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Vorlesung Steuerverwaltungsrecht
Dienstag, den 14. Mai 2013
Thema: Die Sachverhaltsermittlung im Steuerrecht
§ 177 AO – Mitberichtigung materieller Fehler
• Ein Steuerbescheid leidet an einem materiellen Fehler, so
dass die Steuer um 2.000 Euro zu hoch festgesetzt ist. Der
Bescheid ist aber bestandskräftig. Eine Reduzierung um 2.000
Euro kommt darum nicht in Betracht.
• Aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache,
die Anderes als den materiellen Fehler betrifft, ist die
Steuerfestsetzung gemäß § 173 I Nr. 1 AO um 2.000 Euro zu
erhöhen
• Ergebnis bei dem Beispiel: Bei der Korrektur neutralisieren
sich Korrekturgrund und materieller Fehler. Obwohl es einen
Korrekturgrund und einen materiellen Fehler gibt, bleibt der
Bescheid unverändert.
• Ergebnis allgemein: Materielle Fehler können nur mitberichtigt
werden, soweit eine aus anderem Grund erfolgende Korrektur
reicht. Sie reduzieren dann den Umfang dieser Korrektur,
ggfs. bis auf Null; eine Ausweitung ist nicht möglich.
Fachbereich, Titel, Datum
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Untersuchungsgrundsatz I
• Offizial- und Dispositionsmaxime: auf wessen Betreiben
findet ein Verfahren vor Behörden statt, § 86 AO
• Untersuchungs- und Beibringungsgrundsatz: wer ist für
die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in
einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren
verantwortlich, §§ 88 AO, 76 FGO
• Untersuchungsgrundsatz: Behörde ermittelt den Sachv.
von Amts wegen, darf Art und Umfang der Ermittlungen nach
den Umständen des Einzelfalls bestimmen (also Ermessen)
und ist an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden (s.
Verjährung)
• Einschlägige Regelungen: §§ 88 – 107 AO, 134 – 154 AO
(Letztere für den Erlass von Steuerbescheiden), insb.
Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 ff. AO)
und Erklärungspflichten (§§ 149 ff. AO)
Fachbereich, Titel, Datum
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Untersuchungsgrundsatz II
• Grundsatz: Der Untersuchungsgrundsatz gilt in fast allen
behördlichen Verfahren; Behörde ist Herrin des Verfahrens,
nicht Verfahrensbeteiligte i.S. von § 78 AO; zur Erfüllung des
Untersuchungsauftrags hat die Behörde Eingriffsbefugnisse
und haben die Beteiligten Mitwirkungspflichten
• Besonderheiten des Steuerrechts: a) Massenverwaltungsrecht, b) persönliche Verhältnisse, c) lebenslange
Beziehung
• Nr. 2 Sätze 3 u. 4 AEAO: Für den Regelfall kann davon
ausgegangen werden, dass die Angaben des Steuerpflichtigen
in der Steuererklärung vollständig und richtig sind. Die
Finanzbehörde kann den Angaben eines Steuerpflichtigen
Glauben schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorliegen,
die darauf hindeuten, dass seine Angaben falsch oder
unvollständig sind.
Fachbereich, Titel, Datum
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Untersuchungsgrundsatz III
• „Kleine Fische“ und „große Fische“
• GNOFÄ Nr. 2: bei Arbeitnehmerfällen nur überschlägige
Prüfung, keine Beiziehung von Akten, hier müssen vorliegen:
Angaben zu Werbungskosten und zu Sonderausgaben, sofern
Pauschbeträge überschritten werden, Angaben zu
außergewöhnlichen Belastungen, sofern diese geltend
gemacht werden
• Betriebsprüfungsordnung § 3: Groß-, Mittel-, Klein- und
Kleinstbetriebe, Prüfungsfrequenz
• Tax compliance: freiwillige Befolgung der Steuergesetze durch
den Steuerpflichtigen, Beschränkung der Finanzbehörden auf
eine Kontrollaufgabe
• Risk management: Umgang mit dem Risiko, dass ein
Steuerpflichtiger sich unrichtig oder unvollständig erklärt;
Risikofilter; § 88 III AO
Fachbereich, Titel, Datum
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FG Rheinland-Pfalz EFG 2012, 10 - 11
Sachverhalt: Die Kl. Betreibt einen Friseursalon. Bei einer
Außenprüfung bemängelt das Finanzamt, dass die
Kassenbücher in Form von Excel-Tabellen geführt worden
seien, dass Kassenberichte fehlten, dass Terminbücher nicht
mehr vorhanden seien, dass die Unveränderlichkeit der
Kassenbucheinträge bei dem von der Kl. benutzten
Computerprogramm nicht gewährleistet sei und dass sich bei
einem sog. Chi-Quadrat-Test Auffälligkeiten ergeben hätten. §
158 AO komme darum nicht zur Anwendung. Vielmehr sei
eine Hinzuschätzung geboten.
Lösung: Excel-Tabellen reichen, sofern jederzeit der buchmäßig
festgehaltene mit dem tatsächlichen Kassenbestand
abgeglichen werden kann. Es ist nicht Sache der Klägerin, die
Manipulationssicherheit des Computerprogramms
nachzuweisen; die Beweislast liegt beim Finanzamt. Die
Terminbücher unterfallen nicht § 147 I Nr. 5 AO.
Fachbereich, Titel, Datum
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Fortsetzung FG Rheinland-Pfalz
Beim Chi Quadrat Test werden Verteilungseigenschaften einer
statistischen Grundgesamtheit untersucht. Er stellt eine
Methode dar, bei der empirisch festgestellte und theoretisch
erwartete Häufigkeiten verglichen werden, und fußt auf dem
Grundgedanken, dass derjenige, der bei seinen Einnahmen
unzutreffende Werte in das Kassenbuch eingibt, unbewusst
eine Vorliebe für bestimmte Lieblingszahlen hat und diese
dementsprechend häufiger verwendet. Hier ergibt sich aber,
ausgehend von der Preisliste der Kl., dass bestimmte Zahlen
häufiger auftreten müssen.
Fachbereich, Titel, Datum
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BFH DStR 2012, 560
Sachverhalt: 3 Mitarbeiter eines Finanzamts erheben gegen
dessen Vorsteher Mobbingvorwürfe. X ist Rechtsanwalt und
vertritt diese 3 Mitarbeiter. Die Sache wird vor dem Petitionsausschuss des Landtags verhandelt. Kurze Zeit später richtet
das Finanzamt gegen X und 3 mit der Sache befasste
Abgeordnete Ermittlungsmaßnahmen. Im Fall des X wird eine
Außenprüfung angeordnet. X wendet sich mit Einspruch und
Anfechtungsklage gegen die Prüfungsanordnung.
Lösung: Eine Außenprüfung kann gemäß § 193 I AO ohne
weitere Begründung ermessensfehlerfrei angeordnet werden.
Zu beachten ist aber ein Willkür- und Schikaneverbot. Das
Vorliegen sachfremder Erwägungen ist hier nicht von der
Hand zu weisen. Der BFH hebt die klagabweisende
Entscheidung auf und verweist die Rechtssache zurück an das
FG, das den Sachverhalt weiter aufklären soll.
Fachbereich, Titel, Datum
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Erfassung der Steuerpflichtigen
• Personenstands- und Betriebsaufnahme, §§ 134 – 136 AO
• Zuständigkeit der Gemeinden, die hierfür Eingriffsbefugnisse
haben, § 134 I 2 AO
• Bei natürlichen Personen Änderungsmitteilungen durch die
Meldebehörden, § 136 AO
• Bei Körperschaften, Vereinigungen, Vermögensmassen sowie
unternehmerischer Tätigkeit Anzeigepflichten, §§ 137 – 139
AO
Fachbereich, Titel, Datum
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Mitwirkungspflichten der StPfl.
• Vergleiche § 26 II 1, 2 VwVfG („Die Beteiligten sollen bei der
Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere die
ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben.“)und
§ 90 I AO
• Unterschied von echten Rechtspflichten und Obliegenheiten;
Rechtspflichten ergeben sich aus den §§ 140 ff., 149 ff. AO
• Im Steuerrecht geht es um finanzielle Verhältnisse, die einem
behördlichen Zugriff grundsätzlich verschlossen sind und
denen die Beteiligten näher stehen.
• Erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten, § 90
II AO
• Grenzen der Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen (§
393 I 2 AO) und für Dritte (§§ 101 – 106 AO)
Fachbereich, Titel, Datum
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Pflichten der Behörde ggü. dem StPfl.
• Beratung, Auskunft, § 89 I AO
• Gebührenpflichtige Auskunft, § 89 II – V AO
• Gewährung rechtlichen Gehörs, § 91 I AO
Fachbereich, Titel, Datum
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Befugnisse der Finanzbehörden
• Befugnisgeneralklausel: § 93 I (Auskunftspflicht) und II (VABefugnis zu deren Durchsetzung) AO; Heranziehung Dritter
(etwa Banken) nur subsidiär, § 93 I 3 AO
• Vorlage von Urkunden und Gegenständen, Betreten von
Grundstücken, §§ 97 – 100 AO
• Buchführung und Aufzeichnung, §§ 140 – 148 AO (s. § 147 VI
AO)
• Durchsetzung von Steuererklärungspflichten gem. §§ 149 –
153 AO
• Keine Eingriffsbefugnisse im engeren Sinne geben die §§ 159
und 160 AO
Fachbereich, Titel, Datum
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Bankgeheimnis
• Rechtsgrundlage seit 1988 § 30a AO; zur Verknüpfung mit §
93 s. § 30a V 1 AO.
• Grundgedanke: Vertrauensverhältnis, in das nur aus
konkretem Anlass eingegriffen werden darf (Abs. 1)
• Keine allgemeine Kontoüberwachung (Abs. 2 und 4)
• Keine Kontrollmitteilungen bei Außenprüfung in der Bank
(Abs. 3 als Einschränkung von § 194 III AO;
verfassungskonforme Auslegung im Licht von Art. 3 I GG)
• Verfassungsrechtlicher Hintergrund: Konflikt von Art. 2 I und
Art. 3 I GG
• Abfrage von Kontenstammdaten; dazu BVerfGE 118, 168
Fachbereich, Titel, Datum
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Außenprüfung
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Zweck
Zulässigkeitsvoraussetzungen
Prüfungsanordnung (als Ermessensentscheidung)
Prüfungsablauf
Schlussbesprechung
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