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7. FACHTAGUNG DEMENZ
SCHMERZBEHANDLUNG BEIM
DEMENZKRANKEN MENSCHEN
Christian Lampl
Medizinische Universität Graz
AGENDA
Grundsätzliche Überlegungen zum Schmerz im Alter
- die Dimension des Problems
Spezielles Problemfeld
- Schmerz und höhergradige kognitive Beeinträchtigungen
Besonderheiten der Schmerzerfassung und Diagnostik im Alter
- Schmerzerkennung und -messung bei kognitiv
beeinträchtigten und/oder nichtkommunikativen Patienten
Besondere Probleme der Schmerztherapie bei geriatrischen
Patienten
Anzahl Publikationen 1987 – 10/13
www.pubmed.org
Pain
547.038
Pain + Dementia
1.757
Pain + Dementia + nursing home
315
Pain + Dementia + nursing home + europe
53
Häufigkeit von Schmerzen in
Alten- und Pflegeheimen
QUELLE
n
ALTER
SCHMERZBERICHT
Ferrell 1995
97
81.5 Jahre
71 %
Ferrell et al 1995
217
84.9 Jahre
62 %
Horgas und Tasi 1998
339
87 Jahre
55 %
Horgas und Dunn 2001
345
82 Jahre
49 %
Kernaussage:
32 bis 53 % der von progressivem kognitivem
Defizitsyndrom betroffenen Patienten leiden täglich
an Schmerzen.
Aus: Schmidt et al., Neuropsychiatrie 2010, 24(1):1-13
Häufige Ursachen
chronischer Schmerzen im Alter
degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates
Frakturen und ihre Folgen, insbesondere aufgrund von Osteoporose
Immobilität
immun-mediierte chronische Erkrankungen des rheumatischen
Formenkreises (rheumatoide Polyarthritis, Polymyalgia rheumatica)
• Insultfolgen
• Ischämie
• Kompressionssyndrome
• Phantomschmerzen
• Polyneuropathien
• Postzoster-Neuralgien
• Trigeminusneuralgien
• Tumoren
•
•
•
•
Strukturiertes Schmerzinterview
für die Geriatrie
1. Schmerzdauer (akut/chronisch)
2. Schmerzlokalisation
3. Schmerzintensität und -häufigkeit
4. Beeinträchtigung durch den Schmerz (Ko-Morbiditäten)
5. Schmerzverändernde Bedingungen
6. Erlebte Kontrolle über den Schmerz
7. Stimmung
8. Kognitives Screening
Basler et al. Schmerz (2002)
Wie gut behandeln wir Schmerzen von Patienten
mit einem progressiven kognitiven Defizitsyndrom
Nicht demente Patienten erhalten nach Schenkelhalsfraktur
die dreifache Dosis Morphinäquivalent von Dementen
Morrison R.S. PainSymptom Management 2000
> 80-Jährige erhalten um 1/3 weniger Opiate als Jüngere
BernabelR. et al; JAMA 1998
Pflegeheimpatienten ohne Schmerztherapie haben einen
signifikant niedrigeren MMSE-Score als Patienten mit
Schmerztherapie
ClossSJ., BarrB., Briggs M.; Br J Gen Pract2004
Wo liegen die Schwierigkeiten ?
• Multifaktorielle Barrieren der Schmerzäußerung
• geringe wissenschaftliche Erkenntnisse über eine veränderte
Schmerzwahrnehmung von Patienten mit einem progressiven
kognitiven Defizitsyndrom
• Lokalisation des Schmerzes ist diffuser
• Beschreibung des Schmerzcharakters schwieriger
• Nonverbale Schmerzäußerung
bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse
(nur durch experimentelle Untersuchungen erforschbar)
• die subjektive Schmerzwelle (die Intensität, ab der ein Reiz als
Schmerz wahrgenommen wird) ist bei Patienten mit einem
progressiven kognitiven Defizitsyndrom und Gesunden gleich
• die Schmerztoleranz (die Reizintensität, ab der ein Schmerz als
unerträglich wahrgenommen wird) ist bei Patienten mit einem
progressiven kognitiven Defizitsyndrom höher
• die vegetative Schmerzschwelle (die Reizintensität, ab der
Bluttdruck und Pulsschlag ansteigen) ist bei Patienten mit einem
progressiven kognitiven Defizitsyndrom höher
bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse
(nur durch experimentelle Untersuchungen erforschbar)
Aus: Schmidt et al., Neuropsychiatrie 2010, 24(1):1-13
Folgen sind ….
• zunehmende Schwierigkeiten Schmerzempfindungen verbal zu äußern
und zu beschreiben (sprachliche Einschränkungen)
• ein verändertes oder gestörtes Körpergefühl
• ein Verlust des begrifflichen Konzepts „SCHMERZ“
• eine Veränderung gefühlsmäßiger Reaktionen (Schmerzaffekt)
durch Veränderung Veränderungen im limbischen System
SCHMERZERFASSUNG
Sprachlich anspruchsvollere Schmerzfragebögen zur Selbsteinschätzung
wie sie bei Nicht-Demenzkranken eingesetzt werden können bei Patienten
mit progressiven kognitiven Defizitsyndrom bereits im frühen
Krankheitsstadium ihre Aussagekraft ganz oder teilweise verlieren.
Bei einem Mini-Mental Wert ≤ 24 Punkten ist der Einsatz üblicher
Schmerzskalen kaum mehr möglich.
Bei einem Mini-Mental Wert ≤ 15 Punkten ist der Patient kaum noch in
der Lage zu äußern, wo, wann und wie sehr es ihm wehtut
Instrumente der Schmerzbeurteilung
• Verbale Ratingscala (durch Pflege) zur Schmerzbeurteilung, am besten
validiert (bei Demenzkranken kaum mehr einsetzbar)
• Smiley Skalen
(60% der Demenzkranken kommen damit nicht mehr zurecht)
• McGill Wort Skala
(40% der Demenzkranken kommen damit nicht mehr zurecht)
• BEurteilungvon Schmerzen bei Demenz (BESD-Test)
• DOLOPLUS 2
Doloplus 2 :
Psychomotorische Reaktionen
Somatische Schmerz - Reaktionen
6. Waschen u/o Ankleiden
1. Verbale Schmerzäusserungen
Keine Äusserungen...........................................................
Äusserungen nur bei Befragung..........................................
Gelegentliche spontane Äusserungen..................................
Dauernde spontane Schmerzäusserungen...........................
2. Schonhaltung in Ruhe
Keine Schonhaltung..........................................................
Vermeidet gewisse, gelegentliche Haltungen.......................
Ständige, wirksame Schonhaltung......................................
Ständige, ungenügend wirksame Schonhaltung...................
Unveränderte gewohnte Fähigkeiten....................................
Leichte Einschränkung (vorsichtiger aber vollständig)............
Starke Einschränkung (mühsam, unvollständig)...................
Unmöglich, Pat. wehrt sich bei jeglichem Versuch...............
7. Mobilität
Übliche Fähigkeiten und Aktivitäten sind erhalten..................
Leicht vermindert (vermeidet gew. Bew., reduz. Gehdistanz)...
Deutlich vermindert (auch mit Hilfe eingeschränkt).................
Bewegungen unmöglich, Mobilisationsversuch wird abgewehrt
Psychosoziale Reaktionen
3. Schutz von schmerzhaften
Körperzonen
8. Kommunikation
4. Mimik
9. Soziale Aktivitäten
5. Schlaf
10. Verhaltensstörungen
Keine Schutzreaktion........................................................
Abwehrreaktion, ohne Hinderung von Pflege und Untersuch...
Abwehrreaktion mit Hinderung jeglicher Pflegehandlungen....
Abwehrreaktion in Ruhe,auch ohne direkten Kontakt............
Unverändert.......................................................................
Intensiviert (ungewohntes Erregen von Aufmerksamkeit)........
Vermindert (Pat. zieht sich zurück).....................................
Fehlen oder Abweisung jeglicher Kommunkikation................
Übliche Mimik...................................................................
Schmerzausdruck bei Annäherung.....................................
Schmerzausdruck bereits ohne direkten Pat.Kontakt...........
Dauernde, ungewohnte, ausdruckslose Mimik (leer,starr)......
an gewohnten Aktivitäten (Essen, Aktivierung)......
Gewohnte Aktivitäten nur bei Aufforderung...........................
Teilweise Ablehnung gewohnter Aktivitäten...........................
Lehnt jegliche Aktivität ab...................................................
Gewohnter Schlaf..............................................................
Einschlafschwierigkeiten....................................................
Häufiges Erwachen (Unruhe)..............................................
Schlaflosigkeit mit Auswirkung auf Wachzustand.................
Gewohntes Verhalten..........................................................
Wiederholte reaktive Verhaltensstörungen.............................
Dauernde reaktive Verhaltensstörungen.................................
Dauernde Verhaltensstörungen ohne äusseren Reiz...............
Total Score
Verhaltensbeobachtung Datum:
Häufigste Schmerzsyndrome im Alter
Rückenschmerz mit neuropathischer Komponente
Postherpetische Neuralgie
Schmerzhafte diab. PNP
Multilokulärer Schmerz mit neuropathischer Komponente
Trigeminusneuralgie
Zentral neuropathischer Schmerz – z.B. postthalamisch
Tumor assoz. neuropathischer Schmer
THERAPIEPLAN
STUFENSCHEMA
Stufe III
Stufe II
Stufe I
SCHWACHE
OPIOIDE
STARKE
OPIOIDE
INVASIVE
THERAPIE
RA-Blockaden
NICHTOPIOIDE NICHTOPIOIDE NICHTOPIOIDE chir. palliative
Maßnahmen
KOANALGETIKA
ADJUVANTE THERAPIE
Schmerzempfinden/
Neuropathischer Schmerz
• Schmerzschwelle
• Schmerztoleranz
• Schmerzdiskrimination
Abhängig von: Messmethoden, Lokalisation, Labor vs Praxis
Schmerzempfinden kann vermindert oder verstärkt sein
Fazit:
entscheidend bleibt die individuelle Schmerzempfindung
und der Therapiebedarf
Besonderheiten der Pharmaktherapie
im Alter
Veränderungen
Pharmakokinetik
Beispiele für die Praxis
Rasches Anfluten hydrophiler
Substanzen
Morphium, Lorazepam,
Amitriptylin
Gesamtkörperfett
Erhöhte Konzentration
lipophiler Substanzen
Buprenorphin, Oxazepam
GFR 30-50%
Nephronenzahl
Renaler Blutfluss
Akkumulation
Gabapentin, Pregabalin
Cave: Aktive Metabolite
Morphin-3 und 6-glucuronid
Leberdurchblutung
Akkumulation
Amitriptylin, Imipramin,
Benzodiazepine, Fentanyl,
Paracetamol
Transportproteine
Erhöhung der freien
Wirkspiegel
Fentanyl, Buprenorphin, TA,
NSAIDs+Marcoumar+Gliben
clamid
Gesamtkörperwasser
(intrazellulär)
Polymedikation bei Multimorbidität
Interaktionen steigen exponentiell mit Anzahl an Medikamente:
mehr als 8 sind unübersehbar, 5 bereits problematisch
CytochromP450 und Isoenzyme
Reduzierte Leber-und Nierenfunktion
Compliance und Einnahmesicherheit
Selbstmedikation
Arzneimittel-Interaktionen von Opioid-Analgetika
Arzneimittel
Interaktion
Symptome
Zentral dämpfende Substanzen:
Alkohol, Benzodiazepine,
Antikonvulsiva, Antidepressiva
und Neuroleptika mit
sedierendem Effekt
Antisympathotonika
Wirkungsverstärkung durch synergistische
Wirkung
Verminderte Aufmerksamkeit,
Sfdierung, Benommenheit,
Atemdepression, Herzstillstand
Gemischte Opioid
Agonisten/Antagonisten:
Buprenorphin
Entzugssyndrom
- durch kompetetive
Hemmung an den
Rezeptoren
Pupillendilatation, Gänsehaut, Tremor,
Unruhe, Angst;
Erbrechen, Diarrhö;
Schmerzen; Tachykardie
CYP-Hemmer:
Makrolide
(Erythromycin,Clarytromycin);
Azolantymykotika;
Cimetidin, Grapefruitsaft;
Fluoxetin, Paroxetin;
Wirkunsgverstärkung
- durch Hemmung der
abbauenden Enzyme
(CYP3A4)
- durch Hemmung
von CYP2D6
Übelkeit, Obstipation, Bradykardie,
Blutdruckabfall, Miosis, Sedatiion,
Atemdepression
CYP Induktoren:
Carbamazepin, Phenytoin,
Phenobarbital, Primidon,
Rifampicin, Rifabutin,
Johanneskraut
Wirkungsabschwächung
- durch Induktion von
CYP3A4
Verringerte Analgesie;
Entzugssyndrom
Serotonin-Reuptake-Hemmer:
Citalopram, Escitalopram,
Fluoxetin, Fluvoxamin,
Milnacipram, Paroxetin,
Sertralin, Trazodon, Venlafaxin
„Serotonin-Syndrom“
- durch Hemmung des
Serotonintransporters
Angst, Erregtheit, Verwirrtheit,
instabiler Blutdruck, Diarrhö,
Übelkeit, Fieber, Schwitzen, Ataxie,
Hyperreflexie, Myoklonien,
Nystagmus, Tremor
MAO-Hemmer:
Moclobemid, Selegelin,
Rasagelin
„Serotonin-Syndrom“
Kopfschmerzen, Erregungszustände,
s.o.
Opioid
Alle
Alle vollen
Agonisten
Buprenorphin,
Fentanyl
Methadon
Codein,
Dihydocodein
Buprenorphin,
Fentanyl
Methadon
Fentanyl, Oxycodon
Pethidin
Tramadol
Phetidin
Propoxyphen
Tramadol
Gebrauch von
TCAD und Neuroleptika
• In den USA ist ein Einsatz von dämpfenden Medikamenten über
mehr als 6 Wochen seit 1994 verboten
• Die Häufigkeit der Empfehlung von Haldol bei KH-Entlassung
bedarf einer sehr kritischen Würdigung
• Haldol hat ein massives extrapyramidales NW-Potenzial
(Sturzrisiko!) - Alternative: Risperdal 0,5-2 mg, langsam titriert
• TCAD sind bei Demenz kontraindiziert
• Alternative: vorsichtige Dosierung von SSRI (Cave NW!)
Riskiofaktoren für Stürze
Balancedefizit
x 1.7
Gangdefizit
x 2.3
Schwierigkeiten aufzustehen
x 2.2
Kognitive Beeinträchtigung (Dual/multiple tasks)
x 1.9
ZNS-wirksame Medikamente
x 1.9
Inkontinenz
x 2.3
Visuseinschränkung
x 1.6
Stürze in vorausgegangenen 3 (-6) Monaten
x 3-8
Tromp AM et al. J Bone Mineral Res 1998; 13:1932
Lord SR et al. Austr J Pub Health 1993; 17:240
Brown JS et al. J Am Geriatr Soc 2000; 48:721
Therapieoptionen
Nicht pharmakologische Maßnahmen
Cave: NSAR, eher COX Hemmer
Paracetamol, Metamizol
Tramadol ?? – eher nein
Hydromorphon/Oxycodon/Fentanyl, Buprenorphin
Gabapentin, Pregabalin, Lamotrigin, ev. Carbamazepin
TCA – NEIN
ev. Desipramin (Pertofran®), Nortriptylin (Notrilen®)
NSRI (Duloxetin, Venlafaxin)
Lidocain 5% topisch
Impact of CYP2D6 genotype on postoperative tramadol
analgesia.
Genetic polymorphisms result in absent enzyme activity of CYP2D6 (poor
metabolizers, PM) in about 10% of the Caucasian population.
A prospective study design was used and 300 patients recovering from abdominal
surgery were enrolled.
The primary outcome criterion 'response' was defined as responder or nonresponder status by the need for rescue medication and patients' satisfaction at the
final interview.
The percentage of non-responders was significantly higher in the PM
group (46.7%) compared with the EM group (21.6%; p=0.005).
Therefore, CYP2D6 genotype has an impact on analgesia with tramadol.
Pharmacogenetics may explain some of the varying response to pain medication in
postoperative patients.
Stamer UM et al. Pain, 2003
Demenz und Schmerz
Neuropsychiatrie 2010, 24 (1): 1-13
24/1
Reinhold Schmidt
Michael Bach
Peter Dal-Bianco
Peter Holzer
Aga Pluta-Fuerst
Eva Assem-Hilger
Anita Lechner
Margherita Cavalieri
Bernhard Haider
Helena Schmidt
Georg Pintar
Wolfgang Pipam
Elisabeth Stögmann
Christian Lampl
Rudolf Likar