Transcript Beispiel

Gliederung
1. Erfüllung und Surrogate
- Bewirkung der Leistung
- Erlass
- Aufrechnung
2. Drittbeteiligung am
Schuldverhältnis
- Abtretung
- Personenmehrheiten
3. Leistungsverzögerung
- Erfüllungsanspruch
- Rücktritt
- Schadensersatz statt der
Leistung
4. Leistungsbehinderung
5. Schuldner- und
Gläubigerverzug
6. Haftung wegen
Rücksichtspflichtverletzung
und Drittwirkung des Vertrags
- „Positive Vertragsverletzung“
- culpa in contrahendo
- Vertrag mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter und
Drittschadensliquidation
7. Widerrufsrechte
8. Vorformulierte
Geschäftsbedingungen
Erfüllung und Surrogate
Bewirkung der Leistung –
Erlass – Aufrechnung
Die Erfüllung einer Schuld …
… begründet eine Einwendung gegen den Anspruch des
Gläubigers (§ 362 Abs. 1 BGB).
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei
chinesische Vasen desselben Typs. Er einigt sich mit V
darauf, dass dieser eine der Vasen zu Kasimirs Wohnung
liefert. Als V Tags darauf bei Kasimir erscheint, nimmt dieser
die Vase entgegen und zahlt wie vereinbart € 500.
Lösung: Der Anspruch des K auf Lieferung der Kaufsache
aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist durch die Vereinbarung im
Laden des V entstanden und nach § 362 Abs. 1 BGB durch
Übereignung und Übergabe wieder erloschen. Dasselbe gilt
für den Anspruch des V auf Zahlung des Kaufpreises aus §
433 Abs. 2 BGB.
Die Erfüllung einer Schuld…
… erfordert keinen zusätzlichen Vertragsschluss (neben der dinglichen Einigung nach §
929 BGB) weil so dem Gläubiger, der die Erfüllung vertraglich anerkennen müsste, nur
ein unnötiges Druckmittel in die Hand gegeben würde, obwohl er die Leistung schon
erhalten hat.
… setzt zumindest dann, wenn die Zuordnung zu einer Schuld fraglich ist, aber eine
Tilgungsbestimmung des Schuldners voraus. Diese ist …
… ein einseitiges Rechtsgeschäft oder zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche
Handlung.
… nach § 366 Abs. 1 BGB erforderlich, wenn es mehrere Forderungen desselben
Gläubigers gegen denselben Schuldner gibt.
… notwendig, wenn der Leistende nach § 267 BGB durch Drittleistung die Schuld
eines anderen erfüllen will.
Beispiel: A glaubt, der Erbe des S zu sein, der dem G noch aus Darlehen in Höhe von
€ 10.000 verpflichtet ist. Nachdem A gezahlt hat, stellt sich heraus, dass B der wahre
Erbe ist.
Lösung: Der Anspruch des G aus § 488 Abs. 1 BGB, der sich gemäß § 1922 Abs. 1
BGB gegen B richtet, ist nicht nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. A hätte ihn durch
Drittleistung nach § 267 Abs. 1 BGB zum Erlöschen bringen können; er hat jedoch
keine Tilgungsbestimmung zur Erfüllung der Forderung gegen B abgegeben, sondern
eine vermeintlich eigene Schuld erfüllt. Seine Leistung kann er nach § 812 Abs. 1 S. 1
Die Erfüllung einer Schuld …
… besteht nach Ansicht der Rechtssprechung in der realen
Leistungsbewirkung, die ausnahmsweise um eine
Tilgungsbestimmung des Schuldners ergänzt werden muss.
(„Real“ heißt nicht, dass keine dingliche Einigung nach §
929 BGB erforderlich wäre, sondern nur, dass kein
zusätzliches schuldrechtliches Geschäft nötig ist.)
… besteht nach einer anderen (richtigen) Auffassung in einer
finalen Leistungsbewirkung, setzt also stets eine
Tilgungsbestimmung voraus, die aber meist konkludent
abgegeben (und nach § 366 Abs. 2 BGB bei
Zuordnungszweifeln unterstellt) wird.
… kann nach beiden Theorien wieder dadurch rückgängig
gemacht werden, dass man die Tilgungsbestimmung nach §
119 BGB anficht, was einen Anspruch auf Rückforderung
der Leistung aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB auslöst.
Die Leistungsbewirkung …
... muss das Ergebnis des Schuldnerverhaltens sein; hat sich der Leistungserfolg aus
anderem Grund eingestellt, liegt eine Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 Abs. 1
BGB vor.
Beispiel: B vereinbart mit U, dass dieser ihm gegen € 1.500 sein Bad neu fliest.
Danach lernt B U‘s Konkurrenten V kennen, der die Arbeit für € 1.000 erledigt.
Lösung: Der Anspruch des B gegen U auf Herstellung des vereinbarten Werks aus §
631 Abs. 1 BGB ist nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB, sondern gemäß §
275 Abs. 1 BGB dadurch untergegangen, dass das versprochene Werk unausführbar
geworden ist.
… tritt nicht ein, wenn der Schuldner unter dem Vorbehalt der Rückforderung leistet und
so
… sich nicht nur den sonst durch § 814 BGB versperrten Weg zur Kondiktion nach §
812 Abs. 1 S. 1 BGB offen halten, sondern …
… den Gläubiger nur vorläufig absichern will, insbesondere damit dieser nicht weiter
gegen ihn vollstreckt.
… kann auch durch Leistung an einen anderen erfolgen, wenn diesem gemäß §§ 362
Abs. 2, 185 BGB eine Einziehungsermächtigung erteilt worden ist.
Eine mangelhafte Leistung …
… hat grundsätzlich keine Erfüllungswirkung, so dass der Schuldner
weiterhin zur Leistung verpflichtet bleibt.
… führt beim Kaufvertrag aber dazu, dass sich der Erfüllungsanspruch des
Käufers auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 Abs. 1 S. 2
BGB) in einen Anspruch auf Nacherfüllung wandelt. Dessen
Besonderheit ist, dass dem Käufer ein Wahlrecht zwischen
Nachlieferung (Austausch) und Nachbesserung (Reparatur) zusteht.
… führt nach § 363 BGB zum Übergang der Beweislast für die
Mangelfreiheit/-haftigkeit der Leistung.
… unterliegt bei Verbrauchsgüterkäufen (§ 474 Abs. 1 BGB) allerdings
zugunsten des Verbrauchers gemäß § 476 BGB der Vermutung, dass
Fehler, die innerhalb von sechs Monaten auftreten, schon bei
Gefahrübergang vorlagen, es sei denn, dies ist (wie bei einem
offensichtlichen Fehler) schon nach der Art des Mangels
ausgeschlossen; der Verkäufer muss den Nachweis führen, dass der
Mangel auf eine unsachgemäße Behandlung durch den Käufer
zurückgeht.
Eine mangelhafte Leistung?
Beispiel: K kauft von V einen Gebrauchtwagen, der nach
fünf Monaten einen Motorschaden erleidet. Ursache hierfür
ist das Überspringen des Zahnriemens am Steuerrad der
Nockenwelle gewesen, die eine Fehlsteuerung der
Einlassventile am ersten Zylinderkopf ausgelöst hat. Es ist
offen, ob das Überspringen des Zahnriemens auf einem
Materialfehler oder einen fehlerhaften Gangwechsel durch
den Käufer beruht.
Lösung: Nach richtiger Ansicht kann K von V
Nachbesserung gemäß § 439 Abs. 1 BGB verlangen, weil
der Motorschaden einen Mangel bedeutet, dessen Auslöser
schon bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden gewesen
sein kann. Nach Ansicht des BGH scheidet ein Anspruch des
K aus, weil der Motorschaden selbst noch nicht bei
Fahrzeugübergabe vorlag und unklar ist, ob überhaupt ein
Materialfehler vorlag.
Das Kaufrecht des BGB …
… ist nach § 475 Abs. 2 BGB teilweise halbzwingend und auch ansonsten leicht modifiziert
durch die Bestimmungen über den Verbrauchsgüterkauf.
… definiert den Verbrauchsgüterkauf als Vertrag über eine bewegliche Sache zwischen
einem Unternehmer als Verkäufer und Verbraucher als Käufer, § 474 Abs. 1 S. 1 BGB,
wobei
- die Verbraucher- und Unternehmereigenschaft grundsätzlich objektiv bestimmt
werden, weil der Verbraucherschutz auch nicht von den individuellen Verhältnissen des
einzelnen Käufers abhängt
- der Verbraucherschutz nicht zugunsten eines Scheinunternehmers eingreift, wenn sich
ein Käufer als Unternehmer ausgibt.
Beispiel: K gibt sich als Autohändler aus, um vom Händler V einen besonders günstigen
Preis zu bekommen. V verkauft ihm „unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ einen
Gebrauchtwagen, bei dem die Vorderradaufhängung defekt ist. K möchte, dass V diese
repariert.
Lösung: K hat keinen Anspruch auf Nachbesserung aus § 439 Abs. 1 BGB. Zwar ist der
Wagen mit einem Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet. Der Anspruch
scheitert jedoch am Ausschluss der Sachmängelhaftung, der ohne Verstoß gegen § 444
BGB vereinbart wurde. Da ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1 BGB
vorliegt, ist der Haftungsausschluss zwar eigentlich nach § 475 Abs. 1 BGB unwirksam. V
kann der Berufung auf diese Vorschrift nach Ansicht des BGH jedoch den Einwand der
unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB entgegenhalten, weil K sich zu seinem
früheren Verhalten in Widerspruch setzt.
Ein Sachmangel (§ 434 BGB)…
… besteht zunächst einmal in der Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit der
übergebenen Sache von der Parteivereinbarung (Abs. 1 S. 1), die …
… unabhängig vom tatsächlichen Zustand der Sache auf deren Sollzustand gerichtet ist.
Beispiel: K kauft von V eine Vase, die aus dem 18. Jahrhundert stammen soll, in Wahrheit
aber aus dem 19. Jahrhundert stammt.
Lösung: Der Anspruch des K auf Nachbesserung aus § 439 Abs. 1 BGB scheitert nicht etwa
daran, dass es keinen Mangel der Vase bedeutet, wenn sie aus einem anderen als dem
angenommenen Jahrhundert stammt. Er ist erst gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen,
weil sich das Alter der Vase nicht ändern lässt.
… alle wirtschaftlichen und rechtlichen Eigenheiten der Kaufsache einschließlich ihrer
Bezüge zur Umwelt umfassen kann.
Beispiel: K kauft von V ein Mehrfamilienhaus, das zu 100 % vermietet sein und deshalb zu
Einnahmen von € 5.000 im Monat führen soll. Nach der Übergabe stellt er fest, dass es in
Wahrheit nur zu 60 % vermietet ist.
Lösung: K hat einen Anspruch auf Nachbesserung nach § 439 Abs. 1 BGB, weil die
tatsächliche Vermietungssituation von der vereinbarten Ertragsfähigkeit abweicht.
Ein Sachmangel (§ 434 BGB) …
… ergibt sich in aller Regel nicht aus der fehlenden Eignung für eine „nach
dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (Abs. 1 S. 2 Nr. 1), weil hier
schon eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt.
… wird nur dann objektiv, nämlich nach der gewöhnlichen Verwendung der
Sache und ihrer üblichen zu erwartenden Beschaffenheit bestimmt,
wenn die Parteien keine besondere – ausdrückliche oder konkludente –
Vereinbarung getroffen haben (Abs. 1 S. 2 Nr. 2).
… kann auch in einer fehlerhaften Montage oder Montageanleitung liegen
(Abs. 2): Hier ergibt sich die Fehlerhaftigkeit aber in der Regel schon aus
dem objektiven Qualitätsstandard (Abs. 1 S. 2 Nr. 2).
… kann sich jenseits von Beschaffenheitsvereinbarung und objektivem
Qualitätsstandard auch aus der Werbung ergeben, obwohl diese nicht
vom Verkäufer ausgehen muss (Abs. 1 S. 3 BGB), weil der Verkäufer
von ihr ja auch durch die so erreichte Absatzförderung profitiert.
… bedeutet nach Abs. 3 BGB auch die Falsch- oder Minderlieferung, dies
jedoch nur, wenn sie versteckt erfolgt. Liefert der Verkäufer offen zu
wenig, liegt das Angebot zu einer Teilleistung nach § 266 BGB vor.
Ein Rechtsmangel (§ 435 BGB)…
… liegt vor allem in der Belastung der Sache mit einem Pfandrecht,
durch das der Pfandgläubiger einen Anspruch auf Herausgabe
gegen jedermann erlangt (§§ 1227, 985 BGB).
… liegt auch dann vor, wenn der Verkäufer dem Käufer kein
Eigentum verschafft, weil er
- nicht Eigentümer der Kaufsache ist (§ 929 BGB) und auch
- nicht mit Zustimmung des Eigentümers verfügt (§ 185 BGB),
der dann einen Herausgabenspruch hat (§ 985 BGB).
Ist der mangelnde Eigentumserwerb offensichtlich, weil der
Verkäufer die Sache gar nicht übereignet, liegt aber kein
Rechtsmangel, sondern ein Verstoß gegen die Lieferpflicht aus §
433 Abs. 1 S. 1 BGB vor.
… hängt auch von der Beschaffenheitsvereinbarung ab, die in §
435 BGB als Ausschlussgrund aufgeführt ist („ … nur die im
Vertrag übernommenen Rechte …“).
Beurteilungszeitpunkt
… ist beim Sachmangel der Gefahrübergang, also nach § 446 BGB in der
Regel der Moment, in die Kaufsache dem Käufer übergeben wird,
- auch wenn der Eigentumserwerb erst später, insbesondere nach
Kaufpreiszahlung, stattfinden soll
- weil es darauf ankommt, ob die Sache in den tatsächlichen
Herrschaftsbereich des Käufers gerät und er sie auf Mängel untersuchen
kann.
… ist beim Rechtsmangel der Moment, in dem das Eigentum auf den
Käufer übergehen soll, nicht der Gefahrübergang.
Beispiel: V verkauft eine fremde Sache und übergibt sie sofort K, behält
sich aber das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vor. Als K
diesen entrichtet, hat V die Zustimmung des Eigentümers E zur
Veräußerung eingeholt.
Lösung: Es besteht kein Anspruch auf Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1
BGB, weil V im maßgeblichen Moment, in dem das Eigentum übergehen
soll, verfügungsbefugt ist und der E sein Recht an der Kaufsache verliert.
Die Nacherfüllung …
… geht auf Kosten des Verkäufers, § 439 Abs. 2 BGB.
… umfasst nach herkömmlichen deutschem Recht bei der Nachlieferung weder den
Einbau einer nachgelieferten Sache noch den Ausbau der mangelhaften Sache, weil
- der Anspruch auf Nacherfüllung nicht weiter reicht als der ursprüngliche
Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB.
- der Verkäufer lediglich einen Anspruch auf Rückgewähr hat (§§ 346 Abs. 1, 439 Abs. 4
BGB).
… schließt den Ein- und Ausbau nach Ansicht des EuGH jedoch im Bereich des
Verbrauchsgüterkaufs ein, weil
- der Käufer ansonsten mit Kosten belastet würde und die Nacherfüllung deshalb
entgegen Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht „unentgeltlich“ wäre:
„Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des
Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht
unmöglich oder unverhältnismäßig ist.“
- unionsweit ein wirksamer Verbraucherschutz gewährleistet sein soll.
- der Verkäufer die Folgen seiner Schlechterfüllung tragen soll (ohne Verschulden).
… muss im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von § 439 Abs. 2 BGB daher
auch auf Ein- und Ausbau erstreckt werden.
Die Nacherfüllung …
…unterliegt im Interesse der Rechtssicherheit für die
Verkäufer einem besonderen Regime der Verjährung,
indem der Anspruch
- zum einen in zwei Jahren, bei Bauwerken und bei
Baustoffen in fünf Jahren verjährt (§ 438 Abs. 1 BGB),
während es sonst drei Jahre sind (§ 195 BGB).
- zum anderen ab der Ablieferung (meist mit Übergabe),
also ab einem objektiven Datum, verjährt (§ 438 Abs. 2
BGB), während es sonst auf die Kenntnis oder
grobfahrlässige Unkenntnis vom Anspruch und
Anspruchsgegner, also auf subjektive Umstände
ankommt (§ 197 Abs. 1 BGB).
Die Leistung an Erfüllungs Statt …
… hat nach § 364 Abs. 1 BGB ebenfalls Erfüllungswirkung.
… setzt voraus, dass der Gläubiger damit einverstanden ist, indem er dem
Schuldner eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt hat oder zugleich mit der
Leistung einräumt.
… bewirkt gemäß § 365 BGB, dass der Schuldner für Mängel des an
Erfüllungs Statt geleisteten Gegenstands wie ein Verkäufer verantwortlich
ist, so dass …
- die ursprüngliche Forderung bei mangelhafter Leistung bestehen bleibt.
- die Ersetzungsbefugnis bei Erklärung des Rücktritts oder der Minderung
gemäß §§ 437 Nr. 2, 323, 441 BGB ganz oder teilweise wegfällt.
… bedeutet auch beim Kaufvertrag keinen Sachmangel nach § 434 Abs. 3
BGB, wenn das Angebot zur Erbringung einer anderen Leistung offen
erfolgt.
Die Leistung an Erfüllungs Statt …
… liegt nach Ansicht der Rechtsprechung im Zweifel bei der
Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens vor; nach anderer Ansicht ist
gemischter Kauf-Tausch-Vertrag (§§ 433, 480 BGB) abgeschlossen.
Beispiel: K kauft bei Autohändler V einen Neuwagen zu € 15.000; V
lässt ihm hiervon € 7.000 nach, wenn er ihm seinen alten Wagen zur
Verfügung stellt. Noch bevor es zum Austausch kommt, wird dieser bei
einem Unfall zerstört.
Lösung: Nach der Lösung der Rechtsprechung ist K aus § 433 Abs. 2
BGB zur Zahlung von € 15.000 gegen Lieferung des Neuwagens
verpflichtet. Mit der Möglichkeit zur Inzahlunggabe hat V dem K
lediglich eine Ersetzungsbefugnis zur Leistung an Erfüllungs Statt
gemäß § 364 Abs. 1 BGB eingeräumt, die durch die Zerstörung des
Gebrauchtwagens zwangsläufig wieder weggefallen ist. Nach anderer
Ansicht liegt eine Teilunmöglichkeit der Leistung des K vor, die den
Vertragsvollzug vollständig sperrt.
Die Leistung erfüllungshalber …
… ist in § 364 Abs. 2 BGB ansatzweise geregelt.
… besteht auch darin, dass ein anderer als der geschuldete Gegenstand
geleistet wird.
… hat aber nicht unmittelbar Erfüllungswirkung: Die Forderung ist erst
getilgt, wenn der Gläubiger den anderen Gegenstand erfolgreich
verwertet hat. Vorher kann der Schuldner die Leistung nur unter Hinweis
auf die unterbliebene Verwertung verweigern.
Beispiel: K kauft im Laden des V einen Pullover und bezahlt den
Kaufpreis von € 50 mit seiner EC-Karte der B-Bank.
Lösung: Der Anspruch des V auf Zahlung des Kaufpreises gegen K aus
§ 433 Abs. 2 BGB ist nicht nach § 364 Abs. 1 BGB untergegangen,
sondern nur vorübergehend undurchsetzbar. V hat durch die
Verwendung der EC-Karte einen Anspruch gegen die B-Bank erlangt.
Erst wenn diese zahlt, ist der Anspruch gegen K untergegangen, vorher
steht ihm nur eine Einrede zu.
Der Erlass einer Forderung …
… führt ebenfalls zu deren Erlöschen, § 397 Abs. 1 BGB.
… erfolgt durch einen Vertrag, nicht bloß durch eine einseitige Erklärung des Gläubigers; einer
Annahmeerklärung des Schuldners bedarf es jedoch gemäß § 151 BGB regelmäßig nicht.
… stellt ebenso wie die Übereignung ein Verfügungsgeschäft dar, das abstrakt gültig ist.
… hat zum Rechtsgrund häufig einen Schenkungsvertrag gemäß § 516 Abs. 1 BGB, der ohne
Weiteres gültig ist, oder ein formbedürftiges Schenkungsversprechen nach § 518 BGB.
Beispiel: G ist heillos betrunken, als er S gegenüber erklärt, er werde ihm den Kredit in Höhe
von € 10.000, den dieser ihm schuldig ist, schenken, wenn er in den nächsten Tagen an die
Erbschaft seiner Tante herankomme. Als S eine Woche später vorsichtig nachfragt, ob G
geerbt und ernst gemeint habe, was er gesagt habe, sagt G, der sich an sein Versprechen
gebunden glaubt, es solle alles so sein wie besprochen.
Lösung: Der Anspruch des G gegen S aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ist durch wirksamen Erlass
nach § 397 Abs. 1 BGB erloschen: Die zweite Aussage des G ist aus dem Empfängerhorizont
des S als Angebot zum Abschluss eines Erlassvertrags anzusehen, mit das vorangegangene
Schenkungsversprechen erfüllt wird. Bedarf dieses nach § 518 Abs. 1 BGB auch notarieller
Form, wird es durch seine Erfüllung doch gemäß Abs. 2 der Vorschrift geheilt. Im vorliegenden
Fall scheitert dies jedoch daran, dass das Versprechen nach § 105 Abs. 2 BGB nichtig ist. G
hat daher gegen S einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, der auf
Wiedereinräumung der Forderung (durch abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB)
gerichtet ist.
Die Aufrechnung …
… führt zum Erlöschen der Hauptforderung, die sich gegen den
Aufrechnenden richtet, und der Gegenforderung, die dem
Aufrechnenden gegen den anderen zusteht (§ 389 BGB).
… setzt voraus:
- die Erklärung der Aufrechnung (§ 388 BGB)
- die Wechselseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB)
- die Gleichartigkeit der Forderungen (§ 387 BGB)
- die Erfüllbarkeit der Hauptforderung (§ 387 BGB)
- die Durchsetzbarkeit (§ 390 BGB) und Fälligkeit (§ 387 BGB)
der Gegenforderung
Die Aufrechnung …
… ist in ihrer Wirkung auf die Schuld des Aufrechnenden der Leistung an
Erfüllungs Statt ähnlich und daher ebenso wie diese ein sogenanntes
Erfüllungssurrogat.
… ist andererseits in ihrer Wirkung auf die eigene Forderung des
Aufrechnenden ein Akt erlaubter Selbsthilfe.
… ist im BGB ein Mischmodell aus zwei verschiedenen Konzepten ist,
nämlich
- der Aufrechnung als Gestaltungsakt (§ 388 BGB)
- der automatischen Verrechnung zweier gegenüberstehender
Ansprüche, die vor allem in der Rückwirkung (§ 389 BGB) zum Ausdruck
kommt.
(Eine Aufrechnung durch Vertrag ist natürlich auch denkbar, aber nicht
regelungsbedürftig, da hierfür schon die Bestimmung über den Erlass in §
397 BGB reicht.
Die Aufrechnung …
… ist nur bei gleichartigen Leistungsgegenständen möglich (§ 387 BGB),
die allerdings auch bei einem Anspruch auf Geldzahlung und Herausgabe
bestimmter Geldzeichen (§ 985 BGB) gegeben ist. Eine Verschiedenheit
der Leistungsorte schadet ebenfalls grundsätzlich nicht (§ 391 BGB).
Beispiel: V weigert sich, den von N bei ihm hinterlegten Betrag von € 500
in voller Höhe herauszugeben, weil V gegen N noch einen Kaufpreis in
Höhe von € 200 verlangen kann.
Lösung: Der Anspruch des N auf Rückgabe des in Verwahrung
gegebenen Geldes aus § 696 S. 1 BGB ist zwar auf dessen bloße
Rückgabe gerichtet, da N Eigentümer der Geldzeichen geblieben ist. V
kann aber dennoch mit seinem Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf
Übereignung von Geldzeichen aufrechnen, so dass er N nur € 300
herauszugeben braucht.
… ist nur bei wechselseitig zuständigen Forderungen möglich (§ 387
BGB), bei einer Drittleistung nur unter den Voraussetzungen von § 268
BGB.
Die Aufrechnung …
… bedarf als Gestaltungsrecht der Ausübung durch einseitige
Erklärung. Diese ist …
… zum Schutz des anderen Teils vor einer einseitig
erzeugten Rechtsunsicherheit grundsätzlich
bedingungsfeindlich (§ 388 S. 2 BGB). Eine Ausnahme gilt
für die Hilfsaufrechnung im Prozess, in dem der andere Teil
wegen des schon eingetretenen Konflikts nicht schutzwürdig
ist.
… bei mehreren Forderungen auf einer oder beiden Seiten
begleitet von einer Tilgungsbestimmung, die allerdings
durch ein Widerspruchsrecht des anderen Teils beschränkt ist
(§ 396 BGB), weil dieser ja auch bei einer Erfüllung der
Gegenforderungen über die Zuordnung entscheiden dürfte.
Die Aufrechnung …
… stellt wegen ihrer Eigenart als Gestaltungsrecht
unterschiedliche Anforderungen an die Forderungsreife von
Hauptforderung und Gegenforderung (die bei einer
automatischen Verrechnung gleich sein müssten):
- Die Hauptforderung, von der sich der Erklärende wie bei
der Erfüllung befreien will, muss lediglich erfüllbar sein (§
387 BGB). Dies ist im Zweifel sofort, und noch bevor der
andere die Leistung fordern kann, der Fall (§ 271 Abs. 2
BGB).
- Die Gegenforderung, die der Erklärende mit seiner
Aufrechnung exekutiert, muss voll durchsetzbar, also
einredefrei (§ 390 BGB) und fällig (§ 387 BGB), sein.
Die Aufrechnung …
… unterliegt vertraglichen und gesetzlichen Verboten, insbesondere bei einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 393 BGB), damit niemand zur
Selbsthilfe ein Delikt begeht, um sich dann von der hieraus entspringenden
Forderung durch Aufrechnung mit seinem Anspruch gegen den Geschädigten zu
befreien.
Beispiel: S weigert sich zu Unrecht, G den Lohn für eine Reparaturleistung zu
zahlen. Da G weiß, dass in der Registrierkasse des S stets genug Geld
vorhanden ist, nimmt er sich in einem unbeobachteten Moment einfach den
Betrag heraus, den S ihm schuldet. Als S das Geld zurückfordert, erklärt G die
Aufrechnung.
Lösung: S hat einen Anspruch auf Rückgabe des Geldes aus § 985 BGB sowie
aus § 823 Abs. 1 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB, 242 StGB. G hat nach § 388 BGB
die Aufrechnung erklärt und ist eigentlich gemäß § 387 BGB auch zur
Aufrechnung befugt, weil er aus § 631 Abs. 1 BGB seinerseits eine
Gegenforderung gegen S hat und diese auch durchsetzbar ist. Obwohl S nicht
Übereignung von Geld, sondern Herausgabe von ihm gehörenden Geldzeichen
verlangen kann, sind die Forderungen, da es jeweils auf die Übergabe ankommt,
auch gleichartig. Die Aufrechnung scheitert aber am Aufrechnungsverbot von §
393 BGB, weil die Hauptforderung des S einer vorsätzlich unerlaubten Handlung
entstammt.
Die Aufrechnung …
… knüpft nicht an ihre Ausübung als Gestaltungsrecht, sondern schon an die bloße
Aufrechnungslage an, indem sie …
… rückwirkend zum Erlöschen von Haupt- und Gegenforderung führt, § 389 BGB.
… entgegen der Regel über ihren Ausschluss bei einer Einrede (§ 390 BGB) auch mit
einer verjährten Forderung erfolgen kann, sofern diese der anderen nur jemals im
unverjährten Zustand gegenüberstand, § 215 BGB.
Beispiel: K ist mit V 2007 einen Kaufvertrag über € 50 eingegangen und hat immer
noch nicht bezahlt. Nachdem V von K im Dezember 2010 etwas für € 100 gekauft hat,
zahlt er im Januar nur € 50 und meint, damit seien sie quitt.
Lösung: Der Anspruch von K auf Zahlung des Kaufpreises aus dem zweiten Vertrag ist
in Höhe von € 50 durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB, im Übrigen durch
Aufrechnung des V nach § 389 BGB ausgeschlossen. Zwar ist die Gegenforderung des
V aus dem alten Kaufvertrag nach §§ 195, 199 Abs.1, 214 Abs. 1 BGB nicht mehr
durchsetzbar, die Aufrechnung daher nach § 390 BGB eigentlich wirkungslos. Da sich
die beiden Forderungen im Dezember 2010 zur Aufrechnung geeignet
gegenüberstanden, ist die Aufrechnung dennoch wirksam.
… dem Schuldner einer abgetretenen Forderung gemäß § 406 BGB entgegen dem
Gebot der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) unter bestimmten Voraussetzungen auch
gegenüber dem neuen Gläubiger möglich ist. Der Schuldner wird so bis zum Moment, in
dem er von der Abtretung erfährt, in seinem Glauben an eine Aufrechnungslage
geschützt.
Drittbeteiligung am
Schuldverhältnis
Abtretung und
Personenmehrheiten
Die Abtretung einer Forderung …
… kommt nach § 398 BGB „durch Vertrag“ zustande.
… ist also wie Übereignung einer Sache (§§ 873, 929 BGB) ein abstrakt wirksames
Verfügungsgeschäft,
- dem als Rechtsgrund beispielsweise ein Forderungskauf (§ 453 BGB) zugrunde
liegt.
- das durch einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) rückgängig gemacht wird,
wenn der Rechtsgrund fehlt.
… kommt, da die Forderung unkörperlich ist, ohne vergleichbaren
Publizitätstatbestand (Eintragung im Grundbuch, Übergabe) aus und beschränkt
sich auf die Einigung zwischen Zedent (altem Gläubiger) und Zessionar (neuem
Gläubiger).
… setzt nach deutschem Recht aber auch weder die Mitwirkung noch die
Information des Schuldners voraus (die in anderen Ländern der Abtretung
Publizität verleiht).
… führt dazu, dass der neue Gläubiger nicht eine neue, sondern dieselbe Forderung
erlangt wie der alte Gläubiger (Prinzip der Forderungskontinuität).
Das Prinzip der Forderungskontinuität …
... wirkt zugunsten des Zessionars: Akzessorische Sicherheiten wie die
Bürgschaft (§ 765 BGB) oder Pfandrechte erlöschen nicht, sondern
gehen automatisch auf ihn über (§ 401 BGB).
… wirkt zugunsten des Schuldners in Gestalt des sogenannten
Verschlechterungsverbots: Der Schuldner kann dem Zessionar alle
Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die bis zur Abtretung
gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren (§ 404 BGB). Dies gilt
für
- rechtshindernde Einwendungen (z. B. mangelnde Geschäftsfähigkeit,
Formnichtigkeit, Anfechtung).
- rechtsvernichtende Einwendungen, auch wenn sie erst nach
Abtretung entstehen, sofern nur ihr Rechtsgrund schon vorher angelegt
war (z. B. Rücktritt wegen Leistungsstörung des alten Gläubigers, nicht
dagegen Erfüllung an den alten Gläubiger).
- rechtshemmende Einreden (z. B. Verjährung § 214 Abs. 1 BGB, auch
wenn die erforderliche Zeit erst nach der Abtretung abgelaufen ist).
Der Schutz des Schuldners …
… muss über das Verschlechterungsverbot hinausgehen, weil der
Schuldner an der Abtretung nicht beteiligt ist und von ihr gar nicht
Kenntnis haben muss.
… vollzieht sich nach § 407 Abs. 1 BGB in der Weise, dass der Schuldner
wirksam an den alten Gläubiger leisten und mit diesem ein
Rechtsgeschäft abschließen kann, sofern er nicht schon Kenntnis von
der Abtretung hat. Dies gilt für
- Erfüllung durch Leistung an den alten Gläubiger
- Leistung an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber an den alten
Gläubiger
- Erlass durch den alten Gläubiger
- Aufrechnung
… ist nur ausgeschlossen bei positiver Kenntnis des Schuldners (z. B. durch
eine vertrauenswürdige Abtretungsanzeige), die der neue Gläubiger zu
beweisen hat.
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen desselben
Typs. Er einigt sich mit V darauf, dass dieser eine der Vasen zu K‘s
Wohnung liefert. Als V Tags darauf bei K erscheint, nimmt dieser die Vase
entgegen und zahlt wie vereinbart € 500. Dabei weiß er nicht, dass V, weil er
knapp bei Kasse ist, zuvor alle seine Ansprüche aus dem Antiquitätenhandel
an seinen Gläubiger Z veräußert hat.
Lösung:
I.
Anspruch des Z gegen K auf Zahlung von € 500 aus § 433 Abs. 2 BGB
1.
2.
3.
Anspruch entstanden durch Abschluss des Kaufvertrags mit V
Anspruch übergegangen auf Z durch Abtretung nach § 398 BGB
Anspruch erloschen durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB?
a) Leistung eigentlich unwirksam, denn weder an Gläubiger noch an
Einziehungsermächtigten (§ 362 Abs. 2 BGB) erfolgt
b) Wirksamkeit der Leistung gegenüber Z nach § 407 Abs. 1 BGB: guter
Glaube des Schuldners wird unterstellt, das Gegenteil von Z zu beweisen
II.
Anspruch des Z gegen V auf Zahlung von € 500 aus § 816 Abs. 2 BGB
wirksame Leistung an den Nichtberechtigten V
Die Aufrechnung bei der Abtretung …
… schließt den Anspruch des Zessionars nach § 404 BGB aus, wenn sie
vor der Abtretung gegenüber dem Zedenten vorgenommen wurde, so
dass schon im Zeitpunkt des Forderungsübergangs der Einwand aus §
389 BGB begründet ist.
… schließt den Anspruch des Zessionars nach § 407 Abs. 1 BGB aus,
wenn sie
- nach der Abtretung
- gegenüber dem Zedenten
erklärt wird und der Schuldner gutgläubig ist.
… schließt den Anspruch des Zessionars nach § 406 BGB aus, wenn sie
- nach der Abtretung
- gegenüber dem Zessionar
erklärt wird und der Schuldner nach Maßgabe dieser Vorschrift in seinem
Vertrauen auf den Bestand der Aufrechnungslage geschützt ist.
Die Abtretung einer Forderung …
… ist nach § 399 BGB ausgeschlossen, wenn sie
- nach dem Inhalt der Forderung undenkbar ist (wie
bei einem Freistellungsanspruch, der nur an den
Gläubiger der Forderung abgetreten werden kann,
von dem freizustellen ist).
- vertraglich verboten ist: Diese
Verfügungsbeschränkung hat entgegen § 137 S. 1
BGB Drittwirkung und bewirkt, dass der Zessionar
bei einer verbotswidrigen Verfügung nichts erwirbt.
Eine Mehrheit von Gläubigern …
... kommt so gut wie nie in Form der Gesamtgläubigerschaft (§§ 428 ff. BGB) vor,
weil …
… der Schuldner so erheblich privilegiert wird, indem er nach seinem Belieben
an jeden der Gläubiger leisten kann (§ 428 BGB) und so gegenüber allen frei wird
(§§ 422 Abs. 1, 429 Abs. 2 BGB).
… die Gläubiger auf den Regress in ihrem Innenverhältnis (§ 430 BGB)
beschränkt das Forderungsrecht gegen den Schuldner verlieren.
… ist nur dann Gesamtgläubigerschaft, wenn der Schuldner besonders geschützt
werden soll.
Beispiel: Die Ehegatten M und F unterhalten bei der Bank B ein „Oder-Konto“ mit
einem Guthaben von € 4.000. Die Bank zahlt dies an M aus, F verlangt nun
Zahlung.
Lösung: F hatte gegen die Bank einen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens
aus §§ 700 Abs. 1 S. 1, 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser ist aber durch die Leistung
an M nach §§ 362 Abs. 1, 422 Abs. 1, 429 Abs. 1 BGB erloschen.
Eine Mehrheit von Gläubigern …
… ist in aller Regel eine Forderungsgemeinschaft, …
… bei der die Leistung von allen einzeln gefordert (§ 432 Abs. 1 S.
2 BGB), aber nur an alle erfolgen kann (S. 1).
… die wegen des so bewirkten Gläubigerschutzes über § 432 Abs.
1 BGB hinaus im Zweifel auch bei teilbaren Leistungen
anzunehmen ist.
Beispiel: Die Ehegatten M und F unterhalten bei der Bank B ein
„Und-Konto“ mit einem Guthaben von € 4.000. Die Bank zahlt dies
an M aus, F verlangt nun Zahlung.
Lösung: F hatte gegen die Bank einen Anspruch auf Auszahlung
des Guthabens aus §§ 700 Abs. 1 S. 1, 488 Abs. 1 S. 2 BGB an
sie und M gemeinsam. Die Leistung der Bank an M ist wirkungslos
und kann von ihr nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückverlangt
werden.
Eine Mehrheit von Schuldnern …
… führt nur theoretisch zur Teilschuld, bei der die Forderung geteilt wird (§
420 BGB).
… ist in aller Regel eine Gesamtschuld, bei der der Gläubiger alle
Schuldner auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen kann (§ 421
BGB), aber die Erfüllung eines Schuldners für die anderen wirkt (§ 422
Abs. 1 BGB). Diese gläubigerfreundliche Variante der Schuldnermehrheit
wird unterstellt
- bei der Verpflichtung zur unteilbaren Leistung (§ 431 BGB), weil eine
gemeinschaftliche Verpflichtung frustriert wäre, wenn sich auch nur ein
Schuldner der Rechtsverfolgung entzöge.
- bei der gemeinsamen Verpflichtung zu einer teilbaren Leistung durch
Vertrag (§ 427 BGB).
- bei einer gemeinsam begangenen unerlaubten Handlung (§ 840 Abs.
1 BGB).
Leistung
Schuldner A
§ 433
€ 1000
€ 500
§ 362
€ 500
Gläubiger
§ 426 Abs. 1
§§ 362, 422 Abs. 1
€ 1000
§ 433
§§ 433 Abs. 2,
426 Abs. 2
Schuldner B
Die Gesamtschuld …
... führt bei der Befriedigung des Gläubigers durch einen Schuldner zu
- einer Befreiung aller Schuldner, § 422 Abs. 1 BGB.
- einem Rückgriff des leistenden Gesamtschuldners im Wege der
Teilschuld, § 426 Abs. 1 BGB: Im Zweifel ist die Last gleich aufzuteilen, bei
der Deliktshaftung kommt es auf die Verursachungsbeiträge an.
- einem gesetzlichen Übergang des Gläubigerrechts, soweit Rückgriff
genommen werden kann (§ 426 Abs. 2), mit dem Vorteil, dass nach §§
412, 401 BGB akzessorische Sicherheiten übergehen.
… wird deshalb von der Rechtsprechung davon abhängig gemacht, dass die
Forderungen gegen die Schuldner „gleichstufig“ oder „gleichrangig“ ist,
was verneint wird, wenn ein Versicherer, Arbeitgeber oder
Unterhaltspflichtiger neben einem Schädiger steht. Einfacher lässt sich die
Gesamtschuld in diesem Fall verneinen, wenn man erkennt, dass die
Schadensersatzpflicht und die Leistungspflicht (obwohl sie dasselbe
Gläubigerinteresse abdecken) nicht auf „dieselbe Leistung“ im Sinne von §
421 BGB gerichtet sind.
Beispiel: A und B entdecken beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen
desselben Typs. Sie einigen sich mit V darauf, dass dieser eine der Vasen
zu A‘s Wohnung liefert. Als dieser Tags darauf bei A erscheint, nimmt dieser
die Vase entgegen und zahlt wie vereinbart € 500.
Lösung:
I.
Anspruch des V gegen B auf Zahlung von € 500 aus § 433 Abs. 2 BGB
1.
2.
Anspruch entstanden durch Abschluss eines Kaufvertrags als
Gesamtschuldner nach § 427 BGB: Rechtsfolge gemäß § 421 BGB
Anspruch erloschen durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB: Gesamtwirkung
für alle Gesamtschuldner nach § 422 Abs. 1 BGB
II.
Anspruch von A gegen B auf Zahlung von € 250 aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB
nach Leistung an V Recht zum hälftigen Ausgleich
III.
Anspruch von A gegen B auf Zahlung von € 250 aus §§ 433 Abs. 2, 426 Abs.
2 S. 1 BGB
gesetzlicher Übergang des Kaufpreisanspruchs von V gegen B, soweit A
regressberechtigt ist
Die Gesamtschuld …
… führt außer bei Erfüllung und ihren Surrogaten (§ 422 Abs. 1 BGB) und dem
gleich behandelten Gläubigerverzug (§ 424 BGB) zu einer Einzelwirkung (§ 425
Abs. 1 BGB), die vor allem für Leistungsstörungen und Zinsen gilt.
… ist beim Erlass auch einer Gesamtwirkung zugänglich (§ 423 BGB), die …
… eine Verfügung zugunsten Dritter bedeutet.
… im Zweifel nicht unbeschränkt gewollt ist, weil sich der Gläubiger im Regelfall
nicht seines gesamten Forderungsrechts begeben will.
… entgegen der Rechtsprechung aber mangels abweichender Regelung doch im
Zweifel in Form einer beschränkten Gesamtwirkung vereinbart ist, bei der sich
der Gläubiger, um den Schuldner effektiv freizustellen, außer seines Anspruchs
gegen ihn auch seines Rechts gegen die anderen insoweit begibt, als diese nach
§ 426 BGB Rückgriff nehmen könnten.
… ist entgegen einer variierenden Rechtsprechung auch dann wie bei einem Erlass
mit beschränkter Gesamtwirkung zu behandeln, wenn die Haftung eines
Gesamtschuldners von vornherein durch Vertrag oder kraft Gesetzes
ausgeschlossen ist („gestörte Gesamtschuld“).
Beschränkte Gesamtwirkung:
Kürzung um Regressbetrag
Schuldner A
€ 1000
€ 500
Gläubiger
€ 500
§ 426 Abs. 1
€ 1000
§ 397
Schuldner B
Beispiel: M benutzt das Fahrrad seiner Frau F und lässt wie üblicherweise
auch sein eigenes so stehen, dass es die Benutzung des Gehwegs
behindert. A stößt mit ihrem Kinderwagen aus Unachtsamkeit gegen
das Fahrrad, wodurch es hinfällt. Für die Reparatur der so
beschädigten Leuchte muss F € 40 aufwenden.
Lösung:
Anspruch der F gegen A auf Zahlung von € 40 aus § 823 Abs. 1 BGB
1.
A hat fahrlässig das Eigentum der F verletzt und so einen Schaden
von € 40 verursacht
2.
fraglich ist, wie sich auswirkt, dass A als Nebentäterin neben M
gehandelt hat
a)
eigentlich ist A gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldnerin und
F damit für den vollen Schaden haftbar
b)
F kann jedoch von M gemäß §§ 277, 1359 BGB keinen Ersatz
verlangen, da dieser nicht grob fahrlässig gehandelt und die in
eigenen Angelegenheiten beobachtete Sorgfalt eingehalten hat;
daher entsteht gar keine Gesamtschuld
c)
der Anspruch gegen A wird jedoch von vornherein um den Betrag
gekürzt, zu dem A im Fall der Entstehung einer Gesamtschuld
Rückgriff nehmen könnte; da M und A für die Beschädigung des
Fahrrads gleichermaßen verantwortlich sind, liegt dieser Betrag bei
€ 20, so dass F von A auch nur € 20 verlangen kann
Beschränkte Gesamtwirkung:
Kürzung um Regressbetrag
Schuldner A
€ 1000
€ 500
Gläubiger F
(Ehefrau)
€ 500
§ 426 Abs. 1
€ 1000
§ 1359
Schuldner A (Ehemann)
Leistungsverzögerung
Erfüllungsanspruch –
Rücktritt und Minderung –
Schadensersatz statt der Leistung –
Leistet der Schuldner nicht …
… kann der Gläubiger seinen Anspruch auf Leistung im Wege der Naturalvollstreckung durchsetzen,
sofern es nicht um einen Anspruch auf Dienstleistung geht (§ 888 Abs. 3 ZPO).
… kann der Gläubiger bei einem Austauschvertrag die ihm selbst obliegende Leistung kraft der
Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB zurückhalten. Diese …
… hat einerseits die Präventivfunktion, den anderen zu der geschuldeten Gegenleistung zu
bewegen,
… hat andererseits die Sperrfunktion, eine Verurteilung zur Leistung ohne Gegenleistung zu
verhindern, weil beide nach der Parteivereinbarung einander bedingen.
… wirkt deshalb auch nach der Verjährung (§ 215 BGB).
… führt, damit keine Pattsituation eintritt, zur Verurteilung zur Erbringung der beiden Leistungen
Zug um Zug (§ 322 BGB). Dies bedeutet praktisch, dass die Vollstreckung aus dem Leistungsurteil
nur gegen Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt (§ 756 ZPO).
… greift nicht ein, wenn eine Seite wie etwa der Dienstverpflichtete (§ 614 S. 2 BGB) oder ein
Werkunternehmer (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB) zur Vorleistung verpflichtet ist.
… gilt für alle Leistungspflichten im Austauschvertrag mit Ausnahme völlig untergeordneter oder
Abwicklungspflichten (zum Beispiel Rückgabe- und Rückzahlungspflichten nach §§ 546, 604, 488
Abs. 1 S. 2 BGB).
Leistet der Schuldner nicht …
… kann der Gläubiger, sofern die Einrede des nichterfüllten Vertrags nicht eingreift,
noch das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend
machen. Es gilt auch für Abwicklungspflichten und …
… setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes den Ursprung der Forderungen aus
„demselben rechtlichen Verhältnis“ voraus.
… wird aber, weil diese Beschränkung auch bei der Aufrechnung nicht besteht
und daher unsinnig ist, so verstanden, dass ein einheitliches Lebensverhältnis
(wie etwa eine dauernde Geschäftsverbindung) genügt.
… führt ebenfalls zu einer Verurteilung Zug um Zug (§ 274 BGB).
… kann der Gläubiger beim Austauschvertrag
- gemäß § 323 BGB ohne Rücksicht auf das Vertretenmüssen des Schuldners
zurücktreten und so erzwingen, dass beide Seiten weitgehend in die Lage vor
dem Vertragsschluss versetzt werden.
- in dem Fall, dass der Schuldner den Leistungsausfall zu vertreten hat, gemäß §
281 BGB Schadensersatz statt der Leistung, also verlangen kann, dass er so
gestellt wird, als wäre die Leistung ordentlich erbracht worden.
Das Rücktrittsrecht …
… setzt voraus, dass der Anspruch auf die Leistung fällig ist, also der Leistungstermin
gekommen ist oder § 271 Abs. 1 BGB gilt.
… hängt gemäß § 323 Abs. 1 BGB in erster Linie von der fruchtlosen Bestimmung einer
Nachfrist ab. Diese
- muss nicht mit der Androhung einer Sanktion, insbesondere des Rücktritts, verbunden sein.
- soll angemessen sein, löst aber auch dann, wenn sie unangemessen kurz ist, nach Ablauf
einer angemessenen Frist das Rücktrittsrecht aus, weil der Schuldner unter diesen
Umständen ebenfalls hinreichend gewarnt ist.
- kann auch durch die Aufforderung zu einer sofortigen, also umgehenden, Leistung gesetzt
werden (damit ist nach der Verkehrsauffassung nicht nur ein Leistungszeitpunkt beschrieben).
- muss sich auf die Leistung beziehen und nicht etwa nur mit einer Aufforderung zur
Erklärung der Leistungsbereitschaft verbunden sein.
- ist wirkungslos, wenn sie nur zum Schein vorgenommen wird, weil der Gläubiger die
Durchführung des Vertrags eigentlich gar nicht mehr anstrebt und auch die ihm obliegende
Leistung gar nicht mehr erbringen will.
Beispiel: Der Verkäufer einer Sache hat diese längst einem anderen verkauft und übereignet
und setzt dem Käufer, der den Kaufpreis noch nicht entrichtet hat, nun eine Frist, um sich von
dem Vertrag lösen zu können.
Das Rücktrittsrecht …
… entsteht, wenn der Schuldner innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht leistet. Für die
Leistung kommt es nach einer Ansicht auf die Vornahme der Leistungshandlung,
nach der richtigen Auffassung auf den Eintritt des Leistungserfolgs an.
Beispiel: K hat den Kaufpreis für eine ihm schon übergebene Vase nicht bezahlt, V
setzt ihm eine Frist bis zum 2. Mai. An diesem Tag tätigt K eine Überweisung von
seinem Konto. Da das Geld V jedoch erst am nächsten Tag gutgeschrieben wird,
erklärt dieser den Rücktritt.
Lösung: Ob V einen Anspruch auf Rückgewähr der Vase aus § 346 Abs. 1 BGB hat,
hängt davon ab, ob ihm ein Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 zusteht, und dies
wiederum davon, ob die Zahlung des K rechtzeitig war. Der von K nach § 270 Abs. 1
BGB am Sitz des Verkäufers herzustellende Leistungserfolg ist erst nach Ablauf der
Nachfrist eingetreten. K hatte mit der Überweisung jedoch schon alles getan, was
zur Leistung erforderlich war, so dass die Leistungshandlung noch rechtzeitig war.
… fällt wieder weg, wenn der Schuldner nach Fristablauf leistet. Der Gläubiger kann
die Leistung aber ablehnen und damit konkludent den Rücktritt erklären.
… ist vorübergehend suspendiert, wenn der Gläubiger den Schuldner nach Fristablauf
noch einmal zur Leistung auffordert: Das Rücktrittsrecht ist nicht endgültig verwirkt,
kann aber auch nicht sofort ausgeübt werden; der Schuldner hat nun noch einmal
die Zeit, die er für die Vollendung einer schon vorbereiteten Leistung braucht.
Das Rücktrittsrecht …
… ist nach § 323 Abs. 2 BGB ausnahmsweise ohne Fristsetzung begründet, nämlich wenn …
… der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert („das letzte Wort“). Hier ist
gemäß § 323 Abs. 4 BGB ein Rücktritt ausnahmsweise auch schon vor Fälligkeit möglich.
Beispiel: Ein Verkäufer lehnt die Nacherfüllung ab, weil er bestreitet, dass die Kaufsache den
Anforderungen genügen muss, die der Käufer an sie stellt.
… eine relative Fixschuld vereinbart ist (das Geschäft „steht und fällt“ mit der Einhaltung des
Termins, der Schuldner ist vor den Folgen seiner Versäumung gewarnt). Die relative Fixschuld
ist von der absoluten zu unterscheiden, bei der mit Versäumung der Leistungszeit
Unmöglichkeit eintritt (in aller Regel nur Dauerverträge: Miet-, Arbeitsvertrag).
Beispiel: Die Parteien haben vereinbart, dass die Leistung „fest“ oder „unbedingt“ zu einem
bestimmten Termin erfolgt.
… besondere Umstände vorliegen, die das Gläubigerinteresse am Rücktritt schutzwürdig
erscheinen lassen.
Beispiel: Der Käufer, der die dringend benötigte Ware nicht erhält, muss sich diese wegen der
Leistungsverzögerung des Verkäufers anderweit beschaffen, um nicht gegenüber seinem
Abnehmer schadenersatzpflichtig zu werden.
Das Recht zum Rücktritt wegen Leistungsausfalls …
… greift nach § 323 Abs. 5 BGB bei einer Schlechtleistung nicht ein, wenn die Pflichtverletzung
unerheblich ist. Dies richtet sich danach, ob dem Interesse des Gläubiger schon mit einer
Minderung (§§ 441, 638 BGB) hinreichend gedient ist, und entgegen der Ansicht des BGH
nicht etwa nach der Art des Verschuldens (Vorsatz), auf den es für das Rücktrittsrecht
insgesamt nicht ankommt.
Beispiel: K kauft von V zum Preis von € 100.000 eine Eigentumswohnung, die, wie V weiß,
einen Feuchtigkeitsschaden hat, dessen Beseitigung € 500 kostet. Da V den Schaden auch
nach Fristsetzung nicht behebt, will K nun den gesamten Vertrag nicht mehr gelten lassen.
Lösung: Folgt man der Ansicht der Rechtsprechung, kann K aus § 346 Abs. 1 BGB die
Rückzahlung des Preises von € 100.000 verlangen, weil die Pflichtverletzung des V wegen
seiner Arglist nicht unerheblich ist. Ansonsten ist der Rücktritt ausgeschlossen, weil K‘s
Interesse an einer mangelfreien Wohnung auch im Wege einer Minderung in Höhe der
Reparaturkosten befriedigt wird.
… erstreckt sich nach § 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht auf die gesamte Leistung, wenn der Schuldner
schon (nach § 266 BGB wirksam) eine Teilleistung erbracht hat, sofern diese für den Gläubiger
ohne Interesse ist.
Beispiel: B gibt bei Bildhauer U eine Quadriga zum Preis von € 10.000 in Auftrag und bezahlt
sie sofort; U fertigt nur zwei Pferde, die er B auch übergibt, bleibt die beiden anderen aber auch
nach Ablauf einer Nachfrist schuldig. B will den Vertrag überhaupt nicht mehr gelten lassen.
Lösung: B hat aus § 346 Abs. 1 BGB gegen U einen Anspruch auf Rückerstattung des
gesamten Werklohns in Höhe von € 10.000 gegen Rückgabe der beiden gefertigten Pferde. Da
diese für ihn keinen Wert haben, kann er seinen Rücktritt auf den gesamten Vertrag erstrecken.
Das Rücktrittsrecht …
… wird als Gestaltungsrecht nach § 349 BGB durch Erklärung ausgeübt. Diese darf,
abgesehen von einer sogenannten Potestativbedingung (deren Eintritt im Belieben
des Schuldners steht), nach § 388 S. 2 BGB analog nicht bedingt erfolgen.
… kann nicht mehr wirksam erfolgen, wenn der nichterfüllte Anspruch bereits verjährt
ist (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB).
… kann schon vorher verwirkt sein, wenn der Gläubiger von seinem Recht nicht
innerhalb angemessener Frist Gebrauch macht.
Beispiel: V hat die verkaufte Vase trotz Ablaufs einer von K hierfür gesetzten
Nachfrist immer noch nicht geliefert. Als K untätig bleibt, fordert V ihn auf, binnen
zwei Wochen zu erklären, dass er die Vase nicht mehr will. Nach drei Wochen bringt
er die Vase zu K. Dieser will sein Geld zurück.
Lösung: Ob K nach § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises hat, hängt davon ab, ob er sein nach § 323 Abs. 1 BGB begründetes
Rücktrittsrecht wieder verloren hat. Dies kann wegen der Fristsetzung des V der Fall
sein, wenn man die für das vertragliche Rücktrittsrecht geltende Vorschrift des § 350
BGB analog anwendet oder wenn man in der Entscheidung über den Rücktritt eine
der Wahlschuld ähnliche Konstellation erkennt, bei der das Wahlrecht analog § 264
Abs. 2 BGB nach Fristsetzung auf den anderen Teil übergeht. Man kann das
Rücktrittsrecht auch schlicht wegen Zeitablaufs für ausgeschlossen halten, wenn
man die Regelung für die Kündigung in § 314 Abs. 3 BGB analog anwendet oder
dem Schuldner den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB
zugesteht.
Das Rücktrittsrecht …
… bietet dem Gläubiger im Vergleich zum
Schadensersatzanspruch den Vorteil, dass er sich, ohne auf
die Verschuldensfrage eingehen zu müssen, rasch und
durch außergerichtliche Erklärung vom Vertrag lösen kann.
… hat im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch das Ziel,
beide Parteien nach Möglichkeit in die Lage zu versetzen, in
der sie sich befänden, wenn sie sich auf den Vertrag nicht
eingelassen und ihre Leistungen behalten hätten.
(Es findet aber anders als nach § 122 BGB keine
umfassende Restitution durch Ersatz des
Vertrauensschadens statt, der auch verpasste
Gewinnmöglichkeiten einschließt).
… führt bei unerfüllten Leistungspflichten zu deren schlichten
Wegfall, bei erfüllten nach § 346 Abs. 1 BGB zu
Rückgewährpflichten, die nach § 348 BGB ebenso wie die
Leistungspflichten selbst Zug um Zug zu erfüllen sind.
Die Rückgewähr nach Rücktritt …
… erfolgt nach § 346 Abs. 2 S. 1 BGB durch Wertersatz bei
- naturgemäßen Unmöglichkeit der Herausgabe (vor allem bei Gebrauchsvorteilen, § 100 BGB)
- Verbrauch des Gegenstands
- Untergang oder Verschlechterung des Gegenstands.
… ist, wenn sie durch Wertersatz erfolgt, gemäß S. 2 der Vorschrift an der Gegenleistung
auszurichten.
Beispiel: V hat an K ein Fahrzeug, das € 5.000 wert war, zu € 7.000 verkauft. Da K nicht zahlt, tritt
V vom Vertrag zurück, als K den Wagen schon zu Schrott gefahren hat. K muss als Wertersatz
nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. BGB € 7.000 leisten, obwohl der Wagen weniger wert war. Das
Vermögen des V ist damit um den Betrag von € 2.000 vermehrt.
Die Orientierung an der Gegenleistung
- bedeutet einen Verstoß gegen den Grundgedanken des Rücktrittsrechts, dessen Ausübung ja
gerade nicht so stellen soll wie bei einer Durchführung des Vertrags.
- lässt sich vielleicht wie bei Darlehen (2. Hs.) insgesamt nur als Zweifelssatz verstehen.
- muss jedenfalls, wenn die Leistung mangelhaft war, nach dem Rechtsgedanken von §§ 441, 638
BGB im Wege der Minderung eingeschränkt werden.
Beispiel: Das verkaufte Fahrzeug hat einen Motorschaden, der seinen Wert um die Hälfte auf €
2.500 senkt. Hier kann V nur die Hälfte des vereinbarten Preises, nämlich € 3.500, verlangen.
Beispiel: K hat von V zu € 500 einen Herd gekauft, bei dem nur drei
von vier Platten funktionieren. K benutzt den Herd, der eine
Lebensdauer von 10 Jahren hat, ein Jahr lang und erklärt,
nachdem V innerhalb einer angemessenen Nachfrist nicht für
Abhilfe gesorgt hat, den Rücktritt.
Lösung: K hat nach § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Rückzahlung des Kaufpreises; sein Rücktrittsrecht ergibt sich aus
§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Der Herd weist einen Mangel nach
§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 (gewöhnliche Verwendung) auf; V hat die
gemäß § 439 Abs. 1 BGB geschuldete Nacherfüllung nicht
erbracht.
V hat nach § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückgabe des
Herdes und auf Ersatz der von K gezogenen Gebrauchsvorteile (§
100 BGB). Orientiert man sich am Kaufpreis, sind diese mit 1/10
von € 500 anzusetzen. Da K den Herd jedoch wegen seines
Mangels, der den Grund für seinen Rücktritt bot, nicht
bestimmungsgemäß nutzen konnte, ist der Wertersatz gemäß
dem Rechtsgedanken von § 441 BGB nach dem Verhältnis der
Funktionsstörung um 1/4 herabzusetzen. K schuldet als
Wertersatz für die erlangten Gebrauchsvorteile also nur € 37,50.
Beispiel: K hat vom Händler V zu € 500 ein Fahrrad gekauft, bei dem die
Gangschaltung nicht funktioniert. V weigert sich standhaft, das Fahrrad zu
reparieren, weil er die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen habe. Obwohl
K das Fahrrad in einem entsprechenden Kellerraum unterbringen könnte,
schließt er es, wie bei seinem alten Fahrrad üblich, vor dem Haus an einen
Pfeiler. Hier wird das Fahrrad gestohlen. K verlangt von V gleichwohl den
Kaufpreis zurück.
Lösung:
I.
Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung von € 500 aus § 346 Abs. 1 BGB
1.
K hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt
2.
das Fahrrad war mangelhaft nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB
3.
einer Fristsetzung bedarf es nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, da
V die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert
II.
1.
2.
3.
Anspruch des V gegen K auf Zahlung von € 500 aus § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BGB
K kann das verschwundene Fahrrad nicht mehr zurückgeben und ist daher
eigentlich zum Wertersatz verpflichtet
der Wertersatz ist nach der Gegenleistung zu bestimmen, beträgt also wie der
Kaufpreis € 500
die Wertersatzpflicht ist jedoch nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB
ausgeschlossen, weil K bei dem Verlust des Fahrrads nicht gegen die
eigenübliche Sorgfalt verstoßen hat; dass er leicht fahrlässig gehandelt hat,
steht seiner Entlastung nicht entgegen, § 277 BGB
Die Gefahrbelastung des Rücktrittsgegners
(§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB)…
… widerspricht nicht der vertraglichen Risikoverteilung, weil der
Rücktrittsgegner seine Leistung ja gerade nicht in vollem
Umfang ordentlich erbracht hat (sie gilt daher nicht bei einem
Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313
BGB).
… ist begrenzt nur dadurch, dass sich der Rücktrittsberechtigte
ebenso wie beim Mitverschulden (§ 254 BGB) den Vorwurf
eines „Verschuldens gegen sich selbst“ gefallen lassen muss,
für das die eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB) einen passenden
Maßstab bietet.
… ist eingeschränkt durch eine Schadensersatzpflicht nach §§
241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, für die fraglich ist, ob das Kriterium
der eigenüblichen Sorgfalt auch hier gilt.
Ein Anspruch auf Rückgewähr …
… entsteht außer durch Rücktritt auch bei der Nachlieferung einer mangelfreien
anstelle einer mangelhaften Kaufsache, § 439 Abs. 4 BGB.
… schließt nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers hier auch Wertersatz für
Nutzungen nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ein,
obwohl dies ungerecht ist, weil der Verkäufer, der bis zur Nachlieferung noch
nicht ordentlich erfüllt hat, ja auch den Kaufpreis nicht verzinsen muss.
… kann jedenfalls beim Verbrauchsgüterkauf keinen Nutzungsersatz umfassen,
weil dies gegen das Gebot der unentgeltlichen Nacherfüllung verstößt:
Art. 3 Abs. 3 der RL 1999/44/EG:
„Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche
Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung
verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. … Die
Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muß innerhalb einer angemessenen Frist
und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen …“
… ist daher durch den neuen § 474 Abs. 2 S. 1 BGB beim Verbrauchsgüterkauf
eingeschränkt.
Die Minderung des Kaufpreises …
… ist für den Käufer einer mangelhaften Kaufsache eine Alternative zur
vollständigen Rückabwicklung des Kaufvertrags.
… steht dem Käufer unter denselben Voraussetzungen wie der Rücktritt zu,
ist jedoch auch bei einem unerheblichen Mangel (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB)
eröffnet, § 441 Abs. 1 BGB.
… erfolgt wie der Rücktritt durch Ausübung eines entsprechenden
Gestaltungsrechts des Käufers.
… bedeutet eine Herabsetzung des Kaufpreises nach dem Gewicht des
Mangels (§ 441 Abs. 3 BGB), nicht Schadensersatz.
Beispiel: K hat von V ein Fahrzeug, das € 5.000 wert ist, für € 7.000
gekauft. Wegen eines Mangels ist es nur die Hälfte, nämlich € 2.500, wert.
K kann von V lediglich Erstattung der Hälfte des Preises, nämlich € 3.500,
verlangen und hat damit immer noch einen Verlust von € 1.000 gemacht.
… führt, wenn der Kaufpreis schon gezahlt ist, zu einem
Rückgewähranspruch nach Rücktrittsrecht (§ 441 Abs. 4 BGB), nicht zu
einem Bereicherungsanspruch, bei dem ein Wegfall der Bereicherung den
Verkäufer entlastete (§ 818 Abs. 3 BGB)
Schadensersatz statt der Leistung …
… kann der Gläubiger auch neben dem Rücktritt vom gegenseitigen
Vertrag verlangen (§ 325 BGB).
… kann der Gläubiger gemäß § 281 BGB unter annähernd denselben
Voraussetzungen geltend machen, unter denen er auch zurücktreten
kann. Anders als das Rücktrittsrecht
- ist der Schadensersatzanspruch ebenso wie die Minderung zumindest
zum Teil auch bei einer unerheblichen Schlechtleistung begründet (§ 281
Abs. 1 S. 3 BGB).
- ist ein Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit der Leistung (§ 323 Abs. 4
BGB) ausgeschlossen, weil Schadensersatz nicht vor der Leistung
verlangt werden kann.
- gibt es kein sofortiges Schadensersatzrecht beim Fixgeschäft; in diesem
Fall ist aber eine Analogie zu § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB denkbar, weil es hier
keinen hinreichenden Grund für die Ungleichbehandlung von Rücktritt und
Schadensersatz gibt.
Schadensersatz statt der Leistung …
… kann der Gläubiger im Unterschied zum Rücktritt nur dann verlangen, wenn sich der
Schuldner nicht nach §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB vom Vorwurf des Vertretenmüssens
entlasten kann.
… ist aber, wenn der Leistung kein Hindernis entgegensteht, gleichwohl in aller Regel geschuldet.
… ist keineswegs schon deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner über keine hinreichenden
finanziellen Mittel verfügt („Geld hat man zu haben“); denn das bürgerliche Recht geht von
einer umfassenden Vermögenshaftung aus.
… ist, wenn kein Leistungshindernis gegeben ist, nur selten bei einem unvermeidlichen
Tatsachen- oder Rechtsirrtum ausgeschlossen.
Beispiel: A ist Erbe des S geworden, dem dessen Gläubiger G kurz vor seinem Tode eine
Nachfrist gesetzt hat. Von seiner testamentarischen Einsetzung als Erbe erfährt A erst nach
dem Ablauf der Frist. G verlangt jedoch umgehend Schadensersatz. Der Anspruch hierauf ist
nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen; denn A ist einem relevanten Tatsachenirrtum
unterlegen, weil er von seiner Erbeinsetzung und damit auch von seiner Verpflichtung gemäß
§ 1922 BGB nichts wusste.
… wird auch geschuldet, wenn der Fehler einem Erfüllungsgehilfen unterlaufen ist, für den der
Schuldner nach § 278 BGB verschuldensunabhängig einzustehen hat.
Beispiel: S fragt seinen Anwalt, ob er die von G verlangte Leistung erbringen müsse. Sein
Anwalt übersieht eine jüngere BGH-Entscheidung und meint, S müsse sich keine Sorgen
machen, da der Vertrag unwirksam sei. S leistet daraufhin nicht.
Schadensersatz statt der Leistung …
… bedeutet nach der Regel des § 249 Abs. 1 BGB eigentlich, dass der Schuldner in
Natur den Zustand herzustellen hat, der bei rechtzeitiger Leistung bestanden hätte
(Naturalrestitution).
… kann jedoch nicht in der Leistung selbst bestehen, weil der Anspruch hierauf
nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen ist.
… besteht daher zunächst einmal in Geldersatz und in Naturalrestitution nur
insoweit, als der Gläubiger weitergehende Nachteile erlitten hat.
Beispiel: K bestellt zur Trockenlegung seines überschwemmten Hauses zum Preis
von € 4.000 vier Pumpen bei V, der sie auch nach Ablauf einer ihm gesetzten Frist
nicht liefert. Deshalb werden die Wände eines weiteren Stockwerks des Gebäudes
nass. Die Pumpen kosten andernorts € 6.000.
Lösung: Der Anspruch des K auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281
Abs. 1 S. 1 BGB umfasst einerseits den entgangenen Gewinn von € 2.000, an
dessen Stelle K nicht die Lieferung der Pumpen selbst verlangen kann, daneben
auch die Trocknung des nass gewordenen Stockwerks. Hierfür kann K nach § 249
Abs. 2 BGB die Kosten einer selbst veranlassten Reparatur liquidieren. Er kann
aber auch verlangen, dass V die Trocknung selbst vornimmt. § 281 Abs. 4 BGB
steht nicht entgegen, weil es um einen Folgeschaden und nicht die Leistung selbst
geht.
Schadensersatz statt der Leistung …
… kann nach der Differenzmethode ermittelt werden, bei der der Gläubiger nur den
Überschuss zwischen der ausgefallenen Leistung und der von ihm selbst zu
erbringenden Gegenleistung erhält.
… kann auch nach der Austausch- (oder Surrogations-)methode ermittelt werden, bei
der der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung erbringt und den vollen Wert
der ausgefallenen Leistung erhält.
Beispiel: V ist die ungeliebte Vase losgeworden, die er von seiner Großmutter
geerbt hat. Er hat sie zu € 500 und damit € 200 über dem Marktpreis an K verkauft,
der sich, nachdem er von dieser Diskrepanz erfahren hat, standhaft weigert, den
Kaufpreis zu zahlen. Durch die Rechtsverfolgung sind V Kosten in Höhe von € 100
entstanden.
Lösung: V, der kein Interesse daran hat, die Vase zu behalten, kann gemäß § 281
Abs. 2 BGB neben den Kosten der Rechtsverfolgung nicht nur einfach seinen
Gewinn von € 200, sondern auch Zahlung von € 500 gegen Lieferung der Vase
verlangen.
… kann der Gläubiger auch unter nachträglichem Wechsel der Berechnungsmethode
verlangen.
… geht, wenn er nach der Differenzmethode verlangt wird, nach richtiger Ansicht aber
mit einem stillschweigenden Rücktritt einher, der unwiderruflich ist und damit
einen Wechsel zur Austauschmethode ausschließt.
Beim Kaufvertrag …
… kann der Käufer einer mangelhaften Sache auch ohne Fristsetzung
zurücktreten oder Minderung oder Schadensersatz verlangen, wenn die
Nacherfüllung (i. d. R. nach zwei verglichen Versuchen) fehlgeschlagen
oder unzumutbar ist, § 440 BGB.
… kann der Käufer einer mangelhaften Sache beim Verbrauchsgüterkauf
generell ohne Fristsetzung zurücktreten oder den Kaufpreis mindern,
wenn nur der Verkäufer nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums
nacherfüllt:
Art. 3 Abs. 5 der RL 1999/44/EG:
„Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises
oder eine Vertragsauflösung verlangen, …
— wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist
Abhilfe geschaffen hat …“
Im nationalen Recht soll dies nach Vorstellung des deutschen
Gesetzgebers durch Anwendung von § 440 BGB umgesetzt werden.
Leistungsbehinderung
Gefahrtragung, Rücktritt und
Schadensersatz bei
Leistungshindernissen
Die Unmöglichkeit der Leistung …
… schließt die Verpflichtung zur Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB aus und kommt in
den Formen der für jedermann bestehenden Unmöglichkeit im eigentlichen Sinne
und des individuellen Unvermögen des Schuldners vor.
Beispiel: Hat ein Verkäufer ein Pferd verkauft, das vor der Übergabe stirbt, ist die
Leistung regelrecht unmöglich; hat er ein Pferd verkauft, das einem Dritten gehört
und das dieser auch nicht veräußern will, liegt ein bloßes Unvermögen des
Verkäufers vor, weil die Leistung ja vom Eigentümer des Pferdes, nur nicht vom
Verkäufer erbracht werden kann.
… hängt davon ab, inwieweit der Schuldner das Beschaffungsrisiko übernommen hat
(§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB).
Beispiele: Hat ein Verkäufer eine beliebige Vase einer gängigen Art verkauft,
schuldet er sie, solange sie auf dem Markt zu beschaffen ist; hat er eine antike Vase
verkauft, schuldet er im Zweifel nur diese; hat er erkennbar eine Vase aus einem
Restposten verkauft, schuldet er nur, solange der Posten nicht erschöpft ist. Im
Übrigen ist seine Verpflichtung zur Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB
ausgeschlossen.
… tritt bei der absoluten Fixschuld durch schlichten Zeitablauf ein (dies betrifft vor
allem zeitgebundene Dauerverträge wie Miet- und Arbeitsverträge, weil man die in
einer bestimmten Zeit ausgefallene Leistung des Mieters oder Arbeitnehmers nicht
nachholen kann).
Ein anspruchsausschließendes Leistungshindernis …
… besteht auch bei einem groben Missverhältnis von
Leistungsaufwand und Gläubigerinteresse, wenn der
Schuldner die ihm deshalb nach § 275 Abs. 2 BGB
zustehende Einrede erhebt.
… besteht auch bei einer persönlichen Unzumutbarkeit der
Leistung, wenn der Schuldner von der ihm deshalb durch §
275 Abs. 3 BGB eingeräumten Einrede Gebrauch macht.
Beispiel: Ist der Sohn der Sängerin erkrankt und bedarf der
Pflege, kann sie die Erfüllung ihrer Pflicht zum Auftritt nach §
275 Abs. 3 BGB verweigern. Wäre sie selbst krank, läge
eine Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vor, sofern sich
der Auftritt nicht verschieben lässt.
Die Nacherfüllung …
… kann der Verkäufer nicht nur gemäß § 275 Abs. 2 und 3 BGB wegen Missverhältnisses zum
Gläubigerinteresse oder persönlicher Unzumutbarkeit verweigern.
… kann der Verkäufer nach § 439 Abs. 3 BGB auch wegen unverhältnismäßiger
Kosten verweigern, was
- relativ im Verhältnis zur anderen Nacherfüllungsmöglichkeit oder
- absolut im Verhältnis zum Wert der Kaufsache oder des Preises
bestimmt werden kann.
… kann beim Verbrauchsgüterkauf aber nicht wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit
verweigert werden, weil die Richtlinie nur die Berufung auf relativ unverhältnismäßige
Kosten vorsieht:
Art. 3 Abs. 3 der RL 1999/44/EG:
„Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen
würde, die
— angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,
— unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und
— nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche
Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte, verglichen mit
der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.“
Beispiel: K kauft zu privaten Zwecken beim Autohändler V zum
Preis von € 12.000 einen speziell ausgesuchten
Gebrauchtwagen, bei dem sich später herausstellt, dass er
einen Rahmenschaden hat und deshalb fahruntüchtig ist. Die
Reparatur, die V verweigert, kostet € 18.000.
Lösung: K hat nach § 439 Abs.1 BGB einen Anspruch auf
Nachbesserung in Form der Beseitigung des
Rahmenschadens. V kann die Reparatur nicht nach § 275
Abs. 1 BGB wegen eines groben Missverhältnisses zum
Gläubigerinteresse verweigern, weil die Reparatur gerade
einmal die Hälfte des Preises ausmacht. Ein geringeres
Missverhältnis reicht zwar für das Verweigerungsrecht nach §
439 Abs. 3 BGB (vielleicht 30% des Wertes oder Preises).
Dieses steht V jedoch von vornherein nicht zu, weil ein
Verbrauchsgüterkauf vorliegt, der nur eine Verweigerung
wegen relativer Unverhältnismäßigkeit zulässt, und es die
Alternative der Nachlieferung hier gar nicht gibt.
Ein Leistungshindernis …
… führt beim gegenseitigen Vertrag zum Ausschluss des Anspruchs auf die
Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 BGB) und einem entsprechenden
Rückgewähranspruch (Abs. 4).
… führt außerdem zu einem Rücktrittsrecht ohne Fristsetzungserfordernis (§ 326 Abs.
5), mit dem der Gläubiger weitere Leistungspflichten beseitigen kann.
… lässt den Anspruch auf die Gegenleistung unberührt, wenn der Gläubiger das
Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 326 Abs. 2 BGB). Der Schuldner muss sich
aber eine Aufwandsersparnis und anderweitigen Gewinn anrechnen lassen, so
dass er im Ergebnis nur den Gewinn erhält.
Beispiel: Für B dauert es schon viel zu lange, dass U endlich, wie vereinbart,
gegen € 1.000 die Fliesen in seinem Badezimmer legt. B beauftragt daher
kurzerhand einen anderen Unternehmer, der die Arbeit auch ausführt. U entgeht
Materialkosten von € 600.
Lösung: Der Anspruch des U auf Zahlung des vereinbarten Werklohns in Höhe
von € 1.000 aus § 631 Abs. 1 BGB ist eigentlich nach § 326 Abs. 1 BGB erloschen.
Da der Gläubiger B für die Unmöglichkeit der Leistung des U verantwortlich ist,
bleibt er jedoch gemäß Abs. 2 der Vorschrift erhalten und reduziert sich nur um die
eingesparten Kosten von € 600 auf € 400.
Beispiel: K hat von V zum Preis von € 100.000 eine Eigentumswohnung
gekauft, die einen Wasserschaden hat. Ohne V zu unterrichten, lässt K
den Schaden zum marktüblichen Handwerkerpreis von € 1.000
erheben. V verlangt Zahlung des vollen Kaufpreises, K will nur € 99.000
zahlen.
Lösung:
Anspruch des V gegen K auf Zahlung von € 100.000 aus § 433 Abs. 2 BGB
1.
2.
3.
4.
Anspruch entstanden durch Abschluss des Kaufvertrags
keine automatische Reduktion nach § 326 Abs. 1 BGB, weil es um eine
Schlechtleistung geht
keine Minderung nach § 441 BGB, weil K nicht die nach §§ 437 Nr. 2,
323 Abs. 1 BGB erforderliche Nachfrist gesetzt hat
nach richtiger Ansicht Herabsetzung des Kaufpreises um die von V
ersparten Aufwendungen in Analogie zu § 326 Abs. 2 BGB, weil die
Schlechtleistung nicht anders behandelt werden darf als eine einfache
Nichtleistung
nach Ansicht des BGH keine Herabsetzung des Kaufpreises, weil der
Käufer dem Verkäufer sein Recht zur zweiten Andienung genommen
hat
Die Preisgefahr beim Kaufvertrag…
… träfe den Verkäufer nach der Grundregel des § 326 Abs. 1 BGB eigentlich bis zum
Eigentumserwerb des Käufers, der aber häufig durch einen Eigentumsvorbehalt
(§ 449 BGB) bis zur Kaufpreiszahlung aufgeschoben ist.
… geht schon mit der Übergabe über (§ 446 BGB), weil die Sache sich ab dann im
Gefahrenbereich des Käufers befindet und es ungerecht wäre, den Verkäufer
weiter mit dem Risiko ihres zufälligen Untergangs zu belasten.
Beispiel: V verkauft das Pferd „Theodor“ an K und übergibt es ihm unter
Eigentumsvorbehalt. Noch bevor K den Kaufpreis gezahlt hat, wird das Pferd vom
Blitz getroffen.
Lösung: Der Anspruch des V auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB ist
eigentlich nach § 326 Abs. 1 BGB untergegangen, weil die Erfüllung der
Übereignungspflicht des V mit dem Tod des Pferdes nach § 275 Abs. 1 BGB
unmöglich geworden ist. Der Anspruch bleibt gleichwohl erhalten, weil die
Preisgefahr schon mit der Übergabe des Pferdes auf K gewechselt ist.
… geht bei einem Versendungskauf schon mit der Übergabe an die Transportperson
über (§ 447 Abs. 1 BGB), die nach umstrittener, aber richtiger Ansicht auch ein
Angestellter des Verkäufers sein kann.
Bei Verbraucherverträgen, bei denen die Versendung in aller Regel vom
Unternehmer vorgegeben wird, gilt dies jedoch nicht, § 474 Abs. 2 BGB (umstritten,
ob vom folgenden Verbot abweichender Vereinbarungen nach § 475 Abs. 1 BGB
erfasst).
Ein Leistungshindernis führt zur Haftung des Schuldners …
…
wenn er das Leistungshindernis selbst zu vertreten hat, also
nicht nachweisen kann, dass es nicht nach Entstehung seiner
Verpflichtung durch sein Fehlverhalten entstanden ist, §§ 283,
280 Abs. 1 BGB.
…
wenn er selbst fahrlässig gehandelt und nicht die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beachtet hat (§ 276 Abs. 2 BGB), also sich
nicht so verhalten hat, wie man von einem durchschnittlichen
Mitglied seines Verkehrskreises erwarten kann (normativer
Maßstab, nach einer Ansicht garantieartig).
…
wenn er sich eines Erfüllungsgehilfen bedient, für den ihn nach
§ 278 BGB eine (verschuldensunabhängige)
Gefährdungshaftung trifft, weil er sich sonst stets durch den
Nachweis ordentlicher Organisation entlasten könnte und das
Gläubigerrecht damit entwertet wäre (nach anderer Ansicht
kommt es auf die Arbeitsteilung an, die sich jedoch auch der
Vertragspartner zunutze macht).
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen desselben
Typs. Er einigt sich mit V darauf, dass dieser eine der Vasen zu K‘s Wohnung
liefert. Am selben Abend stößt V‘s Angestellter A aus Unachtsamkeit gegen
eine der Vasen, die dann wie Dominosteine umfallen und zerschellen. Die
Vase sollte € 500 kosten, ist aber € 600 wert.
Lösung:
I.
Anspruch des K gegen V auf Übergabe und Übereignung einer Vase aus §
433 Abs. 1 S. 1 BGB
1.
Anspruch entstanden durch Abschluss eines Kaufvertrags
2.
Anspruch erloschen durch Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB?
Leistung einer Vase des Typs vermutlich noch möglich,
Beschaffungsrisiko nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB aber nur für die drei Vasen im
Geschäft übernommen
II.
1.
2.
3.
4.
Anspruch des K gegen V auf Zahlung von € 100 aus § 283 BGB
Nichterfüllung der Leistungspflicht
Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit entbehrlich
Verschulden des V nach § 280 Abs. 1 S. 2: kein Entlastungsbeweis: keine
Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) durch
den Angestellten A, der gemäß § 278 BGB Gehilfe des V für die Erfüllung von
dessen Lieferpflicht gegenüber K ist
K‘s positives Interesse an der Durchführung des Vertrags: sein Gewinn von €
100
Ein anfängliches Leistungshindernis …
…lässt die Wirksamkeit des Vertrags, aus dem sich die
ausgeschlossene Verpflichtung ergibt, unberührt, § 311a
Abs. 1 BGB.
…führt zur Haftung des Schuldners, wenn er nicht
nachweisen kann, dass er das Leistungshindernis
weder kannte noch kennen musste (§ 311a Abs. 2
BGB).
…bewirkt so eine auf das Leistungsversprechen
gegründete Garantiehaftung des Schuldners, dem ja
kein Fehlverhalten nach Entstehung der Verpflichtung
vorgeworfen werden kann und den vorher noch keine
leistungsbezogene Pflicht treffen konnte.
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen
desselben Typs, die, wie V meint, aus dem 17. Jahrhundert stammen. K
einigt sich mit V darauf, dass dieser eine der Vasen zu Kasimirs
Wohnung liefert. Als V Tags darauf bei K erscheint, nimmt dieser die
Vase entgegen und zahlt wie vereinbart € 500. Hätte die Vase wirklich
aus dem 17. Jahrhundert gestammt, wäre sie € 700 wert gewesen.
Später muss K aber entdecken, dass die Vasen Kopien aus dem 20.
Jahrhundert sind. V hätte dies als Antiquitätenhändler wissen müssen.
Anspruch des K gegen V auf Zahlung von € 700 aus § 311a Abs. 2 BGB
1. Mängelhaftung des V gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund
wirksamen Kaufvertrags
2. Mangel der Vase:
Verfehlung der vereinbarten Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB
3. Unmöglichkeit der Nacherfüllung gemäß § 275 Abs. 1 BGB
4. Schadensersatzpflicht nach § 311a Abs. 2 wegen vorvertraglichen
Informationsdefizits: keine Entlastung des V durch Nachweis
mangelnden Verschuldens
5. Anspruchsinhalt:
Rückgewähr des Kaufpreises (€ 500) und Ersatz des entgangenen
Gewinns (€ 200)
Das stellvertretende commodum …
… kann der Gläubiger in allen Fällen eines relevanten
Leistungshindernisses und unabhängig vom Vertretenmüssen des
Schuldners beanspruchen.
… besteht bei nicht zu vertretenden Hindernissen vor allem in
Versicherungsleistungen und Ersatzansprüchen gegen Dritte, die den
Leistungsgegenstand beschädigt haben.
Beispiel: V verkauft eine chinesische Vase im Wert von € 550 zum Preis
von € 500 an K. Noch bevor sie geliefert werden kann, wird sie von dem
unachtsamen Kunden D im Laden des V umgestoßen.
Lösung: Statt der Lieferung der Vase, die K gemäß § 275 Abs. 1 BGB
nicht mehr verlangen kann, steht ihm ein Anspruch auf Abtretung des
Anspruchs zu, den V gegen D aus § 823 Abs. 1 BGB erworben hat und
der auf Zahlung von € 550 gerichtet ist. K bleibt seinerseits zur Zahlung
des Kaufpreises in Höhe von € 500 verpflichtet.
Das stellvertretende commodum …
… kann für den Gläubiger auch einen Gewinn darstellen, den er
insbesondere dann abschöpfen kann, wenn der Schuldner über
denselben Gegenstand erneut disponiert hat.
Beispiel: V verkauft eine chinesische Vase im Wert von € 550 zum Preis
von € 500 an K. V trifft dann aber auf D, der bereit ist, € 600 zu zahlen,
und dem er die Vase gegen Barzahlung übergibt. D will die Vase nicht
mehr herausgeben.
Lösung: K kann von V nicht mehr nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB die
Lieferung der Vase verlangen, weil diese Leistung für V unmöglich ist, §
275 Abs. 1 BGB. K kann aber nach § 285 Abs. 1 BGB die Herausgabe
des Preises von € 600 beanspruchen, den V nur gegen Veräußerung der
Vase an D erlangt hat. Sein Anspruch auf Schadensersatz aus § 283
BGB wird hiervon aufgesogen, § 285 Abs. 2 BGB. Er bleibt seinerseits
zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.
Ersatz vergeblicher Aufwendungen …
… kann der Gläubiger anstelle von Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 284
BGB).
… ist nicht identisch mit dem negativen Interesse, den Vertrag überhaupt nicht
geschlossen zu haben, sondern eine andere Art, das positive Interesse an der
Vertragsdurchführung zu bestimmen:
Damit der Gläubiger nicht auf die Darstellung seines Gewinns angewiesen ist, wird
vermutet, dass die ausgefallene Leistung die vom Gläubiger hierfür gemachten
Aufwendungen wert gewesen wäre.
Beispiel: K hat V mit der Errichtung einer zur Geldanlage gedachten
Eigentumswohnung zum Preis von € 100.000 beauftragt, die der in finanzielle
Schwierigkeiten geratene V weder zu dem vereinbarten Fertigstellungstermin noch
innerhalb einer Nachfrist herstellt. Von dem Preis für die Wohnung, deren Wert
ungewiss ist, hat K noch nichts gezahlt. Für die Finanzierung des Vorhabens und
den Abschluss und die Durchführung der Verträge hat er jedoch € 15.000
aufgewendet.
Lösung: Im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 281 Abs. 1 BGB, der sich
aus der Nichterfüllung von V‘s Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 631 Abs. 1
BGB (die Einordnung eines solchen Vertrags ist umstritten) ergibt, kann K nur seinen
Gewinn geltend machen, den er jedoch mangels Feststellung des Wertes der
Wohnung nicht beziffern kann. Die Finanzierungs- und Vertragskosten kann er nicht
ersetzt verlangen, da sie auch bei ordentlicher Durchführung des Vertrags
angefallen wären. Er kann ihren Ersatz jedoch nach § 284 BGB begehren, weil er
sie im Vertrauen auf den Vollzug des Vertrags billigerweise machen durfte.
Ersatz vergeblicher Aufwendungen …
… deckt die Kosten der Vertragsdurchführung einschließlich der Finanzierung ab.
… steht unter dem Vorbehalt der Billigkeit:
- Bei einer kommerziell genutzten Leistung kann der Gläubiger nur die Aufwendungen ersetzt
verlangen, die geeignet waren, einen sie deckenden Gewinn zu erzielen.
- Bei einer Leistung zu ideellen Zwecken sind nur übliche Aufwendungen zu ersetzen.
… steht unter dem weiteren Vorbehalt, dass der Schuldner nicht den Gegenbeweis führt, dass
die Aufwendungen auch ohne seine Pflichtverletzung vergebens gewesen wären.
Beispiel: V weist nach, dass die von ihm zu errichtende Wohnung wegen der
zwischenzeitlich geplanten Errichtung eines Schweinemastbetriebs in unmittelbarer Nähe
keinesfalls mehr als € 80.000 wert gewesen wäre. Die Aufwendungen des K hätten sich also
niemals rentieren können.
… steht schließlich unter dem Vorbehalt des Mitverschuldens, dass der Gläubiger den
Schuldner nicht auf einen besonders großen Schaden hingewiesen hat (§ 254 Abs. 2 S. 1
BGB).
Beispiel: K hat wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse Finanzierungskosten
von € 50.000, V hierüber vor Vertragsschluss jedoch nicht informiert. Sein Anspruch auf
Aufwendungsersatz reduziert sich um seinen Beitrag an der Schadensentstehung, den man
mit ½ ansetzen kann.
Schuldner- und
Gläubigerverzug
Der Schuldnerverzug …
… zeitigt besondere Rechtsfolgen neben Rücktritt und dem Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung.
… begründet einen speziellen Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens (§
280 Abs. 2 BGB)
- der auch dann erhalten bleibt, wenn die Leistung schließlich erfolgt und kein
Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zuständig ist.
- der, wenn schließlich auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung
gegeben ist, alle Nachteile einschließt, die dem Gläubiger aus der
Leistungsverzögerung ab Eintritt des Schuldnerverzugs bis zu dem Moment
erwachsen, in er einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend
macht (§ 281 Abs. 4 BGB).
Beispiel: Händler K erhält die von V zugesagte Lieferung von Tapeten nicht zu dem
vereinbarten Termin. Er schaltet gegen € 50 einen Anwalt ein, der die
Rechtsverfolgung gegenüber V übernimmt, ihm eine Nachfrist setzt und nach deren
fruchtlosem Ablauf Schadensersatz geltend macht. Danach tätigt K ein
Deckungsgeschäft, das ihn € 500 teurer zu stehen kommt.
Lösung: Die Mehrkosten aus dem Deckungsgeschäft kann K nach § 281 Abs. 1 S. 1
BGB verlangen, den Ersatz der Anwaltskosten aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, weil sie
vor Ausschluss des Leistungsanspruchs entstanden sind.
Der Schuldnerverzug …
… bewirkt eine Beweislastumkehr im Fall eines Leistungshindernisses: die
Kausalität zwischen der Säumnis und einem für sich genommen
zufälligen Leistungshindernis wird vermutet (§ 287 S. 2 BGB).
Beispiel: Kunstsammler K kauft von V eine chinesische Vase im Wert von
€ 60.000 zum Preis von € 50.000. Obwohl K schon bezahlt hat, hält sich
V nicht an den vereinbarten Liefertermin. Tags darauf wird bei ihm
eingebrochen und die Vase entwendet. Nach den Ermittlungen der Polizei
ist durchaus wahrscheinlich, dass Profis am Werke waren, die es auf
eben diese Vase abgesehen hatten und sie auch bei K gestohlen hätten.
Lösung: K kann nach § 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung in
Höhe von € 60.000 verlangen. V hat schuldhaft seine Lieferpflicht verletzt.
Zwar steht nicht fest, dass der Schaden auf der Pflichtverletzung des V
beruhte und nicht auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten und als
Zufall zulasten des K gegangen wäre. Nach § 287 S. 2 BGB hat V jedoch
auch für Zufall einzustehen, es sei denn, ihm gelingt der Nachweis, dass
der Schaden auch ohne seinen Verzug eingetreten wäre.
Der Schuldnerverzug …
… führt zu einem sehr hohen Zinsanspruch in Höhe von 5%-Punkten, bei
Unternehmergeschäften sogar 8%-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 288
BGB),
- der den tatsächlichen Schaden des Gläubigers in aller Regel bei weitem
übertrifft, vom Schuldner aber nicht mit dem Nachweis eines geringeren
Schadens reduziert werden kann.
Beispiel: Unternehmer U gerät mit der Zahlung seiner Raten für die Tilgung
eines Darlehens gegenüber der B-Bank in Verzug. Bei rechtzeitiger Tilgung hätte
diese mit dem Betrag Zinsen in Höhe von 3 % p. a. erzielt.
Lösung: Nach § 288 Abs. 2 BGB kann die B-Bank von U für die Zeit des Verzugs
Zinsen in Höhe von 8% + Basiszinssatz verlangen. U kann nicht einwenden, dass
der Verzögerungsschaden der Bank eigentlich geringer ist, die Bank nur einen
noch höheren Schaden geltend machen, § 288 Abs. 4 BGB.
- der deshalb Straffunktion hat: Er soll den Schuldner zur Leistung zwingen
(General- und Spezialprävention) und trifft ihn, wenn er auferlegt wird, als
besonderer Nachteil (Vergeltung).
Der Schuldnerverzug …
… knüpft an die Versäumung der Leistungszeit an:
- einen kalendermäßig bestimmten Termin (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
- einen Termin, der sich in Abhängigkeit von einem Ereignis nach dem
Kalender berechnen lässt (Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Beispiel: „zahlbar 10 Tage nach Lieferung/Rechnungserhalt“
- ansonsten eine Mahnung (Abs. 1 S. 1), die bestimmte Aufforderung zur
umgehenden Leistung (nicht nur ihre Feststellung in einer Rechnung).
- eine Rechnung für eine Gegenleistung, die nach 30 Tagen
verzugsbegründend wirkt (Abs. 3 BGB).
… ist auch ohne Versäumung der Leistungszeit begründet durch
- die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (Abs. 2 Nr. 3).
- ein besonderes Gläubigerinteresse (Abs. 2 Nr. 4).
Der Schuldnerverzug …
… setzt außerdem voraus, dass dem Anspruch auf die Leistung
keine Einrede entgegensteht, insbesondere nicht die Einrede
des nicht erfüllten Vertrags aus § 320 BGB oder das allgemeine
Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB.
Diese Einrede muss mit Ausnahme des Zurückbehaltungsrechts,
das der Gläubiger durch Sicherheitsleistung überwinden kann (§
273 Abs. 3 BGB), nicht geltend gemacht werden.
… setzt schließlich voraus, dass sich der Schuldner nicht vom
Vorwurf des Vertretenmüssens entlasten kann (§ 286 Abs. 4
BGB),
was aber wiederum kaum je der Fall ist (weil der
Schuldnerverzug ja per definitionem voraussetzt, dass die
Leistung möglich, der Anspruch also nicht nach § 275 BGB
ausgeschlossen ist).
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen desselben
Typs. Er einigt sich mit V darauf, dass dieser eine der Vasen am folgenden
Tag zu Kasimirs Wohnung liefert. Obwohl K direkt zahlt, hält sich V nicht an
diese Abmachung. Am Abend des übernächsten Tags rast ein Lkw in sein
Geschäft und stößt gegen die Vasen, die dann wie Dominosteine umfallen
und zerschellen. Die Vase hat € 500 gekostet, ist aber € 600 wert.
Lösung:
I.
Anspruch des K gegen V auf Übergabe und Übereignung einer Vase aus §
433 Abs. 1 S. 1 BGB
1.
Anspruch entstanden durch Abschluss eines Kaufvertrags
2.
Anspruch erloschen durch Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB?
Leistung einer Vase des Typs vermutlich noch möglich,
Beschaffungsrisiko nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB aber nur für die drei Vasen
im Geschäft übernommen
II.
1.
2.
3.
4.
Anspruch des K gegen V auf Zahlung von € 100 aus § 283 BGB
Nichterfüllung der Leistungspflicht
Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit entbehrlich
Zufallshaftung nach § 287 S. 2 BGB bei Schuldnerverzug
a) Leistungsanspruch fällig und durchsetzbar
b) keine Mahnung, aber Leistungstermin nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB
c) keine Entlastung nach § 286 Abs. 4 BGB
positives Interesse an der Durchführung des Vertrags: Kasimirs Gewinn von
€ 100
Der Gläubigerverzug …
…
bringt anders als der Schuldnerverzug keinen Schadensersatzanspruch hervor und
setzt auch kein Vertretenmüssen voraus.
… knüpft daher an eine bloße „Obliegenheit“ und keine Pflicht des Gläubigers zur
Annahme an, die aber nach dem besonderen Vertragsrecht für Käufer (§ 433 Abs. 2
BGB) und Werkbesteller (§ 640 Abs. 1 BGB) doch besteht. Hier ist denkbar, dass
Käufer oder Besteller zugleich in Gläubiger und in Schuldnerverzug geraten.
… begründet einen Anspruch des Schuldners auf Ersatz der Mehraufwendungen für das
erfolglose Angebot und die Aufbewahrung und Erhaltung des Gegenstands, § 304
BGB.
Beispiel: Restaurantbesitzer K hat bei Händler V Hummer bestellt, die V
vereinbarungsgemäß, aber vergeblich anliefert, weil er K nicht in dessen Restaurant
antrifft. Die Fahrt zu K hat ihn € 5 gekostet, die weitere Fütterung der Tiere bis zur
erneuten Lieferung € 10. Auf der Rückfahrt von K‘s Restaurant haben die nervös
gewordenen Tiere den Behälter beschädigt, in dem V sie transportiert hat. Die
Reparatur kostet ihn € 50.
Lösung: Die Fahrt- und Fütterungskosten kann V wegen des Gläubigerverzugs des K
nach § 304 BGB ersetzt verlangen. Schadensersatz wegen der Beschädigung seines
Behälters kann er nur nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, weil K mit seiner Pflicht zur
Abnahme der Kaufsache aus § 433 Abs. 2 BGB nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in
Schuldnerverzug gekommen ist.
Der Gläubigerverzug …
… wirkt sich vor allem beim gegenseitigen Vertrag aus, bei dem er zum
Übergang der Preisgefahr führt: Der Schuldner kann, wenn die
eigene Leistung zufällig ausgeschlossen ist, dennoch die
Gegenleistung verlangen, § 326 Abs. 2 BGB.
… führt bei einer Gattungsschuld zum Übergang der Sachgefahr,
wodurch sich der Kreis der Fälle, in denen ein Leistungshindernis
besteht, vergrößert:
Der Schuldner einer Gattungsschuld braucht entgegen dem von ihm
ursprünglich übernommenen Beschaffungsrisiko (§ 276 Abs. 1 S. 1
BGB) nur noch das ausgesuchte Stück leisten und wird frei, wenn es
nicht mehr geleistet werden kann, §§ 243 Abs. 2, 300 Abs. 2 BGB.
… führt zu einer Haftungsbeschränkung, die den Kreis der zufälligen
Leistungshindernisse erweitert:
Der Schuldner haftet gemäß § 300 Abs. 1 BGB nur noch für Vorsatz
und grobe Fahrlässigkeit, so dass leicht fahrlässig herbeigeführte
Leistungshindernisse als zufällig gelten.
Der Gläubigerverzug …
… setzt im gesetzlichen Regelfall der Holschuld (§ 269 BGB) nur ein wörtliches
Angebot des Schuldners voraus (§ 295 BGB), das der Mahnung entspricht (und
unwirksam ist, wenn es nur zum Schein erfolgt, weil der Schuldner gar nicht
leisten kann – § 297 BGB).
… setzt nur bei unterminierten Bring- und Schickschulden ein tatsächliches
Angebot (§ 294 BGB) voraus,
- das ausnahmsweise nicht verzugsbegründend wirkt, wenn der Gläubiger nur
vorübergehend an der Annahme der Leistung verhindert ist und ihm die
Leistung nicht vorher angekündigt worden ist (§ 299 BGB).
- das durch ein wörtliches Angebot ersetzt werden kann, wenn der Gläubiger
eine Mitwirkungshandlung vorzunehmen hat, also etwa die nötigen Maße
angeben oder eine Rechnung stellen muss, oder wenn er die Annahme
verweigert (§ 295 BGB).
… tritt bei Vereinbarung eines kalendermäßig oder durch ein Ereignis bestimmten
Leistungstermins für eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers automatisch
ein, § 296 BGB.
… wird auch durch ein Angebot ausgelöst, das zu spät kommt und mit dem ein
vorangehender Schuldnerverzug beendet wird (purgatio morae).
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler Valentin drei chinesische Vasen desselben Typs.
Er einigt sich mit V darauf, dass dieser am folgenden Tag eine der Vasen zu K
Wohnung liefert. K ist jedoch im Krankenhaus. Valentin bringt die Vase vergeblich zu
K‘s Wohnung und verursacht auf dem Rückweg durch leichte Unachtsamkeit einen
Unfall, bei dem die Vase zerstört wird.
Lösung:
I.
Anspruch des K gegen V auf Übergabe und Übereignung einer Vase aus § 433 Abs. 1
S. 1 BGB
1.
Anspruch entstanden durch Abschluss eines Kaufvertrags
2.
Anspruch erloschen durch Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB?
Leistung einer der anderen beiden Vasen noch möglich und von Beschaffungsrisiko
gedeckt, aber Konkretisierung nach §§ 243 Abs. 2, 300 Abs. 2 BGB bei
Gläubigerverzug gemäß § 293 BGB
a) tatsächliches Angebot nach § 294: richtige Leistungszeit und richtiger Leistungsort
(§ 269 Abs. 1 BGB)
b) Nichtannahme
c) keine Ausnahme wegen vorübergehender Verhinderung (§ 299 BGB); kein
Verschulden erforderlich
II.
1.
2.
3.
Anspruch des V gegen K auf Zahlung von € 500 aus § 433 Abs. 2 BGB
Anspruch entstanden durch Abschluss des Kaufvertrags
Anspruch untergegangen nach § 326 Abs. 1 BGB (Grundregel der Preisgefahr)
Anspruch doch aufrechterhalten wegen Gläubigerverzugs nach § 326 Abs. 2 BGB
(Übergang der Preisgefahr)
a) Unmöglichkeit während des Gläubigerverzugs
b) kein Vertretenmüssen: Haftungserleichterung nach § 300 Abs. 1 BGB: keine Haftung
für einfache Fahrlässigkeit mehr
Haftung wegen Rücksichtspflichtverletzung und Drittwirkung des Vertrags
Positive Vertragsverletzung –
culpa in contrahendo –
Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
und Drittschadensliquidation
Die Schädigung des Vertragspartners …
… vollzieht sich bei einem Leistungshindernis, streng genommen, nicht
durch den Ausfall der Leistung, zu der der Schuldner ja gar nicht
verpflichtet ist, sondern …
… durch die Herbeiführung des Leistungshindernisses (§ 283 BGB)
oder
… die mangelnde Information hierüber (§ 311a Abs. 2 BGB).
… unterliegt also einem generellen Verbot, das jenseits der
Leistungspflicht liegt.
… verstößt gegen die Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter
und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB).
… zeitigt unmittelbar und ohne Fristsetzung einen
Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1
BGB, den man früher (vor der Schuldrechtsreform von 2002) als
Anspruch wegen „positiver Vertragsverletzung“ bezeichnete.
Die Haftung wegen Verletzung der Rücksichtspflicht …
… konkurriert mit der Deliktshaftung für die Verletzung absoluter Rechte
(§ 823 Abs. 1 BGB), hat für den geschädigten Vertragspartner aber den
Vorteil einer strikten Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), die
anders als im Deliktsrecht (§ 831 Abs. 1 BGB) keine Entlastung durch
Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung zulässt.
Beispiel: K bestellt bei V für sein Unternehmen drei
Produktionsmaschinen. Als der stets pflichtbewusste und sorgfältige
Angestellte des V diese liefert, stößt er aus Unachtsamkeit gegen ein
Fass mit giftiger Säure, die in eine andere Maschine tropft und diese
unbrauchbar macht. Die Reparatur kostet € 5.000.
Lösung: Ein Anspruch des K gegen V aus § 831 Abs. 1 BGB scheitert
(zumindest nach herkömmlicher Lösung) daran, dass V sich durch den
Nachweis einer sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Angestellten
entlasten kann. Der Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung
der Rücksichtspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ist dagegen begründet, da V
für das fahrlässige Verhalten seines Angestellten ohne Weiteres gemäß §
278 BGB einzustehen hat. K kann daher außer dem (nur deliktsrechtlich
nach § 823 Abs. 1 BGB verantwortlichen) Angestellten auch V auf
Zahlung von € 5.000 in Anspruch nehmen.
Die Haftung wegen Verletzung der Rücksichtspflicht …
… greift auch bei der fahrlässigen Verursachung reiner Vermögensschäden ein, für
die kein Deliktsschutz besteht.
Beispiel: K bestellt bei V für sein Unternehmen drei Produktionsmaschinen, die aus
dem Ausland importiert werden müssen. V will kein Lieferdatum zusagen, meint
aber, die Maschinen sollten in drei Monaten geliefert werden. Er erfährt später, dass
es vier Monate werden, teilt dies K aber nicht mit. Dieser hat sich bei seiner
Bestellung des Rohstoffs auf die Zeit von drei Monaten eingerichtet und muss
wegen der Verlängerung um einen Monat Lagerkosten in Höhe von € 5.000
aufwenden.
Lösung: K hat gegen V keinen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach §§
280 Abs. 2, 286 BGB, weil kein Leistungstermin zugesagt war und K auch weder
gemahnt hat noch hätte wirksam mahnen können, weil sich die Lieferung im
Rahmen des möglichen Zeitraums hielt. K hat gegen V aber einen Anspruch auf
Schadensersatzersatz aus § 280 Abs. 1 BGB, weil V gegen seine Pflicht zur
Rücksicht auf die Interessen des K verstoßen hat. Teil dieser Pflicht war es, ihm die
Informationen über die veränderte Lieferdauer weiterzugeben. Hätte er dies getan,
wäre K der Schaden von € 5.000 erspart geblieben. Dass er nicht fest mit einer
Lieferung der Maschinen in drei Monaten rechnen durfte, wirkt sich allenfalls in
Form einer Reduktion des Anspruchs wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB aus.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, da V gegen kein absolutes Recht
des K verstoßen, sondern diesem nur einen reinen Vermögensschaden zugefügt
hat.
Die Haftung wegen Verletzung der Rücksichtspflicht …
... wird auch durch eine Schlechtleistung begründet, die zu Mangelfolgeschäden im Vermögen
des Gläubigers führt. (Nach anderer Ansicht besteht eine direkte Haftung für die Verletzung der
Pflicht zur mangelfreien Leistung, z. B. nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB, die jedoch eine
Leistungspflicht ist und daher eine Haftung nur nach §§ 281 ff. BGB begründet.) Der
Verschuldensvorwurf …
- knüpft hier nicht daran an, dass der Schuldner die mangelfreie Leistung unterlassen hat,
sondern ergibt sich daraus, dass er den Gläubiger mit der mangelhaften Leistung in Kontakt
gebracht hat, obwohl er dies erkennen konnte.
- rechtfertigt nicht den Ersatz für den Minderwert der Leistung oder einen entgangenen
Gewinn, die nur als Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden können.
Beispiel: K bestellt bei V für sein Unternehmen drei Produktionsmaschinen, die dieser auch
umgehend liefert. Da sie wegen eines Defekts, den V hätte erkennen können, nicht richtig
arbeiten, werden weitere Maschinen des K beschädigt und müssen zum Preis von € 5.000
repariert werden. V erleidet zudem einen Verdienstausfall von € 5.000. Auf die Mängelanzeige
und Fristsetzung des K lässt V die gelieferten Maschinen sofort reparieren.
Lösung: K hat keinen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1
BGB, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Er hat jedoch schuldhaft gegen seine
Rücksichtspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, K nicht mit den mangelhaften Maschinen in
Kontakt kommen zu lassen, und hat deshalb nach § 280 Abs. 1 BGB den hieraus entstandenen
Reparaturschaden zu ersetzen. Den Verdienstausfall kann er ebenfalls gemäß § 280 Abs. 1
BGB ersetzt verlangen. Anknüpfungspunkt hierfür ist allerdings die Leistungspflicht aus § 433
Abs. 1 S. 2 BGB. Einen Verzögerungsschaden hat man bei ihr auch ohne die
Verzugsvoraussetzungen nach § 286 BGB zu ersetzen, weil die Sache bei Gefahrübergang
mangelfrei sein muss.
Die Haftung wegen Verletzung der Rücksichtspflicht …
… wird ergänzt um einen Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung, wenn dem Gläubiger die Leistung nicht mehr
zumutbar ist (§ 282 BGB).
… greift eigentlich auch ein bei einer
- Erfüllungsverweigerung (§ 281 Abs. 2 BGB) und
- einer Teilleistung oder Teilschlechtleistung (§ 281 Abs. 1 S. 2,
3 BGB).
Beide sind jedoch schon speziell als Anknüpfungspunkte für den
Schadensersatz statt der Leistung im Gesetz aufgeführt.
… wird unter derselben Voraussetzung ergänzt um ein
Rücktrittsrecht (§ 324 BGB), das analog auch bei einseitigen
Verträgen zu gewähren ist.
Die Haftung wegen Verletzung der Rücksichtspflicht …
… kann nicht erst mit dem Vertragsschluss einsetzen, der nur für die Entstehung der
Leistungspflichten von Bedeutung und ansonsten ein zufälliges Datum ist.
… ist als Haftung für culpa in contrahendo auch schon vorher begründet, sobald die
Parteien in geschäftlichen Kontakt getreten sind und voneinander die Rücksicht
auf ihre Rechte, Rechtsgüter und Interessen erwarten können (§ 311 Abs. 2 BGB).
… erstreckt sich daher auch auf vorvertragliche Rechtsgutverletzungen.
Beispiel: K betritt das Kaufhaus V, um sich dort nach neuen Schuhen umzusehen.
K rutscht auf einer Bananenschale aus, die ein früherer Kunde hat fallen lassen und
von den Kaufhausangestellten übersehen worden ist. K bricht sich den Arm und
muss für seine Heilung € 5.000 aufwenden.
Lösung: K kann von V nach § 280 Abs. 1 BGB den Ersatz seines materiellen
Schadens sowie gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch angemessene Entschädigung für
die erlittenen Schmerzen verlangen. K und V sind durch das Betreten des
Kaufhauses in geschäftlichen Kontakt getreten. V schuldet daher nach § 241 Abs. 2
BGB die gebotene Rücksicht auf die Gesundheit des K und ist für das fahrlässige
Fehlverhalten der Angestellten gemäß § 278 Abs. 1 BGB haftbar. Die deliktische
Haftung hängt dagegen (nach herkömmlicher Ansicht) davon ab, ob sich V durch
den Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung der Angestellten entlasten
kann.
Die Haftung für culpa in contrahendo …
… greift auch ein, wenn einer Seite gerade die Unwirksamkeit eines Vertrags zum Vorwurf
gereicht.
… wird im Fall des Irrtums oder mangelnder Vertretungsmacht allerdings schon durch die
besondere verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht aus § 122, 179 Abs. 2
BGB entbehrlich.
… richtet sich im Übrigen nach der Regel, dass die Verantwortung für die
Vertragswirksamkeit (insbesondere die Formpflicht aus § 311b Abs. 1 BGB)
grundsätzlich bei beiden Kontrahenten liegt und einer nur haftet, wenn er den anderen
irregeführt hat. (Hier ist das positive Interesse zu ersetzen.)
Beispiel: K kauft von V zum Preis von € 65.000 ein Grundstück. V bedingt sich ein
Wiederkaufsrecht aus, das jedoch nicht zum Gegenstand der Beurkundung gemacht
wird, weil K meint, so etwas gehöre hier nicht hin und treibe nur die Notarkosten in die
Höhe. Da K sich später weigert, den Vertrag durchzuführen, muss V das Grundstück
anderweitig zu € 50.000 veräußern.
Lösung: V hat keinen Anspruch auf den Kaufpreis aus § 433 Abs. 2 BGB. Der Vertrag
war gemäß § 311b Abs. 1 BGB vollständig zu beurkunden und wegen Missachtung
dieses Formgebots nichtig. V hat aber einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz
gemäß §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB, weil K seine vorvertragliche Pflicht
zur Rücksicht auf V verletzt hat. Zwar müssen sich beide Parteien selbst um die
Einhaltung des Formgebots kümmern. K durfte jedoch keine Falschinformation geben
und V so von der ordentlichen Beurkundung abhalten. Die Mitverantwortlichkeit des V
führt freilich nach § 254 BGB zu einer Reduktion des Schadensersatzes um 1/3 von €
15.000 auf € 10.000.
Die Haftung für culpa in contrahendo …
… gibt es entgegen einer von der Rechtsprechung verwendeten Formel nicht in der
Form einer Haftung für den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen,
weil es (jenseits von Diskriminierungsverboten, insbesondere des AGG) keine
Pflicht zum Vertragsschluss gibt.
… gibt es aber in Gestalt einer Haftung für die Vortäuschung einer nicht (mehr)
vorhandenen Abschlussbereitschaft. (Hier ist das negative Interesse zu
ersetzen.)
Beispiele: K und V verhandeln intensiv über einen Großauftrag zur Lieferung von
Maschinen durch V. Für Reisen und Verpflegung wendet V dabei € 1.500 auf.
Alt. 1: K hat von vornherein kein ernsthaftes Interesse an dem Geschäft, das er
mit A abschließen will.
Alt. 2: K gewinnt beim Abendessen mit V schließlich den Eindruck, dass dessen
Frau eine zu hässliche Nase hat und bricht die Verhandlungen daraufhin ab.
Lösungen: In der Alternative 1 besteht ein Anspruch des V gegen K auf Ersatz
der ihm entstandenen Kosten aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB,
weil K gegen die durch den Geschäftskontakt ausgelöste Rücksichtspflicht
verstoßen hat, V über sein fehlendes Interesse zu unterrichten.
In der Alternative 2 besteht kein Schadensersatzanspruch des V, da K gegen
keine Rücksichtspflicht verstoßen, sondern nur von seiner Vertragsfreiheit
Gebrauch gemacht hat.
Die Haftung für culpa in contrahendo …
… ist auch bei der Verursachung eines reinen Vermögensschadens begründet, die
gerade durch Bindung des Vertragspartners an einen nachteiligen Vertrag
durch eine fahrlässige Fehl- oder Falschinformation entsteht.
… ist nicht durch die Arglistanfechtung (§ 123 BGB) ausgeschlossen, die durch
die Einführung des Haftungsinstituts der culpa in contrahendo gewissermaßen
überholt ist.
… ist aber subsidiär zur Haftung für die vertraglich versprochene
Beschaffenheit der Leistung, und zwar
- nach Ansicht der Rechtsprechung erst ab dem ersten Leistungsversuch.
- nach richtiger Ansicht von vornherein, denn das Regime für die Verletzung einer
Leistungspflicht ist abschließend.
… bezieht sich vor allem auf Angaben zur Wirtschaftlichkeit oder Verwendbarkeit
einer Leistung, die jenseits der Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 BGB) liegt.
… führt zu einer Vertragsaufhebung oder Vertragsanpassung nach § 324 BGB.
Beispiel: K entdeckt beim Antiquitätenhändler V drei chinesische Vasen desselben Typs. K hat
Bedenken, sie zu kaufen und zu Hause aufzustellen, weil er fürchtet, sein Sohn könne
sie umwerfen. V meint, da brauche er sich keine Sorge zu machen, die
Hausratsversicherung decke einen solchen Schaden in jedem Fall ab. Da K auf diese
unrichtige Auskunft vertraut, kauft er die Vase, die wenig später von Ks Sohn
umgeworfen wird. K verlangt den Kaufpreis von € 500 zurück.
Lösung:
I.
Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 326 Abs. 1, 346
Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB
ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag besteht nur bei einem Sachmangel gemäß §
434 Abs. 1 S. 1 oder 2 BGB; die Deckung durch die Hausratsversicherung gehört
jedoch weder zur gewöhnlichen Eigenschaft der Vase; noch ist sie zum Gegenstand
einer besonderen Beschaffenheitsvereinbarung geworden, weil V nicht für die
Richtigkeit seiner Information einstehen will
II.
Anspruch des K gegen V auf Zahlung von € 250 aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311
Abs. 2 BGB
1.
2.
3.
geschäftlicher Kontakt nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB
Verletzung der Rücksichtspflicht nach § 241 Abs. 2 BGB durch Fehlinformation
Schaden:
Interesse daran, Vertrag nicht abgeschlossen zu haben (€ 500)
Mitverschulden nach § 254 BGB
Kürzung wegen eigener Sorglosigkeit des K um ½ (oder 1/3 oder andere Quote)
4.
Die Haftung für culpa in contrahendo …
… trifft auch einen Dritten, wenn dieser besonderes Vertrauen in Anspruch
genommen hat (§ 311 Abs. 3 BGB), weil er
- in wirtschaftlicher Sicht der eigentliche Vertragspartner und der Vertrag zu
seinem Interesse gedacht ist.
Beispiel: Kfz-Händler, die beim Verkauf eines Gebrauchtwagens als Vertreter des
bisherigen Eigentümers auftreten und für einen Mangel des Fahrzeugs neben dem
aus §§ 433 ff. verpflichteten Verkäufer nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2,
3 BGB einzustehen haben
- sich als Sachwalter einer Partei so aufgeführt hat, dass der andere davon
ausgehen kann, dass er zur Not in die Vertragserfüllung einspringen wird.
Beispiel: Initiatoren von Anlageprojekten, die in Form von BGB-Gesellschaften
durchgeführt werden, mit denen der Anleger allein einen Vertrag abschließt
… besteht auch gegenüber dritten Geschädigten, wenn dieser erwarten kann, dass
der andere Teil auch auf seine Rechtsgüter Rücksicht nimmt.
Beispiel: Nicht der Kaufinteressent, sondern seine Tochter rutscht auf der
Bananenschale im Kaufhaus aus und erwirbt selbst einen Anspruch aus §§ 241
Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3 BGB gegen den Kaufhausbetreiber
Die vertragliche Schutzwirkung zugunsten Dritter …
… kann nicht durch die Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB ersetzt werden, wenn jemand durch
Nicht- oder Schlechterfüllung einer Leistungspflicht geschädigt wird.
… ist angelehnt an den Vertrag zugunsten Dritter, der
- zwischen Versprechenden und dem Versprechensempfänger abgeschlossen wird und
- ein Recht auf Leistung an einen Dritten begründet, das diesem selbst zusteht und daneben
auch dem Versprechensempfänger zustehen kann (§§ 328 Abs. 1, 335 BGB).
… begründet aber keinen Leistungsanspruch, sondern nur eine Haftung, die aber an die
Nichterfüllung der Leistungspflicht anknüpft.
… lässt sich nur unter besonderen Voraussetzungen annehmen, nämlich …
… in erster Linie der erkennbaren Leistungsnähe des Dritten, der zwangsläufig und damit
für den Schuldner ersichtlich mit der Leistung in Berührung kommt,
… nach Ansicht der Rechtsprechung noch die Gläubigernähe des Dritten; dieses Erfordernis
soll jedoch nicht verhindern, dass ein Anspruch auch dann entsteht, wenn der Gläubiger für
den Leistungsmangel selbst verantwortlich ist, und ist daher besser aufzugeben.
… der Geschädigte über keinen gleichwertigen Anspruch verfügt (Subsidiarität).
Beispiel: M mietet von V eine Wohnung, bei der schon im Moment des
Vertragsschlusses die Aufhängung des (altertümlichen) Spülkastens über der Toilette
defekt ist. Dies ist für V nicht erkennbar. M‘s Sohn S betätigt eines Tages die Spülung
und wird durch den herunterfallenden Spülkasten verletzt.
Lösung: S hat selbst nach § 536a Abs. 1 BGB gegen V einen Anspruch auf Ersatz der
Heilungskosten und einer Entschädigung für die erlittenen Schmerzen. Der Schaden
beruht auf einem von vornherein bestehenden Mangel der Wohnung, so dass es auf das
Verschulden des V nicht ankommt. Der Mietvertrag mit M ist ein Vertrag mit
Schutzwirkung zugunsten von S, da dieser, wie für V erkennbar war, mit der Leistung des
Vermieters zwangsläufig in Kontakt kommt und M auch ein Interesse an seinem
vertraglichen Schutz hat. – Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert am fehlenden
Verschulden des V.
Beispiel: V will ein Grundstück verkaufen und beauftragt den Gutachter G mit der
Erstellung eines Wertgutachtens, für das V dem G, was dieser aus Unachtsamkeit nicht
bemerkt, bewusst unrichtiges Datenmaterial zur Verfügung stellt. Der Käufer K, dem das
Gutachten vorgelegt wird, zahlt deshalb einen Kaufpreis, der € 100.000 über dem
angemessenen Betrag liegt. V ist insolvent.
Lösung: K hat einen Anspruch gegen G aus §§ 281 Abs. 2, 634 Nr. 4 BGB, weil G
schuldhaft ein unrichtiges Gutachten erstattet hat, aus dem K ein Schaden entstanden
ist, der sich durch eine Neubegutachtung nicht mehr wettmachen lässt. Der Vertrag mit V
entfaltet Schutzwirkung zugunsten von K, weil dieser bestimmungsgemäß mit dem
Gutachten in Berührung gekommen ist. § 334 BGB, der dem Schuldner beim Vertrag
zugunsten Dritter die Berufung auf das Mitverschulden des Versprechensempfängers
eröffnet, ist nach Ansicht der Rechtsprechung stillschweigend abbedungen. – Eine
Deliktshaftung des G kommt mangels Verletzung eines absoluten Rechts und Vorsatzes
nicht in Betracht.
Die Schadensliquidation im Drittinteresse …
... wird von der Schutzwirkung eines Vertrags für Dritte gewöhnlich in der Weise
abgegrenzt, dass es zu einer aus Sicht des Schädigers zufälligen
Schadensverlagerung kommt, die
- dazu führt, dass der Inhaber des Ersatzanspruchs keinen Schaden, der
Geschädigte keinen Anspruch hat.
- für den Schädiger gerade nicht im Vorhinein erkennbar ist.
… kommt beispielsweise zum Zuge, wenn eine verkaufte Sache beschädigt wird, die
noch nicht dem Käufer gehört, aber schon seiner Gefahrtragung unterliegt.
Beispiel: Supermarktbesitzer K kauft bei Großmetzger V zum Preis von 1.000
zehn zerlegte Schweine, mit denen er einen Ertrag von € 3.000 erwirtschaften
kann. V übergibt die Schweine vereinbarungsgemäß einem Transporteur. Dessen
Kühl-Lkw wird von dem unachtsamen Autofahrer S gerammt und dadurch so lange
außer Betrieb gesetzt, dass das Fleisch verdirbt.
Lösung: K hat keinen Anspruch gegen S aus § 823 Abs. 1 BGB, da ihm das
Fleisch noch nicht gehörte. V hat einen solchen Anspruch gegen S, da er noch
Eigentümer der Schweine war. Er hat jedoch keinen Schaden, da die Gefahr nach
§ 447 Abs. 1 BGB schon auf K übergegangen war, er also, obwohl er selbst nicht
mehr leisten muss, den Kaufpreis erhält, wie er ihn auch ohne die Schädigung
erhalten hätte. Damit der Schädiger durch diese zufällige Schadensverlagerung
nicht entlastet wird, kann V den Schaden des K in Höhe von € 3.000 geltend
machen und muss diesen Anspruch nach § 285 BGB an K abtreten.
Die Schadensliquidation im Drittinteresse …
… greift auch bei der sogenannten mittelbaren Stellvertretung ein, wenn
eine Sache beschädigt wird, noch bevor der Auftragnehmer sie dem
Auftraggeber übergeben hat.
Beispiel: A schickt seine Sekretärin B los, damit diese für A‘s Frau etwas
Hübsches zum Hochzeitstag kauft. B kauft zum Preis von € 100 eine
Riesenpralinensammlung, wird aber auf dem Rückweg zum Büro von dem
unachtsamen Autofahrer S geschnitten, unter dessen Auto die
Pralinensammlung landet.
Lösung: A hat keinen Anspruch gegen S aus § 823 Abs. 1 BGB, da ihm
die Pralinen noch nicht gehörten. B hat einen solchen Anspruch gegen S,
da sie noch Eigentümerin der Pralinen war. Sie hat jedoch keinen
Schaden, da sie von A in jedem Fall den Preis der Pralinen nach § 670
BGB ersetzt bekommt. Damit der Schädiger durch diese zufällige
Schadensverlagerung nicht entlastet wird, kann B den Schaden des A
geltend machen und muss diesen Anspruch nach § 667 BGB an A
abtreten.
Erschwerung und Erleichterung
der Vertragsbindung
Widerrufsrechte –
Geschäftsgrundlage
Ein Widerrufsrecht …
… eröffnet einem Verbraucher die Möglichkeit, grundlos seine
Vertragsbindung zu beseitigen (§ 355 Abs. 1 S. 1 BGB), und soll ihn vor
den Folgen einer voreiligen Entscheidung bewahren.
… wird durch Erklärung in Textform (Abs. 1 S. 2 BGB) innerhalb der
Widerrufsfrist ausgeübt; diese ist …
… bei rechtzeitiger ordentlicher Belehrung 14 Tage lang (Abs. 2 S. 1, 2).
… bei nachträglicher ordentlicher Belehrung 1 Monat lang (Abs. 2 S. 3).
… ohne ordentliche Belehrung unbegrenzt (Abs. 4 S. 2).
… durch rechtzeitige Absendung eingehalten (Abs. 1 S. 2), so dass der
Unternehmer das Verspätungs- (nicht aber das Verlustrisiko trägt).
… kann durch ein Rückgaberecht ersetzt werden (§ 356 BGB), mit dem
der Unternehmer sicherstellt, dass er die Ware sofort zurückerhält.
Ein Widerrufsrecht …
… führt bei seiner Ausübung grundsätzlich zu denselben
Folgen wie der Rücktritt (§ 357 Abs. 1 BGB),
… kann aber mit einer Pflicht zum Ersatz für den Wertverlust
durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme
verbunden werden, wie er vor allem bei Kraftfahrzeugen
durch den Statuswechsel einer Sache von „neu“ zu
„gebraucht“ eintritt, es sei denn, der Verbraucher hat die
Sache nur geprüft (§ 357 Abs. 3 BGB; entgegen § 346 Abs.
2 Nr. 3 BGB; wohl teilweise richtlinienwidrig).
… begründet entgegen § 269 BGB bei paketmäßig
versendbaren Sachen eine Schickschuld des
Verbrauchers, bei der aber Kosten und Gefahr den
Unternehmer treffen (§ 357 Abs. 2 BGB).
Der Widerruf eines Haustürgeschäfts (§ 312 BGB) …
… ist nach Verhandlungen in folgenden Situationen möglich, in denen die
Gefahr einer Überrumpelung besteht:
- mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz, im Bereich der Wohnung,
- sog. Kaffeefahrten,
- Ansprechen im öffentlichen Verkehr.
… setzt nicht voraus, dass es in dieser Situation zum Vertragsschluss selbst
gekommen ist, sofern die Verhandlungen nur kausal waren („bestimmt
worden ist“).
… ist eigentlich nur bei einem Austauschvertrag („entgeltliche Leistung“)
eröffnet, kommt im Wege eines Erst-recht-Schlusses aber auch bei der
Bürgschaft zum Zuge, weil der Verbraucher hier noch schutzwürdiger ist.
… ist in bestimmten Situationen ausgeschlossen (§ 312 Abs. 3 BGB), vor
allem bei einer vorherigen Bestellung durch den Verbraucher, die jedoch
nicht vom Unternehmer provoziert sein darf.
… ist subsidiär zu anderen Widerrufsrechten (§ 312a BGB).
Der Widerruf eines Fernabsatzvertrags …
… ist dann eröffnet, wenn ein Vertrag über Lieferungen oder Dienstleistungen
ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen
wird (§ 312b Abs. 1 BGB).
… dient dazu, den fehlenden Kontakt des Verbrauchers mit dem
Leistungsgegenstand oder der Person des Vertragspartners auszugleichen
und ihn zu ermuntern, gemeinschaftsweit im Fernabsatz Waren und
Dienstleistungen zu beziehen.
… unterliegt dem Fristlauf daher erst ab Eingang der Waren sowie ab Erfüllung von
fernabsatzspezifischen Informationspflichten (§ 312d Abs. 2, 312c BGB) sowie
von Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e Abs. 3 BGB).
… ist für den Verbraucher dadurch erschwert, dass die Erfüllung der
Belehrungspflichten auch unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgen kann
(§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB).
… kann bei entsprechender Vereinbarung dazu führen, dass der Verbraucher die
Kosten der Rücksendung einer Sache bis zu einem Preis von € 40 zu tragen
hat (§ 357 Abs. 2 S. 3 BGB).
Eine Störung der Geschäftsgrundlage …
… führt zu einer Anpassung oder bei deren Unzumutbarkeit zu einem
Rücktrittsrecht (§ 313 Abs. 3 BGB).
… setzt eine schwerwiegende Veränderung oder eine wesentliche
Fehlvorstellung über die Vertragsgrundlage voraus (§ 313 Abs. 1, 2
BGB), die die Vertragsbindung für eine Seite unzumutbar macht.
… bleibt folgenlos, wenn das Risiko einer Veränderung oder
Fehlvorstellung einer Partei zugewiesen ist, insbesondere weil
… das Geschäft einen spekulativen Charakter hat.
… die Änderung nach vollständiger Durchführung des Vertrags
eingetreten ist.
… eine Partei die Veränderung zu vertreten hat.
… lässt sich im Übrigen an einem Missverhältnis von Leistung und
Gegenleistung ablesen, insbesondere wenn die Relation von 1:2 nicht
gewahrt ist.
Beispiel: Unternehmer K bezieht von dem Importeur V zum Preis von €
10.000 zehn Tonnen Magnesit, das V nach der bei Vertragsschluss
abzusehenden Marktentwicklung zu € 8.000 beziehen können würde. Da
die Regierung von China, dem Hauptherkunftsland von Magnesit,
plötzlich dessen Export verbietet, schnellt der Preis auf dem Weltmarkt
auf € 5.000 pro Tonne. K kann statt mit Magnesit auch mit einem
Alternativrohstoff arbeiten, besteht aber auf Lieferung zu dem
vereinbarten Preis. V erklärt, dass er an den Vertrag nicht gebunden sei.
Lösung: Dem Anspruch des K auf Lieferung des Magnesits aus § 433
Abs. 2 BGB könnte nach § 275 Abs. 2 BGB schon die Einrede wegen
eines Missverhältnisses von Leistungsaufwand und Gläubigerinteresse
entgegenstehen, wobei sich durch den Preisanstieg auf dem Weltmarkt
freilich außer dem Aufwand des V auch das Interesse des K erhöht hat.
Der Anspruch ist aber jedenfalls gemäß § 346 Abs. 1 BGB durch den
Rücktritt des K nach § 313 Abs. 1, 3 BGB erloschen: Das chinesische
Exportverbot hat die Umstände, die Vertragsgrundlage geworden sind,
wesentlich verändert und die Vertragsbindung für K unzumutbar
gemacht. Da der Vertrag anders als ein Börsengeschäft kein
Spekulationsgeschäft war, ist ihm das Risiko eines so drastischen
Anstiegs des Beschaffungsaufwands nicht mehr zugewiesen. Eine
Anpassung des Vertrags kommt nicht in Betracht, da K durch die
Anhebung des Preises übermäßig belastet würde, obwohl er auf die
Kaufsache nicht unbedingt angewiesen ist.
Vorformulierte
Geschäftsbedingungen
Das Recht der vorformulierten Geschäftsbedingungen …
… dient der Verhinderung unangemessener Benachteiligung des anderen Teils durch
einseitig entworfene Klauseln (§ 307 BGB).
… ist kein Verbraucherschutzrecht: Der gesamte Rechtsverkehr hat ein Interesse
daran, dass sich das „Kleingedruckte“, das regelmäßig gar nicht gelesen wird, nicht
zu weit vom Gesetz entfernt.
… war ursprünglich auf allgemeine Geschäftsbedingungen beschränkt (§ 305 Abs.
1 S. 1 BGB). Diese werden aber weit definiert und liegen auch vor, …
… wenn sie zur Anwendung auf lediglich drei Fälle bestimmt sind.
… wenn sie von einem anderen als dem Klauselverwender vorformuliert sind.
… wenn dem anderen Teil eine Auswahl- oder die Möglichkeit zu unselbständiger
Ergänzung (z. B. durch Ankreuzen) gegeben ist.
Ausgenommen sind sie erst, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt sind (§ 305 S. 3
BGB), also ernsthaft darüber verhandelt wird (was der Klauselverwender zu
beweisen hat).
… gilt nach der für Verbraucherverträge geltenden Klauselrichtlinie auch für
vorformulierte Klauseln zur einmaligen Verwendung, wenn der Verbraucher
hierauf keinen Einfluss nehmen kann (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Außerdem gelten
AGB hier als vom Unternehmer gestellt (Nr. 1).
Allgemeine Geschäftsbedingungen …
… werden nur in den Vertrag einbezogen, wenn die andere
Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist (§ 305
Abs. 2 BGB), was nach allgemeinen Regeln auch
konkludent erfolgen kann und meist auch auf diese Weise
erfolgt.
… gelten bei Verwendung gegenüber einem Verbraucher aber
auch im Fall eines konkludenten Einverständnisses nur
dann, wenn der Verwender auf sie hinweist und dem
Verbraucher die Möglichkeit der Kenntnisnahme
verschafft (§ 305 Abs. 2 BGB). Bei Verwendung gegenüber
einem Unternehmer bedarf es dessen nicht (§ 310 Abs. 1 S.
1 BGB).
… müssen stets einer Individualabrede weichen (§ 305b
BGB), auch wenn diese konkludent getroffen ist.
Beispiel: K kauft von V einen Pkw, wobei V mündlich erklärt, er
garantiere, dass dieser Wagen in den kommenden zwei Jahren keinen
Mangel haben werde. Nach einem Jahr erleidet das Fahrzeug jedoch
einen Motorschaden. Ursache hierfür ist das Überspringen des
Zahnriemens am Steuerrad der Nockenwelle gewesen, die eine
Fehlsteuerung der Einlassventile am ersten Zylinderkopf ausgelöst hat.
Es ist ungewiss, ob dies auf einen schon bei Übergabe des Wagens
vorhandenen Materialfehler zurückgeht. K verlangt die Reparatur des
Wagens, V verweist auf seine AGB, die er seinerzeit dem Vertrag
beigefügt hat. In ihnen wird die Haftung des V auf die gesetzlichen
Vorgaben begrenzt und für jede Vereinbarung, die hiervon abweicht oder
nachträglich getroffen wird, die Schriftform vorausgesetzt.
Lösung: K hat keinen Anspruch auf Nachbesserung aus § 439 Abs. 1
BGB; denn es ist ungewiss, ob der Mangel des Fahrzeugs schon bei
Übergabe vorhanden war, und zugunsten des K greift auch nicht die
Vermutung des § 476 BGB ein. K hat aber einen Anspruch aus der von V
übernommenen Haltbarkeitsgarantie gemäß § 443 Abs. 2 BGB. Diese
hat V mündlich abgegeben, so dass sie eigentlich wegen der
Schriftformklausel, die in den nach § 305 Abs. 2 BGB ordnungsgemäß
einbezogenen AGB, unwirksam ist. Als Individualabrede setzt sie sich
jedoch gegenüber der Schriftformklausel gemäß § 305b BGB durch.
Beispiel: K kauft von V einen Pkw, wobei V mündlich erklärt, er
garantiere, dass dieser Wagen in den kommenden zwei Jahren keinen
Mangel haben werde. Nach einem Jahr erleidet das Fahrzeug jedoch
einen Motorschaden. Ursache hierfür ist das Überspringen des
Zahnriemens am Steuerrad der Nockenwelle gewesen, die eine
Fehlsteuerung der Einlassventile am ersten Zylinderkopf ausgelöst hat.
Es ist ungewiss, ob dies auf einen schon bei Übergabe des Wagens
vorhandenen Materialfehler zurückgeht. K verlangt die Reparatur des
Wagens, V verweist auf seine AGB, die er seinerzeit dem Vertrag
beigefügt hat. In ihnen wird die Haftung des V auf die gesetzlichen
Vorgaben begrenzt und für jede Vereinbarung, die hiervon abweicht oder
die nachträglich getroffen wird, die Schriftform vorausgesetzt. Da K nicht
locker lässt, sagt V mündlich zu, € 5.000 von dem Kaufpreis
zurückzuerstatten, womit die Sache beendet sein solle. K stimmt zu.
Lösung: K könnte ein Anspruch auf Zahlung von € 5.000 aus der mit V
abgeschlossenen Vertragsänderung zustehen. Deren Wirksamkeit hängt
davon ab, ob sie dem in den AGB des V festgelegten Schriftformgebot
zuwiderläuft. Nach Ansicht der Rechtsprechung geht mit der mündlichen
Vereinbarung über die Änderung des Vertrags stets eine stillschweigende
über die Aufhebung des Formgebots einher, die sich nach § 305b BGB
gegenüber diesem durchsetzt.
Das Verbot unangemessener Benachteiligung …
… darf nicht zur Kontrolle des Austauschverhältnisses eingesetzt werden, bei
dessen Bestimmung die Parteien (im Rahmen von § 138 BGB) frei sind, § 307 Abs.
3 S. 1 BGB. Dies betrifft aber nur die unmittelbare Festlegung von Leistung und
Gegenleistung, nicht auch Regeln, die sie mittelbar beeinflussen und durch
Gesetzesrecht ersetzt werden könnten.
… ist für die Verwendung gegenüber einem Verbraucher durch spezielle
Klauselverbote in §§ 308, 309 BGB konkretisiert.
… wird im Übrigen durch Anwendung der Generalklausel in § 307 BGB umgesetzt, die
bei Verwendung von Klauseln gegenüber Unternehmern durchaus zu demselben
Ergebnis wie die speziellen Klauselverbote führen kann (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB).
… wird in erster Linie durch eine zu große Abweichung von der einschlägigen
gesetzlichen Regelung verletzt (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), deren Ziel gerade der
gerechte Interessenausgleich ist.
… kann auch dadurch verletzt sein, dass eine Klausel unverständlich (§ 307 Abs. 1 S. 2
BGB – sog. Transparenzgebot) oder eine AGB überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB)
ist.
… greift unabhängig vom sogenannten Preisargument ein, dass die Gegenleistung bei
Unwirksamkeit einer Klausel höher ausgefallen wäre; denn das Risiko einer
Fehlkalkulation trägt der Klauselverwender.
Vorformulierte Geschäftsbedingungen …
… werden gegen ihren Verwender ausgelegt (§ 305c Abs. 2 BGB – sog.
interpretatio contra proferentem). Dies führt zu einem zweistufigen
Auslegungsverfahren, bei dem …
… zunächst die Bedeutung ermittelt wird, die den Vertragspartner am
meisten benachteiligt, weil sie zur Unwirksamkeit führen kann.
… nur dann, wenn die Klausel trotzdem wirksam ist, die Bedeutung
ermittelt wird, die dem Vertragspartner am meisten nützt.
… unterliegen in Ergänzung dieser Auslegungsregel dem Verbot
geltungserhaltender Reduktion: Eine Klausel wird, wenn sie zu weit
geht, nicht mit einem noch zulässigen Inhalt aufrechterhalten, sondern ist
insgesamt unwirksam.
… führen im Fall ihrer Unwirksamkeit grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des
Vertrags (§ 306 Abs. 1, 3 BGB), sondern zu ihrer Ersetzung durch die
einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (Abs. 2).
Beispiel: K kauft zu € 35.000 von dem Händler V für private Zwecke einen
angeblich wieder herstellbaren Unfallporsche, wobei nach den AGB des V „jede
Gewährleistung ausgeschlossen“ ist. Als sich herausstellt, dass das Fahrzeug,
wie V hätte wissen können, einen Rahmenschaden hat, der seine Reparatur
unmöglich macht, nimmt V das Fahrzeug „aus Kulanz“ wieder zurück und erstattet
K den Kaufpreis. K verlangt nun Ersatz von € 8.000, die er für die Anschaffung
von Ersatzteilen aufgewendet hat.
Lösung: K steht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von € 8.000
gemäß §§ 284, 311a Abs. 2 BGB zu. Der Ausschluss der Haftung in nach § 305
Abs. 2 BGB ordnungsgemäß einbezogenen AGB des V scheitert zwar nicht an §
444 BGB, weil V nicht arglistig war, und auch nicht an § 475 BGB, weil Schadensund korrespondierende Aufwendungsersatzansprüche nicht von dem Verbot
abweichender Vereinbarungen beim Verbrauchsgüterkauf erfasst werden. Es gilt
auch nicht das Klauselverbot nach § 309 Nr. 8 BGB, weil keine neu hergestellte
Sache gekauft worden ist. Die Klausel verstößt jedoch gegen das Verbot eines
Haftungsausschlusses bei Personenschäden oder grober Fahrlässigkeit nach §
309 Nr. 7 BGB sowie gegen das allgemeine Verbot eines Haftungsausschlusses
bei Kardinalpflichten gemäß § 307 Abs. 2 BGB. Der Ausschluss der
Gewährleistung ist nach dem Gebot der verwenderfeindlichen Auslegung gemäß
§ 305c Abs. 2 BGB auch auf Schadensersatzansprüche zu beziehen, weil dies die
Klausel unwirksam macht. Eine geltungserhaltende Reduktion auf bestimmte
Schäden oder eine gewisse Schadenshöhe kommt nicht in Betracht.