Mediationsgesetz - Mediationsakademie Berlin

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Berlin, 13. Januar 2011

Mediationsakademie Berlin

Das neue Mediationsgesetz

Inhalte, Auswirkungen, Interpretationen

Prof. Dr. Ulrich Michel

Übersicht

I.

Hintergründe des Entwurfs

II.

Einzelne Regelungen

III.

Reaktionen und Bewertungen

2

Hintergründe – EG-Richtlinie und Ziele des Referentenentwurfs

■ Vorgaben der EG-Richtlinie vom 13. Juni 2008 – Zugang zu Mediation in grenzüberschreitenden Streitigkeiten (Zivil- und Handelssachen) gewährleisten – Förderung der Mediation als alternative Konfliktlösung – wesentlicher Regelungsgehalt: Vertraulichkeit und Vollstreckbarkeit von Mediationsvereinbarungen ■ Ziele des Regierungsentwurfs vom 12. Januar 2011 – außergerichtliche Konfliktbeilegung im Bewusstsein der Bevölkerung und der in der Rechtspflege tätigen Berufsgruppen stärker verankern – Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens gewährleisten 3

Hintergründe – Bekanntheit von Mediation in der Bevölkerung

43 57 Habe davon gehört Höre davon zum ersten Mal

Bekanntheit der Mediation als alternative Konfliktlösung

39 13 48 Kann viele Streitgkeiten beilegen Bin skeptisch keine Angaben

Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Mediation nach allgemeiner Erläuterung des Verfahrens Quelle: Allensbach (Sept. 2010) 4

Hintergründe: Bekanntheit von Mediation in der Bevölkerung

Bevölkerung ab 16 Jahren: In den letzten 10 Jahren an einer Mediation beteiligt (Angaben in %, Stand Sept. 2010): Je nach Häufigkeit der Beteiligung an Gerichtsverfahren waren zw. 6 und 32%, insgesamt 11% der Befragten an Mediationen beteiligt. (Quelle: Allensbach)

15 10 5 0 35 30 25 20 19 3 32 18 1 5 6 16 14 nie vor Gericht 1x vor Gericht oft vor Gericht 11 3 8 insg.

Ja, mehrmals Ja, einmal

5

Regierungsentwurf – Überblick

■ Schaffung eines Mediationsgesetzes (MediationsG) ■ Änderung (u.a.) folgender Gesetze: – GVG – ZPO – FamFG ■ MediationsG gilt für alle Mediatoren, auch für richterliche ■ sofern Mediator in seinem Grundberuf einem Berufsrecht unterliegt: MediationsG ist bei Widerspruch lex specialis ■ Entwurf geht über EG-Richtlinie hinaus, da nicht nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst sind 6

Regelungen – allgemein: flexible Vorgaben

■ nur grundlegende Verhaltenspflichten und Aufgaben (Regierungsentwurf: „Mindestanforderungen“) ■ nur allgemeine Aus- und Fortbildungsverpflichtung ■ keine allgemeine Definition des Berufs, auch aus Rücksicht auf unterschiedliche Grundberufe ■ große Zurückhaltung bzgl. Verfahren der Mediation; soll möglichst offen und den Parteien überlassen bleiben ■ 3 Arten von Mediation definiert: außergerichtlich / gerichtsnah / richterlich 7

Regelungen – Pflichten / Tätigkeitsbeschränkungen

Pflichten des Mediators - Offenlegung aller Umstände, die Neutralität beeinträchtigen könnten - Information der Parteien auf Verlangen über fachlichen Hintergrund, Ausbildung und Erfahrung - Sicherstellung der eigenen Aus- und Fortbildung - keine Vertretung einer Partei nach gescheiterter Mediation in derselben Sache Beschränkungen der Tätigkeit als Mediator vor / bei Mediation für eine Partei tätig in derselben Sache + tätig, die beruflich mit Mediator zus. arbeitet andere Umstände, die Unabhängigkeit mögl. beeinträchtigen Mediation möglich Mediation nicht möglich + + Mediation mit ausdrückl.

Einverständnis 8

Regelungen – Verschwiegenheitspflicht

■ betrifft alles , was dem Mediator in der Ausübung seiner Tätigkeit bekannt wird ■ bedeutet Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators im Zivilprozess und in den auf die ZPO verweisenden Verfahrensordnungen (nicht im Strafprozess) ■ berufsübergreifend: Grundberuf des Mediators egal ■ keine gesetzliche Pflicht der Parteien zur Vertraulichkeit, nur vertragliche Verschwiegenheitsabreden verpflichten die Parteien ■ Ausnahmen: Offenlegung für Umsetzung / Vollstreckung nötig – aus Gründen der öffentlichen Ordnung (insbes. Gefährdung des Kindeswohles) – bei Offenkundigkeit 9

Regelungen – Prozessuales

■ § 253 Abs. 3 ZPO nach dem Regierungsentwurf:

„Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist oder warum ein solcher Versuch unterlassen wurde (…)“

will die Möglichkeit einer Mediation stärker im Bewusstsein der Anwälte verankern (Klage bleibt bei Fehlen zulässig, aber immerhin systematische Gleichstellung mit anderen Soll-Inhalten wie vorläufiger Streitwert-Angabe etc.) ■ Vorschlag einer (gerichtsnahen oder richterlichen) Mediation durch das Gericht in jeder Verfahrenslage möglich; Rechtsfolge Ruhen des Verfahrens 10

Regelungen – Vollstreckbarkeit

■ § 796d ZPO: Parteien können Vollstreckbarerklärung des Mediationsergebnisses beantragen ■ Bedeutung: Gleichstellung einer Mediationsvereinbarung mit anderen Titeln (wie gerichtliches Urteil, notarielle Urkunde etc.) bei Einigkeit der Parteien ■ angelehnt an Anwaltsvergleich; wie dort auch nur Gebühr von 50 Euro für Vollstreckbarerklärung nach GKG ■ Zuständiges Gericht für Vollstreckbarerklärung, § 796d Abs. 2 ZPO: Vorrang hat Mediationsvereinbarung, sonst AG im Bezirk des Mediationsverfahrens, zuletzt (bei Mediation im Ausland) AG Schöneberg ■ auch möglich: durch einen Notar 11

Regelungen – Richterliche Mediation

■ ■ § 15 GVG: Landesregierungen sind ermächtigt, Möglichkeit der richterlichen Mediation einzuführen und ggf. auf einzelne Gerichte zu konzentrieren falls Landesregierungen richterliche Mediation einrichten: ausdrückliche gesetzliche Grundlage u.a. in § 278a II ZPO Mediation nicht öffentlich ■ Der richterliche Mediator – ist grundsätzlich nicht entscheidungsbefugt (daher niemals der erkennende Richter in demselben Verfahren) – kann aber eine Vereinbarung als Vergleich der Parteien protokollieren und den Streitwert des Vergleichs selbst festsetzen (Wortlaut § 278a II: „wie ein entscheidungsbefugter Richter“!) – ist weiterhin Amtsträger, daher gilt z.B. § 116 AO (Anzeigepflicht von Steuerstraftaten) 12

Nicht geregelt

■ Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), weil bereits geregelte Spezialmaterie und nicht Mediation im eigentlichen Sinne ■ Schutz vor Verjährung: Kein Regelungsbedarf, da Mediation Verhandlung iSd § 203 S. 1 BGB ist, und damit ohnehin verjährungshemmend wirkt ■ eine der Prozesskostenhilfe entsprechende Mediationskostenhilfe; zunächst nur Förderung wissenschaftlicher Forschungen über die finanzielle Unterstützung der Mediation in Familiensachen vorgesehen 13

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das MediationsG

■ keine spezialgesetzlichen Sanktionen im MediationsG ■ Verstöße sind daher nach allgemeinem Zivilrecht zu lösen ■ Verstoß gegen Pflichten aus dem MediationsG = Schlechterfüllung des Vertrags mit entsprechenden Haftungsfolgen ( § 280 Abs. 1 BGB) ■ auch bei Verletzung von Nebenpflichten (z.B. Pflicht zur eigenen Aus- und Fortbildung) ■ offen bleibt: berufsrechtliche Sanktionen für Verstöße? Keine der BRAO entsprechenden Regelungen für nicht anwaltliche Mediatoren 14

Reaktionen und Bewertungen

■ BRAK (Bundesrechtsanwaltskammer) 1.

Zustimmung zu Zielen des Entwurfs, aber umfangreiche Kritik an einzelnen Regelungen: – gegen Regelung der richterlichen Mediation: Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Dienstleistern, der eher Schwächung als Stärkung alternativer Konfliktlösung bedeutet (auch keine Gerichts-Entlastung) – Vollstreckbarerklärung nicht zulässig, sofern nicht anwaltlicher Mediator – Fehlende Regelung einer Mediationskostenhilfe konterkariert Absicht des Gesetzgebers – Verschwiegenheitsverpflichtung für Parteien nötig 15

Reaktionen und Bewertungen

■ BDP (Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen) lobt flexible Regelungen, Anregungen: – Mediationsabbruch oder fachliche Klärung bei psychischer Einschränkung einer Partei – auch keine Sachverständigentätigkeit vor oder nach Mediation durch dieselbe Person – Einschränkung der Mediation bei Gewaltschutzsachen, da Mehrheit der Mediatoren hierfür nicht qualifiziert 16

Reaktionen und Bewertungen

■ Deutscher Richterbund befürwortet gesetzliche Regelung richterlicher Mediation 1.

positiv: auch einkommensschwache Parteien können in Verfahren vor den Fachgerichten Mediation durchführen Anregungen: – Erstreckung des Haftungsprivilegs des § 839 Abs. 2 BGB auf richterliche Mediatoren (Staat soll für Verschulden richterlicher Mediatoren haften) – flächendeckende Einführung richterlicher Mediation statt Ermächtigung der Landesregierungen – Zeugnisverweigerungsrecht auch in Strafsachen 17

Reaktionen und Bewertungen

■ Literatur (Greger, ZRP 2010, 209) positiv: liberale Regelung mit viel Spielraum für privatautonome Vereinbarungen Einführung der richterlichen Mediation durch Landesgesetz geber sachgerecht negativ: prozessuale Neuerungen zu vage: nur Pflicht zum Versuch einer Mediation in bestimmten Verfahren führt zu Umdenken unverbindliche Vorgaben zur Aus- und Weiterbildung; keine Informationsstelle für Bevölkerung für Bedürftige ist Mediation keine Alternative zum PKH finanzierten Prozess 18

Vergleich Referentenentwurf – alternative Konfliktlösung in anderen Rechtsordnungen

■ Italien Weitest reichende Umsetzung der EG-Richtlinie: Obligatorisches Schlichtungsverfahren für bestimmte Streitigkeiten aus dem Bereich des Erbrechts, des Familienrechts, des Immobilienrechts, der Miete, des Haftungsrechts sowie des Versicherungs- und Bankwesens Unterlassen des Hinweises auf die Mediation führt zur Anfechtbarkeit des Anwaltsvertrags ■ England ■ Seit vielen Jahren bei bestimmten Baustreitigkeiten Einschaltung eines Schiedsgutachters vorgeschrieben, der mit vorläufiger Bindungswirkung entscheidet Österreich, Frankreich, Belgien, England, Portugal, Niederlande und Schweiz Finanzielle Förderung der Mediation, etwa durch staatliche Kostenübernahme bei Bedürftigen 19

Ausblick – weiteres Verfahren

■ Stichtag für die Umsetzung der EG-Richtlinie: 21. Mai 2011 ■ Weitere Termine des Gesetzgebungsverfahrens stehen bisher noch nicht fest 20

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