Transcript Westecker.

Sind Veränderungen im
Kontext der
gesellschaftlichen und
rechtlichen
Rahmenbedingungen
notwendig?
Mathias Westecker
Chancen einer zukunftsorientierten beruflichen und
sozialen Teilhabe für Menschen mit schwersten und
mehrfachen Behinderungen im Land Bremen
30.10.2013
Personenkreis
Menschen im Erwachsenenalter,

… die in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens und im Bereich des Arbeitens auf dauerhafte
Unterstützung angewiesen sind

… mit einer geistigen Behinderung, besonderen Verhaltensweisen, starken
Bewegungseinschränkungen, Kommunikationsschwierigkeiten oder mehrfacher Behinderung

… für die eine Tätigkeit im Arbeitsbereich einer WfbM auch auf lange Sicht keine Perspektive
darstellt und eine Beschäftigung in einer Tagesförderstätte bisher die einzige Alternative ist
2
Arbeit in Deutschland für Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderung

haben eine Erwerbsarbeit
sind arbeitslos nach SGB II
erhalten Unterstützung im Arbeitsleben durch Integrationsfachdienste etc
arbeiten in einer WfbM nach SGB IX




Und Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung?
3
Arbeit in Deutschland für Menschen mit schwerer
Behinderung

Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf

erhalten Teilhabe am Arbeitsleben in einer WfbM (NRW)
erhalten Teilhabe am Arbeitsleben und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in einer Institution
nach SGB XII (Tafö, FuB in WfbM etc.)
erhalten nur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach SGB XII in einer Institution
erhalten tagesstrukturierende Angebote in ihrer stationären Wohneinrichtung
leben ohne Tagesstrukturierung in Heim oder eigener Häuslichkeit





Alle mit Ausnahme NRW Modell erhalten keinen Anspruch auf Rente o Sozialversicherung sowie
Unfallversicherung, sind lebenslang über Eltern oder Amt krankenversichert, bekommen keinen Lohn
4
Es gibt nicht…









Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Tagesförderung
Es gibt keine einheitliche Regelung, wer in WfbM oder draußen bleibt
Es gibt keine verlässlichen Zahlen der Menschen ohne jegliche Tagesförderung
Es gibt keine rechtlich gesicherte Verordnug analog der WVO
Es gibt keine einheitlichen Standards
Es gibt keine einheitlichen Qualitätskriterien
Es gibt keine einheitlichen Verbände, keinen Dachverband
Es gibt keine Selbst-Vertretung
Es gibt keine einheitliche Sprachregelung, Tagesförderung ist nicht einheitlich definiert
5
Tagesförderung

Klienten werden in erster Linie über ihren Hilfebedarf definiert

Angehörige und Fachkräfte versorgen und beschützen Klienten

Fachkräfte und Angehörige haben konzeptionell sehr vielschichtige Ansprüche

Wohn- und Freizeitangebote stehen im Vordergrund
6
Nischenthema

Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen in Tagesförderung
ist ein Nischenthema für Politik, Verbände, Leistungserbringer, Wissenschaft, Öffentlichkeit,
Angehörige, Fachleute

Gleichzeitig gibt es z.B. in HH 4/5 Beschäftigte in WfbM
und 1/5 Beschäftigte in Maßnahmen der Tagesförderung
7
UN Behindertenrechtskonvention

Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung (Art. 24)

Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit (Art.
27)

Die UN-Konvention unterscheidet nicht nach Hilfebedarf oder Behinderungsart

Menschenrechte sind unteilbar
8
ASMK Prozess

Zugang zum ersten Arbeitsmarkt

Restrukturierung des Werkstattrechts

Menschen ohne Werkstattfähigkeit wurden in den Diskussionen nicht berücksichtigt.
9
Aus dem Leitbild von Leben mit Behinderung
Hamburg
„Dem Streben behinderter Menschen nach
ihrem eigenen Lebensweg schaffen die
Mitarbeiter/innen und Eltern gemeinsam
verlässliche und lebendige Grundlagen.“
10
Angebote
11
Seinen Platz in der Gemeinschaft finden
Jeder Mensch will notwendig sein!
Prof. Klaus Dörner
12
Konzept „Arbeit ist möglich“

Ein zweites Milieu neben der Häuslichkeit dient der Integration.

Für Erwachsene ist die regelmäßige Arbeit eine wichtige Strukturierung ihres Lebens.

Arbeit wird als zielgerichtete Tätigkeit verstanden, bei der ein Produkt hergestellt oder eine
Dienstleistung erbracht wird.

Es entstehen Produkte und Dienstleistungen, an deren Herstellung die Beschäftigten einen
überwiegenden Anteil haben.

Die Produkte sind sehr hochwertig und werden von der Gesellschaft als wertvoll anerkannt und
gekauft.

Die Anerkennung wird darin gesehen, etwas für die Umwelt getan zu haben und somit „notwendig zu
sein“, gebraucht zu werden.
13
Konzept „Arbeit ist möglich“

Jede Arbeitsgruppe hat klare und überschaubare Arbeitsabläufe entwickelt. Durch das Aufgliedern in
kleine Handlungsschritte und durch individuelle Hilfestellungen („Helfende Hand“) werden passende
Tätigkeiten gefunden.

Die Arbeitsvorgänge können leicht nachvollzogen werden.

Hilfsmittel und vor allem arbeitsunterstützende Geräte erleichtern die Heranführung an die Arbeit.

Die Arbeit erfolgt weitgehend ohne zeitlichen und ökonomischen Druck.

Individuelle Lösungen werden den Wünschen und Fähigkeiten der einzelnen Beschäftigten am besten
gerecht.
14
Konzept „Arbeit ist möglich“

Jede Arbeitsgruppe ist ein komplexes Sozialsystem mit eigenen Regeln, Ritualen, Aufgaben und
Abläufen.

Durch die gemeinsame Tätigkeit entsteht eine neue Form der Begegnung zwischen den Beschäftigten
sowie zwischen den päd. Mitarbeitern und den Beschäftigten. Die Beziehung wird stärker von der
sachbezogenen Ebene der gemeinsamen Tätigkeit geprägt.

Die Einzelnen erleben sich im gemeinsamen Arbeitsprozess.

Arbeitsangebote: Kerzen-, Papier-, oder Lebensmittelherstellung, Holz-, Textil- und Kunstprodukte,
Hauswirtschaftliche und Bürotätigkeiten, Dienstleistungen
15
Berufliche Bildung Feinwerk

Feinwerk: ein Konzept von Leben mit Behinderung Hamburg

Dauer: 2 Jahre nach Aufnahme in der Tagesstätte

Für jeden Beschäftigten, unabhängig vom Hilfebedarf

Ziele:
– Verschiedene Arbeitsbereiche kennenlernen
– Erweiterung der vorhandenen Fähig- und Fertigkeiten
– Motivation fördern und Neugierde wecken
– Wahlmöglichkeiten schaffen
16
Berufliche Bildung Feinwerk
Vorstellungsgespräch,
Zeugnis
Gespräch und Hospitation mit Person und
Umfeld, Aufnahmebogen
Ausbildungsplan
Berufsorientierungsplan
Berichtsheft
Begleitbuch, Erlebnisberichte
Berufsschule
Bildungsanteile in Theorie und Praxis
Werkstück, Abschlussstück ist das
Gesellenstück
Werkstück, Ergebnis der Produktion
Abschluss mehrtägige Prüfung im Handwerk,
schriftlich und praktischer Teil
Abschlussgespräch,
Urkunde und Abschlussfeier
17
Auf Achse – Arbeiten außerhalb der Tagesstätte

Arbeitsangebote, Erfahrungs- und Begegnungsräume an Orten des regulären Arbeitslebens

Teilhabe am Arbeitsleben und an der Gemeinschaft erweitern

Erweitern des Tätigkeitsspektrums

Wahlmöglichkeiten bieten

Personenzentrierung

Entwickeln einer flexiblen Angebotsstruktur
18
Tagesförderung in Hamburg 2013

Ein gesichertes Angebot

Wahlmöglichkeiten in allen Stadtteilen

11 Träger mit über 50 Standorten

Aktualisierte Leistungsvereinbarung

Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und Teilhabe am
gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sind Grundlage für alle

Deutliche Trennung von WfbM und Tagesförderung

Dezentrale, kleine, wohnortnahe Einrichtungen
19
Stärken erkennen – Konzept entwickeln

Von der Tagesförderstätte zur Tagesstätte

Jeder Mensch will notwendig sein

Arbeit für alle

Tagesstruktur für Erwachsene

Von der WfbM lernen
20
Erfolge feiern – Unterstützung holen

Konzept in allen Einrichtungen verbindlich einführen

Mitarbeiter einbeziehen

Angehörige und Lehrer überzeugen

Geschäftsführung, Leitungen und Mitarbeiter aus anderen Bereichen informieren und
Erfolgsgeschichten erzählen

Organisatorische Einheit schaffen
21
Öffentlichkeit herstellen

Fachtagung in Hamburg organisieren

Artikel schreiben

Öffentliche Veranstaltungsreihe „Arbeit ist möglich“

Austausch auf externer Fachtagung

In Fachverbänden von Erfolgsgeschichten berichten
22
Gemeinsame Aktivitäten

MF-Arbeitskreis

NAHT Gründung

Marktplatz NAHT

WfbM-Messe Nürnberg

Gemeinsamer Flyer

Gemeinsame Plakate
23
Wettbewerb und Kooperation

Gute Angebote der Mitbewerber wertschätzen

Selber weitere gute Angebote entwickeln

Rahmenkonzept mit den Dachverbänden entwickeln

Das Gespräch mit dem Kostenträger aktiv suchen

Verhandlungen vorbereiten und kompetent führen

Praxisbezug im Auge behalten
24
NAHT
25
NAHT in Hamburg

Regelmäßiger Austausch mit stabiler personeller Besetzung

Marktplatz NAHT jährlich

Gemeinsame Verhandlungen mit dem Kostenträger

Mindeststandards bei allen Trägern

Konzeptionelle Weiterentwicklung bei allen Trägern
26
NAHT in Hamburg

Auf Augenhöhe mit WfbM und anderen Trägern

Kontaktpflege in andere Bundesländer

Mitarbeit „Bildung ist Teilhabe“

Mitarbeit „Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“
27
Forderungen im Arbeitskreis für Menschen mit
schwerer Behinderung

Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben für alle.

Unterscheidung zwischen sog. „werkstattfähigen“ und „nicht-werkstattfähigen“ Menschen, wie sie
derzeit in § 136 SGB IX beschrieben ist, ist aufzuheben.

„Arbeitnehmerähnliche Status“ sowie die damit verbundenen Sozialversicherungsleistungen müssen
auch für den benannten Personenkreis in vollem Umfang gewährt werden.

Unbestimmte Rechtsbegriffe in § 136 SGB IX sind zu streichen. Diese führen in der Praxis zu
Rechtsunsicherheiten und sehr unterschiedlichen Auslegungen.
28