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Vorlesung Steuerverwaltungsrecht
Dienstag, den 7./14. Mai 2013
I.
Korrektur von Steuerbescheiden
II. Grundsätze des Besteuerungsverfahrens
Gesetzessystematische Orientierung
• Ablauf der Festsetzungsfrist, § 169 I AO
• Offenbare Unrichtigkeit, § 129 AO
• Steuerfestsetzung und Vorbehalt, vorläufige Steuerfests.,
Korrektur nach §§ 164, 165 AO
• bei endgültigen Steuerfestsetzungen Korrektur bei Vorliegen
eines Korrekturgrundes, einschlägig: §§ 172 – 175 AO oder
Spezialgesetz
• allgemeine Korrekturschranke, §§ 176, 177 AO
Fachbereich, Titel, Datum
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§ 173 AO
• Tatsachen und Beweismittel
• Neu: Hat bei Erlass des Bescheides schon vorgelegen,
war aber der Finanzbehörde noch nicht bekannt
(Abgrenzung zu nachträglich entstandenen Tatsachen und
Beweismitteln, Abgrenzung zu § 175 I 1 Nr. 2 AO).
Wissenszurechnung
• Rechtserheblichkeit von Tatsachen und Beweismitteln bei
Erlass des Bescheides, BFH GrS BStBl. II 1987, 180
• Änderungssperre des § 173 II AO
• grobes Verschulden des StPfl., Kompensation durch grobe
Verletzung von Ermittlungspfl. der Behörden, § 173 I Nr. 2
Satz 2 AO bei Schätzung
Fachbereich, Titel, Datum
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Fall (Musil, SteuStud 1999, 236 – 239)
In einem Umsatzsteuerbescheid der A-GmbH für 2010 ist u.a.
eine Position über 15.000 Euro enthalten, die aufgrund von §
14c UStG mit der Begründung festgesetzt wurde, in einer
Rechnung der A-GmbH sei Umsatzsteuer in dieser Höhe
unberechtigt ausgewiesen worden. Die Begründung ist falsch;
in der fraglichen Rechnung ist gar keine Umsatzsteuer
ausgewiesen.
Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung gem. § 208 I AO
erließ das zuständige Finanzamt im Juli 2012 einen Umsatzsteueränderungsbescheid gemäß § 173 I Nr. 1 AO, in dem
zwar einiges geändert, die genannte Position aber beibehalten
wurde. Besagte Rechnung hat der Veranlagungsstelle weder
bei Erlass des USt-Bescheides noch bei Erlass des Änderungsbescheides vorgelegen. Wohl hat die Rechnung den Steuerfahndungsbeamten vorlegen, die ihr aber keine Beachtung
geschenkt haben.
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Fall (Fortsetzung)
Anfang November 2012 erhält die A-GmbH von ihrem
Steuerbüro einen Hinweis, der auf all das aufmerksam macht.
Das Steuerbüro hat es aus leichter Fahrlässigkeit erst
nachträglich bemerkt.
Nunmehr beantragt die A-GmbH beim Finanzamt unverzüglich
die Änderung des Umsatzsteueränderungsbescheides und die
Streichung der Position von 15.000 Euro.
Hat die A-GmbH einen Anspruch auf diese Änderung, obwohl
der Umsatzsteueränderungsbescheid inzwischen
bestandskräftig ist?
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§ 174 AO – widerstreitende Festsetzung
• positiver Widerstreit: Mehrfachberücksichtigung eines
Sachverhalts in verschiedenen Bescheiden, obwohl er nur
einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, Abs. 1 und 2
• negativer Widerstreit: Nichtberücksichtigung eines
Sachverhalts in der falschen Annahme, er sei in einem
anderen Bescheid berücksichtigt worden, Abs. 3
• Widerstreit infolge Korrektur eines anderen
Bescheides: Abs. 4 und 5
Fachbereich, Titel, Datum
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§ 175 I 1 Nr. 1 AO
• Korrektur eines Folgebescheides, wenn Grundlagenbescheid
erlassen, geändert oder aufgehoben wird
• zur zeitlichen Reihenfolge § 155 II AO
• Lehrbuchbeispiel: erst wird der Gewinn einer
Mitunternehmerschaft geschätzt und aufgrund dieser
Schätzung die Besteuerung der Mitunternehmer durchgeführt,
dann wird die Schätzung durch eine reguläre
Gewinnfeststellung ersetzt.
Fachbereich, Titel, Datum
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Rückwirkendes Ereignis (§ 175 I 1 Nr. 2 AO)
• Im Unterschied zu § 173 AO nachträgliches Ereignis, nicht
nachträgliches Bekanntwerden
• Ereignis: Tatsache, keine Änderung von Gesetzgebung oder
Rechtsprechung, wohl vorgreifliches Rechtsverhältnis (Kauf,
Innehabung eines Gesellschaftsanteils), wohl gerichtliche
Nichtigerklärung einer Norm
• Rückwirkung ist eine steuerrechtliche Wertung und nicht
gleichzusetzen mit zivilrechtlicher ex tunc – Wirkung
• Vorlage einer Bescheinigung: deklaratorisch, dann § 173 AO,
konstitutiv, dann § 175 AO, dort aber Abs. 2 Satz 2
Fachbereich, Titel, Datum
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§ 176 AO - Vertrauensschutz
• Fall: Eine für den Steuerpflichtigen günstige
Steuerfestsetzung beruht auf einem Gesetz, das vom BVerfG
nachträglich für nichtig erklärt wird.
• Lösung: Eine Korrektur zuungunsten des Steuerpflichtigen ist
ausgeschlossen; eine Korrektur zu seinen Gunsten wäre es
allerdings auch (§ 79 II 1 BVerfGG)
Fachbereich, Titel, Datum
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§ 177 AO – Mitberichtigung materieller Fehler
• Ein Steuerbescheid leidet an einem materiellen Fehler, so
dass die Steuer um 2.000 Euro zu hoch festgesetzt ist. Der
Bescheid ist aber bestandskräftig. Eine Reduzierung um 2.000
Euro kommt darum nicht in Betracht.
• Aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache,
die Anderes als den materiellen Fehler betrifft, ist die
Steuerfestsetzung gemäß § 173 I Nr. 1 AO um 2.000 Euro zu
erhöhen
• Ergebnis bei dem Beispiel: Bei der Korrektur neutralisieren
sich Korrekturgrund und materieller Fehler. Obwohl es einen
Korrekturgrund und einen materiellen Fehler gibt, bleibt der
Bescheid unverändert.
• Ergebnis allgemein: Materielle Fehler können nur mitberichtigt
werden, soweit eine aus anderem Grund erfolgende Korrektur
reicht. Sie reduzieren dann den Umfang dieser Korrektur,
ggfs. bis auf Null; eine Ausweitung ist nicht möglich.
Fachbereich, Titel, Datum
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Abschließende Bemerkungen zur Korrektur
• Spezielle Korrekturvorschriften: §§ 10d I 2, 3 EStG, 35b
GewStG
• Verhältnis Rechtsmittel ./. Korrektur: § 172 I 1 Nr. 2 lit.
a) letzte Alternative AO, Konsequenz in § 138 II FGO
Fachbereich, Titel, Datum
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