(§ 280 BGB). - Prof. Dr. Reinhard Singer - Hu

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Prof. Dr. Reinhard Singer
Humboldt-Universität zu Berlin
• Homepage: www.rewi.hu-berlin.de/jura/ls/sgr
• E-Mail: [email protected]
• Fachgebiete: Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Anwaltsrecht,
Familienrecht und Rechtssoziologie
• Materialien: Homepage - „Aktuelles“ – VL Wroclaw 14./15. Mai
2010
• Thema Schuldrecht: Leistungsstörungen, Haustürgeschäfte,
Fernabsatz (Verbraucherschutz); Kaufvertrag, Verbrauchsgüterkauf
§ 1: Schuldrecht AT – Leistungsstörungen
Überblick über die typischen Leistungsstörungen:
AT BGB: befasst sich mit dem Entstehen vertraglicher Schuldverhältnisse, also mit
dem Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff.) und den Wirksamkeitshindernissen (§§ 104 ff.; §§ 116 ff., 142 I; 134, 138; §§ 125 ff.).
Schuldrecht AT: befasst sich mit dem Inhalt und der Abwicklung der
Schuldverhältnisse
- Erfüllung (§ 362); Erfüllungssurrogate (§ 387)
- Wechsel von Gläubiger und Schuldner (§§ 398, 414, 415); Mehrheit von
Gläubiger und Schuldner (§§ 420 ff.)
- Leistungsstörungen: Unmöglichkeit (§§ 275, 326), Verzug (§ 286),
Pflichtverletzung (§ 280)
1
Fall 1:
Schema
V
K
» 433: 25.000.- €
30.000.-€
X
» 433 I: 275 I
» 433 II: 326 I
» 280 I, III, 283
Lösung Fall 1:
I. Ausgangsfall: Zerstörung nach Vertragsschluss
Ist Leistungsgegenstand zerstört („untergegangen“):
Unmöglichkeit der Leistung
Rechtsfolgen:
•
•
•
§ 275 Abs. 1 BGB (Anspruch „ausgeschlossen“) – Leistungsgefahr –
§ 326 Abs. 1 BGB: Anspruch auf die Gegenleistung „entfällt“ –
Gegenleistungsgefahr –
§§ 280 I, III, 283 BGB: Schadensersatz statt der Leistung; Pflichtverletzung
des V (Nichterfüllung der Pflicht aus § 433 I); Vertretenmüssen (§ 280 I 2): (-)
2
II. Schuldrecht bündelt Leistungsstörungen unter dem
allgemeinen Oberbegriff „Pflichtverletzung“ (§ 280 BGB).
1.
Begriff Pflichtverletzung:
a)
Nicht dem Schuldverhältnis entsprechendes Verhalten
(Looschelders, SchR, Rn. 484)
b)
Grundnorm (§ 280 BGB): je nach Rechtsfolge (Art des
Schadensersatzes) unterschiedliche
Tatbestandsvoraussetzungen (Details: Folie 7)
•
§ 280 III BGB: „Schadensersatz statt der Leistung“ (+ §§ 281 –
283)
•
§ 280 II BGB: „Verzögerungsschaden“ (+ § 286)
•
§ 280 I: „Schadensersatz neben der Leistung“
3
2. Übersicht über das System des Leistungsstörungsrechts:
Pflichtverletzung
§ 280 I
Nichterfüllung
Nichterfüllung
Rechtsfolgen bei
Unmöglichkeit
275; 323, 326; 280
I, III, 283
Rechtsfolgen bei
Verzug
280 II, 286;
280 I, III, 281
4
Schlechtleistung
280 I
Schutzpflichten
280 I, 241 II
3. Voraussetzungen von § 280 Abs. 1 BGB (gelten für alle Arten des
Schadensersatzes)
•
Schuldverhältnis (z.B. Kaufvertrag gem. § 433; vor Vertragsschluss: § 311
Abs. 2 BGB)
•
Pflichtverletzung: Schuldner leistet nicht oder nicht vertragsgemäß
(Schlechtleistung gem. § 433 I 2; Verletzung von Schutzpflichten gem. § 241
Abs. 2 BGB)
•
Verschulden: regelmäßig vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB); Verschulden
ist negatives Tatbestandsmerkmal („Dies gilt nicht, wenn …“).
•
Rechtsfolge: Verpflichtung zum Schadensersatz (§§ 280 I - III)
6
4. Schadensersatz (§§ 280 I – III): Regelung kompliziert
a) Einfacher Schadensersatz (§ 280 I): Schadensersatz „neben“ der
Leistung
Kennzeichen: Schaden neben der Leistung bleibt bestehen, auch wenn
geschuldete Leistung nachträglich noch erbracht wird.
Bsp.: Verletzung von Schutzpflichten (G rutscht über Gemüseblatt im
Supermarkt und verletzt sich), Schaden bleibt bestehen, auch wenn S
Verpflichtungen aus Kaufvertrag (Übereignung der Kaufsache erfüllt)
b) Verzögerungsschaden (§ 280 II) = spezieller Fall des Schadensersatzes
neben der Leistung; Voraussetzungen: zusätzlich § 286
Bsp.: V liefert nicht rechtzeitig, K nimmt Mietwagen
c) Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 III): Gläubiger will nicht mehr
Leistung, sondern statt dessen das Interesse (Mindestschaden = Wert der
Sache); Voraussetzungen: zusätzlich §§ 281 – 283, 284
Bsp.: V kann nicht liefern, weil geschuldete Sache untergegangen; Schaden:
Wert der Sache; entgangener Gewinn aus Weiterveräußerung
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Lösung Fall 1 - Ausgangsfall:
I.
Anspruch K-V auf Übereignung und Übergabe des verkauften
Sportwagens
Anspruchsgrundlage: § 433 I
1. Anspruch entstanden, wenn wirksamer Kaufvertrag: (+)
2. Anspruch „ausgeschlossen“, wenn diese unmöglich ist (§ 275 I BGB):
verkauftes Auto verbrannt.
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b) Befreiung von der Primärleistungspflicht des Schuldners (§ 275 I
BGB): gilt für
· objektive Unmöglichkeit genauso wie für subjektive
Unmöglichkeit (arg.: „für den Schuldner oder für jedermann“),
· anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit (arg.: „unmöglich
ist“); aber Sonderregel für Vertretenmüssen beim Schadensersatz
statt der Leistung gem. § 311 a Abs. 2 BGB
· ohne Rücksicht auf Verschulden („impossibilium nulla est
obligatio“; anders noch § 275 Abs. 1 BGB a.F.)
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II.
Anspruch V – K auf Bezahlung des Kaufpreises:
Anspruchsgrundlage: § 433 II
1.
Anspruch entstanden: wirksamer Kaufvertrag (s.o.)
2.
Anspruch erloschen:
- nicht gem. § 275 I, weil Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises
nicht unmöglich geworden ist
- aber § 326 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. BGB: falls gestörte Leistung unmöglich
ist (§ 275 I), „entfällt“ auch Anspruch auf Gegenleistung.
Ergebnis: K hat gegen V keinen Primärleistungsanspruch, da V von seiner
Leistungspflicht gem. § 275 Abs. 1 BGB befreit ist.
III.
Schadensersatzansprüche K-V kommen nicht in Betracht, da V die
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2).
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Übersicht zur Unmöglichkeit:
Schadensersatz
Primärleistung
1.§ 275 I: obj./subj./anfängl.
(§ 311 aII) nachträgliche U./
mit/ohne Vertretenmüssen
impossibilium nulla est
obligatio
2.§ 275 II: unverhältnismäßiger Aufwand (Ring auf
dem Meeresgrund), aber
nicht wirtschaftliche
Unmöglichkeit (§ 313)
3.§ 275 III: Unzumutbarkeit
bei persönl. Verpflichtung
(Sohnder Sängerin erkrankt)
Gegenleistung
1.Erlöschen gem.
§ 326 I 1, 1Hs. („entfällt“)
2. Rücktritt gem. § 326 V ohne
Fristsetzung gem. § 323 I;
wegen § 326 I 1 hat der Rücktritt nur Bedeutung für die
Fälle des § 326 I 2 (nicht behebbare Mängel); s. a. § 437 Nr.2
3. Ausnahmen: § 326 II, 446,
447, 537, 644, 645, 615 S. 3
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1.„statt der Leistung“ (SE
wg.Nichterfüllung)
§ 280 I, III, 283 S.1:
Schuldverhältnis
Pflichtverletzung
Vertretenmüssen
(vermutet)
Sonderregel: § 311a II
(Kenntnis vom Leistungshindernis oder Kennenmüssen)
2. Aufwendungsersatz
§ 280 I, III, 284 wichtig, wenn
Rentabilitätsvermutung nicht
greift (ideelle Zwecke)
BGHZ 99, 182, 197
3. Ersatz oder Ersatzanspruch § 285
Verspätete Leistung
Verzug
§§ 286 – 289
1.Voraussetzungen (§ 286)
a) Fälligkeit (§ 271)
b)Mahnung oder Entbehrlichkeit (§ 286 II/Nr.1)
c)Vertretenmüssen (§ 286 IV)
2. Bei Entgeltforderungen
(§ 286 III: „spätestens“)
a)Fälligkeit
b)Rechnung
c) 30 Tage
d) Vertretenmüssen (§ 286 IV)
Schadensersatz
„statt der Leistung“
§§ 280 I, III 281
1. Voraussetzungen
a) § 280 I:
- Schuldverhältnis
- Pflichtverletzung
(Nichtleistung trotz Fälligkeit)
- Vertretenmüssen (§ 280 I2)
b) § 281:
Fristsetzung o. Entbehrlichkeit
Rücktritt
§ 323
1. Voraussetzungen:
a)Pflichtverletzung
b)Fristsetzung
nicht: Vertretenmüssen
2. Rechtsfolge:
Rücktritt i.V.m.
§§ 346 ff.
2. Rechtsfolge:
SE „statt der Leistung“
3. Rechtsfolgen
a) Verzögerungsschaden
§§ 280 I, II, 286
(SE „neben der Leistung“)
b) Verzugszinsen
c) Haftungsverschärfung
§§ 286 I, 288 (289)
§ 287 (Zufallshaftung)
15
Fall 1a)
V
•
Fälligkeit: 5.1.
•
Lieferung: 15.1.
433
K
Mietwagen 5.1. – 15.1.
500.- €
§§ 280 I, II, 286 I
§§ 280 I, III, 281
Lösung Fall 1, Variante a):
Ansprüche K - V:
I.
Verzögerungsschaden (§§ 280 I, II, 286 BGB):
1.
Voraussetzungen (Verzug des Schuldners):
a) Fälligkeit der Leistung: § 271 II BGB – 5. Januar (vereinbarter
Leistungszeitpunkt)
b) Mahnung: entbehrlich gem. § 286 II Nr. 1, wenn Zeitpunkt der
Leistung kalendermäßig bestimmt (+).
c) Vertretenmüssen: § 286 IV (vermutet)
2.
Rechtsfolge: Ersatz des Verzögerungsschadens
Gläubiger K so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung gestanden
hätte; dann wären K keine Mietwagenkosten entstanden
(Verzögerungsschaden: 500.- €).
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Lösung Fall 1, Variante a):
II.
Rücktritt (§ 323 I BGB) und Schadensersatz statt der Leistung
(§§ 280 I, III, 281 I BGB)
ausgeschlossen, da K dem V keine angemessene Frist zur
Leistung gesetzt hat.
III.
Verzugszinsen gibt es nur für Geldschulden (§ 288 I).
3. Sonstige Pflichtverletzung gem. §§ 280 I, 241 II BGB:
a) Schlechtleistung des Schuldners:
Bsp. : Verkäufer liefert giftiges Pferdefutter
(Mais enthielt giftige Rizinussamenkörner);
Pferde des K gehen ein (RGZ 66, 289).
V
433
K
Keine Unmöglichkeit der Leistung von V (§ 275 I)
kein Verzögerungsschaden (§ 286 I), da Schaden auf Schlechtleistung
und nicht auf Verzögerung beruht.
Schadensersatz neben der Leistung für die eingegangenen Pferde
(§§ 437 I Nr. 3, 280 I BGB); Pflichtverletzung: Schlechtleistung (vgl. §
433 I 2; § 241 II)
b) Verletzung von Schutzpflichten
17 (§ 241 II BGB): dazu Fall 1b)
V
433
K
Verletzung
Öllache
Lösung Variante 1 b):
Anspruch K - V wegen schuldhafter Pflichtverletzung (§§ 280 I, 249 S. 2
BGB).
1.
Schuldverhältnis K/V: Kaufvertrag (§ 433 BGB).
2.
Pflichtverletzung: Schuldverhältnis umfasst Schutzpflichten für Rechte und
Rechtsgüter des anderen Teils (§ 241 II BGB). V muss dafür Sorge tragen,
dass sich Käufer in den Geschäftsräumen des Verkäufers nicht verletzt.
3. Vertretenmüssen: vermutet (§ 280 I 2 BGB). Keine Anhaltspunkte, dass V
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
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4. Rechtsfolge:
a) Schadensersatz (§ 249 BGB).
Grundsatz der Naturalrestitution
da aber K kein Interesse daran hat, dass V seine Körperverletzung
„repariert“, kann er gem. § 249 II 1 BGB den dazu erforderlichen
Geldbetrag verlangen, also die Heilbehandlungskosten.
b) Schmerzensgeld (§ 253 II BGB).
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4. culpa in contrahendo (§§ 280 I, 311 II, 241 II BGB)
a)
Schutzpflicht, auf die Rechtsgüter anderer Rücksicht zu nehmen, bestehen
schon bei Vertragsverhandlungen oder bei Vertragsanbahnung (§§ 311
II, 241 II).
b)
Bsp.: Betreiber eines Supermarktes ist verpflichtet, den Eingangsbereich so
zu sichern, dass Kunden nicht auf Bananenschalen, Gemüseblättern und
dergleichen ausrutschen.
Rutscht Kunde K nach Vertragsschluss
aus, haftet V gem. §§ 280 I, 241 II BGB
(positive Forderungsverletzung des
Kaufvertrages)
Rutscht Kunde K vor Vertragsschluss
aus, haftet V ebenfalls gem. §§ 280 I,
241 II, 311 II BGB (culpa in contrahendo)
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Lösung Variante 1c):
Anspruch K- V auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§ 280 I BGB):
1.
Schuldverhältnis K/V: auch im vorvertraglichen Stadium (§ 311 II BGB); hier:
Vertragsanbahnung
2.
Pflichtverletzung: V trifft Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und
Interessen des potentiellen Kunden (§ 241 II BGB). V hat Pflicht verletzt, da
Geschäftsbereich nicht verkehrssicher.
3.
Vertretenmüssen: wird vermutet (§§ 280 I 2, 276 I 1).
4.
Rechtsfolge: V schuldet Schadensersatz gem. § 249 II BGB (hier: einfacher
Schadensersatz neben der Leistung): Verdienstausfall.
Ferner: Schmerzensgeld (§ 253 II)
Ausblick: Haftung des Schuldners gem. §§ 280 - 283 BGB setzt schuldhafte
Pflichtverletzung voraus; näher § 2 Verantwortung des Schuldners.
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