Bilingualismus - Phonetik und Sprachsignalverarbeitung
Download
Report
Transcript Bilingualismus - Phonetik und Sprachsignalverarbeitung
Bilingualismus
Inwiefern beeinflussen sich
gegenseitig die phonetischen Systeme
der zwei Sprachen beim erwachsenen
bilingualen Sprecher?
Gliederung
1.
Definition Bilingualismus
2.
Unterscheidung Bilingualismus im weiteren und im
engeren Sinne
3.
Zur Kontroverse: zwei getrennte Lautsysteme oder ein
integriertes System
4.
Gegenseitige Beeinflussung der beiden phonetischen
Systeme beim bilingualen Sprecher
- 1.Studie: Flege, Schirru, MacKay (2003)
- 2.Studie: Susan G. Guion (2003)
Definition Bilingualismus
Bilingualismus
oder Zweisprachigkeit ist die
Fähigkeit eines Sprechers oder einer
Sprachgemeinschaft, zwei oder mehr
Sprachen auf annähernd gleichem
Sprachniveau zu sprechen
Bilingualismus im weiteren und im engeren
Sinne
Im weiteren Sinne, ist
ein zweisprachiger
Mensch jemand, der
grammatische und
kommunikative
Fähigkeiten in zwei
Sprachen besitzt;
aktiv und/oder passiv
Im engeren Sinne wird
das Wort
Bilingualismus oft
nur für solche
Menschen verwendet,
die muttersprachliche
Kompetenz in zwei
Sprachen aufweisen
Vorüberlegung
Besitzen bilinguale Sprecher zwei getrennte
Lautsysteme und werden diese kognitiv auf eine
unterschiedliche Art und Weise gespeichert?
Gibt es nur ein System für beide Sprachen?
Zur Kontroverse: ein Sprachsystem oder zwei
unabhängige Sprachsysteme
In
der Zweisprachigkeitsforschung bestehen
entgegengesetzte Standpunkte darüber, ob das
bilinguale Kind bereits zu Beginn des
Spracherwerbs zwei Systeme getrennt verarbeiten
kann oder ob es eher in der anfänglichen Periode
der Sprachentwicklung über ein einziges,
fusioniertes Sprachsystem und eine Art
Mischsprache aus Elementen der beiden Sprachen
verfügt
In
der klinischen Literatur wird von bilingualen
Sprechern mit einer neurologisch bedingten
Sprachstörung berichtet (z.B. Aphasie), welche
selektiv entweder die Muttersprache oder die
Zweitsprache betraf
Es wurden außerdem seltene Fälle beschrieben, bei
denen eine Hirnschädigung die Muttersprache
eines Menschen auslöschte, die Zweitsprache aber
nicht betroffen war
Schlussfolgerung
aus diesen Befunden: Erst- und
Zweitsprache sind nicht als ein einheitliches
System im Gehirn repräsentiert
Studien mit funktionell –
bildgebenden Methoden unterstützten diese
Annahme
Experimentelle
es
wurden Kinder untersucht, die ihre
Zweitsprache entweder in ihrer Kindheit oder
deutlich später (frühes Erwachsenenalter) erlernt
hatten
Durchführung:
im MR-Tomographen mussten die
Probanden eine Sprachproduktionsaufgabe
durchführen; sie sollten sich im Geiste erzählen,
was sie am vorherigen Tag erlebt hatten
Ergebnisse: im Bereich des
Broca-Areals unterschied sich
eine spät erlernte Zweitsprache von der Muttersprache
Bei Probanden, die ihre Zweitsprache während der
Kindheit erlernten, wurden vergleichbare Hirnregionen bei
der Sprachproduktion verwendet
Aber: in der Umgebung des Wernecke –Areals zeigte sich
keine vergleichbare Differenzierung
Weitere Arbeiten
zur Sprachproduktion bei
bilingualen Sprechern konnten jedoch nicht die
Ergebnisse der ersten Studie stützen
In
den nachfolgenden Studien wurden keine
Unterschiede in der Sprachorganisation zwischen
Erst- und Zweitsprache beobachtet
Swadesh schlug diesbezüglich 1941 vor, dass bilinguale
Sprecher nur ein System besitzen genauso wie die
monolingualen Sprecher
Auch Wissenschaftler aus Singapur haben
herausgefunden, dass bei Menschen, die flüssig Englisch
und Mandarin sprechen, beide Sprachen anscheinend in
denselben Teilen des Gehirns gespeichert werden
Wie beeinflussen sich aber die
phonetischen Systeme der zwei
Sprachen beim erwachsenen
bilingualen Sprecher?
James E. Flege, Carlo Schirru & Ian R.A. MacKay haben
das Zusammenspiel der beiden phonetischen Teilsysteme,
nämlich das angeborene und das der Zweitsprache
untersucht
Untersuchung mit bilingualen Sprechern der Sprachen
Englisch und Italienisch
Ziel: wollten herausfinden, ob die Vokale, die ein
bilingualer Sprecher in seiner Zweitsprache produziert,
unterschiedlich sind zu den Vokalen, die von
monolingualen Muttersprachlern produziert wurden
Probanden:
italienische Muttersprachler, die nach Kanada im Alter
zwischen 2 & 30 Jahren ausgewandert sind
Alle leben in Kanada in englischsprechenden Vierteln
(Ottawa, Ontario)
Wurden in 4 Gruppen eingeteilt
- „early bilinguals“ (im Alter zw. 2-13 ausgewandert)
- „late bilinguals“ (im Alter zw. 15-26 ausgewandert)
- „low L1 use“ (zwischen 1% und 13%)
- „high L1 use“ (zwischen 25% und 85%)
(early low, early high, late low, late high)
Durchschnittsalter: 49 Jahre
Methode:
Vpn
bekamen /CVd/ Wörter über Lautsprecher
vorgespielt, die die untenstehenden Vokale
enthielten und mussten diese anschließend
wiederholen
Diese
Wörter wurden von einem weiblichen und
einem männlichen englischen Muttersprachler
produziert und dann digitalisiert
Die
digitalisierten Wörter wurden in
randomisierter Reihenfolge per Lautsprecher
englischen Muttersprachlern (monolingual)
präsentiert
Die Hörer sollten die Vokale beurteilen
Sie konnten dazu 4 verschiedene Button auf
einem Computer drücken
- (1) wrong vowel
- (2) distorted
- (3) acceptable
- (4) good
Die ersten 10 Übungsstimuli zu Beginn jedes
Blocks wurden nicht analysiert
Ergebnisse:
L2 Sprache besser bei denjenigen Sprechern, die
sehr früh ihre Zweitsprache erworben haben
bilinguale Sprecher, die ihre Zweitsprache sehr
früh erworben haben (early bilinguals),
artikulierten die englischen Vokale sorgfältiger, als
diejenigen, die ihre Zweitsprache erst sehr spät
erworben haben (late bilinguals)
Fortsetzung Ergebnisse:
Bilinguale Sprecher, die ihre Muttersprache nur
noch sehr selten benutzen (low L1 use bilinguals)
produzierten die englischen Vokale viel deutlicher,
als diejenigen, die ihre Muttersprache noch sehr
häufig verwenden (high L1 use bilinguals)
Dass die phonetischen Teilsysteme von L1 und L2
miteinander interagieren konnten auch Flege,
Schirru und MacKay bestätigen
Fortsetzung Ergebnisse
Das Lernen einer Zweitsprache beeinflusst also die
Produktion der Muttersprache z.B. wenn das
muttersprachliche Segment einer Sprache in ähnlicher Art
& Weise produziert wird, wie das Segment der
Zweitsprache
Hillenbrand(1984) und Flege(1987) untersuchten z.B.
hoch erfahrene englische Spätlerner und fanden heraus,
dass diese die Plosive ihrer französischen Muttersprache
mit VOT-Werten produzierten, die genau zwischen ihrer
Erst-und Zweitsprache lagen
Flege und Eefting (1987) untersuchten späte und frühe
englisch Lerner, deren Muttersprache spanisch bzw.
niederländisch war
Sie fanden heraus, dass diese Sprecher VOT´s von
Plosiven in ihrer Muttersprache kürzer produzierten als
monolinguale Sprecher
Dieser Befund ließ sich auch an Hand von Vokalen
nachweisen
Flege (1987) fand heraus, dass erfahrene französische
Muttersprachler, die Englisch lernten, ihr französisches /u/
mit einem höheren 2. Formanten produzierten, als
französische monolinguale Sprecher
Der Erwerb neuer phonetischer Kategorien kann auch die
Produktion und Perzeption bereits bestehender
phonetischer Kategorien beeinflussen
Anisfeld et al. und Anisfeld und Gordon (1971) haben
herausgefunden, dass nur eine kleine Menge an
Zweitspracherfahrung ausreicht, um die Prozesse der
Erstsprache zu verändern
Weiterhin fanden Winkler et al. (1999) heraus, dass späte
Lerner die Phoneme der Zweitsprache in einer Art&Weise
bearbeiten, die der der Muttersprachler ähnelt
Winkler
et al. schlugen außerdem vor, dass die
kortikalen Gedächtnisrepräsentationen für Klänge
in der spät erworbenen Sprache ähnlich verarbeitet
werden, wie die der muttersprachlichen
Gedächtnisrepräsentationen
Es
scheint also, dass bilinguale Sprecher in der
Lage sind einige Aspekte einer Sprache so zu
lernen, wie sie es auch bei der Erstsprache machen
dies funktioniert aber nur im Kindesalter
Studie von Susan G. Guion
Bezüglich dessen hat auch Susan G. Guion von der
University of Oregon (USA) eine Untersuchung
durchgeführt
Fragestellung:
Welchen Effekt hat das Lernen von Vokalen der
Zweitsprache auf die Produktion der muttersprachlichen
Vokale?
Hypothesen:
-frühe Lerner werden voraussichtlich leichter neue
Vokalkategorien für die Zweitsprache bilden können, als
späte Lerner
- Der Erwerb neuer Vokalsysteme in der Zweitsprache löst
eine Neuorganisierung des Vokalsystems aus, um die
perzeptuelle Distinctiveness (Unterscheidbarkeit)
zwischen den Erst- und Zweitsprachensystem zu erhöhen
Methode:
-
eine weibliche Quichua-Muttersprachlerin wurde
aufgezeichnet und las verschiedene Quichua Wörter vor
eine weibliche spanische Muttersprachlerin wurde
aufgezeichnet und las verschiedene spanische Wörter vor
Versuchspersonen:
-
20 Quichua-Spanisch bilinguale Sprecher und 5 spanische
Muttersprachler (monolinguale Sprecher)
-
5 der 20 Quichua-Spanisch Bilinguals haben die Sprachen
zeitgleich erworben und alle anderen im Alter von 5-25
Jahren
-
Teilnehmer wurden eingeteilt in: frühe, mittlere und späte
bilinguale Sprecher (unterschieden sich also im Alter des
Spanischerwerbs)
-
Ablauf:
Teilnehmer mussten zuerst biografische Fragen
beantworten
-
Anschließend wurden den Teilnehmern die Wörter
vorgespielt und sie mussten jeweils die Quichua bzw.
spanischen Wörter wiederholen
-
Die bilingualen spanischen Vokale wurden anschließend
verglichen mit den Vokalen der spanisch- monolingualen
Sprecher, um zu ermitteln, ob bilinguale Sprecher die
Vokale ähnlich produzieren wie die Muttersprachler
Ergebnisse:
-
Das Alter des Spracherwerbs beeinflusst die
Fähigkeit Vokale in der Zweitsprache zu lernen
Die Resultate der akustischen Analyse zeigten,
dass umso früher man einer zweiten Sprache
ausgesetzt ist, umso besser ist die Chance, die
Vokale der Zweitsprache in einer
muttersprachlichen Art & Weise zu produzieren
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Quellen:
1.
Flege, J.E., Schirru, C., MacKay, I.R.A. (2003) Interaction between the native
and second language phonetic subsystems Speech Communication 40, 4:467492. flegespecom2003.pdf
2.
Guion,S. (2003) The vowel systems of Quichua-Spanish bilinguals: Age of
acquisition effects on the mutual influence of the first and second languages“,
Phonetica 60, 2:98-128. guionphonetica2003.pdf
3.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bilingualismus (Zugriff am 24.04.07)
4.
http://www.wissenschaft-online.de/artikel/342688 (Zugriff am 19.04.07)