27.Schuldneraustausch u. Schuldnermehrheiten

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Transcript 27.Schuldneraustausch u. Schuldnermehrheiten

Schuldrecht AT, 14.07.2014
PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
§ 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer
Personen
II. Der Austausch des Schuldners
1. Grundideen
• Wie der Gläubiger kann auch der Schuldner bei einem
Schuldverhältnis ausgetauscht werden.
Beispiel:
K hat bei dem Autohändler A einen neuen Luxuswagen
bestellt. X, der auch zu gerne so einen Wagen hätte,
überredet K, der ihm seinen Vertrag mit A verkauft. A hält
das für unwirksam; zumindest bliebe K sein Schuldner.
• Da der Wert einer Forderung entscheidend von der Person des Schuldners abhängt, ist ein Austausch des Schuldners nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich.
Eine befreiende Schuldübernahme kann nach BGB auf
zwei Arten erfolgen:
 Durch Vertrag zwischen Gläubiger und neuem
Schuldner (§ 414 BGB)
 Durch Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner
bei Genehmigung durch den Gläubiger (§ 415 BGB)
2. Vertrag zwischen Gläubiger und neuem Schuldner
§ 414 Vertrag zwischen Gläubiger und Übernehmer
Eine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit
dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass
der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt.
• Die Schuldübernahme nach § 414 BGB stellt den alten
Schuldner nur besser. Wie bei einer Leistung durch
einen Dritten nach § 267 BGB ist eine Zustimmung
des Schuldners nicht notwendig.
• Durch den Vertrag zwischen Gläubiger und neuem
Schuldner tritt der neue an die Stelle des alten
Schuldners.
Alter Schuldner
Schuldrechtlicher
Vertrag, in dem
sich der neue
Schuldner zur
Übernahme
verpflichtet.
Forderung
Gläubiger
Dinglich: Übernahmevertrag
(§ 414 BGB)
Forderung
Neuer
Schuldner
• Die Schuldübernahme nach § 414 BGB ist ein abstraktes
Verfügungsgeschäft, es gilt das Abstraktionsprinzip!
2. Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner
§ 415 Vertrag zwischen Schuldner und Übernehmer
(1) 1Wird die Schuldübernahme von dem Dritten mit
dem Schuldner vereinbart, so hängt ihre Wirksamkeit
von der Genehmigung des Gläubigers ab. […]
• Eine befreiende Schuldübernahme kann auch durch
Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner
vereinbart werden.
• Da durch so einen Vertrag die Interessen des
Gläubigers massiv berührt werden, ist die Schuldübernahme nur mit seiner Zustimmung wirksam.
• Nach dem Wortlaut des § 415 I S. 1 BGB genügt nur
eine nachträgliche Genehmigung. Nach ganz h.M. ist
aber auch eine vorherige Zustimmung (Einwilligung)
nach §§ 183, 185 I BGB möglich.
• Bis zur Genehmigung durch den Gläubiger ist die
Schuldübernahme schwebend unwirksam.
• Wenn der Gläubiger genehmigt, wird die
Schuldübernahme rückwirkend (§ 184 I BGB) ab dem
Zeitpunkt der Vereinbarung wirksam.
• Wenn der Gläubiger nicht genehmigt, bleibt allein
der alte Schuldner verpflichtet. Der Schuldner kann
aber nach § 415 III 2 BGB im Zweifel vom
Übernehmer Befriedigung des Gläubigers verlangen.
Beispiel:
K hat beim Schneider S ein neues Kleid bestellt. S hat
gerade viel zu tun und deshalb mit dem Kollegen X
vereinbart, dass dieser den Auftrag von K übernehmen
soll. K besteht aber auf seinem Vertrag mit S.
Was kann S nun von X verlangen?
3. Rechtsfolgen einer wirksamen Schuldübernahme
a. Wechsel des Schuldners (§§ 414, 415 I 1 BGB)
• Durch eine wirksame Schuldübernahme tritt der neue
Schuldner in die Stellung des alten Schuldners ein.
• Der alte Schuldner wird von seiner Verpflichtung
befreit, der neue Schuldner wird verpflichtet.
• Durch eine Schuldübernahme allein wird der neue
Schuldner nicht Vertragspartner. Hierzu wäre eine
Vertragsübernahme erforderlich.
• Der neue Schuldner erhält deshalb durch die
Schuldübernahme keine eigenen Ansprüche gegen
den Gläubiger.
• Der Schuldner kann auch keine Gestaltungsrechte
ausüben, die sich aus dem zugrundeliegenden
Vertragsverhältnis ergeben.
b. Einwendungen des Schuldners
• Der neue Schuldner tritt in die Pflicht des alten
Schuldners ein.
• Der Schuldner kann deshalb auch alle Einwendungen
und Einreden geltend machen, die zum Zeitpunkt der
Schuldübernahme für den alten Schuldner hinsichtlich
der übernommenen Pflicht bestanden (§ 417 I 1 BGB).
Beispiel:
V hat gehört, dass sein Sohn S mit seinen Mietzahlungen
gegenüber X in Rückstand ist. V vereinbart deshalb mit X,
dass er die aufgelaufenen Schulden des S in Höhe von
1000 € übernimmt. Als S hiervon erfährt, ist er empört,
weil er doch gerade alle seine Schulden bei X bezahlt
hatte. Was kann V machen, wenn X Zahlung der 1.000 €
von ihm verlangt?
• Der neue Schuldner kann allerdings nicht mit einer
Forderung des alten Schuldners gegenüber dem
Gläubiger aufrechnen (§ 417 I 2 BGB), weil er sonst
über ein Recht des alten Schuldners verfügen würde.
• Bei eigenen Einwendungen des neuen Schuldners
ist zu unterscheiden:
– Einwendungen, die sich aus dem Schuldübernahmevertrag ergeben, kann der neue Schuldner
ohne weiteres geltend machen, auch wenn die
Schuldübernahme nach § 415 BGB durch Vertrag
mit dem alten Schuldner erfolgt ist.
– Einwendungen, die sich aus dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis ergeben, wirken sich
grundsätzlich nicht auf die Schuldübernahme aus
(Abstraktionsprinzip!).
III.Schuldner- und Gläubigermehrheiten
1. Allgemeines
• Bei einem Schuldverhältnis muss es mindestens einen
Schuldner und mindestens einen Gläubiger geben.
• Bei einem Schuldverhältnis können aber auf beiden
Seiten auch mehrere Personen stehen.
• Die Fälle der Gläubigermehrheiten sind in der Praxis
unbedeutend und kaum relevant.
• Sehr viel wichtiger sind dagegen die Fälle der
Schuldnermehrheit.
Beispiel:
Die Freunde A, B und C sind schlecht gelaunt und verprügeln deshalb den D, dem sie dabei einen Zahn herausschlagen. D will nun die Heilungskosten und Schmerzensgeld ersetzt verlangen. An wen kann D sich wenden?
2. Schuldnermehrheiten
Wenn es bei einem Schuldverhältnis mehrere Schuldner
gibt, sind drei Konstellationen denkbar:
• Jeder einzelne Schuldner schuldet nur einen Anteil
an der ganzen Leistung und ist nicht für die Anteile
der anderen verantwortlich (Teilschuld).
• Alle Schuldner schulden jeweils die ganze Leistung,
der Gläubiger kann sie aber nur einmal fordern
(Gesamtschuld).
• Alle Schuldner schulden zusammen die Leistung, die
sie nur gemeinsam erbringen können
(gemeinschaftliche Schuld).
In der Praxis ist die Gesamtschuld am häufigsten, Fälle
der Teilschuld und der gemeinschaftlichen Schuld
kommen nur selten vor.
a. Teilschuld
§ 420 BGB Teilbare Leistung.
Schulden mehrere eine teilbare Leistung […], so ist im
Zweifel jeder Schuldner nur zu einem gleichen Anteil
verpflichtet […].
• § 420 BGB setzt eine teilbare Leistung voraus, bei
tatsächlich oder rechtlich unteilbaren Leistungen gilt
die Vorschrift nicht.
• Nach Wortlaut und Systematik des § 420 BGB wäre
die Teilschuld der Regelfall der Schuldnermehrheit.
• Tatsächlich hat § 420 BGB nur geringe Bedeutung, da
bei vertraglichen und deliktischen Schulden
grundsätzlich Gesamtschuldnerschaft angeordnet ist.
• Wenn eine Teilschuld vorliegt, hat der Gläubiger
selbständige Ansprüche gegen die einzelnen Schuldner.
Beispiel:
A und B wollen eine WG gründen und mieten deshalb eine
Wohnung von V. Dabei vereinbaren sie mit V, dass jeder
von ihnen nur für die Miete seines Zimmers haften soll. Als
A einmal nicht zahlen kann, stundet ihm der V die Miete
für einen Monat. Nun meint auch B, dass er solange nicht
zu zahlen brauchte. Hat B recht?
• Bei einer Teilschuld gilt das sogenannte Prinzip der
Einzelwirkung: Alle Einzelpflichten der jeweiligen
Schuldner sind in ihrer Entwicklung gesondert zu prüfen.
b. Gesamtschuld
• Die Gesamtschuld ist die praktisch wichtigste Form der
Schuldnermehrheit.
• Sie ist im Gesetz in den §§ 421-427 BGB auch am
ausführlichsten geregelt.
§ 421 BGB. Gesamtschuldner
Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder
die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger
aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist
(Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung
nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder
zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen
Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.
• Bei der Gesamtschuld sind alle Schuldner jeweils zur
ganzen Leistung verpflichtet.
• Der Gläubiger kann die Leistung von jedem Schuldner
nach Belieben ganz oder zum Teil, aber insgesamt nur
einmal fordern.
• Der Ausgleich der Schuldner untereinander findet
intern statt, ohne dass es den Gläubiger interessierte.
i. Voraussetzungen einer Gesamtschuld
• Eine Gesamtschuld liegt zunächst einmal vor, wenn das
Gesetz sie ausdrücklich anordnet:
– § 427 BGB für vertragliche Verpflichtungen,
– § 840 BGB für Ansprüche aus Delikt,
– § 431 BGB bei unteilbaren Leistungen,
– § 769 BGB bei mehreren Bürgen, u.a.
• Eine Gesamtschuld kann bei mehreren Schuldnern auch
vorliegen, wenn die allgemeinen Kriterien des
§ 421 BGB erfüllt sind. Dann müssen alle Schuldner
– dasselbe Leistungsinteresse schulden,
Beispiel: Architekt und Bauunternehmer schulden beide
die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks.
– gleichstufig schulden.
Beispiel:
S schuldet der X-Bank 100 €. B hat für die Schuld des S
eine Bürgschaft übernommen. Haften S und B als
Gesamtschuldner gegenüber X?
• § 426 BGB sieht bei einer Gesamtschuld einen internen
Regress vor. Diese Regel passt nicht, wenn es einen
primär haftenden Schuldner gibt.
ii. Rechtsfolgen im Außenverhältnis
• Auch bei einer Gesamtschuld hat der Gläubiger jeweils
einzelne Ansprüche gegen jeden Schuldner.
• Wenn in einem Schuldverhältnis mit einem Schuldner
etwas passiert, muss geklärt werden, ob dies Ereignis
sich nur gegenüber dem Schuldner (Einzelwirkung)
oder gegenüber allen Gesamtschuldnern (Gesamtwirkung) auswirkt.
Beispiel:
A, B und C haben eine WG gegründet und alle gemeinsam den Mietvertrag mit V unterschrieben. Als V den B
auffordert, die Miete für Mai zu bezahlen, wendet B ein,
dass A die Miete doch schon in der letzten Woche überwiesen hätte. Zurecht?
• §§ 422 – 424 BGB regeln Tatsachen, die Gesamtwirkung gegenüber allen Schuldnern haben (v.a.
Erfüllung und Erfüllungssurrogate, Gläubigerverzug).
• Alle nicht in den §§ 422 – 424 BGB genannten Tatsachen haben gemäß § 425 I BGB im Zweifel nur
Einzelwirkung gegenüber dem Schuldner, in dessen
Person sie eintreten.
• § 425 II BGB nennt einige Tatsachen mit Einzelwirkung.
iii.Rechtsfolgen im Innenverhältnis
• Bei der Gesamtschuld kann der Gläubiger die ganze
Leistung von jedem einzelnen Schuldner alleine
fordern.
• Der Schuldner soll aber nicht auf den Kosten sitzen
bleiben, sondern erhält Regressansprüche gegen die
anderen Gesamtschuldner.
• § 426 BGB gibt dem vom Gläubiger in Anspruch
genommenen Schuldner zwei Ansprüche gegen die
anderen Gesamtschuldner:
– § 426 I BGB gibt einen selbständigen
Ausgleichsanspruch.
– § 426 II BGB leitet den Anspruch des Gläubigers
zum Zweck des Regresses auf den leistenden
Schuldner über.
• Nach § 426 I BGB sind die Gesamtschuldner im
Zweifel zu gleichen Teilen verpflichtet.
• Aus dem Schuldverhältnis können sich aber auch
andere Anteile ergeben.
• Bei § 426 II BGB geht der Anspruch des Gläubigers
nur in der Höhe wieder, wie die anderen Schuldner
nach § 426 I BGB einen Ausgleich schulden.
• § 426 II BGB ist ein Fall der Legalzession. Es finden
die §§ 412, 399-404, 406-410 BGB Anwendung.
Beispiel:
A, B und C haben zusammen den X fahrlässig verletzt.
Der Vater V hat sich X gegenüber für die Erstattung der
Heilungskosten verbürgt. X nimmt nun den A auf
Schadensersatz in Anspruch, der alles bezahlt. Welche
Rechte hat A nun gegen B, C und V?
c. Gemeinschaftliche Schuld
Beispiel:
A, B, C und D treten zusammen als Acapella-Band „Die
Brinzen“ auf. In einem Vertrag mit ihrem Manager M
haben sie sich zum Singen bei den Konzerten verpflichtet.
Als D an einem Konzertabend aufgrund einer Krankheit
nicht singen kann, verlangt M von den übrigen drei, dass
sie trotzdem singen. Zurecht?
• Die gemeinschaftliche Schuld ist im BGB nicht
geregelt.
• § 431 BGB passt nicht, weil kein Schuldner die ganze
Leistung alleine erbringen kann.
• Nach h.M. müssen alle Schuldner gemeinsam in
Anspruch genommen werden, die in § 425 II BGB
genannten Tatsachen haben Gesamtwirkung.
Literaturhinweise:
• Grigoleit/Herresthal, Die Schuldübernahme, Jura
2002, 393-401
• Grigoleit/Herresthal, Der Schuldbeitritt, Jura
2002, 825-833
• Wendehorst, Der Rückgriff, Jura 2004, 505-513
• Zerres, Die Gesamtschuld, Jura 2008, 726-733