12.Erlöschen des SchV III

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Transcript 12.Erlöschen des SchV III

Schuldrecht AT, 19.05.2014
PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
II. Die Aufrechnung (§ 387ff BGB)
3. Voraussetzungen einer wirksamen
Aufrechnung
• Aufrechnungslage
– Gegenseitige Forderungen
– Gleichartige Forderungen
– Durchsetzbarkeit der Gegenforderung
– Erfüllbarkeit der Hauptforderung
• Aufrechnungserklärung
• Kein Ausschluss der Aufrechnung
c. Kein Ausschluss der Aufrechnung
i. Vertraglicher Ausschluss
• Die Parteien können grundsätzlich frei ein
Aufrechnungsverbot vereinbaren.
• Bei ausdrücklicher Vereinbarung von Leistungszeit und Leistungsort wird ein Aufrechnungsverbot mit einer an einem anderen Ort zu erfüllenden Forderung vermutet (§ 391 Abs. 2 BGB).
• Aufrechnungsverbote in AGB nach
§ 309 Nr. 3 BGB unwirksam, wenn auch
unbestrittene/titulierte Forderungen erfasst.
• Vertragliches Aufrechnungsverbot kann auch
nach § 242 BGB unwirksam sein.
ii. Gesetzlicher Ausschluss
• § 392 BGB: Wenn die Hauptforderung gepfändet
wird, ergeht ein Erfüllungsverbot an den Schuldner
(§ 829 I 1 ZPO); die Forderung soll dem Pfändungsgläubiger erhalten bleiben. § 392 BGB erstreckt das
Erfüllungsverbot auf die Aufrechnung, wenn nicht
schon vorher Aufrechnungslage bestand.
• § 394 BGB: Pfändungsgrenzen sollen nicht durch
Aufrechnung unterlaufen werden.
• § 393 BGB: Aufrechnungsverbot, wenn
Hauptforderung aus einer vorsätzlichen
unerlaubten Handlung.
Grund: Ausschluss der Privatrache.
Beispiel (BGH, NJW 2009, 3058):
A und B sind sehr diskussionsfreudig und setzen dabei
gerne auf schlagkräftige Argumente. Als sie sich einmal nach einem Fußballspiel begegnen, kommt es zu
einer Auseinandersetzung mit Folgen. A trägt einen
Kieferbruch und B eine Gehirnerschütterung davon.
Die Heilungskosten des A belaufen sich auf 2300 €,
die A von B verlangt. B erklärt die Aufrechnung mit
einem eigenen Ersatzanspruch wegen materieller und
immaterieller Schäden gegen A wegen der Gehirnerschütterung. Ist die Aufrechnung wirksam?
M.M.: teleologische Reduktion des § 393 BGB bei
zwei Forderungen wegen vorsätzlicher unerlaubter
Handlungen aus einem einheitlichen Lebensvorgang.
III. Weitere Erlöschenstatbestände
1. Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf
Wenn der Schuldner erfüllen möchte, dies aber aus
Gründen nicht kann, die dem Risikobereich des Gläubigers zuzurechnen sind, muss ihm die Möglichkeit
gegeben werden, sich von seiner Schuld zu befreien.
Beispiel:
A ist im Oktober 2012 zu einer Weltreise aufgebrochen. Sein Auto hat er deshalb für ein halbes Jahr an
seinen Kumpel K vermietet. Nun ist A aber nicht wie
geplant Ostern zurückgekommen und lässt auch
weiter nichts von sich hören. K braucht das Auto nicht
mehr und will es eigentlich nur noch los sein. Was
kann er tun?
a. Grundideen
• Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf nach
§§ 372 ff. BGB als gesetzliche Erfüllungssurrogate
• §§ 372 ff. BGB greifen jedoch nur ein, wenn eine
bewegliche Sache geschuldet wird.
– Schuldner hinterlegt die Sache bzw. den Erlös aus
ihrem Verkauf bei einer öffentlichen Stelle
zugunsten des Gläubigers
– Gläubiger kann die Sache abholen, Schuldner wird
von seiner Verbindlichkeit befreit
• Kein vergleichbares Erfüllungssurrogat bei Werkund Dienstverträgen.
• § 303 BGB bei Pflicht zur Herausgabe von
Grundstücken
b. Voraussetzungen der Hinterlegung
§ 372 BGB. Voraussetzungen.
1Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden
sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei
einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für
den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger
in Verzug der Annahme ist. 2Das Gleiche gilt,
wenn der Schuldner aus einem anderen in der
Person des Gläubigers liegenden Grund oder
infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit
beruhenden Ungewissheit über die Person des
Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht
mit Sicherheit erfüllen kann.
i. Hinterlegungsfähigkeit des Gegenstands
• Hinterlegungsstellen iSd § 374 Abs. 1 BGB sind
die Amtsgerichte (siehe etwa § 1 II HambHintG).
Diese können kein Warenlager unterhalten.
• Hinterlegungsfähig sind daher nur
– Geld (auch ausländische Zahlungsmittel)
– Wertpapiere (Urkunden, bei denen der Besitz
Voraussetzung für die Ausübung des Rechts ist)
– Sonstige Urkunden
– Kostbarkeiten (bewegliche Sachen, deren Wert im
Vergleich zu ihrem Umfang und Gewicht
besonders hoch ist)
• Anders nur bei Kaufleuten (§ 373 HGB).
Beispiel:
Der reiche E war ein großer Baselitzfan. Als er bei
dem Kunsthändler K ein großformatiges Gemälde
„Drei auf dem Kopf stehende Kreise in Schwarz-rotgold“ entdeckte, war er sogleich hin und weg und
schloss mit dem K einen Kaufvertrag über das Bild
ab, das er auch sogleich bezahlte. Die Aufregung war
jedoch zuviel für sein schwaches Herz, und daher
verschied E noch am selben Tag. Auch in seiner
Erbordnung stand einiges auf dem Kopf, und so gibt
es jede Menge Erbprätendenten, die es auf die
Kunstsammlung des E abgesehen haben. K wäre das
riesige Baselitzbild gerne los und möchte es deshalb
zugunsten des Erben des E hinterlegen. Geht das?
i. Hinterlegungsgründe
Hinterlegung ist nur in bestimmten Fällen zulässig:
• § 372 S. 1 BGB: Bei Annahmeverzug des Gläubigers
(§§ 293 ff. BGB)
• § 372 S. 2 1. Fall BGB: Der Schuldner kann seine
Verbindlichkeit aus einem anderen sich auf die
Person des Gläubigers beziehenden Grund nicht
oder nicht mit Sicherheit erfüllen.
Beispiel: unbekannter Aufenthalt, kein gesetzlicher
Vertreter bei Minderjährigen, Verschollenheit
• § 372 S. 2 2. Fall BGB: Erfüllung nicht oder nicht
mit Sicherheit möglich, aufgrund einer nicht auf
Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis des
Gläubigers.
Beispiel:
V betreibt eine Tanzschule in der Studentenstadt F.
Vor dem Eingang der Tanzschule hat V eine Reihe
Fahrradständer aufgestellt. Einige dieser Ständer
werden von Dauerparkern blockiert. Nachdem
diese auf einen schriftlichen Aushang nicht reagiert
hatten, in dem V sie zum Entfernen der Räder
aufrief, entfernt V die Räder von den Ständern. Er
überlegt nun, was er mit den Rädern anfangen
kann. Was raten Sie dem V?
c. Selbsthilfeverkauf
• Bei nichthinterlegungsfähigen Gegenständen
Versteigerung und Hinterlegung des Erlöses
– im Annahmeverzug des Gläubigers
(§ 383 Abs. 1 S. 1 BGB)
– bei Unmöglichkeit oder Unsicherheit der Erfüllung
wegen eines in der Person des Gläubigers
liegenden Grundes oder einer nicht fahrlässigen
Ungewissheit über den Gläubiger und drohendem
Verderb der Sache oder unverhältnismäßigen
Kosten der Aufbewahrung (§ 383 Abs. 1 S. 2 BGB)
• Anspruch wandelt sich durch Versteigerung analog
§ 1247 BGB in Geldzahlungsanspruch um.
d.Rücknahmerecht und Wirkung der Hinterlegung
• Grundsätzlich hat der Schuldner ein
Rücknahmerecht (§ 376 I BGB)
• Ausnahmefälle in § 376 II BGB geregelt (wichtigster
Fall: Verzicht auf Rücknahmerecht).
• Wirkung der Rücknahme
– Bei bestehendem Rücknahmerecht (§ 379 BGB):
Schuldner kann Gläubiger wegen der Leistung auf die
hinterlegte Sache verweisen; Gläubiger trägt die
(Gegenleistungs-)Gefahr, Schuldner braucht keine
Zinsen oder Nutzungsersatz zu leisten.
– Bei ausgeschlossenen Rücknahmerecht (§ 378 BGB):
Hinterlegung wirkt wie Erfüllung
2. Erlass
§ 397 BGB. Erlassvertrag, […]
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger
dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.
• Der Erlass ist im BGB als Vertrag geregelt, ein
einseitiger Verzicht auf eine Forderung ist nach
h.M. nicht möglich.
Beispiel 1 (BGH, NJW 1983, 3203 ff.):
Der Rechtsanwalt R hatte aus verschiedenen
Mandaten insgesamt Forderungen in Höhe von 7000
Euro gegen den A. In einer Rechnung machte er „aus
Kulanz nur 6000 €“ geltend. A sah indes auch diese
Forderung als übertrieben an und weigerte sich zu
zahlen. Nun will R doch den vollen Betrag. Zurecht?
Beispiel 2:
A hat gegenüber B eine Forderung, die zum
31.12.2012 verjährt ist. Die Geschäftsbeziehungen
zwischen A und B waren lange Jahre sehr gut und
man berief sich nicht auf Einreden. Nun hat sich das
Klima eingetrübt. Um es wieder zu verbessern,
schrieb B dem A im Februar, dass er auf die Einrede
der Verjährung verzichte. A antwortete jedoch nicht
und erhob stattdessen Klage wegen dieser und
weiterer Forderungen. Der enttäuschte B will sich im
Prozess nun doch auf Verjährung berufen. Zurecht?
• Nach h.M. soll ein einseitiger Verzicht auf
Einreden möglich sein (arg. ex § 768 Abs. 2 BGB)
• Dies soll auch für Gestaltungsrechte gelten
• Das Zustandekommen eines Erlassvertrags ist
stets sorgfältig nach allgemeinen Grundsätzen zu
prüfen.
Beispiel (BGH NJW 2001, 2324):
M war Mieter in einem Einkaufszentrum des V. Im Laufe
der Zeit sind Mietschulden von ca. 70.000 € aufgelaufen. V erhebt deswegen Klage gegen M. Während
des Prozesses schickt M dem V einen Brief mit einem
Scheck über 1000,- € und folgendem Text: „Zur gütlichen endgültigen Erledigung der Angelegenheit überreiche ich Ihnen hiermit einen Scheck über 1000,- €. Zu
mehr bin ich leider nicht in der Lage. Eine Antwort erwarte ich nicht, da so wohl alles geregelt ist“. V findet
M reichlich unverschämt, löst den Scheck aber trotzdem ein. Ist der Anspruch des V damit untergegangen?
• Der Erlass ist ein Verfügungsvertrag und als
solcher abstrakt.
• Dem Erlass kann ein Rechtsgrund (ein
Kausalverhältnis) unterlegt werden, bei dessen
Fehlen oder Unwirksamkeit ein Anspruch nach §
812 I 1 1.Fall BGB auf Wiederbegründung der
Forderung besteht.
Beispiel:
A hatte sich bei seinem Freund F 5000 € für ein neues
Auto geliehen. Als A bald darauf heiratet, will der F ihm
ein großzügiges Geschenk machen und schenkt ihm
deshalb eine Urkunde, in der er dem A die Schuld
erlässt. A nimmt die Urkunde freudig entgegen. Als sich
A und F bald darauf zerstreiten, will F die 5000 € doch
zurückhaben. Zurecht?
3. Negatives Schuldanerkenntnis
Erscheinungsformen von Schuldanerkenntnissen:
• „Positive“ und „negative“ Schuldanerkenntnisse
Positive Schuldanerkenntnisse:
• Konstitutives Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB):
Das Anerkenntnis soll unabhängig von der
bestehenden Schuld eine neue selbständige
Verpflichtung schaffen, auch wenn der
ursprüngliche Anspruch nicht (mehr) besteht.
• Deklaratorisches Schuldanerkenntnis: Das
Anerkenntnis soll eine bereits bestehende
Schuld nur bestätigen und bestehende Zweifel
über Grund und Umfang außer Streit stellen.
§ 397 BGB […], negatives Schuldanerkenntnis.
[…] (2) Das gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch
Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das
Schuldverhältnis nicht bestehe.
• Auch negatives Schuldanerkenntnis als konstitutives (vernichtendes) und deklaratorisches
(bestätigendes) Anerkenntnis möglich, aber
Unterscheidung ohne praktische Relevanz
• Große praktische Bedeutung von neg.
Anerkenntnissen, etwa bei Abrechnungen,
Quittungen usw.
• Auch negatives Schuldanerkenntnis ist ein
Vertrag, der formlos wirksam ist
• Negatives Schuldanerkenntnis ist ein Vertrag mit
dinglicher Wirkung und abstrakt
• Schuldverhältnis erlischt auch dann, wenn es
noch bestand, aber die Parteien irrtümlich
annahmen, es sei bereits erloschen (dann aber
u.U. Anspruch des Gläubigers nach § 812 II BGB)
Beispiel (LG Hamburg, ZMR 1999, 405):
M lebte lange Jahre zur Miete in einem Haus des V und
hatte seine Wohnung recht bunt in abstrakter Formgebung veredelt. Zum 31.12.2012 kündigte M das Mietverhältnis und übergab die Wohnung dem Verwalter W
des V. W notierte die ungewöhnliche Gestaltung der
Wohnung nicht in seinem Abnahmeprotokoll. Als V die
Wohnung sieht, ist er empört und will Ansprüche gegen
M geltend machen. Geht das noch?
4. Konfusion
• Konfusion: Gläubiger und Schuldnerstellung
fallen durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge
in einer Person zusammen.
• Konsolidation: Inhaber eines Rechts und durch
das Recht Belasteter fallen in einer Person
zusammen (näheres im Sachenrecht).
• Wirkung der Konfusion: Erlöschen der
Forderung, da niemand sein eigener Schuldner
sein kann (BGHZ 48, 214, 218; 115, 116, 122).
• Ausnahme: rechtlich geschützte bzw.
schützenswerte Interessen Dritter stehen einem
Erlöschen entgegen.
Beispiel:
W war einst wohlhabend und zu dieser Zeit recht
spendabel. So schenkte er seinem besten Freund F
im Jahr 2000 ein Grundstück und setzte ihn zudem
als Alleinerben ein. Aufgrund diverser öffentlicher
und privater Finanzkrisen verlor W allerdings sein
Vermögen und musste schließlich ab 2007 Hartz IV
beziehen. Diese Kränkung brach sein Herz und so
verstarb er allzu jung im Jahre 2011. Der Träger der
Sozialhilfe hat nun nach einiger Recherche die
Schenkung des Grundstücks an F herausgefunden
und möchte wissen, ob ein etwaiger Rückforderungsanspruch des W noch auf ihn übergeleitet
werden kann (§ 90 BSHG)?
Literaturhinweise:
• Bosak, Konfusion, JA 2009, 596-600
• Fest, Die Hinterlegung zum Zweck der
Sicherheitsleistung und der Erfüllung, JA 2009,
258-263
• Löhnig/Fischinger, Bitte zählen Sie Ihr
Wechselgeld nach, spätere Reklamationen
können nicht berücksichtigt werden, JuS 2007,
512-513
• Wacke, Die Konfusion: Schuldtilgungsgrund oder
bloßer Wegfall der Klagbarkeit?, in: FS Medicus,
2009, 543 ff.
• Wellenhofer-Klein, Das Schuldanerkenntnis:
Erscheinungsformen und Abgrenzungskriterien,
Jura 2002, 505-512