ZPO I - Zuständigkeit u. Verfahren

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Transcript ZPO I - Zuständigkeit u. Verfahren

WuV-Kurs Sachen- und
Zivilprozessrecht, 30.06.2014
PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)
§ 1 Grundzüge des Erkenntnisverfahrens
• Einreichung der Klageschrift bei Gericht (§ 253 V)
• Zustellung der Klageschrift an den Beklagten (§ 271 I)
nach Kostenvorschuss (§ 12 I GKG) von Amts wegen
• Bestimmung der Verfahrensweise durch das Gericht
(§ 272): früher erster Termin (§ 275) oder schriftliches
Vorverfahren (§ 276)
• Güteverhandlung (§ 278 II)
• Unmittelbar anschließend mündliche Verhandlung
(§ 279 I):
–
–
–
–
–
Aufruf der Sache und Eröffnung durch den Vorsitzenden
Stellung der Anträge (§§ 137 I, 297)
Vortrag der Parteien (§ 137 II)
Erörterung der Sach- und Rechtslage (§ 139 I)
Ggf. Beweisaufnahme (§§ 279 II, 284 S. 1)
• Verkündung des Urteils (§§ 310 I, II, 311) und Zustellung
von Amts wegen (§§ 317 I, 166 ff.)
§ 2 Die Prozessmaximen
Dispositionsmaxime: Die Parteien haben die
Hoheit über das Verfahren:
• Das Verfahren wird durch den Antrag des Klägers
in Gang gesetzt (§ 253 I)
• Beendigung des Verfahrens nach § 91a durch
übereinstimmende Erledigungserklärung
• Klagerücknahme (§ 269)
• Verzicht auf Klageanspruch (§ 306)
• Anerkenntnis des Klageanspruchs (§ 307)
• Bindung an die Anträge (§ 308, ne ultra petita)
• Beendigung durch Vergleich
Beibringungsgrundsatz
• Beibringung des Tatsachenstoffs ist Sache der
Parteien
• Das Gericht ist an den übereinstimmenden
Sachvortrag der Parteien gebunden (§§ 138 III,
288; Prinzip der formellen Wahrheit)
• Rechtliche Würdigung aber Sache des Gerichts
(iura novit curia)
• Aber:
– Hinweis- und Aufklärungspflichten nach § 139, auch
auf Beweismittel, für die es Hinweise in den Akten
gibt;
– Erweiterte Hinweispflichten nach §§ 232, 504 in
Verfahren ohne Anwaltszwang (§ 78 I).
Mündlichkeitsgrundsatz
• Grundsatz der mündlichen Verhandlung:
Sachvortrag, Prozesshandlungen (Anträge!),
Beweisaufnahme und Urteilsverkündung erfolgen
alle in der (notwendigen) mündlichen
Verhandlung (§§ 127, 128, 136, 137, 297, 310)
• Aber:
– Parteien können auf die mündliche Verhandlung
verzichten (§ 128 II 1)
– Bezugnahme auf vorbereitende Akten möglich
(§ 137 III)!
Merke: Beschlüsse ergehen ohne mündliche Vhdl.!
Unmittelbarkeitsgrundsatz
• Mündliche Verhandlung (§ 128 I) und
Beweisaufnahme (§ 355) muss vor dem
erkennenden Gericht stattfinden.
• Das Urteil kann nach § 309 nur von den Richtern
gefällt werden, die an der Verhandlung
teilgenommen haben.
• Aber:
– Nach hM genügt die Teilnahme an dem letzten
Termin zur mündlichen Verhandlung;
– Die Beweisaufnahme kann auch von einem
beauftragten oder ersuchten Richter
vorgenommen werden (§§ 355 I 2, 361, 362).
Öffentlichkeitsgrundsatz
• Im GG nicht ausdrücklich normiert, aber Art. 6 I
EMRK und Art. 47 II GRCh.
• Einfachgesetzlich in § 169 S. 1 GVG
• Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist
absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr. 5).
Rechtliches Gehör
• Prozessuales Urgrundrecht nach Art. 103 I GG;
• Schützt Parteien, aber auch materiell betroffene
Dritte (etwa § 841);
• Gewährleistet u.a. ordnungsgemäße
Benachrichtigungen, Recht zum Tatsachenvortrag,
zum Beweisantritt, zur Erwiderung, Anspruch auf
Würdigung des eigenen relevanten Vorbringens.
Fall (nach BGH NJW- RR 2013, 307):
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen. Der Beklagte ist
ein international tätiger Geschäftsmann aus Estland. Mit
Generalunternehmervertrag vom 26. Juli 2005 beauftragte
der Beklagte die Klägerin mit der Ausführung von Bauarbeiten
für das Bauvorhaben H. P., M. Lane, W., Großbritannien, wobei
der Beklagte im Vertrag diese Anschrift als seine Anschrift
angab. In dem Vertrag heißt es unter Ziffer 2.2: "Dem Auftragnehmer ist bekannt, dass sich der Auftraggeber der L. GmbH
bedient, die berechtigt ist, den Auftraggeber zu vertreten".
Zwischen den Parteien kam es zum Streit über Baumängel.
Der Beklagte kündigte den Generalunternehmervertrag mit
Anwaltsschreiben vom 25. Juli 2007. Die Klägerin übersandte
der L. GmbH ihre Schlussrechnung vom 11. März 2008. Die L.
GmbH teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie nicht mehr
zustellungsbevollmächtigt für den Beklagten sei. Im Januar
2009 hat die Klägerin eine Klageschrift beim Landgericht
eingereicht und beantragt, die öffentliche Zustellung der
Klage, gerichtet auf Zahlung von 2.463.881,76 € nebst Zinsen,
an den Beklagten zu bewilligen. Das LG folgte dem Antrag auf
öffentliche Zustellung. In der Folge erging ein Versäumnisurteil
gegen den Beklagten.
Gesetzlicher Richter:
• Normiert in Art. 101 I 2 GG (siehe auch Art. 6 I 1
EMRK, Art. 47 II 1 GRCh)
• Der Richter muss abstrakt-generell
vorausbestimmt sein (BVerfGE 95, 322 (329))
• Art. 101 I 2 GG schützt nur vor willkürlichen
Manipulationen!
Waffengleichheit der Parteien
• Aus Art. 3 I GG abgeleitet
• Fordert etwa die Angleichung des Rechtsschutzes
für bemittelte und unbemittelte Personen.
Beschleunigungsgrundsatz folgt aus Art. 6 I 1 EMRK
und Art. 47 I 1 GRCh.
§ 3 Die Klagearten
• Leistungsklagen:
– Auf Verurteilung zu einem Tun oder Unterlassen
gerichtet (häufigster Fall)
– Grundsätzlich nur fällige Ansprüche, ausnahmsweise auch Klage auf künftige Leistung (§§ 257
bis 259)
• Feststellungsklagen (§ 256):
– Zur Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens von Rechtsverhältnissen
– Rechtsschutzinteresse erforderlich
• Gestaltungsklagen
– Vollzug eines Gestaltungsrechts ist von einem
Richterspruch abhängig (zB Scheidung der Ehe
durch Urteil nach § 1564 BGB)
§ 4 Die Sachurteilsvoraussetzungen
• Ordnungsgemäße Klageerhebung
• Gerichtsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen
(Deutsche Gerichtsbarkeit, ordentlicher
Rechtsweg, Zuständigkeit)
• Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzungen
• Streitgegenstandbezogene
Sachurteilsvoraussetzungen
• Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
1. Ordnungsgemäße Klageerhebung
• Anforderung an die Klageschrift bestimmen sich
nach §§ 253 II-IV, 130
• Durch die Zustellung der Klageschrift tritt
Rechtshängigkeit ein (§ 261 I)
Fall (nach BAG NJW 2013, 252):
Die Klägerin gewährte dem in Chile ansässigen Beklagten ein
Arbeitgeberdarlehen, das dieser nicht zurückzahlte. Als
Gerichtsstand war München vereinbart. Als der Beklagte das
Darlehen nicht wie geschuldet zurückzahlte, reichte die
Klägerin am 31.12.2007 Klage beim Arbeitsgericht München
ein. Nach Übersetzung von Klageschrift und Anlagen sowie
Legalisierung der Unterschrift der Kammervorsitzenden hat
das Arbeitsgericht die Zustellung der Klageschrift im
Rechtshilfeverkehr mit Chile eingeleitet und mit Verfügung
vom 9. April 2008 die Klägerin ua. auf eine Mindestzustellzeit
von sechs Monaten hingewiesen. Die Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Chile bestätigte mit Schreiben
vom 30. Juli 2008 die Weiterleitung des Zustellungsantrages
an den chilenischen Obersten Gerichtshof. Im ersten
Gütetermin vom 18. Dezember 2008 hat die Vorsitzende dem
allein erschienenen Klägervertreter mitgeteilt, dass noch kein
Zustellnachweis vorliegt. Die Zustellung der Klage an den
Beklagten erfolgte dann am 31. Juli 2009 an seiner
Wohnanschrift. Der Beklagte erhebt die Einrede der
Verjährung. Zurecht?
2. Die Zuständigkeiten
Zu unterscheiden sind die Rechtswegzuständigkeit,
die örtliche, die sachliche und die funktionelle
Zuständigkeit.
a. Rechtswegzuständigkeit
• Gemäß § 13 GVG gehören alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten vor die Zivilgerichte.
Beispiele:
a) K ist in der Anwaltskanzlei B beschäftigt. Als K eine
Woche krank ist und nicht arbeiten kann, zahlt B
ihm keinen Lohn. K klagt nun vor dem
Arbeitsgericht auf Lohnfortzahlung gegen B. B
wendet ein, dass K kein Arbeitnehmer, sondern
freier Mitarbeiter sei.
b) Die G-GmbH schuldet der AOK Sozialversicherungsbeiträge, für deren Zahlung sich der H
verbürgt. Die AOK erhebt Klage vor dem LG.
c) Die Gemeinde K will auf einem ihr gehörigen
Grundstück einen Spielplatz errichten. E ist
Eigentümer des angrenzenden Grundstücks und
klagt gegen die K auf Unterlassung, weil er die
drohende Lärmbelästigung fürchtet.
2. Die Zuständigkeiten
Zu unterscheiden sind die internationale Zuständigkeit, die Rechtswegzuständigkeit, die örtliche, die
sachliche und die funktionelle Zuständigkeit.
a. Rechtswegzuständigkeit
• Gemäß § 13 GVG gehören alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten vor die Zivilgerichte.
• Daneben gibt es noch weitere Sonderzuweisungen an die Zivilgerichte (etwa § 40 Abs. 2 VwGO).
• Gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 muss das angerufene
Gericht bei Unzuständigkeit des Rechtswegs den
Streit an das zuständige Gericht des zulässigen
Rechtswegs verweisen.
b. Die örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand)
• Die örtliche Zuständigkeit bestimmt, welches
von mehreren Gerichten gleicher Art (AG, LG,
OLG usw.) zuständig ist (horizontale Zust.).
• Die Einteilung der Gerichtssprengel ist
Ländersache
Unterscheide:
 Allgemeiner Gerichtsstand
 Besondere Gerichtsstände
 Ausschließliche Gerichtsstände
• Unter mehreren Gerichtsständen hat der Kläger
die Wahl (§ 35)
i. Allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17)
• Für alle Klagen zuständig, soweit kein
ausschließlicher Gerichtsstand (§ 12)
• Bei natürlichen Personen der Wohnsitz (§ 13)
– Verweist auf §§ 7 ff. BGB
– Bei wohnsitzlosen Personen gilt § 16
• Bei juristischen Personen der Sitz (§ 17 I)
– Regelmäßig durch die Satzung/
Gesellschaftsvertrag festgelegt (Satzungssitz)
– Soweit nicht bestimmt, Sitz der Verwaltung
(§ 17 I 2)
ii. Besondere Gerichtsstände
Besondere Gerichtsstände begründen für besondere
Fälle zusätzliche Zuständigkeiten. Wichtig:
• § 20: Aufenthaltsort etwa bei Studenten
• § 29: Der Erfüllungsort
Beispiel (BGHZ 157, 20):
B aus Schleswig hat den Anwalt A aus Kiel mit der
Erstellung einiger Verträge beauftragt. Als B das
vereinbarte Honorar in Höhe von 500,- € nicht zahlt,
klagt A vor dem AG Kiel. Ist das Gericht zuständig?
Fall (nach BGH NJW-RR 2014, 248):
Die klagenden Eheleute die Beklagte zu 1 als Verkäuferin
und die Beklagte zu 2 als finanzierende Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb einer in L. belegenen Eigentumswohnung als Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch.
Nach dem Klagevortrag haben sich die Kläger auf der
Grundlage einer fehlerhaften Beratung die D-GmbH zum
Kauf entschlossen. Im Zuge der Beratungsgespräche sei das
als Anlage K10 vorgelegte Exposé der Klägerin zu 1 verwendet worden, das die Risiken der Kapitalanlage beschönige.
Die Wohnung sei sittenwidrig überteuert gewesen. Die
Beklagten müssten sich die Fehlberatung durch die Mitarbeiter der D. zurechnen lassen. Sie hätten zudem eigene
Aufklärungspflichten verletzt. Zum Zeitpunkt der Zustellung
der Klageschrift hatte die Schuldnerin ihren Sitz im Bezirk
des LG Frankfurt, die Beklagte zu 2 ist im Bezirk des LG
Hannover ansässig. Die Kläger haben Klage gegen beide
Beklagten beim LG Frankfurt erhoben. Nachdem die Beklagte zu 2 die Zuständigkeit gerügt hatte, haben die Kläger
beantragt, das OLG Frankfurt möge das LG Frankfurt am
Main als zuständiges Gericht bestimmen. Zurecht?
ii. Besondere Gerichtsstände
Besondere Gerichtsstände begründen für besondere
Fälle zusätzliche Zuständigkeiten. Wichtig:
• § 20: Aufenthaltsort etwa bei Studenten
• § 29: Der Erfüllungsort
Beispiel (BGHZ 157, 20):
B aus Schleswig hat den Anwalt A aus Kiel mit der
Erstellung einiger Verträge beauftragt. Als B das
vereinbarte Honorar in Höhe von 500,- € nicht zahlt,
klagt A vor dem AG Kiel. Ist das Gericht zuständig?
• § 32: Der Ort der unerlaubten Handlung (vor allem
bei subjektiver Klagehäufung interessant).
Fall 1 (nach BGHZ 153, 173):
Die Antragstellerin will die Beklagten als Gesamtschuldner im Wege des Gesamtschuldner-Regresses in
Anspruch nehmen. Nach ihrer Darstellung beruht ihr
Begehren auf folgender Begebenheit: Zwischen einem
Rettungswagen der Antragstellerin und einem von dem in
H. wohnenden Antragsgegner zu 2 gelenkten PKW kam es
in H. zu einem Verkehrsunfall. Halter des geleasten PKWs
war die in P. ansässige Antragsgegnerin zu 1. Die Antragstellerin ersetzte der Leasinggeberin den am Leasingfahrzeug entstandenen Schaden in voller Höhe. Sie meint,
die Antragsgegner hätten sich jedenfalls in Höhe einer
Haftungsquote von 30 % (entsprechend 2.541,90 €) an
den ihr auf diese Weise entstandenen Kosten zu beteiligen. Die Antragstellerin hat am 10. April 2002 bei dem
Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg beantragt, für
die beabsichtigte Klage gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO einen
gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen.
Fall 2 (nach BGH NJW 2010, 1752):
Der in Deutschland wohnhafte Kläger nimmt die
Verlegerin der Tageszeitung "The New York Times" sowie
den in New York ansässigen Autor eines am 12. Juni 2001
in den Inter-netauftritt der Zeitung eingestellten und dort
im "Online-Archiv" zum Abruf bereit gehaltenen Artikels,
durch den sich der Kläger in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auf Unterlassung in
Anspruch.
Der beanstandete Artikel befasst sich mit einem in der
Stadt New York eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen
R. L. wegen Bestechung ukrainischer Regierungsangestellter. In dem Artikel wird der Kläger namentlich erwähnt und als Goldschmuggler und Täter einer Unterschlagung bezeichnet, dessen Unternehmen in Deutschland Teil der russischen organisierten Kriminalität sei. Es
wird behauptet, der Kläger habe Verbindungen zum
organisierten Verbrechen in Russland und ihm sei die
Einreise in die USA untersagt. Ist die Zuständigkeit eines
deutschen Gerichts nach § 32 gegeben?
ii. Besondere Gerichtsstände
Besondere Gerichtsstände begründen für besondere
Fälle zusätzliche Zuständigkeiten. Wichtig:
• § 20: Aufenthaltsort etwa bei Studenten
• § 29: Der Erfüllungsort
Beispiel (BGHZ 157, 20):
B aus Schleswig hat den Anwalt A aus Kiel mit der
Erstellung einiger Verträge beauftragt. Als B das
vereinbarte Honorar in Höhe von 500,- € nicht zahlt,
klagt A vor dem AG Kiel. Ist das Gericht zuständig?
• § 32: Der Ort der unerlaubten Handlung (vor allem
bei subjektiver Klagehäufung interessant).
• § 33: Gerichtsstand bei der Widerklage
iii. Ausschließliche Gerichtsstände
• Ein ausschließlicher Gerichtsstand geht allen anderen
Gerichtsständen vor und schließt auch eine
Parteivereinbarung aus.
• Wichtig: § 24 als dinglicher Gerichtsstand das
Gericht, in dessen Bezirk die Sache belegen ist.
• §§ 25, 26 sind nur besondere Gerichtsstände!
• § 29c I 2: Ausschließlicher Gerichtsstand bei Klagen
gegen Verbraucher
• § 29a bei Miet- und Pachträumen
Beispiel:
X aus Hamburg hat sich eine Ferienwohnung des V an
der Ostseeküste für zwei Wochen gemietet, aber die
Miete in Höhe von 3000,- € nicht bezahlt. Welches
Gericht ist für eine Klage des V zuständig?
c. Die sachliche Zuständigkeit
• Regelt die Kompetenzverteilung zwischen den
Gerichten erster Instanz.
• Gemäß § 1 ZPO grds. durch GVG bestimmt.
• Ausnahmen:
– Parteivereinbarung (Prorogation) nach
§§ 38 ff. ZPO;
– Verweisung bei fehlender sachlicher
Zuständigkeit gemäß §§ 281, 506 ZPO;
– Zuständigkeit des AG im Mahnverfahren nach
§ 689 ZPO;
– Zuständigkeiten im einstweiligen Rechtsschutz
nach §§ 919 (Arrest), 937, 943 (einstweilige
Verfügung).
Zuweisung der sachlichen Zuständigkeit nach GVG
• Streitwertunabhängig:
– Zum AG:
• §§ 23 Nr. 2,
Beispiel:
Vermieter V möchte Mietrückstände für vermietete Räume
in Kiel einklagen. Welches Gericht ist zuständig?
• 23a- 23c GVG (Familiensachen und
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
– Zum LG: § 71 Abs. 2 GVG; wichtig v.a. Nr. 2: Haftung
nach § 839 BGB
• Streitwertabhängig nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG
– Zum AG bis zu 5000 Euro
– Zum LG über 5000 Euro
d. Die funktionelle Zuständigkeit
• Einerseits die „vertikale“ (auch instanzielle)
Zuständigkeit im Instanzenzug;
• Andererseits die Zuständigkeit verschiedener
Organe eines Gerichts (Einzelrichter, Kammer, Senat)
Insbesondere Einzelrichter oder Kammer am LG:
• Grds. originärer Einzelrichter nach § 348 I 1, wenn
nicht originäre Kammerzuständigkeit nach § 348 I 2
besteht.
• Bei originärer Kammerzuständigkeit Übertragung auf
den obligatorischen Einzelrichter nach § 348a
möglich.
• Der Einzelrichter kann die Sache (wieder) der
Kammer vorlegen, §§ 348 III, 348a II.
e. Vereinbarungen über die Zuständigkeit
(Prorogation)
• Grds. nur Kaufleuten und juristischen Personen
des öffentlichen Rechts erlaubt (§ 38 I).
• Alle anderen nur in den Fällen der § 38 II, III.
Prüfung einer wirksamen Prorogation:
• Voraussetzungen des § 38 erfüllt?
• Bestimmtes Rechtsverhältnis iSd § 40 I?
• Kein Fall des § 40 II 1 Nr. 1 (nur bei § 23a GVG)
• Keine ausschließliche Zuständigkeit (§ 40 II 1 Nr. 2)?
Eine an sich nicht bestehende Zuständigkeit kann auch
durch rügeloses Einlassen nach § 39 begründet
werden. Beim Amtsgericht Belehrung nach § 504 nötig.
Fall (nach BGH NJW-RR 2010, 891):
Die G-GbR ist eine Bauherrengemeinschaft mit
Sitz in Nürnberg. Sie hat mit U, der seinen Sitz in
Düsseldorf hat, einen Vertrag über die
Errichtung einer Wohnanlage in Leipzig
geschlossen. Der Vertrag enthält folgende
Klausel: „Erfüllungsort und Gerichtsstand ist
Düsseldorf“. Aufgrund von Mängeln beantragt
die G-GbR beim LG Leipzig die Durchführung
eines selbständigen Beweisverfahrens (§§ 485
ff.). U rügt die örtliche Unzuständigkeit.
3. Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzungen
• Die Partei ist allein nach der Klageschrift zu
bestimmen (§ 253 II Nr. 1, formeller Parteibegriff)
• Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, Subjekt eines
Prozessrechtsverhältnis (§ 50 I, auch GbR)
• Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, einen Prozess
selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter zu
führen und Prozesshandlungen vorzunehmen und
entgegenzunehmen (§ 51 I)
• Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, vor Gericht
selbst Prozesshandlungen vornehmen zu können
(Anwaltszwang nach § 78 I)
• Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess
im eigenen Namen über ein eigenes und fremdes
Recht als Partei zu führen (gesetzliche und
gewillkürte Prozessstandschaft).
4. Streitgegenstandbezogene Sachurteilsvoraussetzungen
• Außergerichtlicher Güteversuch, soweit die Länder
von § 15a EGZPO Gebrauch gemacht haben.
• Klagbarkeit des geltend gemachten Anspruchs
• Bestimmtheit des Streitgegenstands (§ 253 II Nr. 2):
Bestimmter Gegenstand und Grund des erhobenen
Anspruchs sowie ein bestimmter Antrag.
• Der Antrag muss vollstreckungsfähig sein.
• Keine anderweitige Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr. 1)
• Keine entgegenstehende Rechtskraft (§§ 322, 705)
• Rechtsschutzbedürfnis (insbesondere bei der
Feststellungsklage zu prüfen).
Fall (Assmann, Fälle zum Zivilprozessrecht, S. 9 ff.):
V aus Potsdam hat Werkleistungen an einem Gebäude
der K-GbR in Potsdam erbracht, in dem die K-GbR auch
ihr Geschäftsbüro und ein Fitnessstudio betreibt. Für
die Arbeiten sollte V einen Lohn von 5000,- € erhalten.
Den Anspruch hat V zur Sicherheit an die H-Bank abgetreten. Im Sicherungsvertrag ermächtigt die H-Bank V
zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung im
eigenen Namen. Da die K-GbR wegen angeblicher
(nicht bestehender) Mängel nicht zahlt, reicht V beim
Amtsgericht Potsdam Klage ein mit dem Antrag, die KGbR zur Zahlung von 5000,- € an sich zu verurteilen. In
der Klageschrift legt er dar, dass es sich um eine
Forderung der H-Bank handelt und er nur zur Klage
ermächtigt wurde. Nach einem richterlichen Hinweis
ändert V dann seinen Antrag und verlangt nun Zahlung
an die H-Bank? Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?
Abwandlung:
Während V den Prozess vor dem Amtsgericht
Potsdam führt, wachsen bei der H-Bank die
Zweifel an seiner Kompetenz. Die H-Bank teilt
dem V deshalb mit, dass sie ihm die
Ermächtigung zur Prozessführung entziehe und
erhebt selbst Klage vor dem AG Potsdam gegen
die K-GbR. Ist diese Klage der H-Bank zulässig?
Literaturhinweise:
• Huber, Grundwissen – Zivilprozessrecht: Sachliche
Zuständigkeit, JuS 2012, 593-595
• Huber, Grundwissen - Zivilprozessrecht:
Einzelrichter- und Kammerzuständigkeit, JuS
2011, 114-116
• Oestmann, Die prozessuale Zusatzfrage in der
BGB-Klausur, JuS 2003, 870-872