Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO)

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Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO)

Prof. Dr. Christopher Keim, Notar, Bingen, Honorarprofessor an der Johannes-Gutenberg Universität, Mainz

Inhalte:

 Neues Erbkollisionsrecht  Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) Internationale Zuständigkeit und Vollstreckung Inkrafttreten: 16. August 2012, aber nur für Erbfälle ab 17. August 2015 (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO) Geltungsbereich: EU außer Dänemark, Irland, Großbritannien, auch Verhältnis zu Drittstaaten

Anknüpfung des Erbstatuts

Art. 21 I EuErbVO: gewöhnlicher Aufenthalt im Erbfall: streitig: Verfestigung/Dauer Art. 21 II EuErbVO: Ausweichklausel bei engerer Verbindung zu anderer Rechtsordnung: – Verhältnis zu Abs. 1 offen

Reichweite der Anknüpfung Art. 21 EuErbVO

Grundsatz: gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen – keine Nachlassspaltung • • • • Art. 23 EuErbVO: autonome Qualifikation, zum Beispiel: Erbenhaftung Erbauseinandersetzung Rechte des Erben und Testamentsvollstreckung Pflichtteil Probleme: 1.

Abgrenzung zum Güterrecht: Problem § 1371 I BGB 2.

 Abgrenzung zum Sachenrecht Art. 1 Abs. 2 k EuErbVO: Sachenstatut lex rei sitae:  Art. 23 I e: „Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte“

Rück- und Weiterverweisung bei Drittstaatenrecht (Art. 34)

34 I: Gesamtverweisung (mit Internationalem Privatrecht!) a) bei Rückverweisung auf Recht eines Mitgliedstaates b) oder auf Drittstaat, der Verweisung annimmt 34 II: bei Rechtswahl nur auf Sachnormen Beispiel: Ein Luxemburger wohnt in England (gewöhnlicher Aufenthalt und Domizil) und hat in Luxemburg eine Immobilie

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Die Rechtswahl (Art. 22 EuErbVO)

Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit Art. 21 I: bei Doppelstaatlern auf jedes Heimatrecht, entweder Staatsangehörigkeit im Ztpkt. der Errichtung oder beim Erbfall Form einer letztwilligen Verfügung (Art. 22 II) notwendig Materielle Wirksamkeit unterliegt gewähltem Recht (Art. 22 III) Auch Änderung/Widerruf (Art. 22 IV)

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Verfügungen von Todes wegen

Die materielle Wirksamkeit von Testamenten, Art. 24 EuErbVO: – Errichtungsstatut (Art. 24 I)= hypothetisches Erbstatut im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung • Ziel: Stabilität, keine Unwirksamkeit durch Statutenwechsel Erbverträge (Art. 25) – Errichtungsstatut • Bei mehreren Erblassern: Art. 25 II: Nur wenn hypothetisches Erbstatut beider Erblasser Erbvertrag zulässt Problem: gemeinschaftliches Testament als Erbvertrag?

– Art. 3 I lit. b: „einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente“

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Die auf Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung beschränkte Rechtswahl, Art. 24 II, 25 III EuErbVO

Beim mehrseitigen Erbvertrag auch umfassende Rechtswahl des Heimatrechtes eines Erblassers Beispiel: Deutsch-luxemburgisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Luxemburg möchte Erbvertrag errichten:  Keine umfassende Wahl des deutschen Rechts möglich  Aber: beschränkte Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO Rechtswahl bindend?

in Deutschland im Einzelnen streitig, aber im Ergebnis ja

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Formstatut, Art. 27 EuErbVO

Haager Testamentsformabkommen inkorporiert favor testamenti innerhalb der Mitgliedsstaaten auch für Erbverträge Zulässigkeit von Erbverträgen/ gemeinschaftlichen Testamenten Formproblem?

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Übergangsreglungen: Art. 83 EuErbVO

Art. 83 I: frühere Rechtswahlen bleiben zulässig – aber nur wenn zulässig nach Recht der Staatsangehörigkeit oder des gewöhnlichen Aufenthalts oder nach künftiger EuErbVO – Problem: gegenständlich beschränkte Rechtswahl eines in Ausland lebenden Ausländers für deutschen Grundbesitz nach Art. 25 II EGBGB Beispiel: Ein italienisches Ehepaar lebt in Italien und hat ein Ferienhaus in Deutschland. Beide haben nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB für diese Immobilie deutsches Erbrecht gewählt und einen Erbvertrag errichtet. Sie sterben nach dem 17.8.2015.

• • • • Art. 83 III: Bestandsschutz für bisherige Verfügungen von Todes wegen, wenn nach Recht der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltsstaats zulässig oder nach EuErbVO zulässig.

Beispiel: Ein italienisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland schließt vor dem 17.8.2015 einen Erbvertrag ohne Rechtswahl. Später ziehen sie nach Italien um, wo der Ehemann verstirbt.

Art. 83 IV: Stillschweigende Rechtswahl des Rechts der Staatsangehörigkeit Beispiel: Der verwitwete deutsche Staatsangehörige wohnt in Saarbrücken und errichtet 2013 ein Testament, in dem er seinen Sohn zum Alleinerben einsetzt und seine Tochter enterbt. Später zieht er nach Forbach um, wo er 2016 stirbt: Art. 83 Abs. 4: deutsches Recht stillschweigend gewählt

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Praxistypische Fälle

Der EU-Inländer mit gewöhnlichem Aufenthalt in seinem Heimatland – Wichtig: Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Urkunde dokumentieren – Bei Chance des Wegzugs ins Ausland: vorsorgliche Rechtswahl oder vorsorgliche ausdrückliche Nicht Rechtswahl insb. Rechtswahl bei Erbvertrag/ gemeinschaftlichem Testament In Deutschland lebende Ausländer – Das deutsche Recht kann nicht durch Rechtswahl gefestigt werden – Ggf. negative Rechtswahl

• • Beispiele: Zwei französische Staatsangehörige errichten vor einem deutschen Notar einen Erbvertrag. Er wohnt noch in Frankreich, sie in Deutschland. Nach Errichtung des Erbvertrages zieht auch er nach Deutschland. Keine einheitliche Rechtswahl möglich, weder nach Art. 22, noch für die Bindungswirkung nach Art. 25 Abs. 3!

Ein deutsch-luxemburgisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Luxemburg errichtet vor einem luxemburgischen Notar einen Erbvertrag. Eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 ist für die Bindungswirkung möglich.

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Fälle mit Drittlandbezug

Ein in Luxemburg lebender englischer Staatsangehöriger mit Bankkonten in beiden Ländern:  Trifft eine Rechtwahl zum englischen Recht  Trifft keine Rechtswahl Ein in England lebender (Domizil in England) Luxemburger verfügt in England und Luxemburg über Immobilien und Bankkonten Ein US-amerikanischer Staatsangehöriger stirbt mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Luxemburg  Abwandlung: Domizil und letzter gewöhnlicher Aufenthalt waren in den USA: Er hat aber Immobilien in Luxemburg Ein Luxemburger stirbt in den USA, wo er auch lebte. Er hat aber in Luxemburg noch nach seinem Wegzug luxemburgisches Recht gewählt.

• • Pflichtteilsvermeidung – Alle Vertragsstaaten haben auch umfassende Pflichtteilsrechte bzw. Noterbrechte – Pflichtteilsvermeidung durch Wohnsitzwechsel – Pflichtteilsvermeidung durch Immobilie in England/USA bisher ja, künftig schwieriger Der Vorbehalt des Ordre-Public des Art. 35 EuErbVO