Makroökonomik - Universität Passau

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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2012/13
y,
s.y
y*
f(k)
8. Zinssatz und Gütermarkt bei
(n+d)k
konstanter Inflation
c*
s.f(k)
s.y*
k*
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k
Folie 201
Pflichtlektüre:
Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das
Keynesianische Konsensmodell, WiST,
Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387394.
Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12.
Aufl. S. 217-229.
Romer, D. (2012), Short-Run Fluctuations. Manuskript,
University of California, Berkeley, S. 1-22, 90-95.
http://elsa.berkeley.edu/~dromer/
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• Bestimmung des Nominalzinses
Die vorherigen Abschnitte hatten gezeigt, dass Investitionen sich die zu
ihrer Finanzierung notwendigen Ersparnisse selbst erzeugen aufgrund des
Multiplikatorprozesses. Damit wird nicht etwa ein Zinssatz benötigt, der
für einen Ausgleich zwischen Ersparnis (Kapitalangebot) und Investitionen
(Kapitalnachfrage) sorgt. Wie wird dann aber der Zinssatz bestimmt? Wir
hatten in Abschnitt 4 bereits gesehen, dass der nominale Zinssatz von der
Zentralbank festgelegt werden kann.
• Bestimmung des Realzinses
Die Zentralbank beobachtet permanent die laufende und in der Zukunft
erwartete Inflation. Wird dieser Wert vom nominalen Zinsniveau
subtrahiert, so ergibt sich das reale Zinsniveau. Damit hat die Zentralbank
die Möglichkeit, ein von ihr gewünschtes Realzinsniveau zu steuern.
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Fallstudie
IV. Fallstudie Eurozone
Eurozone, 2011
BIP: 9422 Mrd. €
Bevölkerung: 332 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 28380 €
Preis Big-Mac: 3,58 €
Wechselkurs: 1,30 US $/€
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Fallstudie
• 1992: Mit dem Vertrag von Maastricht verpflichten sich die
Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Einrichtung
einer Währungsunion.
• 1998: 11 Mitgliedstaaten erfüllen die notwendigen
Konvergenzkriterien. Dänemark, Schweden und
Großbritannien nehmen Ausnahmen für sich in Anspruch.
• 1999: 1. Januar 1999 startet die Eurozone.
• 2000: Griechenland qualifiziert sich.
• 2002: Physische Münzen und Banknoten werden emittiert.
• 2007-2011: Weitere Länder treten bei; Slowenien (2007),
Zypern und Malta (2008), Slowakei (2009), Estland (2011).
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Entwicklung Eurozone
5
90
4
Fallstudie
3
85
2
1
80
0
Inflation
-1
75
Realer Zinssatz
Nominaler Zinssatz
Auslastungsgrad (rechte Skala)
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2012 Q1
2011 Q1
2010 Q1
2009 Q1
2008 Q1
2007 Q1
2006 Q1
2005 Q1
2004 Q1
2003 Q1
2002 Q1
2001 Q1
2000 Q1
-3
1999 Q1
-2
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70
• Wieso sollte die Zentralbank die Realzinsen steuern?
Da hohe Realzinsen die Investitionen dämpfen und niedrige Realzinsen zu
einem expansiven Impuls führen, wird die Zentralbank der Höhe der
Realzinsen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Ist das Inlandsprodukt höher als sein potentielles Niveau, so
machen Arbeitskräfte Überstunden und verzichten auf Freizeit.
Sachkapital wird übermäßig verschlissen. Um die Wirtschaft zu
dämpfen wird die Zentralbank den Realzins erhöhen.
“[It’s the Fed’s job] to take away the punch bowl just as the party
gets going.”
William McChesney Martin, Jr. Fed Chairman 1951-1970

Ist das reale Inlandsprodukt, Y, niedriger als das potentielle
Inlandsprodukt, so resultiert Arbeitslosigkeit und vorhandene
Kapazitäten an Sachkapital sind ungenutzt. Die Zentralbank steuert
dem durch Senkung des Realzinses entgegen.
“The Fed also has the job of spiking the punch with grain alcohol
when the party starts to flag“
N. Gregory Mankiw, New York Times, 2007
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Quelle: New York Times, 21. Dezember 2007
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• Inflationsziel
Die Zentralbank wird darüber hinaus der Höhe der Inflationsrate eine große
Bedeutung beimessen. Die EZB hält eine Inflationsrate zwischen 1 und 2
Prozent für angemessen.
 Bei hoher Inflation wird die Zentralbank den Realzins erhöhen.
Hierdurch soll der Preisauftrieb gedämpft werden.
 Bei zu niedriger Inflation wird der Realzins gesenkt, damit
zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nachfrage und zukünftig höhere
Inflation entsteht.
• Taylor-Regel
Die Reaktion der Zentralbank auf Inflation und Inlandsprodukt lässt sich als
Funktion darstellen. Diese Regel wird nach ihrem Entdecker John B. Taylor
benannt:
r  r ' P Y  Y   I  ;
r ', P , I  0
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• Erläuterung der Variablen
 Der Term r' bezeichnet einen von der Zentralbank im langfristigen Mittel
für geeignet angesehenen Realzins. Eine Änderung von r' bringt eine
bewusste Änderung der politischen Ausrichtung zum Ausdruck. Mit einem
Anstieg von r' wird der Übergang zu einer restriktiveren Regel
ausgedrückt. Mit einem Senken von r' wird ausgedrückt, dass die
Zentralbank eine laxere Regel verfolgt. Hiervon ist eine fehlerhafte
Realzinssteuerung der Zentralbank zu unterscheiden, die durch ein
Abweichen von der MP-Kurve dargestellt wird.
 Mit 𝑌 − 𝑌 wird die sog. Produktionslücke bezeichnet, der Unterschied
zwischen Inlandsprodukt und seinem potentiellen Niveau. Wir setzen dabei
den Wert für das potentielle Inlandsprodukt, 𝑌, auf 100 und passen den
Wert der Güternachfrage, Y, dementsprechend an. Bei einem
Produktionspotential von 2500 Mrd. € und einer Güternachfrage von 2600
Mrd. € schreiben wir dann Y =2600/2500*100=104 und damit eine
Produktionslücke von 4.
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• Die beiden Parameter

Mit P bezeichnen wir das Ausmaß mit dem die Zentralbank auf
Schwankungen der Produktionslücke reagiert. Je ausgeprägter der
Wunsch nach einer Stabilisierung des Inlandsprodukts und der
Beschäftigung, desto größer fällt dieser Parameter aus.

Analog wird mit I das Ausmaß bezeichnet, mit dem die
Zentralbank auf Änderungen der Inflationsrate reagiert. Fällt
dieser Parameter groß aus, so möchte die Zentralbank bereits
kleine Schwankungen der Inflationsrate vermeiden. Der
Inflationsterm ließe sich auch in der Form 𝜆𝐼 𝜋 − 𝜋 schreiben,
wobei mit 𝜋 ein Zielwert der Inflationsrate bezeichnet wird. Wir
können diesen Zielwert aber weglassen. Ein Erhöhung eines
solchen Zielwerts werden wir stattdessen durch eine Erhöhung des
Terms r' erfassen.

Taylor schlägt als Werte für P und I jeweils 0,5 vor.
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Folie 211
• MP-Kurve
Wird die Taylor-Regel graphisch in einem r/Y-Diagramm dargestellt, so
erhalten wir eine Kurve, die die monetäre Politik der Zentralbank beschreibt.
Diese Kurve bezeichnen wir als MP-Kurve. Sie hat eine positive Steigung.
• Lageparameter
Ein Anstieg der Inflation oder ein Übergang zu einer restriktiveren Regel (r'
steigt) verschieben die MP-Kurve nach oben.
r
MP-Kurve
; r'
Y
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• Einfache IS-Kurve
Die IS-Kurve sei durch die folgende Gleichung charakterisiert (b0
bezeichnet die in den vorherigen Abschnitten identifizierten Einflüsse).
Y  b0  b1r; b0 , b1  0.
• Gleichgewicht
Die Regel der Zentralbank und die IS-Kurve können zusammengefasst
werden, um das gleichgewichtige Inlandsprodukt und den hierzu gehörigen
Realzins zu bestimmen.
r
IS
MP
r0
P0
Y0
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Y
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Wettstreit der Lehrmeinungen
• Ein Konsens?
Die Taylor-Regel hat breite Zustimmung über Lehrmeinungen hinweg gefunden.
Bezüglich der IS-Kurve verbleiben offene Fragestellungen.
 Anhänger einer mikrofundierten Makroökonomik vermuten, dass
private Haushalte bei einem zukünftig hohen Einkommen bereits
heute den Konsum erhöhen. Daher würden sie Erwartungen
bezüglich des zukünftigen Einkommens als Einflussgröße in der
Gleichung berücksichtigen.
 Die Relevanz zukünftig erwarteter Größen findet allerdings weniger
robuste empirische Unterstützung. Anhänger einer Makroökonomik
als engineering erweitern die IS-Kurve eher mit Werten der
Vergangenheit. Sie vermuten ferner einen hohen Parameter b1, da
dieser von einem Multiplikatoreffekt verstärkt wird.
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Erhöhung des Staatskonsums
IS1
r
IS0
b0
MP
rA
r0
P0
Y0
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PA
YA
Y
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• Erläuterung der Anpassung
Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt
die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts ergibt sich
eine Überauslastung der Kapazitäten. Die Zentralbank wird gemäß ihrer
Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Die Inflationsrate ist kurzfristig
konstant. Daher bleibt die MP-Kurve unverändert in ihrer Lage. Es ergibt sich
ein neues Gleichgewicht im Punkt PA. Das Inlandsprodukt ist angestiegen,
allerdings ist der Anstieg gedämpft, da die höheren Realzinsen die Investitionen
reduzieren.
• Dämpfungseffekt der Zentralbankpolitik
Der Anstieg des Inlandsprodukts fällt insgesamt geringer aus als bei der
bisherigen Multiplikatoranalyse. Die Zentralbank wirkt stabilisierend einer
Ausweitung des Inlandsprodukts entgegen. Dies wird auch in der Literatur als
„Dämpfungseffekt des Geldmarkts“ oder genauer als „Dämpfungseffekt der
Zentralbankpolitik“ bezeichnet.
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Straffere Regel der Zentralbank
MP1
r
IS0
rA
r0
r'
PA
MP0
P0
YA
Y0
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Y
Folie 217
• Erläuterung der Anpassung
Eine straffere Regel der Zentralbank verschiebt die MP-Kurve nach oben. Der
Realzins erhöht sich. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das
Inlandsprodukt. Dies wiederum bewirkt, dass die Erhöhung des Realzinses etwas
gedämpft wird. Es ergibt sich ein Gleichgewicht in PA bei kurzfristig konstanter
Inflationsrate.
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Folie 218
• Reaktion der Geldmenge
Eine straffere Regel der Zentralbank geht mit einer einmaligen Reduktion
der Geldmenge einher. Dies zeigt die Gleichung für die Geldnachfrage:
𝐿𝑛 = 𝑃 ∙ 𝐿 𝑌, 𝑟 + 𝜋 𝑒
Da das Inlandsprodukt sinkt und der Realzins steigt, sinkt die reale
Geldnachfrage.
• Geld und Inlandsprodukt –falsche Kausalität
Wieso geht eine einmalige Reduktion der Geldnachfrage mit einem Sinken
des Inlandsprodukts einher? Teilweise finden sich in der Tagespresse
irreführende Argumente: „Die Güternachfrage verringert sich, weil weniger
Geld für Konsumzwecke zur Verfügung steht“. Dieses Argument ist falsch,
denn für Konsum ist Einkommen notwendig. Geld wird zu
Transaktionszwecken gehalten. Konsumgüter werden verbraucht, Geld
nicht. Die gesunkene Geldnachfrage ist korrekterweise nur eine
Begleiterscheinung der höheren Zinsen.
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Folie 219
• Liquiditätsfalle
Die Zentralbank kann keine negativen nominalen Zinssätze am Markt
durchsetzen. Ein Grund für dieses Versagen besteht darin, dass die
Geschäftsbanken keine Kredite mit negativen Nominalzinsen vergeben, weil
sie stattdessen die Geldhaltung bevorzugen. Dies wird als Liquiditätsfalle
bezeichnet, da alle Wirtschaftssubjekte eine unbegrenzte Neigung zur
Haltung von Liquidität hätten. Bei einer Inflationsrate von Null kann die
Zentralbank dann keine negativen Realzinsen erreichen.
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Folie 220
Expansivere Regel der Zentralbank mit Liquiditätsfalle
r
IS0
r0=0
MP
P0=P1
r'
Y
Y0=Y1
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Folie 221
• Wirkungslosigkeit der Zentralbankpolitik
Statt Punkte auf der MP-Kurve
zu erreichen, muss die
Zentralbank dann von dieser
Kurve abweichen. Unterhalb
von r=0 gilt die MP-Kurve
nicht mehr. Eine expansivere
Regel der Zentralbank ist dann
ohne Einfluss auf r.
Demzufolge kann sich auch
kein Anstieg der Investitionen
und des Inlandsprodukts
einstellen. Eine Änderung der
Regel der Zentralbank ist in der
Liquiditätsfalle somit
wirkungslos.
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Folie 222
Fallstudie
V. Fallstudie Japan
Japan, 2009
BIP: 487000 Mrd. Yen
Bevölkerung: 127 Mio.
Pro-Kopf-Produktion: 3830000 Yen
Preis Big-Mac: 320 Yen
Wechselkurs: 85 Yen/US $
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Folie 223
Entwicklung Japan
8
Wachstum BIP
Inflation
6
Zinssatz (kurzfristig Interbankenmarkt)
Fallstudie
4
2
0
-2
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2010
2008
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
-4
Folie 224
Fallstudie
• 1984-89: Trotz hohen Wachstums und niedriger Inflation werden niedrige
Zinsen gesetzt (um Leistungsbilanzüberschuss abzubauen).
Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien.
• 1989-1992: Nikkei büßt mehr als die Hälfte seines Wertes ein. Viele faule
Kredite liegen in den Bilanzen.
• 1992-1996: Trotz Rezession werden Zinsen nur langsam gesenkt.
• 1996-2012: Japan ist in der Liquiditätsfalle. Nur mit hohen Staatsausgaben
gelingt eine Stabilisierung. Die Verschuldung des Staates liegt mittlerweile bei
230% des BIP.
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Fallstudie
Der Nikkei ist der bekannteste japanische Aktienindex. Seine Messung
basiert auf 225 ausgesuchten Aktienwerten.
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Folie 226