seiner Möglichkeiten die Arbeitsbedingungen
zum Wohle der Beschäftigten zu gestalten
und diese vor Schaden zu bewahren.
Mein Arbeitgeber legt den
Rahmen für die Erbringung
meiner Arbeitsleistung fest!
§618 BGB: Pflicht zu Schutzmaßnahmen (1)
Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur
Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so
einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder
seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln,
dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben
und Gesundheit soweit geschützt ist, als die
Natur der Dienstleistung es gestattet.
Dann brauche ich mir keine
Gedanken zu machen?
§15 ArbSchG: Pflichten der Beschäftigten
(1) Die Beschäftigten sind verpflichtet,
• nach ihren Möglichkeiten sowie
• gemäß der Unterweisung und
• Weisung des Arbeitgebers
für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der
Arbeit Sorge zu tragen.
§15 ArbSchG, Abs.1,Satz 2
Entsprechend Satz 1 haben
die Beschäftigten
auch für die Sicherheit und Gesundheit der
Personen zu sorgen, die von ihren
Handlungen oder Unterlassungen bei
der Arbeit betroffen sind.
Deliktische Haftung
Im Falle einer Schädigung uns anvertrauter
Personen durch vorsätzliches oder
fahrlässiges Verhalten bleibt immer eine
mögliche zivilrechtliche Haftung des/der
Beschäftigten gegenüber dieser!
Kann ich mich schützen?
§16 ArbSchG: Besondere Unterstützungspflichten (1) Die Beschäftigten haben dem
Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare
erhebliche Gefahr für die Sicherheit und
Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen
festgestellten Defekt unverzüglich zu melden.
Was passiert, wenn mir ein
Fehler unterläuft?
§6 TV AWO NRW: (2) Außerhalb der Teilnahme
am Straßenverkehr haften die Beschäftigten für
eine nur leicht fahrlässige Verletzung ihrer
Arbeitsverpflichtungen ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht. Für eine weitergehend fahrlässige
Verletzung ihrer Arbeitsverpflichtungen haften
die Beschäftigten dem Arbeitgeber gegenüber
bis zur Hälfte des entstandenen Schadens,
maximal jedoch in Höhe von zwei regelmäßigen
Bruttomonatsentgelten.
weitergehend fahrlässig –
was heißt das?
leichte Fahrlässigkeit: geringfügige, leicht
entschuldbare Pflichtwidrigkeit (sich vertun)
mittlere Fahrlässigkeit: die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht lassen (der
Schaden wäre mit Sorgfalt vermeidbar
gewesen)
grobe Fahrlässigkeit: die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem
Maße unbeachtet lassen (jedem hätte zur
Schadensabwehr die Beachtung einleuchten
müssen)
Vorsatz: der Schaden wird vorausgesehen und
in Kauf genommen
Was sagt das Gesetz?
§276 BGB Verantwortlichkeit des Schuldners:
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit
zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere
Haftung weder bestimmt noch aus dem
sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses...zu
entnehmen ist.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem
Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Kann der Arbeitgeber das
verlangen?
§280 BGB Schadenersatz wegen
Pflichtverletzung: (1) Verletzt der
Schuldner eine Pflicht aus dem
Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger
Ersatz des hierdurch entstehenden
Schadens verlangen.
Auch, wenn die
Rahmenbedingungen
verantwortlich waren?
§280 BGB: (1) Satz 2; Dies gilt nicht,
wenn der Schuldner die Pflichtverletzung
nicht zu vertreten hat.
§ 619a BGB Beweislast bei Haftung des
Arbeitnehmers:
Abweichend von §280 Abs.1 hat der
Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für
den aus der Verletzung einer Pflicht aus
dem Arbeitsverhältnis entstandenen
Schaden nur zu leisten, wenn er die
Pflichtverletzung zu vertreten hat.
Wann muss ich
Schadensersatz leisten?
§ 823 BGB Schadensersatzpflicht:
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den
Körper, die Gesundheit, das Eigentum oder ein
sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich
verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des
daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen,
welcher gegen ein den Schutz eines anderen
bezweckenden Gesetzes verstößt.
Schaden kann entstehen durch
sogenannte Schlechtleistung!
Im Gegensatz zur Nichtleistung ist die
Schlechtleistung eine Verletzung
arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, wie
mangelnde Sorgfalt oder Nichteinhaltung
von Sicherheitsvorschriften.
Folgen können sein: Verpflichtung zum
Schadensersatz und/oder arbeitsrechtliche
Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung
Wie kann ich Fehler durch
organisatorische Mängel
verhindern?
Wenn organisatorische Mängel oder
Defekte an Schutzsystemen zu einer
Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit
führen können und diese nicht von mir
beseitigt werden können, bin ich verpflichtet, diese unverzüglich dem Arbeitgeber schriftlich zu melden.
Wie mache ich das formal?
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Ich stelle eine schriftliche Anzeige, die
eine Beschreibung der gefährdenden
Situation,
die möglichen negativen Folgen,
die selbst unternommenen Maßnahmen zur
Beendigung der Situation und
die Aufforderung, Mängel zu beseitigen
enthält;
die so genannte
Entlastungsanzeige
oder „Überlastungsanzeige“
ein Begriff aus dem Arbeitsrecht, der
nirgends näher definiert ist.
Bei wem stelle ich die Anzeige?
Bei der Stellung der Entlastungsanzeige
ist darauf zu achten, dass der Dienstweg
eingehalten wird. Sie ist also bei der/dem
unmittelbar Vorgesetzten einzureichen.
Erst wenn diese/r keine Anstrengungen
unternimmt, die Situation zu verändern,
sollte der weitere Weg (Hierarchie höher
hinauf oder Arbeitsschutzbehörde) beschritten werden.
Der Arbeitgeber
• kann nur dann Maßnahmen zur Änderung
ergreifen und
• kann nur dann seiner Verantwortung
nachkommen,
wenn er über vorhandene Mängel informiert
ist.
Bin ich dann aus der Pflicht
entlassen?
Nein! Die Verpflichtung zu größtmöglicher
Sorgfalt in der auszuübenden Tätigkeit bleibt
auch nach Stellen einer Entlastungsanzeige
bestehen. Es ist weiterhin alles zu tun, um
Gefahr für Gesundheit und Leben der
Anvertrauten abzuwenden. Bei Handlung nach
bestem Vermögen in der Rahmensituation, in
der ich mich befinde, kann mir aber ein durch
diese Situation verursachter Fehler nicht
angelastet werden.
Stehe ich dann alleine als
Anzeigende/r?
Nein! Eine Entlastungsanzeige kann
individuell von mir alleine gestellt werden,
aber auch gemeinsam mit Kolleginnen
und Kollegen aus meinem Tätigkeitsbereich.
Der Betriebsrat sollte immer mit eingebunden werden. Er hat beim Arbeitsschutz mitzubestimmen und meine Rechte
zu vertreten.
Gilt das nur bei Gefahr für
Gesundheit und Leben?
Wenn ich durch organisatorische Mängel (personelle
Besetzung, zeitlicher Rahmen) die Arbeiten, die in
meinem Aufgabenbereich liegen (Stellenbeschreibung)
nicht vollständig erledigen kann, steht mir das
Instrument der Entlastungsanzeige ebenso zur
Verfügung wie für gefährliche Situationen. Ich muss
deutlich machen, dass die Rahmenbedingungen es mir
nicht möglich machen, meinen Pflichten in vollem
Umfang nachzukommen. Damit verhindere ich eine mir
zur Last zu legende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung,
die zur Abmahnung oder im schlimmsten Falle zur
Kündigung führen kann.
die Entlastungsanzeige kann auch eine
Anzeige über Qualitätsanforderungen
(in der Betreuung oder in der Pflege)sein
oder eine
Anzeige zur Erhaltung der Qualitätsstandards
Was muss rein in die Anzeige?
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Datum der Feststellung
Name(n) des/der Anzeigenden
Betroffene Einrichtung
Konkrete Beschreibung der Situation in
dem Arbeitsbereich
5. Anzahl der zu betreuenden Personen
6. Notwendige Besetzung und tatsächliche
Anzahl des Personals
7. Benennung der konkreten
Überlastungsmerkmale
8. Dienstliche Folgen aus der Situation
9. Persönliche Folgen aus der Situation
10. Aufzählung der Arbeiten, die nicht
erledigt werden können oder vorrangig
vorgenommen werden
11. Evtl. vorheriger ergebnisloser Hinweis
12. Begehren der unverzüglichen Abhilfe
durch den Arbeitgeber
Die Unterschrift darf natürlich nicht fehlen.
Bei kollektiven Anzeigen die Unterschrift all
derjenigen, die sie stützen.
Hinweis
unsere Gewerkschaft ver.di hat eine sehr
gute Broschüre zum Thema erstellt:
„Die Überlastungsanzeige im Bereich der
Pflege und sozialen Dienstleistungen“
erschienen bei ver.di b+b
Bildung +Beratung gGmbH