Diapositive 1 - Jérôme Segal

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Transcript Diapositive 1 - Jérôme Segal

Von der Devianz zur Normalität
Komatrinken in Europa als Auslassventil
Jérôme Segal, BSA, 5. Dezember 2007
Biomacht nach Foucault: Früher hat die Macht über den Tod entschieden, sie ließ
aber die Menschen leben. Mit der Biomacht ist es umgekehrt, es wird über das
Leben entschieden, und das Sterben interessiert keinen mehr.
 Kontrolle der Körper
Sport als Imperativ, Schlankheit, weiße Zähne, allerlei Pharmaprodukte,
Doping (Sport, Schule, Arbeit, sexuelles Leben)
 Kontrolle des Aussehens
Diktatur von Marken…
 Kontrolle des Verhaltens
High-Tech für Jungs, rosa Handys für Mädels, besonders
schlank und nach der Mode gekleidet. Viele Freunde haben
(„Buddies“ unter msn, „friends“ unter Facebook). Cola trinken,
dann Red Bull [übrigens in Frankreich verboten], dann
Alkohol…
Initiationsritus?
Harte Getränke sind häufig ein Ventil, um den allgemeinen
Leistungsdruck abzubauen.
I – Die Lage in Europa
Definitionen
Statistiken
Grenzen der Statistik
II – Komatrinken als Zeichen
Bei den Jugendlichen
Später im beruflichen Leben
III – Die Maßnahmen:
„best practices“ und Hoffnungen
In Deutschland
Das Beispiel der Bretagne
In Österreich
Mehr Respekt…
I – Die Lage in Europa
Definitionen
 „Binge Drinking“ als „über mehrere Tage hinweg anhaltender
Alkoholkonsum bis zur Berauschung, wobei übliche Aktivitäten und
Verpflichtungen vernachlässigt werden“. Häufig bei Studierenden, weniger
im ArbeiterInnenmilieu.
 „Komatrinken“ bedeutet den Konsum einer Alkoholmenge, die ein Koma
hervorruft. Als Koma (griechisch: "tiefer Schlaf") bezeichnet man eine Form
der Bewusstlosigkeit, bei der das Individuum auch durch starke äußere
Stimuli wie wiederholte Schmerzreize nicht geweckt werden kann. Da bei
einem so schweren Rauschzustand akute Lebensgefahr bestehen kann, ist
eine intensivmedizinische Behandlung notwendig.
 „Flatrate-Party“ oder „All-You-Can-Drink-Party“ sind Bezeichnungen für
kommerzielle Veranstaltungen, bei denen alkoholische Getränke ohne
Begrenzung der Menge zu einem Pauschalpreis ausgeschenkt werden.
 Alkopops (auch als Prämixgetränke, Ready to Drink – „RTD“
oder Designer Drinks bezeichnet) sind fertig gemixte, süße,
kohlensäurehältige Limonaden, die mit Spirituosen (wie Wodka
oder Whiskey) gemischt sind und in poppiger Aufmachung
verkauft werden.
Statistiken
2003
Österreich 2003
Österreich 2003
Die Welt, 30. November 2007: „Eine Studie der „Fachstelle für Suchtprävention
im Land Berlin“ hat Erschreckendes festgestellt. Jeder vierte 12- bis 17jährige Berliner trinkt. In den vergangenen sieben Jahren ist die Zahl der
Kinder und Jugendlichen mit Alkoholvergiftungen um 50 Prozent gestiegen.
Bei der Hälfte der in Kliniken eingelieferten Jugendlichen betrug der
Alkoholwert im Blut mehr als zwei Promille – dazu muss man etwa eine
Flasche Schnaps trinken. Der Pro-Kopf-Konsum reinen Alkohols ist in
Deutschland mit zehn Litern im Jahr so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. (...)
Vier Fälle hat es im Laufe dieses Jahres gegeben, in denen Jugendliche am
Alkohol gestorben sind.“
Jungendlichen sind aber eher gut
informiert. Der Unterschied zu
früher ist, dass sie sich heute
bewusst in den
Vollrausch trinken.
Flatrate-Party im Berliner "Halli Galli": Für 12 Euro sind
Manuel, Dana, Sabine, Dirk und Torsten dabei.
Grenzen der Statistik
 Keine Homogenität der Statistiken in Europa.
Entwicklung städtischer Gesundheitsindikatoren mit dem
Megapolen-Projekt (Amsterdam, Athen, Berlin, Brüssel, Kopenhagen,
Dublin, Helsinki, Lazio-Rom, Lissabon, London, Lyon, Madrid, Oslo,
Stockholm und Wien)
Best practices…
Euro-Wissens wichtiger als… z.B. der Eurofighter
 Große nationale Disparität, Beispiel Frankreich
 „Begleitschäden“
- Tode : 19.-20. Sept. 2007, Rennes (F), drei Tote (18, 19 u. 23
Jahre), Warrington (GB) Sommer 2007, ein Fußgänger wurde von
drei Betrunkenen ermordet.
- Gewalt gegen Frauen (in Frankreich 36% von Alkohol
verursacht für 2006, Le Monde 6.11.2007)
- Verkehrsunfälle (in Frankreich 26,2% von Alkohol verursacht
für 2006, Le Monde 6.11.2007)
II – Komatrinken als Zeichen
Bei den Jugendlichen
 Individualistische
Konsumgesellschaft. Alkohol als
Treibstoff für den Spaß.
Alles ist möglich, so lange man
Geld hat: „Mit Geld geht’s!“
 Sich betäuben lassen:
„Die Arbeitswoche ist für Jugendliche so anspannend, dass sie ein Ventil brauchen. Das
Signal ist: der Leistungsdruck ist zunehmend belastend. Wer hinaus will, betäubt sich.
Und merkt nicht, dass es keine Entspannung ist, sondern Besinnungslosigkeit.“ Die Welt
1. Dez. 2007
 Genießen, hic et nunc, weil danach, wird’s alles schlimmer (Ökokatastrophismus?).
 „Devianz“ (von frz. dévier) oder Abweichendes Verhalten wird in der Soziologie
und in der Sozialen Arbeit die Abweichung von allgemeinen Normen und
Wertvorstellungen bezeichnet… aber welche Werte in dem Fall?
 Primäre Devianz (ohne dass daraus längerfristige Folgen für das Individuum
und sein Ansehen in der Gesellschaft entstehen)
 Initiationsritus? Also Normalität?
Später im beruflichen Leben
 Druck der Gesellschaft, ‚Selektion‘ / ‚Auswahl‘ / ‚Einheit‘, La question humaine
Szene in einer Disko.
 Erfolg muss sein…
Film von N. Klotz, 2007
10. Juli 2006 Nr. 157
III – Die Maßnahmen: „best practices“ und Hoffnungen
In Deutschland
 Einführung des Alkopopsteuergesetz, auch in der Schweiz,
aber nicht in Österreich und auch nicht in den Niederlanden.
Gleiche Rückgang (-2/3 zwischen 2003 & 2005) => Der EUMinisterrat hat sich im April 2005 dafür ausgesprochen, dass
Steuern keine geeignetes Mittel darstellen, gesundheitspolitische
Ziele zu erreichen.
Am 8. Juni 2007 hat als erstes Bundesland Baden-Württemberg
ein Verbot von „Flatrate-Partys“ erlassen.
Nur Strafmaßnahmen?
Das Beispiel der Bretagne
 Interessanterweise sind die Schüler der Bretagne eher
besser als die anderen, die Arbeitslosigkeitsquote ist niedriger.
 (klassische) koerzitive Maßnahmen (kein Alkohol
ab 19 Uhr, Verbot des Alkoholkonsums in den
Straßen, Begrenzung der Konzentration von
Kneipen und Bars). Bars oder Geschäfte, die diese
Gesetzte nicht respektieren, werden sofort
geschlossen. Jeden Donnerstag werden zwischen
400 u. 1200 Flaschen beschlagnahmt.
 + Bus „Prév'en Ville“ (u.a. in der „rue de la soif“)
 + Neue Kampagne!
Neue Herangehensweise
Schon besser als vor 100 Jahren
ca. 1910
In Österreich
Wichtige Adressen:
 Anton-Proksch-Institut
 Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung
 Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und
Sozialforschung (idem)
Andrea Kdolsky spricht zur geplanten 'Baedertour 07' gegen
den Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen
Der langjährige SPÖ-Koalitionspartner
in Kärnten… am 1. Dezember 2007 auf
einer sog. „99-Cent-Party“
Mehr Respekt… als Anfang
Wenn die große Koalition nicht mal ein Nichtrauchergesetz einführen kann…
Der Standard, 11. Oktober 2007 „Österreich Schlusslicht bei Tabak-Regelungen“
Österreich hat die schlechtesten Tabakregelungen von 30 europäischen Ländern,
die für einen Bericht der Schweizer Krebsliga beurteilt wurden. Unter anderen hatten
auch Deutschland, Frankreich, Italien und Ungarn an der Untersuchung
teilgenommen. Platz eins belegte Großbritannien, gefolgt von Irland und Island. Auf
den vorletzten Rängen landeten Luxemburg und Griechenland.
Beispiel einer Große Koalition
Wiener Schmäh?
Wenn die österreichische Tabak- und
Gastronomielobbies so stark sind, kann man leider
davon ausgehen, dass es noch dauern wird, bis man
z.B. den Wirthäusern im Bermudadreieck klarmacht,
dass sie mitverantwortlich sind.
Andrea Kdolsky ist sicher nicht die beste
Gesundheitsministerin, die man sich wünschen
könnte, um diese Lage richtig zu verstehen… und die
Wirtschaft hat bestimmt zu viel Macht in Österreich.