Partizipative Entscheidungsfindung in Forschung und Klinik

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Transcript Partizipative Entscheidungsfindung in Forschung und Klinik

Partizipative
Entscheidungsfindung in
Forschung
und Klinik
Anforderungen, Konzepte und
best practice
Tanja Krones
UniSpital Zürich
Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum
Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit
und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich
davor, sie zum Schaden und in unrechter
Weise anzuwenden.
Ärztliche Fürsorge (Paternalismus)
und Selbstbestimmung
Salus aegroti suprema lex
Voluntas aegroti suprema lex
Indikation ↔ Patientenwille
Beantwortung der Frage: Was ist
Aufklärung?
Immanuel Kant, 1784
AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das
Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel
des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes
liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.
Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Lehrbuch der Evidenzbasierten
Medizin
Vorwort, Günter Jonitz 2006
Evidenzbasierte Medizin ist der Ausgang des Arztes aus
seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit
ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel
des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes
liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.
Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen!
Beantwortung der Frage: Was ist
Aufklärung? Kant 1784 ff.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil
der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung
freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und
warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern
aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein
Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich
Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so
brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig
zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das
verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei
weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne
Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er
beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte, dafür sorgen
schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf
sich genommen haben.
1950 Jahre n.Chr.
(250 Jahre n.K.)
Erstmals juristische Festlegung einer
informierten Zustimmung (Informed Consent)
in ärztlich empfohlene medizinische Eingriffe
Informed Consent:einsichtige
Einwilligung:
ETHISCH LEGALES MINIMUM
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Vorraussetzungen
1) Kompetenz zu verstehen
2) Freiwilligkeit im Entscheiden
Informationselemente
1) Aufklärung (materielle Informationen)
2) Empfehlung eines Behandlungsplans
3) Verstehen der Informationen
Entscheidungselemente
1) Entscheidung für oder gegen einen Behandlungsplan
2) Ermächtigung hinsichtlich des gewählten Planes
Aufklärung im Zeitalter der
Evidenzbasierten Medizin
=
Ausgang des Menschen (Patienten,
Arztes) aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit?
Marcumar: Evidenzen
• Seit mehr als 20 Jahren ist bereits bekannt, dass
Patienten mit Vorhofflimmern ein fünffach erhöhtes
Risiko haben, in den nächsten 5 Jahren einen
Schlaganfall zu erleiden (Wolf PA et al. (1991): Atrial Fibrillation as an
independent risk factor for stroke. The Framingham Study. Stroke, 22:983-988)
• Ebenfalls seit mehr als 20 Jahren ist bekannt, dass eine
Antikoagulation (Blutverdünnung) mit Vitamin K
Antagonisten (Marcumar=Phenprocoumon, Warfarin)
das relative Risiko um mindestens 68% reduziert (The
Boston Area Anticoagulation Trial for Atrial Fibrillation Investigators (1990). The
effect of low dose warfarin on the risk of stroke in patients with non rheumatic atrial
fibrillation. NEJM, 323:1505-1511)
Marcumar im wirklichen Leben
?
?
•Lediglich 15-44%
? der Patienten, bei denen Marcumar
indiziert wäre (keine Kontraindikationen)
nehmen
?
heute Marcumar ein.
•(Bungard et al. (2000): Why do Patients with Atrial Fibrillation not Receive
Warfarin? Arch Intern Med, 160:41-46. )
?
?
Lösung: Aufklärung von Kollegen?
Evidence based guidelines or
collectively constructed „mindlines“?
• Clinicans rarely accessed and used
explicit evidence from research or other
sources directly, but relied on
„mindlines“-collectively reinforced,
internalized, tacid guidelines. These
were informed by brief reading but
mainly by their own and their
colleagues‘ experience, their interaction
Ärzte: Eigene Heuristiken:
with each other and with opinion
leaders, patients, and pharmaceutical `Marcumar wird von Ärzten und
representatives…
auch bestimmten Ärztegruppen
• Gabbay/Le May, BMJ 2004 329
(Amerika Kardiologen) weniger
verschrieben, weil der Schaden, das
akute Blutungsrisikos, insbesondere
bei älteren Patienten höher
eingeschätzt wird als der Benefit, in
Zukunft Schlaganfälle zu
vermeiden
Lösung: Aufklärung von Patienten?
• Patienten mit persistierendem oder paroxysmalem
Vorhofflimmern und begleitenden vaskulären Risikofaktoren
(Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Alter
unter 75 Jahren) sollen oral antikoaguliert werden mit einer
Ziel-INR von 2,0-3,0 (A)
• Bei Patienten im Alter über 75 Jahren sollte eine INR um 2,0
angestrebt werden (…). ).(Hart und Halperin (2001)
empfehlen bei Patienten bis 75 Jahren eine
Antikoagulation mit einer Ziel-INR von 2-3 und ab dem
75. Lebensjahr nur noch mit 2,0.)
• Bei Patienten ohne vaskuläre Risikofaktoren im Alter über 65
Jahren und Vorhofflimmern wird Acetylsalicylsäure (100-300
mg) empfohlen (B).
• ASS wird ebenfalls eingesetzt bei Patienten mit
Kontraindikationen für orale Antikoagulanzien wie
ausgeprägte zerebrale Mikroangiopathie, manifeste Demenz
und erhöhte Sturzgefahr.
• Das individuelle Schlaganfallrisiko kann
am besten mit dem CHADS 2 Score
berechnet werden (Gage et al. 2001).
Dieser hat allerdings noch nicht Eingang
in die Stratifizierung bezüglich
Antikoagulation oder Gabe von ASS
gefunden (Fuster et al. 2006).
CHADS Score
Klinischer
Punkte
Befund
C Herzinsuffizien 1
z (CHF)
H Hypertonie
1
A Alter > 75
1
D Diabetes
Mellitus
S Vorrang.
2 Stroke/TIA
1
2
Chads2
Risiko % 95% CI
0
1
2
3
4
5
6
1.9
2.8
4.0
5.9
8.5
12.5
18.2
1.2-3.0
2.0-3.8
3.1-5.1
4.6-7.3
6.3-11.1
8.2-17.5
10.5-27.4
Patient Herr S.
•
•
•
•
•
•
•
76 jähriger Patient
War in der neurologischen Klinik aufgrund der Abklärung einer Synkope, die Sie
als vasovagale Synkope gedeutet haben (nach Miktion aufgetreten); bei Eintritt
kein Vorhofflimmern, jedoch während des Aufenthaltes zweimalig aufgetreten.
Paroxysmales Vorhoffflimmern besteht seit circa ½ Jahr (bei Routine vom
Hausarzt zufällig festgestellt)
Geringfügige Hypertonie (RR systolisch im Mittel bei 150 mmHG/ diastolisch 95
mmHG vor Behandlung), behandelt vom Hausarzt mit Beta-Blockern seit circa 5
Jahren, darunter normale Blutdruckwerte;
Arbeitet viel im Garten, hat sich vor 2 Jahren eine Oberschenkelhalsfraktur nach
Sturz (vermutlich vasovagale Synkope) zugezogen.
Lebt alleine seit dem Tod seiner Frau in einem kleinen Haus in einem Dorf in der
Innerschweiz
kommt mit dem Haushalt alleine noch sehr gut zurecht, fährt allerdings kein Auto
mehr, sein Hausarzt ist 8 km entfernt im nächsten grösseren Dorf. Die Kinder und
Enkel wohnen nicht im gleichen Dorf, aber im Umkreis von 50 km.
?
?
?
?
?
?
Marcumar RRR 70%
Risks and Benefits of treatment for Atrial Fibrillation
Aspirin RRR 20%
Scale
Blutungsrisiko
Marcumar
stark
Klinischer
Punkte
abhängig von
Befund
Einstellung und
C Herzinsuffizien 1
Lebensumständen
z
(CHF)
Blutungsrisiko bei
H Hypertonie
Aspirin
(keine KI
Ulcus etc) konstant,
A Alter
> 75als
etwas
geringer
Marcumar
alleine
D Diabetes
Mellitus
S Vorrang.
2 Stroke/TIA
Stroke rate
Major bleeding
No treatment
100 people
Aspirin
Chads2
Risiko % 95% CI
Warfarin
0
1
2
3
4
5
6
60
40
20
0
1.9
2.8
4.0
5.9
8.5
12.5
18.2
100
80
% per year
120
1.2-3.0
2.0-3.8
3.1-5.1
4.6-7.3
6.3-11.1
8.2-17.5
10.5-27.4
R is k s a n d B e n e fits o f tre a tm e n t fo r A tria l F ib rilla tio n
1
1
1
N o tr e a tm e n t
A sp i r i n
W a r fa r i n
0
0 .5
1
1 .5
2
% per year
2
2 .5
S tr o k e r a te
M a jo r b le e d in g
3
3 .5
4
Beantwortung der Frage: Was ist
evidenzbasierte Medizin? David
Sackett (1996):
„Der bewusste, explizite und abgewogene
Gebrauch der aktuell besten Evidenz bei
Behandlungsentscheidungen individueller
Patienten.“
Nutzen ist wertbezogen. Ein
summativ evaluierter Nutzen kann,
muss aber nicht der einzige zentrale
Handlungsaspekt sein
Risiko für Schlaganfall:
13%
Risiko für Schlaganfall:
13%
Risikoaversivität
Menschen neigen im Durchschnitt zu einem Verhalten, bei dem
sie für einen möglichen (v.a. langfristigen) Benefit eher wenig
(v.a. akutes, bedrohliches) Risiko in Kauf nehmen
Cochrane Review Entscheidungshilfen (2009, O‘Connor et al.)
Nach Aufklärung durch evidenzbasierte Entscheidungshilfen
neigen Patienten eher zu weniger OP‘s, mehr konservativem
Vorgehen, eher zu effektnebenwirkungsärmeren statt
effektstärkeren, nebenwirkungsreicheren Medikamenten
Aber….
Aerzte neigen dazu, ihren
Patienten Behandlungen
mit höheren Risiken zu
empfehlen, als diese
selbst (incl. Angehörige)
eingehen.
Aus: Fortbildung
Gesundheitsökonomie,
epidemiologische Studie Tessin
1993
Soweit
lediglich den
Eingriff die Risiken
% risikoadj.
Akteur selbst betreffen, ist die
Gesamt- der
Frage nach der Akzeptabilität
Risiken angesichtsbevölkerung
der
Wahrscheinlichkeit
des
Tonsillektomie
+46%
angestrebten Nutzens
eine Frage
Curettage
der
Klugheit. Soweit
die Risiken
+19%
darüber hinaus auch andere
Cholezystektomie
betreffen,
ist die Frage
nach der
+84%
Akzeptabilität der Risiken
Hämorrhoidektomie
zugleich
auch eine+83%
Frage der
Moral
Hysterektomie
+58%
Herniorrhaphie
+53%
(Birnbacher/Wagner
2003).
Appendektomie
-8%
Optimale Aufklärung
Shared Decision Making (SDM)
• Art der Therapie
• (Möglicher!) Nutzen in der individuellen
Situation: Absolutes Risiko ohne Therapie,
absolute und relative Risikoreduktion mit
Therapie
• Neue Risiken (Qualität und absolutes Risiko für
Nebenwirkungen)
• Darstellung von Alternativen in derselben Weise
Entscheidungshilfen (Decision Aids)
„Interventionen, die entwickelt werden, um Menschen zu helfen,
persönliche und gut informierte Entscheidungen zu treffen, indem
diese mindestens Informationen über alle Optionen und Ergebnisse
enthalten, die für den Gesundheitszustand der jeweiligen Person
relevant sind“ (O´Connor et al. 1999)
www.ohri.ca/DecisionAid/
Bisherige Entwicklungen für deutschen, niederländischen &
angloamerikanischen Kontext u.a.:
Antikoagulation bei Vorhofflimmern, Herz-KreislaufPrimärprävention, Aortenaneurysma, Steroidtherapie/Immuntherapie
bei MS, PEG- Anlage bei Demenz, Hormonersatztherapie,
Bandscheibenoperationen, Menorrhagie, Screening PSA,BRCA1,
Kolonkarzinom
SDM und EBM
SDM
Kommunikative
Fertigkeiten
Risikokommunikation,
basierend auf
Präferenzen
und der
individuellen
Situation
EBPC
Evidence based
patient choice
EBM
z.B.
Entscheidungshilfen
RCT, Man Son Hing et al. 1999,
JAMA:
Patienten wählten mit
Entscheidungshilfe noch weniger
Marcumar, stattdessen mehr Aspirin,
waren sicherer, die richtige
Entscheidung getroffen zu haben
Forschung und Therapiezwei verschiedene Konzepte und Ziele?!
Was sind die Ziele der Therapie?
Was sind die Ziele der Forschung?
Context Extracts of Hypericum perforatum (St John’s wort) are widely used for the treatment of
depression of varying severity. Their efficacy in major depressive disorder, however, has not been
conclusively demonstrated.
Objective To test the efficacy and safety of a well-characterized H perforatum extract
(LI-160) in major depressive disorder.
Design and Setting Double-blind, randomized, placebo-controlled trial conducted in 12 academic and
community psychiatric research clinics in the United States.
Participants Adult outpatients (n=340) recruited between December 1998 and June 2000 with major
depression and a baseline total score on the Hamilton Depression Scale (HAM-D) of at least 20.
Interventions Patients were randomly assigned to receive H perforatum, placebo, or sertraline (as an
active comparator) for 8 weeks. Based on clinical response, the daily dose of H perforatum could
range from 900 to 1500 mg and that of sertraline from 50 to 100 mg. Responders at week 8 could
continue blinded treatment for another 18 weeks.
Main Outcome Measures Change in the HAM-D total score from baseline to 8 weeks; rates of full
response, determined by the HAM-D and Clinical Global Impressions (CGI) scores.
Results On the 2 primary outcome measures, neither sertraline nor H perforatum was significantly
different from placebo. The random regression parameter estimate for mean (SE) change in HAM-D
total score from baseline to week 8 (with a greater decline indicating more improvement) was –9.20
(0.67) (95% confidence interval [CI], –10.51 to –7.89) for placebo vs –8.68 (0.68) (95% CI, –10.01
to –7.35) for H perforatum (P=.59) and –10.53 (0.72) (95% CI, –11.94 to –9.12) for sertraline
(P=.18). Full response occurred in 31.9% of the placebo-treated patients vs 23.9% of the
Hperforatum–treated patients (P=.21) and 24.8% of sertraline-treated patients (P=.26). Sertraline was
better than placebo on the CGI improvement scale (P=.02), which was a secondary measure in this
study. Adverse-effect profiles for H perforatum and sertraline differed relative to placebo.
Conclusion This study fails to support the efficacy of H perforatum in moderately severe major
depression. The result may be due to low assay sensitivity of the trial, but the complete absence of
trends suggestive of efficacy for H perforatum is noteworthy.
JAMA. 2002;287:1807-1814 www.jama.com
Was sind die Ziele der Therapie?
• Das erste Ziel der Therapie ist es, den Patienten gemäss
seiner individuelle Situation mit einem individuellen
therapeutischen Ziel (Schaden vermeiden, Nutzen) zu
behandeln.
• Wir glauben dass unsere Massnahmen auf der best
verfügbaren Evidenz basieren (bekannter Nutzen und
Risiko diagnostischer und therapeutischer Massnahmen
(nach Schätzung lediglich ca. 50%...)
• Alle Interventionen (sowohl diagnostisch als auch
therapeutisch) sind an die individuelle Situation der
Patienten angepasst und dienen ausschliesslich dem
Patienten
Was sind die Ziele der Forschung?
• Das erste Ziel der Forschung ist die Gewinnung von wertvollem,
generalisierbarem Wissen für zukünftige Patienten
• In so genannten „therapeutischen“ Versuchen (Phase (IIb-) III)
möchten wir auch testen, ob das neue mittel einen Benefit für den
Patienten hat- allerdings wissen wir dies nicht: Auch in Phase III
Studien wird Evidenz generiert, der Versuch wird nicht primär
durchgeführt um Patienten zu nutzen- wir tun primär alles mögliche
um dem Patienten nicht zu schaden.
• Alle Interventionen in einem Versuch folgen einem geprüften
Studienprotokoll welches wesentlich von drei Zielen geleitet ist: 1)
bestmögliches Wissen zu generieren 2) Das möglichste zu tun, um den
Patienten nicht zu schaden (Grosses Problem: Externe Validität !) und
3) die informierte Zustimmung des Patienten zu sichern.
• Zwangsläufig sind viele oder gar (fast) alle diagnostischen
Interventionen und Patientenbesuche sind vorgeplant um die
Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu optimieren und die
Sicherheit der Patienten bestmöglich herzustellen
(Einige) Forschungsskandale
• 1900 Die „Neisser Experimente“
• 1930 Der neuzeitliche
„Lübecker Totentanz“
• Tuskegee-Study (1932-1972)
• 1933-1945 Nazi Versuche
• Willowbrook Hepatitis Study
(1950)
• Jewish Chronic Disease
Hospital Case (Cancer Study,
Brooklyn N.Y., 1963)
Forschungsrisiken
• Medizinische Forschungsinterventionen
setzen Studienteilnehmer Risiken aus, um
zum Wohl zukünftiger Patienten Wissen zu
gewinnen
36
• Freedman B. Equipoise and the Ethics of
Clinical Research. N Engl J Med
1987;317:451-5.
“Klinische Equipoise”
• Zuweilen wird das Bestehen “klinischer
Equipoise” bei Forschungsinterventionen
mit möglichem direkten Nutzen gefordert
– Es besteht aufrichtige Uneinigkeit unter
klinischen Experten hinsichtlich der
bevorzugten Behandlung (Freedman 1987)
– Das Risiko-Nutzen Profil der Forschungsintervention ist mindestens genauso gut wie das
bestehender Behandlungen
38
Medical Doctors as clinicans and
researchers- a role conflict?
„Clinical medicine is
an activity designed
to produce
therapeutic benefits
for individual
patients. Clinical
research is an
activity to produce
generalizable
knowledge to inform
the care of future
patients.“
„Clinical equipoise,
the cornerstone of
the similarity
position rules out
placebo controlled
trials whenever
there is a proven
effective
treatment(..)
However, IRB`s
have routinely
approved such
placebo controlled
trials“
Brody/Miller 2003
Pro Argumente für die
“similarity position“
(u.a. Deklaration von Helsinki)
• Es hat sich in verschiedenen
Studien/Auswertungen gezeigt, dass Patienten
unabhängig von der Gabe der Medikamente
Vorteile haben, wenn sie in Klinischen Studien
behandelt werden (soziale Unterstützung,
Ressourcen, Überwachung )
• Das neue Medikament KANN helfen• In verzweifelten Situationen erscheint „etwas zu
tun“ besser als „nichts zu tun“
• Equpoise ist näher an der «Klinischen Denke»
Contra
(u.a. Council of Europe)
• Ausrichtung von Studien nicht an der besten
wissenschaftlichen Generalisierbarkeit
• FDA /EMEA z B verlangen Placebostudien
• Verwischen der grundlegenden Unterschiede
der Ziele und ethischen Grundlagen von
Forschung und Therapie
• Therapeutic misconception bei Patienten und
Behandlungsteam
• Verschleiern möglicher Interessenskonflikte 41
Ethischer Konflikt
Studienteilnehmer
schützen
Individuelles
Wohl
Forschungsprojekte
durchführen
Allgemeines
Wohl
42
Therapeutic misconception
(zuerst Applebaum, Roth Lidz 1982)
• Tritt häufiger da auf, wo Ärzte sowohl
Therapeuten als auch Forscher sind
• „Mistaken belief that the research, like the therapy
(subjects) have received previously is designed
and will be executed in a manner of direct benefit
to them“
• „is affecting patients and physicians alike“
• „e.g. speaking of „free place in a treatment
program“ while considering the opportunity to
participate in a research protocol in the clinic.
Behandlungswunsch, Beziehungschemotherapie, Phase 1-2Studien, „Off Label“ und „Compassionate Use“:
 Oft schwierige Konstellation, bei der es sehr häufig darum geht, die
Therapiezieländerung sensibel mitzuteilen und einen neuen symptomorientierten
Behandlungsplan zu entwickeln, bei dem potentiell
lebensverlängernde/lebensqualitätsverbessernde Medikamente in Studien/Off
Label/“Compassionate Use“ eine Rolle spielen können, aber nicht müssen
• Begründete Hoffnung geben: Enttäuschte Hoffnung auf Heilung ist noch
keine Hoffnungslosigkeit; Umwandlung in Hoffnung, als Gegenüber im
letzten Lebensabschnitt ernst genommen und nicht allein gelassen zu
werden. (Kappauf 2001: Aufklärung und Hoffnung-ein Widerspruch)
• Prinzip des „Nicht Schadens“ zentral vor Augen haben und dem Patienten
mitteilen
• Wenn wir symptomatisch behandeln, machen wir „nicht nichts“
• Abteilungsintern schauen, wie Patienten, die nicht mehr spezifisch
hämatologisch/onkologisch weiter behandelt werden, von ihren
Vertrauensärzten dennoch weiter mit betreut werden können.
Viele Studien zeigen, dass auch im
Forschungskontext nicht optimal
aufgeklärt wird
Decision Aids für die Forschung??
• Formal legaler Fokus bes. bei
industriegesponsorten Studien
• Desinformation durch
Ueberinformation (z.B. Parkinson
Studie IC Broschüre 50 (!) Seiten
• Therapeutic misconception
• Unrealistic optimism
• Unser „Framing“
"Weder die Wissenschaft noch die
Ökonomie (noch die
Ethik TK) wird uns den Schmerz der Entscheidung
abnehmen. Das beste was wir hoffen können, ist es, den
Prozess zu verbessern, durch den wir Entscheidungen fällen."
Rudolf Klein