Interkulturelle Bildung und Mehrsprachigkeit in Niedersachsen

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Interkulturelle Bildung und
Mehrsprachigkeit in
Niedersachsen
Claudia Schanz
Nds. Kultusministerium
Braunschweig, 14.09.2010
Bevölkerung in Niedersachsen
Bevölkerung in Niedersachsen
8 Mio.
Personen mit
Migrationshintergrund
1,28 Mio. = 16 %
Personen ohne
Migrationshintergrund
6,72 Mio. = 84 %
Personen mit
eigener
Migrationserfahrung
11,2 %
- Ausländer der 1. Generation
- Zuwanderer, die die deutsche
Staatsangehörigkeit mit oder
ohne Einbürgerung erhalten
haben
Hierzu zählen auch
Aussiedler und
Spätaussiedler,
deren in Deutschland
geborene Kinder
sowie Ius-soli-Kinder
Personen ohne
eigene
Migrationserfahrung
4,2 %
- Ausländer der 2. und 3.
Generation
- In Deutschland geborene
Personen mit
Migrationshintergrund, die
ihre Staatsangehörigkeit von
Geburt an besitzen oder
durch Einbürgerung erhalten
haben
Kinder mit Migrationshintergrund sind
keine Randgruppe mehr!
• Bei den unter 25jährigen liegt ihr Anteil
in Nds. bei ca. 23%,
bei Personen unter 16 Jahren 25,5%,
bei den 0 bis 5jährigen sogar bei 28,4%.
(Quelle: Nds. Landesamt für Statistik, Daten 2005)
• 83.056 ausländische Kinder und
Jugendliche bis 18 Jahre, 63251 Kinder
bis zum 10. Schuljahrgang (7,0%)
besitzen eine ausländische Nationalität
(Quelle: AZR)
Und bei den Lehrkräften?
Von ca. 886000 etwa 550 mit ausländischer Staatsbürgerschaft, mit
Migrationshintergrund nicht erfasst.
Schwerpunkt der Integrationspolitik der
Landesregierung
(LT-Beschluss vom 08.05.2008)
• Erhöhung des Anteils von Beschäftigten mit
Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst
• Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung
• Förderung der interkulturellen Kompetenz
Deshalb:
• Planung Schülercampus „Mehr Migranten
werden Lehrer“
• Aufbau eines Netzwerks von Lehrkräften mit
Zuwanderungsgeschichte
• Trainings zur interkulturellen Kompetenz
• Fachberatung Interkulturelle Bildung
Interkulturelle Herausforderungen im
Handlungsfeld Kita / Schule
• In Bildungseinrichtungen dominieren die monokulturell
geprägten Angehörigen der deutschen
Mehrheitsgesellschaft: in einem Land geboren,
aufgewachsen und geblieben, in einer Sprache
sozialisiert und mit einem Kulturraum verbunden.
• Grundlegende Erfahrungen von Eltern mit
Migrationshintergrund sind anders, transnationaler:
Ihre Erfahrungen (oder ihre Erinnerungen) beziehen
sich auf mehrere Länder bzw. Kulturen, ein
Nebeneinander und eine Mischung von Sprachen,
Heimaten und Weltbildern.
Ein Beispiel: Äußerungen von Lehrkräften und
Eltern mit Migrationshintergrund
• „Wie können wir die
zugewanderten Eltern
dazu bringen, häufiger
an Elternabenden
teilzunehmen?“
• „Warum kommen sie
kurz vor
Unterrichtsbeginn und
fangen an mich nach
den Leistungen zu
fragen. Dazu ist doch
der Elternsprechtag da!“
• „Warum reagieren sie
nicht auf schriftliche
Einladungen?“
• „Ich gehe kaum zu
Elternabenden, auch wenn
ich Deutsch kann. Was
haben denn die anderen
davon, wenn ich dabei bin?
Außerdem erfahre ich nichts
über die Leistungen meines
Kindes!“
• „Wenn ich mein Kind zur
Schule bringe, will ich mit
der Lehrerin ein paar Worte
wechseln, aber sie ist immer
so im Stress!“
• „Meine Kinder bringen immer
so viele Zettel nach Hause,
die ich schlecht verstehe.
Warum spricht die Lehrerin
mich nicht einfach an?“
Unterricht und Schulentwicklung:
Umgang mit Sprache(n)
„Wenn ich jetzt zurückschaue, finde
ich schon, dass ich mich verändert
habe. Nein, ich habe mich nicht
einfach nur verändert, ich habe mich
angepasst. Ich habe vieles abgelehnt,
was mir heute ganz wichtig gewesen
wäre, damals lieb gewesen war –
einfach verdrängt und ausgerottet auf
brutale Weise.“
„Den Russischunterricht habe ich
genutzt, um die deutsche Bedeutung
der russischen Strukturen zu lernen.
Nach kurzer Zeit wurde ich aber
ausgeschlossen. Die Lehrerin sagte,
meine Russischkenntnisse ließen
sich nicht mit dem Lernstand der
Klasse vereinbaren.“
©
Wie kann Lilly beim Erlernen der deutschen Sprache
geholfen werden?
Wie kann Unterricht so gestaltet werden, dass Lilly
auch in ihren Kompetenzen wahrgenommen
wird?
Wie können Unterricht und Schule gestaltet werden,
so dass alle Jugendlichen von den
mehrsprachigen Kompetenzen ihrer
Mitschülerinnen und Mitschüler profitieren und
selbst kompetent im Umgang mit
Mehrsprachigkeit werden?
Konsequenzen:
•
•
•
•
Entwickeln von Empathie für die sprachliche
Situation zweisprachiger Schülerinnen und Schüler
Auseinandersetzung mit der besonderen
Spracherwerbssituation bei zweisprachigen Kindern
und Jugendlichen
Reflektion über den Umgang mit Mehrsprachigkeit
in der eigenen Schule
Sprachförderung als Aufgabe jeder Lehrkraft, jedes
Unterrichts und der Schulentwicklung bzw. des
Schulprogramms (kohärentes Konzept)
Unterricht und Schulentwicklung:
Unser Blick auf das Migrantenkind I
•
Der Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund
hängt nicht nur von ihren Sprachkenntnissen ab. Über den
Bildungserfolg entscheidet auch das Vertrauen der Lehrer
in die Fähigkeiten der Schüler.
•
Von Migrantenkindern und Kindern aus sozial schwachen
Familien wird oft weniger erwartet. Die Folge: Je weniger
erwartet wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass die
Schülerinnen und Schüler tatsächlich schlechte Ergebnisse
erzielen. (Self-fulfilling prophecy)
•
Gerade Schülerinnen und Schüler aus unteren sozialen
Schichten und Migrantenkinder reagieren besonders
empfindlich auf die oft geringen Erwartungen der
Lehrkräfte. Eine negative Haltung zur Schule kann die
Folge sein.
Unterricht und Schulentwicklung:
Unser Blick auf das Migrantenkind II
• Negative Stereotype, die die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Gruppe mit geringen intellektuellen
Fähigkeiten in Verbindung bringen, können die
schulischen Leistungen erheblich beeinträchtigen.
• Die Angst, für unzulänglich befunden zu werden,
beeinflusst die Leistungsfähigkeit: Der Anspruch an die
eigenen Schulleistungen sinkt, Herausforderungen
werden vermieden und Schulleistungen verlieren ihre
Bedeutung für das Selbstwertgefühl.
Quelle: Wissenschaftszentrum Berlin, 23.10.2006,
www.wz-berlin.de/presse/mitteilungen_2006/migrantenkinder.de.htm)
©
Grundsätze für die Entwicklung von
diversitätsbewussten und interkulturell orientierten
Schulen
•
•
Nicht der Erzeugung
von Homogenität in der Schule
oder Lerngruppe wird Priorität
eingeräumt, sondern
stattdessen wird angestrebt,
Kompetenzen, die sich
aus der Heterogenität der
Lernenden ergeben, positiv
aufzunehmen. (Baader/ Lutz 2006)
Individualisierung von
Lernprozessen
•
•
Chancengleichheit
Vorbereitung auf ein Leben in
gesellschaftlichen Verhältnissen, die
von Pluralität, Globalisierung,
Internationalisierung und anhaltenden
Migrationsbewegungen geprägt sind
Dabei zu berücksichtigen: Erhöhte
Wahrscheinlichkeit eigener Migration
(Leiprecht 2006)
•
Dabei gilt es die sprachliche, kulturelle
und soziale Heterogenität der Schule
als positive Herausforderung und
Potential in den Blick zu nehmen und
für die Schul- und
Unterrichtsentwicklung zu nutzen.
Strukturen und Ansätze zur Erhöhung des
Bildungserfolgs von Kindern und Jugendlichen mit
Migrationshintergrund
•
•
•
•
•
•
•
frühe Sprachförderung in Deutsch (Kita und im letzten Jahr vor der
Einschulung „Fit in Deutsch“)
bessere Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule sowie
wirksame Förderung aller Kinder durch das Projekt Brückenjahr
Erarbeitung eines Konzepts durchgängiger Sprachbildung und
Sprachförderung (gemeinsame curriculare Grundlagen über Schwellen
hinweg)
Sprachförderung Deutsch als Zweitsprache vor und in der Schule als
Aufgabe der gesamten Schule und jeden Faches, als systemisch integrierte
additive Förderung (Projekt DaZNet)
Wertschätzung und Förderung der Mehrsprachigkeit durch bilinguale
Klassen, Innovationen im Bereich herkunftssprachlichen Unterrichts,
Förderung von language awareness
Aufbau von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften mit Eltern durch
gemeinsame Tagungen mit Migrantenvereinen, Qualifizierung von
Elternlotsen, Aufbau eines Elternnetzwerks zugewanderter Eltern
Fachberatung Interkulturelle Bildung
Projekt „DaZNet“
Projekttitel:
Regionale Zentren für „Deutsch als Zweitsprache / Deutsch als Bildungssprache,
Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz“
+ Netzwerke von Schulen mit einem erhöhten Anteil von Schülerinnen und
Schülern mit Migrationshintergrund und besonderen Herausforderungen
Laufzeit: Aufbauphase 2010 – 2013, Weiterentwicklungsphase 2013 – 2015,
anschl. Verstetigung
Kurzdarstellung des Projekts: Es werden sukzessive 15 regionale Zentren (in
2010 4, in 2011 6, in 2012 5) mit didaktischen Werkstätten und zugehörigen
Netzwerken von 6 – 8 Schulen flächendeckend aufgebaut.
Ziele: Qualitätsentwicklung von Unterricht und Schulentwicklung in DaZ/ DaB
sowie Stärkung interkultureller Kompetenz und Problemlösekompetenzen.
Regionale Verzahnung schulischer und außerschulischer Angebote und
Akteure.
Qualifizierung der Koordinatoren und Moderatoren:
Weiterbildung zum Berater Sprachliche Bildung DaZ am FörMigKompetenzzentrum HH
Evaluation: NiLS / Gespräche mit BAMF sind eingeleitet.
Herausforderungen für Kinder, die
Deutsch als Zweitsprache lernen
•
Deutsch als Bildungssprache als stark kontextunabhängige Sprache,
die sich durch konzeptionelle Schriftlichkeit auszeichnet, sich im Laufe
der Bildungsbiographie immer weiter in Fachsprachen ausdifferenziert.
•
Der Ort des Erwerbs von Deutsch als Bildungssprache sind Kita und
Schule.
•
Von Sprachförderansätzen, die sich an Deutsch als Bildungssprache
orientieren, profitieren auch einsprachig deutsche Kinder.
•
Lernvoraussetzungen und –bedingungen des mehrsprachigen Kindes
sind zu berücksichtigen.
Zentrale Ziele des Projekts
DaZNet
• Aufbau einer durchgängigen Sprachförderung und
Sprachbildung über bildungsbiographische Schnittstellen hinweg
und
• Sicherstellung während der gesamten Bildungsbiographie
hinweg
• Systematische Verankerung als Aufgabe aller Bildungsbereiche
und Lehrkräfte
Prinzip:„language across the curriculum“
• Gewährleistung der Anschlussfähigkeit der Sprachförderung,
Vermeidung von Brüchen und pädagogisch
Übergangsgestaltung von einer Bildungsstufe zur anderen
• Verbesserung der Sprachkompetenz durch Verknüpfung der
Ansätze der Sprachförderung / Sprachbildung in der Schule
durch die Einbeziehung der Möglichkeiten im sozialen Umfeld,
in Vereinen, bei Freizeitaktivitäten etc.
Zentrale Ziele des Projekt DaZNet
II
• Förderung der Mehrsprachigkeit unter Einbeziehung der
Herkunftssprachen (wo immer möglich)
• Intensivierung von Erziehungs- und
Bildungspartnerschaften mit Eltern „auf gleicher
Augenhöhe“ (gezielt von bisher schwer erreichbaren
Gruppen wie Eltern mit Migrationshintergrund und
Bildungsbenachteiligten)
• Initiierung, Weiterentwicklung und Vernetzung von
Maßnahmen und Projekten, die am Leitbild der
interkulturell offenen, diversitätsbewussten Schule
orientiert sind