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Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für
Insolvenzrecht e.V.
Das Schutzschirmverfahren in der Praxis
Berlin
27.2.2013
Prof. Dr. Heinz Vallender, Köln
Erster Befund zum ESUG
Erster Befund: Die Praxis hat das ESUG weitgehend angenommen!
Beispiele
dura
sovello (Energie der Zukunft)
Drescher (Druck- und Dienstleistung)
Pfleiderer AG
SIAG
PowerWind
SolarWatt
Leiser
Johannes Seniorendienste e.V.
centrotherm photovoltaics AG
Erster Befund zum ESUG
Siehe dazu auch die Studie:
ESUG-Studie 2012 – Erste Praxiserfahrungen mit der neuen
Insolvenzordnung von Noerr/Roland Berger (Oktober 2012)
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Die ersten Erfahrungen haben die zuvor teils überhöhten Erwartungen auf ein realistisches Maß zurückgeführt.
Knapp 40% der Befragten sehen die Erwartung erfüllt, dass Liquidationen seltener nötig sind, dies kann als wesentlicher Erfolg der
ESUG-Reformen betrachtet werden.
In zahlreichen Punkten besteht Nachbesserungsbedarf, so bspw. bei
der steuerlichen Behandlung von ESUG-Sanierungen und der Stellung
der Nachranggläubiger.
Gleichwohl stellen die ESUG-Reformen einen wesentlichen Schritt in
Richtung einer sanierungs- und fortführungsorientierten Insolvenzkultur dar.
Erster Befund zum ESUG
Stellungnahmen zum Schutzschirmverfahren:
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Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren sind positiv für die
Fortführung des Unternehmens.
Aber: 36% der Befragten bewerten das Schutzschirmverfahren i.c.
negativ und 33% positiv.
Die unzureichende Bescheinigung nach § 270b InsO ist der
Hauptgrund für die Ablehnung des Antrags auf Eigenverwaltung – die
Anforderungen an die Bescheinigung nach § 270b InsO müssen
präzisiert werden.
Erster Befund zum ESUG
Siehe aber auch Pressemitteilung des
Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht e.V. und
des Instituts für Betriebsberatung, Wirtschaftsförderung und
–forschung v. 29.1.2013
Zwischenbilanz: Vielfach „planlose“ Eigenverwaltungen im
alleinigen Schuldnerinteresse.
Bei positiver Gesamtbilanz: Tendenzen mancher Gerichte, durch
formalisierte überzogene Prüfungsprozesse notwenig schnell zu
treffende Entscheidungen zu verzögern und dadurch Sanierungsszenarien zu erschweren.
Neue Optionen für Gläubiger durch das ESUG
Was will das ESUG?
I:
Das ESUG soll mit dazu beitragen, die Sanierungschancen von in eine
finanzielle Schieflage geratenen, aber unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten erhaltungswürdigen Unternehmen zu verbessern.
II. Gleichzeitig verfolgt es den Zweck, den Insolvenzstandort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen.
III. Dazu sehen zahlreiche Bestimmungen eine Stärkung des
Gläubigereinflusses insbesondere bei der Auswahl des
Insolvenzverwalters vor.
IV. Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses schon
im Eröffnungsverfahren und die Beteiligung dieses Ausschusses an
der Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters sowie an der
Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung
sollen den Einfluss der Gläubiger auf das Insolvenzverfahren
wesentlich stärken .
Neue Optionen für Gläubiger durch das ESUG
V.
Der erleichterte Zugang zur Eigenverwaltung durch den
Schuldner soll einen erheblichen Anreiz dafür schaffen, dass
Insolvenzanträge künftig zu einem früheren Zeitpunkt als bisher
gestellt werden und sich damit die Sanierungschancen eines
angeschlagenen Unternehmens verbessern.
VI. Vor allem aus der Sicht der Gesellschafter bietet das Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO die einzige Möglichkeit, in Kombination mit einem Insolvenzplan die insolvenzrechtliche Sanierung in
ihrem Sinne zu beeinflussen. Durch den Erhalt des Rechtsträgers
können sie erreichen, dass ihre Anteile am Gesellschaftsvermögen
unter Umständen werthaltig bleiben.
Schutzschirmverfahren
§ 270b Vorbereitung einer Sanierung
(1) 1Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender
Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die
Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung
nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines
Insolvenzplans. 2Die Frist darf höchstens drei Monate betragen.
3Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene
Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer
Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich
ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,
aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte
Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
(2) In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen
vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz
1 zu sein hat. Das Gericht kann von dem Vorschlag des
Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person
offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist;
dies ist vom Gericht zu begründen. Das Gericht kann vorläufige
Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5
anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3
anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt.
(3) Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass
der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Absatz 2
gilt entsprechend.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
(4) Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der
Frist auf, wenn
1. die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist;
2. der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt
oder
3. ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein
Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände
bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu
Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur
zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist
und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem
Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich
anzuzeigen. Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf
der Frist entscheidet das Gericht über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
Das Schutzschirmverfahren aus insolvenzgerichtlicher Sicht
Herausforderung und Verantwortung zugleich
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I. Antragvoraussetzungen
II. Die Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 S. 3 InsO
- Inhalt und Umfang der Bescheinigung
III. Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (und eines
Sachverständigen?)
IV. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Sachwalters
V. Veröffentlichung
VI. Befugnisse des vorläufigen Gläubigerausschusses
VII. Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten – Plausibilitätsprüfung
durch das Insolvenzgericht?
VIII. Aufhebung des Schutzschirmverfahrens und weiterer Verfahrensgang
Schutzschirmverfahren
I. Antragsvoraussetzungen
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(Eigen)antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Sanierung nicht „offensichtlich aussichtslos“
Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung
Antrag des Schuldners auf „Bereitstellung des Schutzschirms“ (=
Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans).
Darüber hinaus hat der Schuldner eine mit Gründen versehene
Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters,
Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit
vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass
drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, aber keine
Zahlungsunfähigkeit, und dass die angestrebte Sanierung nicht
offensichtlich aussichtslos ist.
Schutzschirmverfahren
II. Die Bescheinigung nach § 270 b Abs. 1 S. 3 InsO
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Siehe dazu die von Zipperer/Vallender, ZIP 2012, entwickelten
Leitlinien:
1. Der Aussteller kann nur eine natürliche Person sein. Dies muss sich
aus der Bescheinigung klar und deutlich ergeben; beim Gebrauch des
Briefpapiers einer Kanzlei ist klarzustellen, dass die Bescheinigung in
eigenem Namen erteilt wird.
2. Die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der zugelassenen Aussteller ist,
wenn sie sich nicht aus dem Briefkopf der Kanzlei ergibt, zu begründen,
wenn es sich um eine Person mit vergleichbarer Qualifikation handelt.
Es ist der Ausbildungs- und berufliche Weg darzulegen.
3. „In Insolvenzsachen erfahren“ ist ein Aussteller erst dann, wenn er
in der Regel vier Jahre praktischer Tätigkeit bei der Feststellung von
Insolvenzgründen und mit der Beurteilung von Sanierungsaussichten
hinter sich brachte. Das ist im Einzelnen zu begründen.
Schutzschirmverfahren
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4. Der Aussteller der Bescheinigung muss vom „mitgebrachten
Sachwalter“ unabhängig sein, beide dürfen nicht derselben Kanzlei
angehören, auch wenn sie an verschiedenen Orten oder in
verschiedenen Ländern residieren.
5. An die Unabhängigkeit und Neutralität des Ausstellers der
Bescheinigung sind nicht die strengen Anforderungen zu stellen wie bei
der Auswahl eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach §§ 21 Abs. 2
Nr. 1 und 56 Abs. 1 InsO. Etwas anderes gilt nur für Fälle, in denen die
Nähebeziehung zwischen Schuldner und Aussteller unvertretbar ist.
Dies ist zu bejahen, wenn der Aussteller eine nahestehende Person
i.S.d. § 138 InsO ist.
Schutzschirmverfahren
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6. Die Bescheinigung ist mit Gründen zu versehen, wenn der
Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit an Hand
vorzulegender Forderungsverzeichnisse dargestellt ist, welche
Verbindlichkeiten bis längstens drei Monate nach dem
Bescheinigungsdatum fällig werden und dass eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie bedient werden können. Zur
Überschuldung ist darzulegen, dass das Unternehmen zwar
finanzwirtschaftlich, aber nicht aber leistungswirtschaftlich in
problematischer Verfassung ist und sich eine Fortführungsprognose mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht stellen lässt. Der Nichteintritt
der Zahlungsunfähigkeit kann für den Tag der Ausstellung der
Bescheinigung testiert werden; tritt sie im Verlauf der folgenden drei
Monate ein, ist ihre Überwindung zu beschreiben.
7. Die angestrebte Sanierung ist nicht offensichtlich aussichtslos, wenn
der Aussteller zwar an ihrem Erfolg zweifelt, weil sie ungünstig sind, es
genügt, dass die Aussichten nicht eindeutig negativ sind. Erst wenn er
vom Scheitern überzeugt ist, darf die Bescheinigung nicht ausgestellt
werden.
Schutzschirmverfahren
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8. Die Bescheinigung ist dann hinreichend begründet, wenn sie die
Ursachen der Krise und ihr Konzept zur Bewältigung aufzeigt; beides
muss in plausibler Weise geschehen.
9. Die Darstellung des Sanierungskonzepts kann sich auf die
wesentlichen Eckpunkte beschränken, es muss nicht „ausgereift“ sein.
10. Es ist eine Liquiditätsplanung über mindestens drei Monate
vorzulegen, die den voraussichtlichen Verbindlichkeiten die realistisch
zu erwartenden Einnahmen gegenüberstellt.
11. Die Bescheinigung darf in der Regel nicht älter als eine Woche sein.
Überschreitet sie diesen Zeitraum, ist zu begründen, weshalb die
getroffenen Beurteilungen und Prognosen diese Zeit überdauern.
Schutzschirmverfahren
Zum Inhalt der Bescheinigung
Frage:
Liquiditätsplanung an Anlehnung an IDW PS 800?
Wohl notwendig, um eine Zahlungsunfähigkeit ausschließen zu können.
Frage:
Was muss die Bescheinigung im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „
nicht offensichtlich aussichtslos“ leisten?
Nach der Begr. zum RegE bedarf es keines vollständigen
Sanierungskonzepts nach IDW S6.
Aber:
Die Bescheinigung muss darstellen, dass das Unternehmen mit
leistungs- und finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen, die auch
im Rahmen eines Insolvenzplans erfolgen können, saniert werden
kann.
Schutzschirmverfahren
Frage:
Reicht Standard IDW S9 aus?
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
Hat der Bescheiniger seine Bescheinigung auf eine monatsgenaue voll
integrierte Planung, die aus GuV, Bilanz und Cash-Flow besteht, zu
stützen?
Muss er die ihm vom schuldnerischen Unternehmen zur Verfügung
gestellten Unterlagen hinterfragen? (Wohl ja, weil ansonsten die
Gefahr einer falschen Bescheinigung mit Haftungsfolgen für den
Bescheiniger besteht).
Die entsprechende Prüfung sollte in der Bescheinigung klar zum
Ausdruck gebracht werden.
In der vorliegenden Fassung reicht IDW S9 nicht aus.
Schutzschirmverfahren
Der Schuldner erfüllt die Antragsvoraussetzungen nicht:
dazu:
AG Erfurt v. 13.4.2012- 172 IN 190/12, ZInsO 2012, 944
1. Da der Schuldner mit dem Antrag keine ordnungsgemäße
Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 S. 3 InsO vorgelegt hat, war
eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Anordnung erst
nach Einholung eines Gutachtens gem. Beschluss vom 30.
März 2012 möglich.
2. Soweit das Unternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung
bereits zahlungsunfähig war, scheidet das Schutzschirmverfahren von vornherein aus. Davon erfasst ist auch die
vorliegende Situation des Schuldners, in der die bereits
bestehende Zahlungsunfähigkeit allein durch eine Stundungsvereinbarung mit den Gläubigern aufgeschoben wurde.
Schutzschirmverfahren
AG:
„Eine Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf
Anordnung der Eigenverwaltung wird erst im Eröffnungsbeschluss ergehen, § 270 Abs. 1 InsO. Der Schuldner wird
bereits jetzt aus den oben genannten Gründen auf
Bedenken des Gerichts zur Anordnung der Eigenverwaltung
nach § 270a Abs. 2 InsO hingewiesen. Dabei verfügt der
Geschäftsführer des Schuld-ners nach den Feststellungen
im Gutachten über keine hinreichenden Kenntnisse für eine
Betriebsfortführung im Insolvenzeröffnungsverfahren unter
der Kontrolle eines vorläufigen Sachwalters. Im Interesse
einer möglichen Sanierung des Unternehmens des
Schuldners war daher von der Bestellung eines vorläufigen
Sachwalters nach § 270a Abs. 1 S. 2 InsO abzusehen.
Aufgrund der geäußerten Bedenken des Gerichts hinsichtlich
der Anordnung der Eigenverwaltung besteht für den Schuldner Gelegenheit den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung
über die Eröffnung zurückzunehmen, § 270a Abs. 2 InsO.“
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
Frage:
Sollte sich Bescheiniger vor Ausstellen der Bescheinigung bei Gericht
erkundigen, ob er als Bescheiniger akzeptiert wird?
Reaktionen der Gerichte werden höchst unterschiedlich sein.
Vorschlag:
Der Bescheinigung ist eine cv des Bescheinigers beizufügen, die im
Einzelnen Angaben zu seiner Qualifikation enthalten sollte.
Frage:
Darf der „Hausberater“ des Schuldners die Bescheinigung ausstellen?
siehe dazu die nachfolgende Entscheidung des AG München.
Schutzschirmverfahren
AG München v. 29.03.2012 - 1507 IN 1125/12, ZIP 2012,
789=ZInsO 2012, 745
Leitsatz
Bei dem Aussteller einer Bescheinigung nach § 270b Abs. 1
S. 3 InsO in dem durch das ESUG neu eingeführten „Schutzschirmverfahren“ muss es sich um eine unabhängige und
neutrale Person handeln. An diese Unabhängigkeit sind
ähnlich strenge Anforderungen zu stellen wie bei der Auswahl eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 Abs. 2
S. 1 Nr. 1 InsO und § 56 Abs. 1 InsO. Diese Voraussetzung ist
bei einem langjährigen Berater des Schuldners nicht
gegeben.
Ebenso
AG München v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
III. Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters
§ 270b Abs. 2 InsO:
In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen
Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem
Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. Das Gericht
kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die
vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes
nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen.
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Im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO verbleibt die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis beim Schuldner.
Für die Bestellung gilt die „Verweisungskette“ §§ 270b Abs. 2, 270a
Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1, 56, 56a InsO.
Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren
§ 270a InsO
(1) Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht
offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren
davon absehen,
1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
2. anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit
Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein
vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275
entsprechend anzuwenden sind.
(2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender
Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht
das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht
gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und
diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der
Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen.
Schutzschirmverfahren
Frage:
Kann der Bescheiniger zum (vorläufigen) Sachwalter bestellt werden?
§ 270b Abs. 2 S. 1 InsO verlangt Personenverschiedenheit!
Frage:
Sollte das Gericht auch im Schutzschirmverfahren einen Sachverständigen neben dem vorläufigen Sachwalter bestellen?
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Dies erscheint sinnvoll, weil es vom Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen überzeugt sein muss, es aber nicht Aufgabe des
vorläufigen Sachwalters ist, hierzu Feststellungen zu treffen.
Das Gericht sollte aber auf jeden Fall davon absehen, einen Sachverständigen zur Überprüfung der Bescheinigung zu bestellen.
Schutzschirmverfahren
Frage:
Darf das Gericht den Sachverständigen beauftragen festzustellen, ob
Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung der
Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird und ob
ggfls. welche Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind?
siehe dazu AG Kleve v. 2.12.2012 – 34 IN 38/12Frage:
Darf das Gericht den Sachverständigen aufgeben zu prüfen, ob der
Antrag auf Eigenverwaltung bereits zum derzeitigen Verfahrensstand
offensichtlich aussichtslos i.S.v. § 270 InsO sei?
siehe dazu AG Duisburg v. 30.11.2012 – 63 IN 239/12 -
Schutzschirmverfahren
Zur Unabhängigkeit des (vorl.) Sachwalters
AG Stendal v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1874
Leitsatz
Ein von dem vorläufigen Gläubigerausschuss vorgeschlagener
Sachwalter ist mangels Unabhängigkeit für dieses Amt
ungeeignet, wenn zwischen dem SanierungsberaterGeschäftsführer der eigenverwaltenden Schuldnerin und dem
Vorgeschlagenen eine umfangreiche frühere Geschäftsverbindung besteht, sie insbesondere gemeinsam mehrere
Unternehmenssanierungen durchgeführt haben.
Schulte-Kaubrügger (EWiR 2012, 705) hält die Entscheidung für „gut
vertretbar.“
Hinkel (jurisPR-HaGesR 11/2012 Anm. 2): Der Entscheidung ist im
Ergebnis zuzustimmen, wenn auch die Begründung nur in Teilen zu
überzeugen vermag.
Schutzschirmverfahren
Andrew Seidl; „Dailycer: Wer schützt das Insolvenzverfahren vor dem
Richter?“ in: ZInsO 2012, 2285
„Die von Frind aufgeworfene Frage, ob Banken geeignete Gläubigerausschussmitglieder sind, provoziert gerade mit Blick auf das DailycerVerfahren die Gegenfrage nach der Eignung des Insolvenzrichters als
Entscheidungsträgers eines Insolvenzverfahrens“.
Schutzschirmverfahren
Fortsetzung: Bindung eines Massedarlehens an die Bestellung
einer bestimmten Person als Sachwalter (oder: never ending
story)
AG Stendal v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030
Leitsätze
1. Das Antragsrecht, eine Gläubigerversammlung einzuberufen, bezieht sich auf den Gläubigerausschuss als Organ.
Einzelne Mitglieder des Gläubigerausschusses sind nicht
antragsberechtigt.
2. Dem Einberufungsantrag fehlt das erforderliche
Rechtsschutzinteresse, wenn der Antrag offenkundig
willkürlich, d.h. ersichtlich ohne jeden sachlich vertretbaren
Grund gestellt wird.
Schutzschirmverfahren
3. Die Terminierung des Berichtstermins mit dem Tagesordnungspunkt "Wahl des Sachwalters" kann nicht durch den
Antrag auf Einberufung einer zeitlich vorgezogenen
Gläubigerversammlung mit dem Ziel der Wahl eines anderen
Sachwalters abgeändert werden.
4. Die Bindung eines Massedarlehens an die Bestellung einer
bestimmten Person zum Sachwalter ist rechtswidrig. Sie
verletzt die gesetzlich zwingende Unabhängigkeit des
Sachwalters und stellt einen unzulässigen Eingriff in die
Entscheidungskompetenz des Gerichts über die Person des
Sachwalters dar.
Dazu Meyer-Löwy/Ströhmann, ZIP 2012, 2432:
Die Verfasser werfen die Frage nach der Planbarkeit eines
Insolvenz-verfahrens auf und nehmen zu möglichen
Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB, Art. 34 GG Stellung,
wenn durch eine solche Vorgehensweise des Insolvenzgerichts in
der entscheidenden Frühphase des Insolvenzverfahrens
unumkehrbare Fakten geschaffen würden.
Schutzschirmverfahren
Dazu LG Stendal v. 22.10.2012 – 25 T 184/12, ZIP 2012, 2168
Leitsätze
1. Der Gläubigerausschuss kann verlangen, dass die erste
Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Sachwalters
folgt und in der die Gläubiger an dessen Stelle eine andere
Person wählen können, noch vor dem Berichts- und
Prüfungstermin stattfindet.
2. Das Insolvenzgericht ist nicht befugt, den Antrag des
Gläubigerausschusses auf seine Zweckmäßigkeit, seine
Interessenmäßigkeit oder auf ein besonderes Bedürfnis des
Antragstellers an der Einberufung zu überprüfen. Aus dem
Wortlaut des § 75 Abs. 1 InsO ("ist einzuberufen") ergibt sich,
dass das Insolvenzgericht kein Ermessen hat und die
Gläubigerversammlung einberufen muss.
Schutzschirmverfahren
Fortsetzung: Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters im
Eigenverwaltungsverfahren (oder: never ending story Teil 2)
AG Stendal v. 19.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2171
Leitsätze
Im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens ist die
Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung angezeigt und
begründet, wenn Ansprüche der Masse gegen die
Geschäftsführer der Schuldnerin, gegen den vormaligen
vorläufigen Sachwalter und gegen eine beteiligte Bank zu
prüfen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen sind.
Schutzschirmverfahren
Rdn 5 ff:
„Die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung ist vorliegend
angezeigt und begründet. Bei dem Sachwalter, der zur Prüfung bzw.
Durchsetzung der bezeichneten Ansprüche eine Aufgabenkreiserweiterung benötigt hätte, ist nach Einschätzung des Gerichts im
Hinblick auf die Durchsetzung der Ansprüche eine Interessenkollision
gegeben. Der Sachwalter ist auf eine einvernehmliche Zusammenarbeit
mit der im Rahmen der Eigenverwaltung weitgehend selbstständig
agierenden Schuldnerin angewiesen. Die Prüfung und etwaig
vorzunehmende Durchsetzung von Ansprüchen der Masse liefe dieser
Zusammenarbeit entgegen. Der Interessenkonflikt ist weiterhin im
Hinblick auf die Verhandlungen mit der … hinsichtlich der Vertragsverhandlungen über eine Verlängerung der Kreditvereinbarungen
gegeben. Die etwaig vorzunehmende gerichtliche Durchsetzung der
Ansprüche verliefe dazu ebenso konträr. Aufgrund des Sachzusammenhangs der Ansprüche gilt die Bestellung des Sonderverwalters auch
hinsichtlich der gegebenenfalls bestehenden Ansprüche gegen den
vormaligen vorläufigen Sachwalter.“
Schutzschirmverfahren
IV. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Sachwalters
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§ 270b Abs. 2 S. 1 InsO verweist auf § 270a Abs. 1 S. 2 InsO, der
wiederum auf die Vorschrift des § 274 InsO verweist.
Nach § 274 Abs. 2 InsO hat (auch) der vorl. Sachwalter die
wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen.
Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die
Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen
wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem
Insolvenzgericht anzuzeigen. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt,
so hat der Sachwalter an dessen Stelle die Insolvenzgläubiger, die
Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten
Gläubiger zu unterrichten (§ 274 Abs. 3 InsO).
Schutzschirmverfahren

Der vorläufige Sachwalter hat dem Gericht unverzüglich den Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit anzuzeigen (§ 270b Abs. 4 S. 2 InsO).
Frage
Welche (weitere) Möglichkeiten der Kontrolle der Tätigkeit des
Schuldners hat das Insolvenzgericht?


Der vorläufige Sachwalter steht unter der Aufsicht des
Insolvenzgerichts (§§ 270a Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1, 58 InsO).
Das Gericht kann vor diesem rechtlichen Hintergrund dem vorläufigen
Sachwalter aufgeben, er möge die Kassenführung übernehmen und
dem Gericht regelmäßig (z.B. im Abstand von 2 Wochen) eine
Mitteilung über die Umsatzerlöse des Unternehmens zukommen lassen
(so AG Mannheim).
Schutzschirmverfahren
Was darf, was muss und was soll der vorläufigen Sachwalter
tun?
Frage:
Wie, wenn Gesellschafter nach Antragstellung Geschäftsführung
austauschen wollen?
In § 270a InsO findet sich kein Verweis auf § 276a InsO.
§ 276a InsO
„ … Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der
Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. Die
Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen
für die Gläubiger führt.“
Redaktionsversehen? Regelungslücke und Analogie?
Schutzschirmverfahren
Siehe dazu AG Montabaur (SIAG Schaaf Gruppe) v. 21.5.2012:
Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsführung
ist von Zustimmung des vorläufigen Sachwalters abhängig.
Schutzschirmverfahren
Zustimmung des vorläufigen Sachwalters Pflicht, Recht oder Haftungsfalle?
§ 270a Abs. 1 S. 2 InsO verweist auf § 274 und § 275 InsO
§ 275 InsO
Abs. 1 S. 1 : Zustimmungserfordernis
„ Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb
gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters
eingehen.“
Abs. 1 S. 2: Widerspruchsrecht
„ Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb
gehören, soll er nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht.“
Auch die vorläufige Eigenverwaltung erfordert eine enge Abstimmung
zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter.
Schutzschirmverfahren
Aber: § 275 InsO bloße „Soll-Vorschrift“!
„Konsenserklärung“ wirkt nur im Innenverhältnis

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Keine Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des
Schuldners
Wirksamkeit der Geschäfte im Außenverhältnis bleibt von der fehlenden
Zustimmung bzw. von einem Widerspruch des vorläufigen Sachwalters
unberührt.
Widerspruch und Zustimmung als Ausprägungen der
Überwachungspflicht des Sachwalters nach § 274 Abs. 2 InsO
Sanktion für den Schuldner: Einschreiten nach § 274 Abs. 3 InsO
Schutzschirmverfahren
Frage:
Wie wird nach einem Einschreiten gem. § 274 Abs. 3 InsO die vorläufige
Eigenverwaltung ggfls. beendet?
Darf das Gericht ohne weiteres den vorläufigen Sachwalter abberufen
und anstatt dessen einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen oder
bedarf es vor einer entsprechenden Beschlussfassung des Gerichts
eines Antrags?
Wer ist antragsberechtigt?
Gilt § 272 InsO analog?
Ein Verweis auf die Vorschrift findet sich in § 270a InsO nicht!
Schutzschirmverfahren
Frage:
Kann der vorläufige Sachwalter ohne weiteres zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt werden?
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Für das eröffnete Verfahren sieht § 272 Abs. 3 InsO vor, dass das
Gericht nach Aufhebung der Eigenverwaltung den bisherigen Sachwalter
zum Insolvenzverwalter bestellen kann.
Die Vorschrift ist in § 270b InsO, der unter Abs. 4 die Aufhebung des
Schutzschirmverfahrens vorsieht, nicht erwähnt.
Regelungslücke?
Soweit nicht Schadensersatzansprüche gegen den vorläufigen
Sachwalter gem. § 60 InsO aus seiner Tätigkeit bestehen, dürfte der
Bestellung derselben Person zum vorläufigen Insolvenzverwalter
grundlegende Bedenken nicht entgegenstehen.
Schutzschirmverfahren
Frage:
Geschäftspartner des Schuldners fordern „Zustimmung“ des vorläufigen
Sachwalters zur Begründung von Verbindlichkeiten im gewöhnlichen
Geschäftsbetrieb – Haftungsfalle?
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Zustimmung nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO nicht erforderlich.
„Zustimmung“ wäre ein bloßer nach außen gerichteter Hinweis auf die
Nichterklärung des Widerspruchs nach § 275 Abs. 1 S. 2 InsO im
Innenverhältnis (=nach außen gerichtete „Konsenserklärung“)
Keine Garantiehaftung auf Erfüllung gegenüber Dritten, sondern
allenfalls „Verschuldenshaftung“ im Hinblick auf die Prüfungs- und
Überwachungspflichten des Sachwalters nach § 274 Abs. 2 InsO
Schutzschirmverfahren
Vergütung des vorläufigen Sachwalters:
AG Göttingen v. 28.11.2012 – 74 IB 160/12, ZIP 2013, 36
Leitsatz
Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters bestimmt sich
analog § 13 InsVV wie beim endgültigen Sachwalter. Eine
Reduzierung aufgrund einer analogen Anwendung des § 11
InsVV kommt nicht in Betracht. Unterschieden zwischen
Eröffnungsverfahren und eröffnetem Verfahren ist durch
Gewährung von Zu- und Abschlägen gem. §§ 10, 3 InsVV
Rechnung zu tragen.
Schutzschirmverfahren
V. Veröffentlichung
Frage:
Ist die Anordnung nach § 270b InsO zu veröffentlichen?


In §§ 274, 275 InsO ist ein Verweis auf die §§ 23 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1
Nr. 2 InsO nicht enthalten. Mithin besteht keine Verpflichtung zur
Veröffentlichung (AG Göttingen NZI 2012, 1008; Desch, DB 2011, 843;
Buchalik, ZInsO 2012, 354; a.A. Frind ZInsO 2012, 1099, 1106; gegen
eine Pflicht zur Veröffentlichung: Horstkotte, ZInsO 2012, 1161).
Einiges spricht dafür, sie aus dem Gesichtspunkt der Transparenz und
des auf Konsens mit den Gläubigern angelegten Schutzschirmverfahrens als vertrauensbildende Maßnahme vorzunehmen.
Schutzschirmverfahren
Nach Auffassung des AG Göttingen v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12, NZI
2012, 1008 steht die Veröffentlichung im Ermessen des Gerichts.
Danach kommt ein Absehen von einer Veröffentlichung in Betracht in
Fällen, in denen das Geschäftsmodell nur eingeschränkt insolvenzfähig
ist. Das ist der Fall, wenn die Einleitung eines Insolvenzverfahrens
einen Vertrauensverlust der Kunden/Auftraggeber bewirkt und dadurch
die Fortführungsmöglichkeit beeinträchtigt wird. Klassisches Beispiel sei
der von Aufträgen der öffentlichen Hand abhängige Schuldner.
Von einer Veröffentlichung könne insbesondere bei drohender
Zahlungsunfähigkeit abgesehen werden.
Schutzschirmverfahren
VI. Stärkere Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses?
Im eröffneten Verfahren gilt bei Anordnung der Eigenverwaltung § 276
InsO.
Frage:
Kann die Vorschrift auch im Schutzschirmverfahren entsprechend
angewendet werden, indem bestimmte Rechtshandlungen des
Schuldners an die Zustimmung des vorl. Gläubigerausschusses
gebunden sind?
Ansonsten können Gläubiger nur Einfluss nehmen durch Antrag auf
Aufhebung des Schutzschirmverfahrens (§ 270b Abs. 4 Nr. 2 InsO).
Schutzschirmverfahren
VII. Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
§ 270b Abs. 3 InsO:
„Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der
Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Abs. 2 gilt
entsprechend.“
Kein Ermessen des Gerichts („hat“).
Schutzschirmverfahren
VII. Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
Problem:
Erteilung einer Einzelermächtigung im Eröffnungsverfahren
Kann, darf oder soll das Insolvenzgericht - ebenso wie im Schutzschirmverfahren (§ 270b Abs. 3 InsO) - auch im Eröffnungsverfahren
nach einem Antrag das Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung
auf Grund einer Anregung des Schuldners oder des vorläufigen
Sachwalters eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilen?
Fragen:
Abschließender Regelungsgehalt des § 270b Abs. 3 InsO?
Anwendung der allgemeinen Vorschriften, §§ 21, 22 InsO und damit
auch „Einzelermächtigungsrechtsprechung“ des BGH?
Oder Analogie zu § 270b Abs. 3 InsO?
Wer ist zu ermächtigen?
Anordnung eines Vorbehalts der Zustimmung des vorl. InsVV?
Schutzschirmverfahren
AG Köln v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788
1. Im Schutzschirmverfahren, § 270b InsO, ist eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
zu Gunsten des Schuldners zu erteilen.
2. Ist Eigenverwaltung beantragt, ohne dass ein Antrag nach
§ 270b InsO vorliegt, so ist die Einzelermächtigung ebenfalls
zu Gunsten des Schuldners zu erteilen. In diesem Fall ist zu
prüfen, ob die Begründung der Masseverbindlichkeiten
unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen
Sachwalters nach § 275 Abs. 1 S. 1 InsO zu stellen ist.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
Zustimmend: Undritz, BB 2012, 1551, 1556; Hofmann, EWiR
2012, 359; Zipperer, EWiR 2012, 361.
Ebenso AG Bielefeld v. 2.4.2012 – 43 IN 370/12)
anders AG Fulda v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12; Beschwerde beim
LG Fulda anhängig.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
„Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren“
AG Hamburg v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787
Das Insolvenzgericht kann im (herkömmlichen) vorläufigen
Eigenverwaltungsverfahren nicht den Schuldner, wohl aber
den vorläufigen Sachwalter ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zum Zwecke der Insolvenzgeldvorfinanzierung zu
begründen, da das Gericht gem. § 270a Abs. 1 S. 2 InsO
einen vorläufigen Sachwalter anstelle eines vorläufigen
Insolvenzverwalters einsetzt. § 270b Abs. 3 InsO ist nur im
Sonderfall des sog. Schutzschirmverfahrens anwendbar
und auf Grund der Besonderheiten dieses Verfahrens
(insbesondere keine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
bei Antragstellung) nicht analogiefähig.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
„Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren“
AG Hamburg v. 18.5.2012 – 67e IN 123/12, n.v.
1. Einzelermächtigung der Schuldnerin
2. Zusätzlich Treuhandkonto des vorl. Sachwalters
„Weiterhin wird der Schuldnerin gestattet, ein auf den
Namen des vorläufigen Sachwalters geführtes
Treuhandkonto (…) einzurichten und einen noch näher zu
bestimmenden Betrag in Höhe von maximal 2.750.000
Euro vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den
Konten der Schuldnerin auf das Treuhandkonto zu
überweisen, um aus diesem Guthaben die im Wege der
vorstehenden Einzelermächtigungen begründeten
Masseverbindlichkeiten auch dann befriedigen zu können, falls er erforderlich sein sollte, nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens Masseunzulänglichkeit anzuzeigen.“
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Schutzschirmverfahren
„Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren“
LG Duisburg v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453
Leitsatz
Im Eröffnungsverfahren nach § 270a Abs. 1 InsO kann
das Insolvenzgericht den Schuldner, nicht aber den
vorläufigen Sachwalter, zur Begründung einzelner, im
Voraus festgelegter Verbindlichkeiten zu Lasten der
späteren Insolvenzmasse ermächtigen.
© Prof. Dr. H. Vallender
Schutzschirmverfahren
VIII. Aufhebung des Schutzschirmverfahrens
Das Gericht hebt den Beschluss, mit dem es das Schutzschirmverfahren angeordnet hat, vor Ablauf der Drei-Monatsfrist auf, wenn die
angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist, der vorläufige
Gläubigerausschuss oder ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder
ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände
bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu
Nachteilen für die Gläubiger führen wird.
Dies dürfte z.B. der Fall sein, wenn die Bank, mit der der Schuldner
über eine weitere Finanzierung verhandelt hat, die Verhandlungen
endgültig abbricht und der Schuldner aufgrund dessen keine Möglichkeit mehr hat, an neues Kapital zu gelangen.
Schutzschirmverfahren
IX. Weiterer Ablauf des Eröffnungsverfahrens nach
Beendigung des Schutzschirmverfahrens
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Liegen die Voraussetzungen des § 270b Abs. 4 S. 1 InsO, hat das
Gericht das Schutzschirmverfahren aufzuheben.
Selbst nach Aufhebung der Anordnung ist es dem Schuldner nicht
verwehrt, einen Insolvenzplan auszuarbeiten und diesen im eröffneten
Verfahren zur Abstimmung zu stellen. In Kombination mit der
beantrag-ten Eigenverwaltung bestehen dem-nach auch nach
Aufhebung des Schutzschirmverfahrens Chancen einer Sanierung des
Unternehmens in einem eröffneten Insolvenzverfahren.
Liegen die Eröffnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Beschlussfassung gemäß § 270b Abs. 4 S. 3 InsO zur Überzeugung des Gerichts
noch nicht vor, wird es entsprechende Ermittlungen einleiten bzw.
bereits eingeleitete fortsetzen (§ 5 InsO).
Schutzschirmverfahren
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Sobald Entscheidungsreife eingetreten ist (§ 300 ZPO i.V.m. § 4 InsO),
hat das Gericht eine Entscheidung über den Eröffnungsantrag und den
Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung zu treffen.