Aktueller Stand der elektronischen Justiz

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Transcript Aktueller Stand der elektronischen Justiz

Der rechtliche Rahmen und die Zukunft
der Justiz-Kommunikation –
Chancen und Risiken
4. Bayerischer IT-Rechtstag
Systems München
27.10.2005
Richter am Amtsgericht
Dr. Wolfram Viefhues
OLG Düsseldorf / AG Oberhausen
Agenda
• Die Regelungen des JKomG
• Erfahrungen mit dem ERV
• Probleme
• Lösungsansätze
Ziele des elektronischen Rechtsverkehrs
• Elektronische Kommunikation
• vollständige elektronische Aktenbearbeitung
• bis hin zur elektronischen Archivierung
• bedingt eine nachhaltige und tiefgreifende Veränderung der
justizinternen Arbeitsabläufe (mehr Organisation als Technik!)
• hat auch Auswirkungen auf die Arbeit der „Justiznutzer“
• kann nur bei Einbeziehung der Anwaltschaft Erfolg haben
Wesentliche Regelungen des JKomG
• Auch gerichtsintern: Signatur elektronischer
Dokumente als Surrogat für die handschriftliche
Unterzeichnung
• Regelung des Medientransfers
– Ausdruck elektronischer Dokumente
– Einscannen von Papier
• Regelungen zu Beweiskraft
• elektronische Akteneinsicht
Praxiserfahrungen mit dem ERV
• Noch deutliche Zurückhaltung der „Justiznutzer“
• praktische Schwierigkeiten bei den Anwälten:
– Signatur: Kostenfaktor und Störfaktor im Arbeitsablauf
– aufwändiges Einscannen von Papierunterlagen
– fehlende technische Fähigkeiten der Mitarbeiter
• Nutzen wird angezweifelt
– Beschleunigung
• Postlaufzeiten / Bearbeitungszeiten
• Fax weitaus einfacher und genauso schnell
– Portoersparnis
• praktische Schwierigkeiten bei den Gerichten
– Eingangspoststelle / Datenerfassung der Servicekraft
– Arbeit des Richters mit der elektronischen Akte
Schlussfolgerungen
• Kein Grund, mit dem ERV aufzuhören!
• In der Pflicht steht nicht nur der Bundesgesetzgeber!
• Es geht nur gemeinsam mit den Anwälten (und anderen „Justiznutzern“)
– Gründung der gemeinsamen Kommission des EDV-Gerichtstags
– ganz konkrete gemeinsame Aktionen
• Mehr Augenmerk auf Kosten-Nutzen-Relation
• Notwendigkeit, Anreize für die Teilnahme am ERV zu schaffen
• technische Vereinfachungen:
– ERV muss alltäglicher Arbeitsvorgang werden
– Informationen müssen verstärkt als Daten statt in Texten übertragen werden
Lösungsansätze
• schrittweise Lösungen in Teilbereichen anstreben, die leichter
umgesetzt werden können
- Fernziel bleibt eine vollständige elektronische Aktenführung
• Anpassung unserer Arbeitsabläufe an zeitgemäße technische
Möglichkeiten
– über die Grenzen der eigenen Organisation hinaus
– gemeinsame Lösungsüberlegungen
– bedingt auch rechtliche Änderungen der Verfahrensordnungen
– aber erst, nachdem der optimale Ablauf herausgefunden worden ist
Grundsätzliche Erkenntnisse
• Die Verfahrensordnungen
– regeln, welche Informationen das Gericht benötigt
– basieren aber auf der Büroorganisation des 19. Jahrhunderts
• Lösungsansatz müssen die Fragen sein:
– Brauchen wir die Information für das Verfahren überhaupt noch ?
– Wie können wir sie mit zeitgemäßen Mitteln bekommen ?
• Falsch ist der Versuch, die vorhandenen Informationswege
lediglich elektronisch nachzubilden!
Beispiel Prozesskostenhilfe (1)
• Herkömmlicher Ablauf:
– Mandant muss Unterlagen beschaffen
(Sozialhilfebescheid, Gehaltsnachweis usw).
– Anwalt muss kopieren
– Anwalt schickt Unterlagen per Post
– Gericht liest Unterlagen und gibt ggf. Zahlen per Hand in ein
Berechnungsprogramm ein
• Ablauf nach JKomG:
– ersetzt Kopieren durch Scannen
– ersetzt Post durch elektronische Kommunikation
– klebt aber am herkömmlichen Ablauf
– Optimierungspotential nicht ausgeschöpft !!!
• Lauferei für den Mandanten und Handarbeit für Anwalt und Gericht bleiben
• Informationsstrukturen des „Papierzeitalters“ werden beibehalten
Beispiel Prozesskostenhilfe (2)
• Optimaler und zeitgemäßer Ablauf:
– Mandant gibt dem Anwalt die benötigten Informationen
– Anwalt übermittelt strukturierte Daten elektronisch an das Gericht
– Gericht prüft Informationen automatisch elektronisch nach
– Informationen gehen automatisch in ein Rechenprogramm
• benötigte Informationen auf elektronischem Weg bietet hier
das Jobcard-Verfahren
• aber: sachgerechter Ablauf deckt sich nicht mit der ZPO!
• Aufgabe der gemeinsamen Kommission:
– Strukturierung eine technisch möglichen gestrafften Arbeitsablaufes
– durchgängig vom Anwalt bis zum Gericht
– Beteiligung von Anwälten und Justizvertretern
– danach Vorschlag zur Änderung der ZPO-Vorschriften
IT im Konflikt mit dem Verfahrensrecht (1)
Verfahrensrechtliche Regelungen haben
• eine Sinn-Ebene (welches Ziel soll damit erreicht werden?)
• eine Umsetzungs-Ebene (mit welchen organisatorischen und
technischen Mitteln wird das umgesetzt?)
Verfahrensrechtler klammern sich oft an die konkrete
Umsetzungsmethode und fordern 1:1-Abbildung in der IT
notwendig ist aber eine Überprüfung,
• ist das Ziel heute noch schützenswert?
• Mit welchen modernen Mitteln kann man es schützen?
IT im Konflikt mit dem Verfahrensrecht (2)
1. Beispiel:
Signatur beim Einscannen von Dokumenten
2. Beispiel:
Vermerke auf dem Originalurteil („untrennbare
Verbindung“)
3. Beispiel:
„Dogma“ von der Einmaligkeit des Vollstreckungstitels
4. Beispiel:
die Ausfertigung bzw. beglaubigte Ablichtung
Was wird konkret getan ? (1)
• Justiz arbeitet intensiv an der Einrichtung eines zentralen
elektronischen Postfaches
– Ein Zugang für alle Gerichte !
– deckt alle unterschiedlichen Zugangstechniken in den Ländern ab
– gesicherte Verbindung (Leitungsverschlüsselung)
– erledigt auch die Prüfung unterschiedlicher Signaturen
• Überlegungen für ein elektronisches Postfach für die
gesicherte Kommunikation zwischen Anwalt und Anwalt
Was wird konkret getan ? (2)
Übertragung der Parteidaten vom Anwalt an das Gericht
• Daten werden automatisch eingelesen
• theoretische Grundlage: XML / Datensatzdefinition xJustiz
• Automatische Erzeugung des Datensatzes auf Anwaltsseite
– Einbindung in die Anwaltsprogramme (Anwaltsanbieter)
• Initiative des EDV-Gerichtstages
– Erstellung eines Werkzeuges als Add-On für Word
• Eingabe der Daten in Maske
• aber keine Mehrarbeit, da automatisch Rubrum im Schriftsatz erzeugt wird
• für den Anwalt kostenlos aus dem Internet zu laden
• gemeinsam Konzeption von Justiz und Anwaltschaft
Was wird konkret getan ? (3)
auch der Rückweg vom Gericht zum Anwalt ist in Arbeit
• zur Kontrolle der eingetragenen Parteidaten
• Ergänzung um Aktenzeichen, Fristen, Termine usw.
• Weniger Erfassungsaufwand beim Anwalt
• weniger Fehlerrisiken (Fristen!)
Ziel: Verlagerung der Informationen von der Textebene zur
Datenebene
Beispiele: Sachstandsanfrage / Aktenanforderung
Beispiel: Ladung
Chancen und Risiken
• Wir haben die Chance zur gemeinsamen
Modernisierung unserer Arbeitsabläufe
• Wir müssen in kleinen Schritten vorgehen:
– mit Mut zur Innovation
– nicht immer nur technische Lösungen suchen
– besser überkommene Abläufe in Frage stellen
– ohne Dogmen und Denkblockaden
– mit Augenmaß - auch beim Datenschutz
Es gibt viel zu tun!
Lasst es uns
gemeinsam
anpacken!