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„Das böse Spiel
Gesellschaftliche und psychologische
Aspekte des Glücksspiels“
Reinhard Haller
Die psychische Wertigkeit des Menschen
homo sapiens
homo faber
homo ludens
Spielertypen (Rosenthal, 1989)
-
Gelegenheitsspieler
-
Soziale Spieler
-
Intensive soziale Spieler
-
Gewohnheitsspieler
-
Professionelle Spieler
-
Pathologische Spieler
(subkulturelle, impulsive, neurotische,
symptomatische, persönlichkeitsgestörte)
Gemälde von Jan Steen (1626-1679): „Die Spieler – Wie gewonnen, so zerronnen“
„Bald hatte ich begriffen, dass es sich
hier nicht um eine einfache
Willensschwäche handelte, sondern,
dass das Spiel eine alles verzehrende
ungestüme Leidenschaft,
eine Elementargewalt war“
(Dostojewski, „Der Spieler“)
Psychologische Ursachen der Spielsucht

Selbstbestrafung (Wunsch, zu verlieren)

Orgasmus-Äquivalent

Kindliche Allmachtsphantasien

Latente Rebellion

Narzissmus

Angst-/Lustspannung

„Chasing”
Wie verläuft die Spielsucht
1.
Gewinnphase
2.
Verlustphase
3.
Phase der Verzweiflung
Gemälde „Die Spieler“ von Georges de La Tour (1593-1652)
Musée du Louvre (Paris)
„Vielleicht wurde meine Seele durch die
vielen Empfindungen während des
Glücksspiels nicht in höherem Maße
befriedigt, sondern nur gereizt und verlangte
nach immer stärkeren Empfindungen – mehr
und mehr,
bis sie schließlich völlig erschöpft war.“
(Fjodor Dostojewski, 1866: „Der Spieler “)
Hauptdelikte im Zusammenhang mit Spielen
1.
Beschaffungskriminalität
2.
Straftaten aus Anlass des Casinobesuchs
(Zechprellereien usw)
3.
Straftaten am Spieltisch bzw Spielgerät
4.
Verbrechen gegen Casinobesucher
5.
Betrügerisches Anbieten
Spielsüchtige sind nicht nur häufig Täter, sondern
auch Opfer von Kriminalakten
Behandlung der Spielsucht
1.
Kontaktaufnahme
2.
Beratung
3.
Therapie:
psychotherapeutisch
Einzel- und Gruppentherapie
körperlich
sozialrehabilitativ
4.
Nachbetreuung:
Selbsthilfe(gruppen)
Rückfallmanagement
Ziele der Psychotherapie mit Suchtkranken

Konstruktiver Umgang mit Konfliktsituationen

Kontaktschwierigkeiten überwinden

Ängste abbauen

Mit Geld umgehen lernen

Freizeit gestalten können

Realistische Ansprüche an sich selbst und andere stellen

Mit sich selbst/dem eigenen Körper freundlich umgehen

Selbstsicherheit gewinnen

Sich durchsetzen können

Nein sagen können
„Heute muss ich tun, was ich nicht
zu lassen vermag - aber morgen,
morgen sind alle deine Sorgen aus,
denn bei dem ewigen Verhängnis,
das über uns waltet schwör ich‘s,
ich spiele heute zum letzten Mal“
(E.T.A. Hoffmann, „Spielerglück“
Glücksspiele:
Jeder für sich gegen ein Gerät, Bildschirm,
„Bank“, Automaten
kurzer Spannungsaufbau, der sich rasch auflöst
Spannung als Erwartung eines Gewinnes
enge Verknüpfung zwischen Einsatz und Resultat
nicht der Gewinn, sondern Gewinnerwartung
entscheidet Suchtfaktor
Verhältnis an pathologischen Spielern:
8,7 % der Automatenspieler
6,7 % der Pferdewetter
5,2 % der Casinospieler
Risikofaktoren:
Chronisch erniedrigtes oder erhöhtes Erregungsniveau
Vermindertes Selbstwertgefühl
Angst und Depressivität
Geringe Frustrationstoleranz
Drang nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung
Suche nach Erregung, Stimulation und Risiko
Funktionalität des Glücksspieles
….. bietet Ersatzbehandlungen
….. kann Selbstwertgefühl steigern
….. unangenehme Gefühle vermeiden
….. Spannungen abbauen
….. reizvollen Erregungszustand herstellen
Nicht stoffgebundene Abhängigkeit
- Spielsucht / pathologisches
Glücksspiel
- Esssucht / Essstörungen
- Arbeitssucht
- Liebes- / Sexsucht
- Kaufsucht
- Sportsucht
- Mediensucht
- Okkultismus
Diagnostische Kriterien für pathologisches
Spielen (312.31) nach DSM-IV, 1996:
1. Ist stark eingenommen vom Glücksspiel
(z.B. starkes Beschäftigtsein mit gedanklichem Nacherleben
vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder Planen der
nächsten Spielunternehmungen, Nachdenken über Wege, Geld zum
Spielen zu beschaffen);
2. muss mit immer höheren Einsätzen spielen,
um die gewünschte Erregung zu erreichen;
3. hat wiederholt erfolglose Versuche unternommen,
das Spielen zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben;
Diagnostische Kriterien für pathologisches
Spielen (312.31) nach DSM-IV, 1996:
4.
ist unruhig und gereizt beim Versuch, das Spielen
einzuschränken oder aufzugeben;
5.
spielt, um Problemen zu entkommen oder um
eine dysphorische Stimmung (z.B. Gefühle von Hilflosigkeit,
Schuld, Angst, Depression) zu erleichtern;
6. kehrt, nachdem er beim Glücksspiel Geld
verloren hat, oft am nächsten Tag zurück, um
den Verlust auszugleichen (dem Verlust „hinterherjagen”).
7.
belügt Familienmitglieder, den Therapeuten
oder andere, um das Ausmaß seiner Verstrickung in das
Spielen zu vertuschen;
Diagnostische Kriterien für pathologisches
Spielen (312.31) nach DSM-IV, 1996:
8.
hat illegale Handlungen wie Fälschung, Betrug,
Diebstahl oder Unterschlagung begangen, um das
Spielen zu finanzieren;
9. hat eine wichtige Beziehung, seinen Arbeitsplatz,
Ausbildungs- oder Aufstiegschancen wegen des
Spielens gefährdet oder verloren;
10. verlässt sich darauf, dass andere ihm Geld
bereitstellen, um die durch das Spielen verursachte
hoffnungslose finanzielle Situation zu überwinden.
Glücksspiele sind uralt und kommen in
allen Kulturen vor
- in China setzte man Kopfhaare und Finger ein
- die Skythen spielten um Zähne, Augenbrauen,
Ehefrauen und das eigene Leben
- Hindus + Germanen boten sich selbst als Einsatz
an und ließen sich dann in die Sklaverei verkaufen
2007 wurde der Glücksspielstaatsvertrag von
allen Ländern unterschrieben
Ziele
-
Werbung
Verbot von Spielen im Internet
Sozialkonzept
Aufklärung
Spielersperre
Heutige Folgen des Glücksspiels
Erstmalig bei Spielsuchthilfe 2000-2010 betreute SpielerInnnen N=3124
Folgen d. Spielens
Verschuldung
Verlust des Arbeitsplatzes
Verlust der Beziehung
Verlust der Wohnung
Verlust der Existenz
Kriminelles Delikt
Vorstrafe
Selbstmordgedanken
Selbstmordversuch
Persönlichkeitsveränderung
Psychosomatische
Beschwerden
Männer
83,2 %
18,8 %
42,8 %
9,9 %
12,3 %
14,5 %
5,6 %
7,9 %
2,6 %
24,1 %
12,6 %
Frauen
78,8 %
11,4 %
28,2 %
7,5 %
15,2 %
11 %
2,3 %
11,1 %
3,9 %
31,7 %
19,3 %
Gesamt
82,5%
17,6 %
40,4 %
10 %
12,8 %
13,9 %
5%
8,4 %
2,8 %
25,3 %
13,7 %
Würfelautomat
Bei dem mechanischen
Würfelautomat handelt es
sich um das älteste
bekannte Geldspielgerät
(1870). Die Spieler
mussten eine Münze in den
Schlitz einwerfen und
konnten auf eine Zahl
wetten.
Würfeln der Götter und Menschen
• Götter würfelten um die Macht im Universum
• Menschen würfelten, um den göttlichen Willen
(Divination) und die Zukunft (Orakel) zu
erforschen
• durch würfeln wurde das Schicksal befragt
• würfeln als Grundlage von Wetten und
Spekulationen
Ur-Würfel wurden
5.000 v. Chr. aus
Tierknochen hergestellt
der heutige 6-teilige
Würfel 3.000 v. Chr. in
Mesopotamien
entwickelt
Historisches
1. Würfelspiele von der frühen Antike bis ins
Mittelalter
2. Lose seit der Griechen- und Römerzeit
3. Kartenspiel ab 13. Jhdt. in Europa
4. Lotterien ab 16. Jhdt. als zusätzliche
Steuerquelle
5. Roulette ab 17. Jhdt., erste Spielbank in England
1826
6. Mechan. Geldspielautomaten - 19. Jhdt.
7. Elektron. Glücksspielautomaten – 20. Jhdt.
8. Online-Glücksspiel um die Jahrtausendwende
Glücksspiel und Religion
• Glücksspiel wird durch alle Weltreligionen
einhellig abgelehnt
• In religiös geprägten Zeiten und Kulturen
sind Glücksspiele starken Restriktionen
unterworfen
• Im Mittelalter wurde Glücksspiel von der
Kirche als Gotteslästerung und Ketzerei
interpretiert
Glücksspiel und der Staat
• seit je ambivalentes Verhältnis zw. Verbot und
Steuergewinn
• Erteilen von Lizenzen und Konzessionen, um das
Glücksspiel aus der Illegalität zu holen
• Gründung des ersten Casinos in Las Vegas
während der Weltwirtschaftskrise
• 2011 Einbruch der Glücksspielumsätze um 20 % in
Griechenland
• 2013 plant Zypern die Legalisierung des
Glücksspiels
Aktuelle Entwicklung im Glücksspielbereich
• Expansion kommerzieller Glücksspielangebote
• Leichte Verfügbarkeit für alle Bevölkerungsschichten
• Zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz
• Glücksspielwerbung
• Technol. Entwicklungen: Online-mobil-Glücksspiele
• Steigende Umsätze
• Regulierungsanstrengung in mehreren Ländern
Jährlicher Bruttospielertrag in der EU 2012 (Einsätze
minus ausgezahlte Gewinne): 55 Milliarden Euro
Prävention der Spielsucht
Beschränkungen:
Im römischen Reich nur zur Zeit der Saturnalien erlaubt.
Im englischen Mittelalter durfte niemand unter dem
Ritterstand um Geld würfeln.
Verbote:
Völlige Verbote oder Residenzverbote (Ortsansässige)
Verbot der Herstellung von Spielutensilien
Konfiszierung der Häuser
Ausschluss aus der Kommune, Pranger
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit