Straf- und zivilrechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Hygienevorschriften Ein kleiner Überblick Rechtsanwältin Anja M.

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Transcript Straf- und zivilrechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Hygienevorschriften Ein kleiner Überblick Rechtsanwältin Anja M.

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Straf- und zivilrechtliche
Konsequenzen bei einem Verstoß
gegen die Hygienevorschriften
Ein kleiner Überblick
Rechtsanwältin Anja M. Gall
Rechtsanwalt Rouven Colbatz
Kanzlei Colbatz & Gall Rechtsanwälte,
Weiden i. d. OPf.


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Aufbau des Vortrags
• Allgemeine straf- und zivilrechtliche Aspekte
• Details zur Frage der Verstöße gegen
Hygienevorschriften


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Aufgabenstellung
• Pflegepersonal:
– Handelt im Rahmen der Aufgabenstellung des
KrPflG eigenverantwortlich
– Haftung für Organisation
– Haftung für Anordnung von Pflege
– Haftung für die Durchführung

• Arzt:
– Haftung für Therapie und Diagnostik


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Haftung?
Strafrechtliche Haftung

Zivilrechtliche Haftung


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Haftung?
Strafrechtliche Haftung
Staat

Bürger

Strafe

Zivilrechtliche Haftung


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Haftung?
Strafrechtliche Haftung
Staat

Bürger

Zivilrechtliche Haftung

Bürger

Bürger

Schadensersatz/
Schmerzensgeld

Strafe
Kumulativ!!


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Zivilrechtliche Haftung
• Patient muss im Prozess grundsätzlich Fehler
des Pflegepersonals beweisen, der den
Schaden verursacht hat
• Auch muss Verschulden und Umfang des
Schadens bewiesen werden
• Solch ein Beweis ist häufig nicht möglich


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Zivilrechtliche Haftung
• BGH: Beweiserleichterungen in folgenden
Fällen:
• Bei versäumter oder unvollständiger
Aufklärung
• Eine lückenhafte oder fehlende
Dokumentation
• Bei groben Behandlungsfehlern (d.h. ärztliches
oder pflegerisches Fehlverhalten, dass
schlechterdings nicht unterlaufen darf)


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Zivilrechtliche Haftung
• Grundsätzlich: Vertragliche Haftung des
Trägers aus Krankenhausaufnahmevertrag o.ä.
• Dienstvertrag, mit welchem die
ordnungsgemäße, stationäre Diagnostik,
Behandlung, Pflege und sonstige Betreuung
geschuldet wird.
• Nicht: Erfolg!


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Zivilrechtliche Haftung
• Vertragliche Haftung wird ergänzt durch
Haftung aus unerlaubter Handlung
• Es haftet insbesondere derjenige, der
vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den
Körper oder die Gesundheit eines anderen
verletzt, also auch das Pflegepersonal!
• Träger haftet nur nach § 831 BGB, kann sich
aber exkulpieren!


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Zivilrechtliche Haftung
• Vertragliche Haftung und Haftung aus
unerlaubter Handlung stehen nebeneinander
• Schadensersatz kann jedoch nur einmal
gefordert werden, Geschädigter kann sich
aber aussuchen, von wem er den Anspruch
einfordert
• Schmerzensgeld zum Schadensersatz möglich!


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Strafrechtliche „Haftung“
• Beweise von Amts wegen
• Keine Beweiserleichterungen!
• Die Staatsanwaltschaft muss Beweis so
führen, dass das Gericht der Überzeugung ist,
dass das Pflegepersonal einen Straftatbestand
verwirklicht hat.
• Ansonsten: „ in dubio pro reo“


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Strafrechtliche „Haftung“
• Aufbau eines Straftatbestands:
– Objektiver Tatbestand
– Subjektiver Tatbestand
– Rechtswidrigkeit
– Schuld


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Strafrechtliche „Haftung“
• Objektiver Tatbestand:
– Handlung, die in einem Tun oder Unterlassen liegt
– Erfolg verursacht
– Beispiel: Körperverletzung
Obj. Tatbestand dann erfüllt, wenn durch eine
Handlung eine andere Person an der Gesundheit
beschädigt oder eine andere Person körperlich
misshandelt wurde


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Strafrechtliche „Haftung“
• Subjektiver Tatbestand:
– Vorsatz: Mit Wissen und Wollen der objektiven
Tatbestandsmerkmale (Täter wollte oder nahm
zumindest die Tatbestandsverwirklichung billigend
in Kauf)
– Im Falle einer ausdrücklichen Normierung:
Fahrlässigkeit:
Außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt


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Strafrechtliche „Haftung“
• Rechtswidrigkeit
– Strafbarkeit kommt nicht in Betracht, wenn
Rechtfertigungsgründe vorliegen; z. B. Notwehr
– Besonderheit im Falle des ärztlichen Eingriffs:
ärztliches und pflegerisches Handeln erfüllen
immer den Tatbestand einer Körperverletzung
– Lediglich nicht strafbar, wenn Patient einwilligt
– Achtung: Einwilligung immer nur in
kunstfehlerfreie Eingriffe möglich!!


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 211 StGB Mord
(1)
Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe
bestraft.
(2)
Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des
Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus
niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit
gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu
verdecken,
einen Menschen tötet.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 212 StGB Totschlag
(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder
zu sein, wird als Totschläger mit
Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren
bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist auf
lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 216 StGB Tötung auf Verlangen
(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und
ernstliche Verlangen des Getöteten zur
Tötung bestimmt worden, so ist auf
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 222 StGB Fahrlässige Tötung
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines
Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 223 StGB Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich
misshandelt oder an der Gesundheit
schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 224 StGB gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen
gesundheitsschädlichen Stoffen,
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei
Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 226 StGB schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das
Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr
gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung
oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich
oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf
Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 227 StGB Körperverletzung mit Todesfolge
(1) Verursacht der Täter durch die
Körperverletzung (§§ 223 bis 226)den Tod der
verletzten Person, so ist die Strafe
Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf
Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren zu erkennen.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 229 StGB fahrlässige Körperverletzung
Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung
einer anderen Person verursacht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 239 StGB Freiheitsberaubung
(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit
beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen,
wenn der Täter
1. das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2. durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine
schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.
(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat
begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe
nicht unter drei Jahren.
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes
4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.


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Überblich über die gängigsten
Strafnormen
§ 323c StGB unterlassen Hilfeleistung
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr
oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies
erforderlich und ihm den Umständen nach
zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche
eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer
wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit
Geldstrafe bestraft.


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Haftungsgefahr Pflege
• Grundpflege: die unmittelbare körperliche Pflege,
die Versorgung des Patienten, die psychosoziale
Betreuung sowie die Beobachtung und
Überwachung des Patienten.
• Dekubitusprophylaxe
• Weitere Bereiche: Krankenbeobachtung, die
Behandlungspflege sowie die Delegation
ärztlicher Tätigkeiten auf nichtärztliches
Pflegepersonal


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Haftungsgefahr Hygiene
• Nosokomiale Infektionen kommen immer
häufiger vor
• Daher große Bedeutung im Bereich des
Haftungsrechts


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Haftungsgefahr Hygiene





Pflegekraft ist verantwortlich für:
Beachtung der Asepsis
Beachtung der Desinfektion
Beachtung der Sterilisation

• Handelt Pflegekraft fehlerhaft, haftet sie im
Falle eines Vorsatzes bzw. der Fahrlässigkeit
auf Schadensersatz und Schmerzensgeld


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Haftungsgefahr Hygiene
• OLG Düsseldorf: Der Arzt hatte zwei Patienten
untersucht und dann bei einem weiteren
Patienten eine Spritze gesetzt. Dies tat er jedoch,
ohne zuvor seine Hände zu desinfizieren. Das
Gericht hat darin einen groben
Behandlungsfehler gesehen, da in Anbetracht der
stets zu bedenkenden Infektionsgefahren das
Unterlassen der gebotenen Desinfektion der
Hände ein unter keinen Umständen
verständliches und verantwortbares Versäumnis
darstelle.


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Haftungsgefahr Hygiene
• Das Gericht hat daher wegen des groben
Behandlungsfehlers eine Beweislastumkehr
angenommen, mit der Folge, dass der Arzt
nachweisen musste, dass die unterbliebene
Desinfektion seiner Hände tatsächlich nicht
zum Eindringen von Bakterien in das Gewebe
geführt hat. Der Arzt konnte diesen Nachweis
jedoch – naturgemäß – nicht erbringen.


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Haftungsgefahr Hygiene
• Für Pflegekräfte gilt dasselbe!
• Bei schuldhafter fehlender Desinfektion wird
die Pflegekraft ebenso zur Verantwortung
gezogen, da grober Behandlungsfehler
• Pflegekraft muss dann beweisen, dass die
Bakterien nicht aufgrund des Fehlers
eingedrungen sind: schlechterdings
unmöglich!


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Haftungsgefahr Hygiene
• BGH: Wegen Verdachts von Hyperkalzämie sollte bei
einem Patienten ein sogenannter Kyle-Test
durchgeführt werden. Dazu soll dem Patienten durch
eine Infusion calcium gluconicum in Lävuloselösung
verabreicht werden. Gegen 21.00 Uhr legte der Arzt die
Infusion an, welche vor mehr als einer Stunde durch
eine Krankenschwester vorbereitet worden war, die um
20.00 Uhr Dienstschluss hatte. Später traten bei dem
Patienten hohes Fieber sowie Schüttelfrost auf. Weiter
wurden Beklemmungs- und Schmerzbeschwerden im
Magen, Brust und Rücken diagnostiziert.


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Haftungsgefahr Hygiene
• Der Kyle-Test wurde abgebrochen und der
Patient, welcher einen septischen Schock erlitten
hat, intensiv ärztlich versorgt. Ursache für den
septischen Schock war eine Verunreinigung der
Infusionslösung durch Bacillus enterobacter
aerogenes.
• Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall
entschieden, dass die Infusionslösung frühestens
eine knappe Stunde vor der Applikation angesetzt
werden darf. Dabei soll vermieden werden, dass
gefährliche Bakterien gebildet werden.


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Haftungsgefahr Hygiene
• In der zu frühen Vorbereitung der Lösung durch die
Krankenschwester sah das Gericht einen erheblichen
und leichtfertigen Verstoß gegen die ärztliche
Sorgfaltspflicht an, der geeignet gewesen war, die
septische Schädigung des Patienten herbeizuführen.
Die zuständigen Ärzte und das nichtärztliche
Hilfspersonal hätten wichtige und selbstverständliche
Grundregeln für die Sterilhaltung der Infusionslösung
nicht nur unbeachtet gelassen, deren Beachtung
vielmehr durch die getroffene Arbeitsverteilung
geradezu unmöglich gemacht. Eine ärztliche Kontrolle
über den Zeitpunkt der Vorbereitung der Lösung habe
offensichtlich gefehlt.


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Haftungsgefahr Hygiene
• BGH bzw. OLG‘s:
• Einsatz von kontaminierten Inhalatoren
• Verbandwechsel mit Kontamination des
Umfeldes
• Aseptische Operationen in einem nicht
ausreichend desinfizierten Operationssaal
• Verwendung nicht-geschlossener
Harnableitungssystemen


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Haftungsgefahr Hygiene
• BGH bzw. OLG‘s:
• Zulange andauerndes Liegenlassen
intravenöser Katheter und deren falschen
Handhabung Verbandwechsel mit
Kontamination des Umfeldes
• Vorbereitung von Desinfektionslösungen vor
mehr als 24 Stunden im Voraus


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Wer zahlt‘s??
• IdR: Berufshaftpflichtversicherung der
Krankenhäuser, sofern abgeschlossen
(zivilrechtlich!)
• Nicht bei Vorsatz!
• Im ärztlichen Bereich Anordnung des Arztes
notwendig, ansonsten evtl. Verlust des
Versicherungsschutz


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Wer zahlt‘s??
• Keine Haftpflichtversicherung: Pflegekraft ist
Schuldner des Schadensersatzes bzw. des
Schmerzensgelds
• Daher: Nachfrage, ob Versicherung besteht
• Falls nicht: Berufshaftpflichtversicherung
selbst abschließen.
• Ebenso möglich: Haftungsübernahme des
Arztes für Tätigkeit im Ärztlichen Bereich; dies
aber nur in Schriftform!


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Ergebnis:
• Haftungsgefahren lauern überall, auch im
Bereich der Hygiene
• Daher: Sorgfalt walten lassen, d.h. ein
Fehlverhalten vermeiden, welches
schlechterdings nicht unterlaufen darf
• Ordnungsgemäß Dokumentieren
• Sich absichern, bsp. im Rahmen einer
Haftpflichtversicherung