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Peter Stamm: Agnes
1
Lesekompetenz (Pisa)
die Fähigkeit, Texte
• in ihren Aussagen
• ihren Absichten und
• ihrer formalen Struktur zu verstehen und
• sie in einen größeren sinnstiftenden
Zusammenhang einzuordnen,
sowie in der Lage zu sein,
• Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht
zu nutzen.
2
Literaturunterricht
Dargestellte Sachverhalte und reale Sachverhalte unterscheiden
Gefahr:
• Schüler sehen die fiktionale Welt als Widerspiegelung der realen
Welt . Der Symbolcharakter von Literatur wird übersehen.
•
Grund:
– Ein Verstehen des Textsinns und ein Reflektieren auf das Verhältnis
zwischen Fiktion und Realität des Lesers sind nicht gleichzeitig möglich:
•
Problem: Nach Beendigung der Lektüre gelingt nicht der Sprung zu
einer Analyse aus der Distanz nicht vollzogen.
Aufgabe für Lehrende: Die eigenen Formulierungen kontrollieren.
– Statt zu fragen: „Wie sieht Agnes‘ Wohnung aus?”
– „Wie ist Agnes‘ Wohnung dargestellt?”
 den Text als Darstellung von eines Elementes der Literatur
bezeichnen
Ziel: Das Gleichsetzen eines dargestellten Sachverhalts mit dargestellter
Realität verringern und so der Reflexion eine Chance eröffnen.
3
Literaturunterricht
Dargestellte Sachverhalte und reale Sachverhalte unterscheiden
Aus der Interpretation eines Schülers:
Nach Watzlawick kann die Lösung des Konflikts der beiden
Ehepartner in einer Analyse ihrer Probleme miteinander auf der
Ebene der Meta-Kommunikation sein. …
Känsterle müsste seiner Frau sagen, wie sehr er sich verletzt fühlt,
weil sie ihn nicht akzeptiert. Er ist zufrieden damit, wie er ist, …
Seine Frau andererseits müsste auch ihre Gefühle darlegen und
erklären, warum sie mit ihm unzufrieden ist. …
Als Außenstehender kann man allerdings sagen, dass das Paar
ganz unterschiedliche Bedürfnisse hat und Ansprüche an die
Partnerschaft stellt. Es gibt keine Perspektive für ein
gemeinsames Leben. …
Man ist geneigt, dem Paar zu einer Trennung zu raten. Lieber ein
Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Denkfehler:
Das Dargestellte wird als Widerspiegelung der Realität gesehen.
4
Figuren und Beziehungen - Dialoganalyse
Agnes schwieg.
»Siehst du Louise noch?« fragte sie später. direkt / Initiative
Weicht
aus: dagegen
Ortsangabe /tun.«
Verteidigung
»In der Bibliothek. Ich kann
nichts
»Möchtest du etwas dagegen tun?«
direkt
»Es ist nichts mehr zwischen uns.« weicht aus / Beschwichtigung
»Und was war zwischen euch?«
direkt
Thema: Louise
»Nichts«,
sagte ich. »Ich habe ihr gesagt, du seist
zurückgekommen.«
direkt: verd. Lüge / Beschwichtigung
• Asymmetrisches Gespräch
»Du
bistdominiert
zurückgekommen.«
direkt / Korrektur
• Agnes
• Verhörgespräch
»Sie
weiß viel über Pullman, und ich komme durch sie mit
• Der Erzähler istLeuten
in der Defensive.
interessanten
in Kontakt.«
Verteidigung
»Das
ist doch toll.«
 Agnes‘ Emanzipation
direkt / Ironie
»Ja.«
sprachlos: hilflos
5
Figuren und Beziehungen - Dialoganalyse
»Hast du mit ihr geschlafen?« fragte Agnes.
»Ist das wichtig?«
»Ja.«
»Und du mit Herbert?«
»Nein.«
»Warum wolltest du zu ihm gehen mit dem Kind?«
»Weil er für mich da ist. Und weil er mich liebt.«
»Und warum bist du zu mir zurückgekommen?«
»Wenn du das nicht weißt...«, sagte Agnes. »Weil ich dich
liebe, nur dich. Auch wenn du es nicht glauben willst.«
6
Der Erzähler als Erzählinstanz
Wir schwiegen.
Dann sagte Agnes: »Ich bin schwanger ...
Ich kriege ein Kind«, sagte sie.
»Freust du dich?«
Ich stand auf und ging in die Küche, um
mir ein Bier zu holen. Als ich
zurückkam, saß Agnes auf meinem
Schreibtisch und spielte mit einem
Kugelschreiber. Ich setzte mich neben
sie, ohne sie zu berühren. Sie nahm
mir die Flasche aus der Hand und
trank einen Schluck.
»Schwangere Frauen sollten keinen
Alkohol trinken«, sagte ich und lachte
verkrampft.
Sie boxte mich in die Schulter. »Und?«
fragte sie. »Was sagst du?«
»Nicht gerade, was ich mir vorgestellt
habe. Warum? Hast du die Pille
vergessen?«
»Der Arzt sagt, es kann auch mit der Pille
passieren. Ein Prozent oder so der
Frauen, die die Pille nehmen ...«
Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts.
Agnes begann, leise zu weinen.
»Agnes wird nicht schwanger«, sagte ich.
»Das war nicht... Du
Ich schrieb.
Wir küßten uns.
Dann sagte Agnes: »Ich bekomme ein
Kind.«
»Ein Kind?« sagte ich. »Das ist nicht
möglich.«
»Doch«, sagte sie.
»Warum? Hast du die Pille vergessen?«
»Der Arzt sagt, es kann auch mit der Pille
passieren. Ein Prozent der Frauen, die
die Pille nehmen ...«
»Es richtet sich nicht gegen dich oder das
Kind. Ich will nicht, daß du denkst...«,
sagte ich, »aber ich habe Angst davor,
Vater zu werden. Was kann ich einem
Kind schon bieten ... ich meine nicht
Geld.« Wir schwiegen. Schließlich
sagte Agnes: »Dinge geschehen. Du
wirst es nicht schlechter machen als
die anderen. Wollen wir es nicht
wenigstens versuchen?«
»Ja«, sagte ich, »wir werden es schon
irgendwie schaffen.«
7
Der unzuverlässige Erzähler
Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.
Hinweise?
Peter Stamm hat in einem Interview dazu Stellung genommen:
Peter Stamm Na ja, die Übereinstimmung ist nicht so klar. Man weiß nicht
wirklich, ob sie das tut, was er aufgeschrieben hat.
Für ihn tut sie es, glaube ich,
das zeigt eher, in welcher geistigen Verfassung er ist, dass er eben gar nicht
mehr anders denken kann, als dass Agnes vorzieht, was er geschrieben hat.
Ich sage oft in Schulen, wenn die Frage kommt, dass es unwahrscheinlich ist,
dass sie sich umbringt. Psychologisch betrachtet: Was würde ich machen, wenn
eine Freundin über mich schreibt, dass ich mich umbringe? Dann würde ich
vermutlich sagen: diese Beziehung hat keine Basis mehr. Oder ich gehe
vielleicht besser weg, aber ich würde mich bestimmt nicht umbringen.
Aber das ist auch nicht so wichtig, es geht in dem Buch nicht darum, eine
reale Beziehung zu beschreiben, sondern in gewissem Sinne darum,
die Macht der Beziehung zu zeigen. …
8
3. Romanstruktur
1.
Leser-Text-Ebene: Roman Agnes, intertextuelle Bezüge zu Kunst und
Literatur
Ich-Erzählform:
2. Romanwirklichkeit: Die Beziehung zwischen Agnes und dem Erzähler
3. Geschichte in der Geschichte: Der Erzähler als Autor
Figuren: Der Erzähler als erlebendes Ich, Agnes
4. Geschichte in der Geschichte: Agnes als Autorin
Figuren: Agnes als erlebendes Ich, ein Mann
5. Erzählte Episoden: Agnes u. der Erzähler als Autoren
Figuren: Agnes /Erzähler als erlebendes Ich, die Eltern, Herber t/ …
9
Peter Stamm: Agnes
3.5 Verhältnis von Romanwirklichkeit und „Geschichte im Roman“
Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.
Romanwirklichkeit
bestimmt
Beziehung wird nacherzählt. (Agnes, S.
42)
Der Erzähler übernimmt (S. 50, 53)
„stieß ich in der Geschichte in die Zukunft
vor. Jetzt war Agnes mein Geschöpf.“
(S.61)
Die Geschichte
Kennenlernen
Perspektive des Mannes
Romanwirklichkeit
Figuren spielen die Geschichte nach. (S.
63)
Agnes handelt nach der Version von
Schluss 2 (S. 153)
Agnes’ Tod (S. 153)
Die Geschichte
Erzähler erfindet die Romanwirklichkeit (S.
63)
Erzähler erfindet einen positiven Schluss –
Schluss 1 (S. 137) „Er war … nicht
wahr.“(S. 139)
Erzähler schreibt Schluss 2 zu Ende (S.
140)
bestimmt
10
4.8motive_schluss_kartografie_loesung
Handout
Lange schaute Agnes in die Sterne, die ihr auf dem Bildschirm entgegenkamen. Das
Geheimnisvolle, dachte sie, ist die Leere in der Mitte. Sie fühlte, wie sie immer tiefer
hineingezogen wurde. Es war ihr, als tauche sie in den Bildschirm ein, werde zu den
Worten und Sätzen, die sie gelesen hatte. Die Hand, die den Computer ausschaltete, schien
nicht die ihre, der Körper, der sich anzog, nicht der ihre zu sein. Agnes verließ die Wohnung,
nahm den Fahrstuhl, ging wie in Trance am Portier vorbei, der über seiner Zeitung eingeschlafen
war.
Die
Fahrt nach Willow Springs dauerte fast eine Stunde. Als Agnes ausstieg, war Mitternacht
lange vorüber, aber man hörte noch immer das Knallen von Feuerwerk, und manchmal wurde der
Himmel einen Augenblick lang von bengalischem Feuer erleuchtet. Agnes fror, obwohl sie ihren
dicken Wintermantel trug, aber selbst das Frieren schien weit weg zu sein, es war, als stelle sie
die Kälte nur fest, ohne sie zu fühlen. Sie ging durch lange Straßen, an Reihen kleiner hölzerner
Häuser vorbei, aus denen noch hier und da Stimmen und Musik zu hören waren.
Agnes hatte das Ende der Straße erreicht. Vor ihr lag der Park in vollkommener Dunkelheit. Blind
machte sie einige Schritte ins Dunkle hinein, dann konnte sie wieder sehen. Es war, als würde
sie eine andere Welt betreten. Der Himmel, der, vom Licht der Straßenlampen verschmutzt, wie
eine orangefarbene Decke über den Wohnvierteln gelegen hatte, war hier durchsichtig schwarz.
Sie sah unzählige Sterne, erkannte den Schwan und den Adler. Die Mondsichel war so schmal,
daß sie gerade genug Licht gab, um die schneebedeckten Wege zu erleuchten.
Der Wind blies böig. Das Brausen in Agnes' Ohren überdeckte jedes andere Geräusch, jeden
Gedanken. Sie verirrte sich auf den verschlungenen Wegen und mußte lange suchen, bis sie
den Platz im Wald wiederfand. Die Bäume hatten ihre Blätter verloren, und der See war
zugefroren. Aber Agnes erkannte die Stelle. Sie zog ihre Handschuhe aus und fuhr mit den
Händen über die eiskalten Stämme der Bäume. Sie fühlte nicht die Kälte, aber sie spürte die
schorfige Rinde an ihren fast tauben Fingerkuppen. Dann kniete sie nieder, legte sich hin und
drückte ihr Gesicht in den pulvrigen Schnee. Langsam gewann sie das Gefühl zurück, erst
in den Füßen, in den Händen, dann in den Beinen und Armen, es breitete sich aus, wanderte
durch ihre Schultern und ihren Unterleib zu ihrem Herzen, bis es ihren ganzen Körper durchdrang
und es ihr schien, als liege sie glühend im Schnee, als müsse der Schnee unter ihr
schmelzen.
(S. 152)
Motive sind mit der Handlung verknüpft und geben Hinweise zur Deutung.
11
Peter Stamm: Agnes
Intertextualität
1. Textimmanente Bezüge (v.a. die durch sie konstituierten
Auffälligkeiten) z.B:
- Die tote Frau auf dem Bürgersteig vor dem Restaurant
2. Texttranszendentale (aber werkimmanente) Bezüge. z.B.
- Die Geschichte von Agnes des Ich-Erzählers
- Agnes’ Geschichte
- Agnes’ Erzählung von dem Tod des Mädchens im Pfadfindercamp
- Episoden: z.B. Herbert, Agnes’ Eltern
3. Text- und werktranszendentale Referenzen zu anderen –
fremden – literarischen Texten, z.B.
- Robert Frost, „Stopping in the Woods on a Snowy Evening”
- William Shakespeare: “Sonnett XVIII”
- Dylan Thomas:” A Refusal to Mourn the Death of a Child, by Fire, in
London”
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Intertextualität: Seurat
• Das passende Bild können Sie hier
betrachten:
http://www.ibiblio.org/wm/paint/auth/seurat
/grande-jatte/seurat.grande-jatte.jpg
Quelle: http://www.ibiblio.org/wm/paint/auth/seurat/grande-jatte/seurat.grande-jatte.jpg
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5.4intertextualitaet_seurat_loesung
Seurat: Un Dimanche d’été (1884/86 / The Art Institute of Chicago)
Malstil: pointillistisch:
Regelmäßige Farbtupfer in reinen Farben bilden ein Bild.
Ateliermalerei: bewusst komponiert
Simultankontrast von benachbarten Farben
Kontrast von hell und dunkel
Kontrast von horizontaler und vertikaler Linienführung
Ausdruck:
Heiterkeit (Licht, warme Farben, Blick in die Weite)
Ruhe: Gleichgewicht von hell-dunkel, von kalten u. warmen Farben
Trauer: dunkel, kalte Farben, sinkende Linie
Die Realität gibt nur den Anstoß für das Kunstwerk; es geht nicht um die Abbildung der
Natur.
Seurat versuchte das autonome Bild mit seiner Eigengesetzlichkeit zu finden.
Das Bild entsteht erst im Kopf des Betrachters.
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Epochenmerkmale in einem Text bestimmen können
Können
• Hauptthemen der Epoche
• Motive / zentrale Begriffe der Epoche
• Gattungen / Genres im Epochenkontext
• Sprache / Stil: Zeittypische Sprachverwendung
• Figurenkonzepte / Leitbilder im historischen Kontext
erschließen
• Epochenbegriffe kritisch reflektieren
Wissen
• Historischer Hintergrund / Konflikte
• Zeitliche Einordnung
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Postmoderne
Der postmoderne Roman ist Ausdruck einer als inkonsistent
empfundenen Welt, in der es nicht mehr gelingt, objektive
Wahrheiten darzustellen, die sich in einer autonomen literarischen
Wirklichkeit spiegeln.
Der Roman zeigt „die Unerzählbarkeit der Welt“. (Rosemarie Zeller)
1. Das Konstruktionsprinzip der Wirklichkeitsüberblendung
2. Das Prinzip der Intertextualität
3. Der Ich-Erzähler als Vermittler der Geschichte
4. Die Figuren Agnes und der Erzähler
5. Die Verwendung von Sprache, der Stil im Erzählerbericht
6. Die intendierte Rolle des Lesers (Co-Autor)
16
Motive
Sprache
17
Methodische Hinweise
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Aspektorientierte Analyse
Einstieg in die UE – I
Vom Metaplan zur strukturierten UE
•
•
•
•
Kenntnis des Romans
Sammlung der wichtigen Aspekte
Fokussierung auf „Kerne“ der Romanbehandlung
Festlegen einer Abfolge – Strukturierung der UE
• Gemeinsam mit den Schülern
• Alternative: arbeitsteiliges Vorgehen
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Aspektorientierte Analyse
Einstieg in die UE – II
Impuls durch Zitat
• Der Roman ist unbekannt.
• Zitat an die Tafel/Folie
Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet. Nichts ist
mir geblieben von ihr als diese Geschichte.
• Arbeitsauftrag:
• Was ist passiert? Schreibe eine kurze Geschichte.
• Vorlesen  Möglichkeiten diskutieren  Fokussieren auf
Inhaltsschwerpunkte  Leseauftrag
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René Magritte:
La condition humaine
http://29.media.tumblr.com/tumblr_lin795Ms541qde9vzo1_500.jpg
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Kompetenzorientierter Unterricht – Unterrichtspraxis
Prinzipien von Aufgaben
- Situation des Erkundens,
Entdeckens, Erfindens
- Eigene Lösungsstrategien
entwickeln, erproben
- Fehlendes Wissen
erkennen  aneignen
- Passendes Niveau der
Aufgabenkomplexität
- Anwendungsorientierte
Aufgaben – Aufschluss über
Wissen, Kompetenzen und
ihr Niveau
- Lebensweltliche Anwendg.
- Denken in
Anwendungssituationen

Kognitiv aktivierend
Lernangebot
- Gestufter Kompetenzerwerb
- Diagnostische Informationen
- Individuell passende
Lernangebote
- Beobachtung, Rückmeldung
Unterrichtsgestaltung
- Direkte Instruktion
- Phasen individ. Bearbeitg.
- Lernfortschritte reflektieren
- Schüler: Verantwortung für
das eigene Lernen


Individuelle Lernbegleitung
Metakognition fördern,
stärken
Individueller
Kompetenzerwer
b
Sichern von Wissen u. Können
- Einüben
- Festigen von Routinen
- Anwendung des Gelernten
- Produktiver Umgang mit Fehlern
- Überarbeitung von Ergebnissen
- Intelligentes Üben

Übung und Training
Unterrichtskonzeption
- Vertikale Vernetzung
von Wissen
- Kumulatives Lernen
ermöglichen
- Horizontale Vernetzung
von Wissen

Vernetzung von Wissen
und Fertigkeiten
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