Transcript 14. Sitzung

Seminar Sachliches Schreiben (WS 08/09)
14. Sitzung
Zusammenschau
Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Seminar Sachliches Schreiben - WS 08/09 (Holoubek)
14. Sitzung: Zusammenschau
Adressatenorientierung
Produktorientierung
Schülerorientierung
Sachliches Schreiben
als Erfassung eines
(nachprüfbaren)
Wirklichkeitsausschnitts
lässt sich betrachten unter
dem Primat der …
Prozessorientierung
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Methodenorientierung
Aufgaben der Didaktik:
• Klassifizierung verschiedener
(Sach-) Textsorten
• Beschreibung der unterscheidenden
(Stil-)Merkmal
• Modellierung von Text-Prototypen
für die schulische Praxis
Grundprinzip:
Schüler lernt Schreiben am
Beispiel des Vorbilds
Produktorientierung
Beispiele:
• „der Bericht“
• „das Protokoll“
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Ein Schülertext ist umso besser, je näher er
dem Mustertext kommt.
• Das ermöglicht klare Arbeitsanweisungen und
(vermeintlich) objektive Beurteilungskriterien.
• Die entstehenden Texte sind
wirklichkeitsfremd. („Die Erörterung“ findet
man nur im schulischen Kontext.)
• Geringe Schreibmotivation
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung und Beschreibung
möglicher „echter“ Schreibanlässe
• Projekte, …
Grundprinzip:
Echte Schreibanlässe mit echten
Adressaten schaffen Einsicht in die
kommunikativen Funktionen des
(sachlichen) Schreibens:
informieren, überzeugen,
beeinflussen, …
Adressatenorientierung
Beispiele:
• Projekt „Gestaltung des
Pausenhofs“ Brief an den
Direktor
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Leserorientierung wird Beurteilungskriterium
• Höhere Motivation durch Einsicht in Sinn des
Schreibens
• Keine schulischen Kunstformen
• Reduzierung auf bestimmte Textsorten und
Funktionen des Schreibens (es entfällt z. B.
das heuristische Schreiben)
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung von Schreibaufgaben,
die an der Lebenswelt der Schüler
anknüpfen
Grundprinzip:
Berücksichtigung des Schülers,
seiner Interessen und seiner
Lebenswelt, denn: Schreiben ist nur
sinnvoll, wenn man auch etwas „zu
sagen“ hat und die Mitteilung einem
Mitteilungsbedürfnis entspringt
Schülerorientierung
Beispiele:
• Texte für die Schülerzeitung
• Protokollierung
naturwissenschaftlicher
Experimente
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Höhere Motivation durch eigene Betroffenheit
• Ausweitung der möglichen Textsorten
Aufgaben der Didaktik:
• Untersuchung von
Schreibprozessen
• Modellierung von
Unterrichtseinheiten, die der
Bedeutung der verschiedenen
Phasen des Schreibprozesses
Rechnung tragen
Grundprinzip:
Der Weg zum Ziel, nicht das Ziel
steht im Zentrum der
Aufmerksamkeit. Es genügt nicht, zu
wissen, was und wo das Ziel ist;
man muss vor allem wissen, wie
man dorthin gelangt.
Prozessorientierung
Beispiele:
• Schreibjournal
• Prozessportfolio
• Schreibkonferenz
• …
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(Be-)Merkenswertes:
• Der Schreibprozess in seinen verschiedenen
Phasen wird begleitet
• Beurteilt werden die Fortschritte zwischen
den einzelnen Stadien bei der Entstehung
eines Textes
• Texte verbessern statt Texte korrigieren als
zentrale Aufgabe des Schreibunterrichts
Aufgaben der Didaktik:
• Entwicklung von Methoden, mit
denen die Schreibkompetenz erhöht
werden kann
Grundprinzip:
Schreibkompetenz vermitteln heißt,
dem Schüler bestimmte Methoden
zu vermitteln, mit denen er gute
Texte verfassen / Texte optimieren
kann
Methodenorientierung
Beispiele:
• Methoden zur Ideengenerierung
(Cluster, Brainstorming, …)
• Methoden zur Überarbeitung
(Textlupe, Feedback…)
• Methoden zur Erstellung eines
Schreibplans (Zielplanung,
Textsortenwahl, …)
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(Be-)Merkenswertes:
• Es gibt ein reichhaltiges Methodenrepertoire
z. B. in Bezug auf die Ideengenerierung
• Zu anderen wichtigen Aspekten der
Textproduktion (Textgestaltungskompetenz,
Arbeit am Stil etc.) finden sich nur vereinzelte
oder keine methodische Vorschläge
Fazit:
• Alle beschriebenen Ansätze erfassen wichtige und
bedenkenswerte Aspekte des Schreibens.
• Aus der historischen Perspektive erkennt man Phasen der
Übergewichtung bzw. der Vernachlässigung einzelner Aspekte
als didaktische Moden und Trends.
• Für die Schule kann die Lösung nicht in der Entscheidung für
einen dieser Ansätze (und gegen die anderen) liegen.
• Gefragt und gefordert ist vielmehr eine ausgewogene und
reflektierte Nutzbarmachung der Erkenntnisse, die hinter all
diesen Ansätzen stehen.
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Gelernt werden muss (und kann an jedem neuen Text),
glaubwürdig, verständlich und rhetorisch wirksam zu
formulieren.
!
Dazu brauchen Lernende Rückmeldungen von der
Lehrkraft, und diese sind unser schreibdidaktisches
Geschäft, nicht Texte ("Aufsätze") mit roter Tinte zu
überziehen.
Übrigens: 75% der Lehrer glauben nicht, dass die
Schreibkompetenz der Schüler durch die
Lehrerkorrekturen verbessert werden…
(vgl. Ivo 1982, 45)
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Ausgangspunkt:
Kontraproduktivität des Korrigierens
für Schüler
für die Schreibkompetenz
für Lehrer
Alternativen?
• Wie kann man den Schülern beim Schreibenlernen helfen?
• Wie kann man das Schreiben besser lehren?
Was muss man dafür wissen?
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Was muss man dafür können?
Was muss man können?
selbst reflektiert
schreiben können /
sich des eigenen
Schreibens bewusst
sein
eigene und fremde
Texte beurteilen
können
praktische Übungen im Seminar
eigene Texte
verfassen
Führen eines
Portfolios
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Schreiben von
Feedback-Texten
eigene Texte
überarbeiten
Ausgangspunkt:
Kontraproduktivität des Korrigierens
für Schüler
für die Schreibkompetenz
für Lehrer
Alternativen?
• Wie kann man den Schülern beim Schreibenlernen helfen?
• Wie kann man das Schreiben besser lehren?
Was muss man dafür wissen?
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Was muss man dafür können?
Was muss man wissen?
Wie funktioniert
eigentlich Schreiben?
Wie laufen
Schreibprozesse ab?
Worin unterscheiden
sich geübte Schreiber („Experten“) von
ungeübten Schreibern („Novizen“)?
Inwiefern sind
gelungene Texte
anders als weniger
gelungene?
Welche Verfahren
des Umgangs mit
Schülertexten gibt
es?
Didaktische Erkenntnisse
• Schreipbprozessmodelle
• Abfolge von Teilschritten: sukzessiv,
iterativ, rekursiv…
• Bedeutung der
Überarbeitung
• …
• Bedeutung der
Motivation
• Bedeutung der
Fähigkeit des
Perspektiv-Wechsels
(Schreiber / Leser)
• …
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• Text-Analyseraster
• Möglichkeiten der
Bewertung von
Texten
• …
•
•
•
•
•
Schreibkonferenz
Textlupe
Schreibprojekte
Feedbacktexte
…
Welche Text-Analyseraster und Möglichkeiten der Bewertung
von Texten gibt es?
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1. Das „Zürcher Textanalyseraster“ im Überblick
Raster
Korrelate / Bezugsgrößen (Wortschatz,
Textlänge, usw.)
A. Sprachsystematische und orthografische Richtigkeit
B. Angemessenheit
B1. Funktionale
Angemessenheit:
Verständlichkeit,
Kohärenz
B2. Ästhetische
Angemessenheit
B3. Inhaltliche
Relevanz
Nach: Peter Sieber (Hrsg.): Sprachfähigkeiten – besser als ihr Ruf und nötiger denn
je! Aarau: Sauerländer 1994, S.153-155; Vgl. die Darstellung in Nussbaumer 1996
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B1. Funktionale Angemessenheit: Verständlichkeit, Kohärenz
B.1.1 Gesamtidee, Thema, Absicht
B.1.2 Aufbau, Gliederung (Textmakrostruktur)
B.1.3 Thematische Entfaltung
B.1.4 Grad an Implizitheit/ Explizitheit
B.1.5 Ausdrückliche Rezipientenführung
B.1.6 Angemessenheit der Sprachmittel
B.1.7 Erfüllung von Textmusternormen
B2. Ästhetische Angemessenheit
B.2.1 Sprachlich-formales Wagnis
B.2.2 Qualität der Sprachmittel (Attraktivität/Repulsivität)
B3. Inhaltliche Relevanz
B.3.1 Inhaltliches Wagnis
B.3.2 Inhaltliche Wegqualität (Attraktivität/Repulsivität)
„Wir fassen einen Text in die Metapher des Weges, der „von irgendwo aus – irgendwo durch –
irgendwohin“ führt und den man gesamthaft als lohnend, vorwärtsbringend oder überflüssig, als
geradlinig oder labyrinthisch verschlungen, als Weg am Licht oder durch dunkle Gänge, als Weg
auf festem Grund oder über Sumpf und durch Morast, als steinigen Pfad mit unerwarteten
Aussichtspunkten oder als Autobahn in der sattsam bekannten und reichlich zersiedelten Ebene
(...) charakterisieren kann.“
(Ebd., 168)
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2. Texte bewerten in der Grundschule: Basiskatalog zur Textbeurteilung
Dimension
Kriterium
1
Sprache I
Orthografie
1. Werden die vermittelten Rechschreibregeln angewandt?
(Wortform)
2. Sind die Wortformen grammatisch richtig gebildet?
Satzbau
3. Sind die Sätze grammatisch korrekt?
Sprache II
Wortwahl
4. Wird ein der Aufgabe angemessenes Wortmaterial verwendet, z.B.
Fachwörter?
Sprachstil
5. Ist der gewählte Sprachstil der Aufgabe angemessen und wird er
beibehalten (sachlich, anschaulich ...)?
Wagnis
6. Sind Wortwahl und Satzbau dem Thema in bes. Weise angepasst
(wörtl. Rede, Leseranrede ...)?
Inhalt
(Gesamtidee)
7. Lässt der Text eine Gesamtidee erkennen (vgl. z.B. Überschrift)?
Umfang
8. Ist der Umfang der Aufgabe (und den Adressaten?!) angemessen?
Relevanz
9. Sagt der Text etwas für die Aufgabe bzw. das Thema Relevantes oder
Neues aus?
Aufbau
(Textmuster)
10. Wird ein der Aufgabe angemessenes Textmuster verwendet
(Erzählung, Beschreibung, Anleitung ....)?
Textaufbau
11. Ist der Text sinnvoll aufgebaut? Lässt er eine innere/äußere
Gliederung erkennen?
Prozess
(Planen/Überarbeiten)
12. Lässt der Text /lassen Entwürfe Planungs- und Überarbeitsspuren
erkennen?
Grad
0,5
0
(nach Böttcher/Becker-Mrotzek 2003, 56)
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Grundsätze für den wertenden Umgang mit Texten:
•
•
•
Bewertungskriterien müssen in Hinblick auf die jeweilige Gattung, das Genre, die Textsorte
interpretiert oder angepasst werden.
Es gibt so viele Lösungen, wie es entstandene Texte gibt; ein Vergleich zwischen ihnen führt
weniger zu einer klaren Rangfolge als zu einer Abwägung zwischen Beobachtungen in
verschiedenen Wertungskategorien.
Kriterien können nicht sinnvoll angewandt werden, ohne dass der beurteilte Text mit einem
„hermeneutischen Blick“ gelesen wird und damit denselben Vertrauensvorschuss hinsichtlich
erwarteter Sinnhaftigkeit erhält wie jeder (andere) Text.
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Welche Verfahren des Umgangs mit Schülertexten gibt es?
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Beispiel: Schreibberatung durch peer feedback
Was ist Feedback?
„Rückmeldung“ an den Autor, ob bzw. wie sein Text(entwurf) verstanden wird / ankommt / wirkt.
Warum Feedback?
Jeder Schreiber, jede Schreiberin hat Stärken und Schwächen; gegenseitige Beratung und Hilfe kann
Schwächen ausgleichen und dafür in der Lerngruppe schon vorhandene Kompetenzen nutzen.
Was ist zu beachten?
• Nicht bewerten, sondern beschreiben! (Nicht „Du hast das nicht verständlich ausgedrückt“ –
sondern: „Hast du damit sagen wollen, dass ...?“)
• Nicht nur nach Schwächen suchen, sondern Stärken hervorheben und nach Möglichkeiten der
Verbesserung suchen!
• Als „Feedbacker“ die eigene Position deutlich machen: Was erwarte ich von dem Text?
• Aber auch den Willen des Autors respektieren; den Text nicht „umbiegen“, sondern in ihm
Angelegtes unterstützen!
Was muss noch in das Feedback?
• sagen, was man sich von dem Text noch wünschen würde
• sagen, was einem gut gefallen hat
• Anregungen geben, welche Veränderungen oder Umstellungen gut wären
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Schreibberatung in der Klasse (nach Gerd Bräuer):
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Grundprinzipien der Schreibberatung (nach Gerd Bräuer):
• Die nicht-direktive Beratungsmethode spielt eine zentrale Rolle.
• Mithilfe offener Fragen und des Spiegelns dessen, was im Text vorgefunden wird, treten die
Schreibberater/innen im Gespräch über die jeweils vorliegende Schreibaufgabe als
authentische Leser/innen auf.
• Sie fragen, wenn sie etwas nicht verstehen, anstatt Fehler festzustellen. Sie beschreiben ihre
Wahrnehmungen im Leseprozess, anstatt das Gelesene aus ihrer Sicht zu interpretieren.
• Dort, wo Textstellen nicht klar formuliert sind, stellen sie die möglichen Lesarten und die damit
verbundenen Missverständnisse vor, anstatt eine neue Formulierung vorzugeben.
• Insgesamt geht es also bei der nicht-direktiven Beratungsmethode darum, gemeinsam
Handlungskonzepte zu entwickeln, anstatt von Seiten der TutorInnen Handlungsrezepte
vorzugeben.
• Damit verbleibt die Verantwortung für den entstehenden Text stets in den Händen der Autorin
oder des Autors.
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