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Geschichte der
Bindungstheorie
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Vorgeschichte der Bindungstheorie
Die Entstehung der Bindungstheorie
Erste Formulierungen der
Bindungstheorie
Neuere Entwicklungen
Abschließende Bemerkungen
Vorgeschichte der
Bindungstheorie
Die Bindungstheorie in ihrer jetzigen Form ist das gemeinsame Werk
von John Bowlby und Mary Ainsworth
John Bowlby
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1907 geboren
um 1927 ehrenamtliche Tätigkeit in zwei psychoanalytisch orientierten
Kinderheimen für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche
1928 Medizinstudium mit dem Ziel Kinderpsychiater und Psychoanalytiker
zu werden
1933 Abschluss des Psychiatriestudiums
Anschließend Tätigkeit in der London Child Guidance Clinic
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Erkenntnis im Laufe seiner Arbeit: Die Psychoanalyse beschäftigt sich
zu sehr mit dem kindlichen Phantasieleben. Die Wirkung von
tatsächlichen Familienereignissen wird nicht berücksichtigt.
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Aufruf nach gründlicherer Erforschung der Auswirkungen früher ElternKind- Trennungen
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1944 Veröffentlichung seiner ersten empirischen Studie über
„Forty-four juvenile thieves, their characters and home lives“
Unterbrechung seiner Arbeit durch den zweiten Weltkrieg
 Bowlbys Entwicklung als Forscher wurde durch die Tätigkeit
in der Armee gefördert
Nach Kriegsende: Leiter der „Abteilung für Eltern und Kinder“ an
der Travistock Clinic
 Keine Möglichkeit zur Umsetzung von Bowlbys
Forschungsplänen
Deswegen: Gründung einer eigenen unabhängigen
Forschungsgruppe
 Mary Ainsworth wurde durch Zufall später seine Mitarbeiterin
Mary Ainsworth
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geborene Slater 1913 in Ohio
In den 30er Jahren: Psychologiestudium an der Universität von
Toronto
Die Zusammenarbeit mit Blatz beeinflusste ihre Beiträge zur
Bindungstheorie
1939 wurde Mary Slater Dozentin an der Universität von Toronto
Drei Jahre nach Kriegsbeginn: freiwilliger Anschluß an das
Frauenkorps der kanadischen Armee.
Nach dem Krieg: Betätigung in Rehabilitationseinrichtungen und
Rückkehr an die Universität von Toronto
 Lehrauftrag für Persönlichkeitsdiagnostik
Zur Vorbereitung: ehrenamtliche Arbeit im Krankenhaus für Veteranen und
Teilnahme an einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bruno Klopfer,
sowie die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit William Blatz
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Ihre vielfältigen Erfahrungen im Bereich der Diagnostik und
Methodenentwicklung halfen später bei der Formulierung der
Bindungsklassifikatinen.
1950 Heirat mit Leonard Ainsworth, der in sein Studium in London fortführen
wollte
Mary Ainsworth bewarb sich in London zunächst an der Tavistock Klinik
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Ihr Aufgabenbereich umfaßte die Forschung über die Auswirkungen von
frühen Mutter-Kind-Trennungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und
Unterstand der Leitung von John Bowlby.
Das Zusammentreffen von Bolby und Ainsworth war für deren Berufslaufbahn
von entscheidender Bedeutung.
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Die Entstehung der
Bindungstheorie
Systematische Beobachtungen und erste
Formulierungen
1948 John Bowlby entschloss sich die Arbeit seiner
Forschungsgruppe auf ein genau abgegrenztes Gebiet
festzulegen: die Trennung von Mutter und Kind
Nach dem Erhalt der ersten Forschungsgelder: Einstellung von
James Robertson
James Robertson:
Arbeit als Hausmeister in Anna Freuds Kinderheim
Mary Ainsworth war so beeindruckt von Robertsons schriftlichen
Feldbeobachtungen, dass sie beschloss seine Methoden zu
übernehmen
Bindungsforschung beruht also auf Beobachtungen im Alltagsleben
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Nach dem Krieg studierte Robertson Sozialarbeit in der Psychiatrie und
wurde von Anna Freud als Psychoanalytiker ausgebildet.
Danach trat Robertson eine Stelle bei Bowlby an und hatte die Aufgabe
Kleinkinder in Krankenhäusern und Heimen zu beobachten, die kaum
von den Eltern besucht wurden
Robertson drehte den bewegenden Film „A two- year- old goes to
hospital“
Die Einsichten aus Robertsons Film und seinen Feldbeobachtungen
spielten eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung der
Bindungstheorie.
Weiterer Anstoß zur Theorieentwicklung: Bowlby erhielt einen Auftrag
von der Weltgesundheitsorganisation aus Genf
1951 wurde John Bowlby auf einen Artikel von Konrad Lorenz über
Prägung aufmerksam gemacht
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1953 veröffentlichte Bowlby den ersten theoretischen Aufsatz
über die Bindung, welcher auf einigen Begriffen der Ethologie
aufbaute
Befunden eines von Robertson gesammelten und von Mary
Ainsworth ausgewerteten Beobachtungsdatensatzes über
kindliche Trennungsverfahren sollten in einem Buch
veröffentlicht werden
 Diese geplante Buch erschien jedoch nie, spielte allerdings
bei dem Entwurf einer Bindungstheorie ein bedeutende
Rolle, da Bowlby seine Gedanken im unvollendeten
Schlusskapitel weiterentwickeln konnte.
Erste Formulierungen der
Bindungstheorie
Vorträge vor der britischen
Psychoanalytischen Gesellschaft
Drei Vorträge von Bowlby in London
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1. „The nature of the child`s tie to his mother“ ( 1957)
Überblick über psychoanalytische Erklärungen des Mutter-KindBandes im Sinne der Sekundärtriebtheorie.
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Bowlby stellte die These auf, dass verschiedene Instinkthandlungen
im Laufe des ersten Lebensjahres heranreifen; im zweiten
Lebensjahr werden diese in ein Bindungsverhaltenssystem
eingegliedert. Dieses ist auf eine bestimmte Bindungsperson
ausgerichtet.
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Unterstützung seiner Argumente durch Forschungsergebnisse zur
kognitiven und sozialen Entwicklung und durch eigene Erfahrungen.
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Weitere Ausführungen von Bowlby anhand der ethologischen Begriffe :
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Hinweisreiz oder sozialer Auslöser
Ursache solcher Reize sind psychischer als auch äußerlicher Natur.
Instinkthandlungen als komplexe Reaktionen mit unterschiedlicher
hierarischer Struktur. Diese können durch späteres Lernen verändert
werden.
Beendung des Vortrags mit der Klärung der Unterschiede zwischen der
Abhängigkeit und Bindung
Bindung als selbstständiger biologischer Prozess, unabhängig von
Sexualität oder dem Bedürfnis nach Nahrung.
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2.: „ Seperation Anxiety“(1959/60)
Aufbauend auf Beobachtungen von James Robertson und Christoph
Heinicke .Bowlby wies darauf hin,dass die traditionellen Theorien
weder die enge Bindung von Kindern an ihre Mütter ,noch die
heftigen kindlichen Reaktionen bei Trennungen erklären könnten.
Identifizierung von drei Phasen der Reaktion auf Trennung:
 Protest (als Folge von Trennungsangst)
 Verzweiflung (als Folge von Leid und Trauer)
 Verleugnung oder Ablösung ( Abwehrprozesse)
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Bowlby stellte seine eigenen Hypothesen auf:
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Trennungsangst wird erlebt,wenn Bindungsverhalten aktiviert,aber nicht
„abgestellt“ werden kann. Unterscheidung der Angst bei Abwesenheit und
der Furcht durch äußere Ereignisse.
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Abwendung des furchterregenden Reizes und Hinwendung zu der Mutter
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Das Kind ist erst später in der Lage sich von vorweg über zukünftige
Situationen zu ängstigen
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Zusammenhang zwischen frustriertem Bindungsverhalten und
Feindseligkeit der Bindungsperson gegenüber:
 Auslösung von feindseligen Gefühlen oder primitiven
Abwehrprozessen wenn die Mutter das Kind ablehnt oder sich
anderen Kindern mehr zuwendet.
Bowlby ist der Überzeugung dass kein Baby zuviel Liebe
empfangen kann. Mütterliche Pseudo-Zuneigung sind seiner
Meinung nach der Ersatz für mütterliche Feindseligkeit.
These: Übermäßige Trennungsangst wird von einer Reihe negativer
Familienerfahrungen verursacht. (Mütter die drohen ihre Kinder zu
verlassen,etc)
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Tritt die Trennungsangst bei Kindern nur schwach oder gar nicht in
Erscheinung,so gelten diese oft als reifer als andere Kinder. Diese
scheinbare Selbständigkeit ist durch die Einschaltung von
Abwehrprozessen zu erklären.
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Ein Kind das ausreichend Liebe erfahren hat wird Protest erheben wenn es
von den Eltern getrennt wird. Trotzdem wird es später mehr Selbstvertrauen
entwickeln
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3.: „Grief and mourning in infancy and early
childhood“ (1959/60)
In Fragestellung der vorherrschenden Ansicht ,dass infantiler
Narzißmus es einem Kind unmöglich mache,Trauer über den Verlust
eines Liebesobjekts zu empfinden.
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Ebenso stellte er die Ansichten von Anna Freud und Melanie Klein in
Frage.
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Bowlby behauptete,dass Kummer und Trauer immer auftreten wenn
das Bindungsverhalten eines Kindes aktiviert wird, aber die Mutter
nicht verfügbar ist.
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Robertsons Beobachtungen hatten gezeigt,dass getrennte
Kleinkinder und Säuglinge Sehnsucht zeigen. Sie brauchen aber
Zeit bevor sie sich auf eine neue Beziehung einlassen.( Agressivität
gegenüber dem Fürsorgeverhalten anderer Personen)
Allzuhäufige Bindungswechsel können zum Verlust der Fähigkeit
führen menschliche Beziehungen aufzubauen.
Mit den drei Vorträgen war der grundlegende Entwurf der
Bindungstheorie vollendet.
Ausführlichere Fassung als Trilogie
 Bindung (1969)
 Trennung (1973)
 Verlust (1980)
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Der Psychiater Colin Murray Parkes erkannte die Bedeutung von
Bowlbys und Robertsons Ideen für ein tieferes Verständnis der
normalen Trauer bei Erwachsenen.
Anschluss an Bowlbys Forschungsgruppe (1962) in der TavistockKlinik.
Er untersuchte den Verlauf von Trauer anhand von dem Verhalten
von Witwen.
Aufarbeitung der Reaktionen kleiner Kinder auf Trennung zu 4
Phasen:
 Betäubung
 Sehnsucht und Protest
 Desorganisation
 Reorganisation
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Mary Ainsworth
1953 reiste sie nach Uganda,untersuchte dort die
Entwicklungen der Mutter-Kind-Beziehung im 1.Lebensjahr.
Untersuchungen aus ethologischer Sicht noch vor der
Veröffentlichung der drei Vorträge Bowlbys.
Systematische Forschung und Ausarbeitung der
Bindungstheorie
Mary Ainsworth geht nach Baltimore;ihre Forschungsergebnisse
aus Uganda liegen brach.
Etwa 1958 schickt Bowlby ihr den Vorabdruck von „the nature of
the child´s tie to his mother“
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1960 besuchte Bowlby Ainsworth in Uganda,dort konnte sie ihm
über ihre Ergebnisse aus Uganda berichten.
Sie erstellte einen Zusammenhang zwischen der Feinfühligkeit
von Müttern und dem Verhalten der Kinder.
Ainsworth stellte ihre Befunde aus dem Uganda-Projekt
erstmals in den 60er Jahren bei einem Treffen der Tavistock
Study Group vor.
Kleinkindforscher aus unterschiedlichen theoretischen
Ausrichtungen kamen zusammen.
Die Diskussionen trugen viel zur Entstehung des
Forschungsbereichs der sozialen Entwicklung im Kleinkindalter
bei.
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Ainsworth beginnt ihr Baltimore-Projekt
Sie legt viel Wert auf direkte Beobachtung
Datenerhebungs-und Bewertungsmethoden wurden nun mehr
von der Bindungstheorie beeinflusst.
Aus dem Baltimore-Projekt enstanden viele Artikel,welche auf
deutliche individuelle Unterschiede in der Feinfühligkeit
verwiesen,mit der Mütter auf kindliche Signale reagieren.
Ainsworth entwickelt eine Laborbeobachtungsmethode „die
Fremde Situation“(1969)
Neuere Entwicklungen
Die Eltern-Kind-Beziehung
auf Repräsentationsebene
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Untersuchung individueller Unterschiede von Bindung auf
repräsentationaler Ebene;aufbauend auf Versuchen von Ainsworth
Mary Main entwickelte „ Adult Attachment Interview“
Befragung der Eltern über ihre Bindungsbeziehungen in ihrer Kindheit
Auswertungen der Interviewtexte ergaben drei Muster:
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sicher – autonome Personen
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unsicher verwickelte Personen
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unsicher – distanzierte Personen
Zur Erfassung von Bindung auf der Repräsentationsebene wurden eine
Reihe von Messverfahren für Kinder und Jugendliche entworfen.
Bindung zwischen Erwachsenen
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Das Interesse für Bindung bei Erwachsenen
hat sich
aktuell auf bereits länger bestehende Bindungen zwischen Partnern
in Ehe- oder ehe-ähnliche Beziehungen ausgeweitet.
Shaver und Hazen haben die Ainsworthschen
Kindheitsbindungsmuster auf Erwachsenbeziehungen übertragen und
vergleichen diese mit vorausgehenden Kindheitserinnerungen .
Theoretische Analyse von Bindung über die Lebensspanne hinweg von
Ainsworth.
Inwieweit Bindung und Gesellschaft sich wechselseitig beeinflussen ? (
Marris)
Bindung und
Entwicklungspsychopathologie
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Bindungstheorie und Bindungsforschung haben einen
bedeutenden Einfluss auf das Gebiet
Entwicklungspsychopathologie gewonnen.
Bindungsorientierte Längsschnittstudien beinhalten
Informationen über:
- Familien mit depressiven Eltern
- misshandelnden Eltern
und Eltern mit geringen sozialen Unterstützungsnetz.
Diese Themen greifen grundlegende Vorstellungen von Bowlby
auf und Erkenntnisse über die Ursachen individueller
Unterschiede in der Bindungsqualität von Mary Ainsworth
bereichern dieses Gebiet.
„ Die sichere Basis“ von Bowlby
Kulturübergreifende Untersuchungen
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Eine Reihe Untersuchungen über die Fremde Situation außerhalb der
Vereinigten Staaten (´85):
- Norddeutsche Untersuchung von Grossmann
- Kibbuz-Untersuchung in Israel
Untersuchung von Miyake und Campos in Japan
Zuerst wurden diese Unterschiede als rein kulturspezifisch gedeutet.
Van Ijzendoorn und Kroonenberg :
- einer Metaanalyse ,einer Reihe Untersuchungen aus Vereinigte
Staaten und anderen Ländern (1988)
Der
Zusammenhang von Mutter-Kind-Interaktionsmuster zu Hause und in
der Fremden Situation in Norddeutschland ist den Befunden in der
Vereinigten Staaten sehr ähnlich , was gegen eine rein
kulturspezifische Deutung der fremden Situation spricht.
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Das Konzept der Mütterlichen Zugänglichkeit und Feinfühligkeit
hat internationale Gültigkeit.
Wie gliedern
verschiedene Kulturen (besonders außerhalb der westlichen
Welt) das Bindungsverhaltenssystem in ihre kulturelle
Organisation ein?
die mikronesische Gesellschaft der Tikopia:– fördert die Bindung
zwischen einem Kleinkind und dem Bruder der Mutter .
In Bali: – kontrollieren die Mütter das Bindungsverhalten ihrer
Kleinkinder.
In Tikopia und Bali wird in dieser Weise ein biologisches System
den Zielen einer spezifischen Kultur angepasst.
- die Efe, ein halb-nomadischer Stamm in afrikanischen Tropenwald
- Kleinkinder werden von Geburt an von mehreren Frauen betreut.
- Zwischenmenschliche Bindungen und gegenseitige Hilfe sind
hochbewertet.
Das Bindungs- und Betreuungsverhalten der Efe
ist sehr in ihre kulturellen Auffassungen integriert und kann nicht als ein
„ Naturverhalten“ angesehen werden.
Abschließende Bemerkungen
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Veröffentlichung von Bowlby im Jahr 1980 des Manuskriptes über
Bindungstheorie
Psychoanalytische Ursprung der Bindungstheorie
- Bindungstheorie wird als eine Theorie enger zwischenpersönlicher
Beziehungen betrachtet
Sie
beinhaltet :
ethologische Konzepte
Besonders wichtig für Weiterentwicklung der Bindungstheorie sind:
- entdecken der Zusammenhänge zwischen Kommunikationsmustern
von Bindungspartnern und der Bindungsqualität im Kindes- und
Erwachsenenalter.
„ Die Bindungstheorie ist noch immer im
Wachstum begriffen. Ihre vollen
Möglichkeiten und Grenzen sind noch
unerkannt“
Bowlby