3.1 Thünen´sche Kreise und Thünen Modell

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Transcript 3.1 Thünen´sche Kreise und Thünen Modell

Thünen Modell

Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationaloekonomie Jena: G Fischer, 1910.

• Zentrum •„Freie Wirtschaft“ • Forstwirtschaft • Fruchtwechselwirtschaft (Getreide u. Blattfrucht o. Brache) • Koppelwirtschaft (Gras- und Feld) • Dreifelderwirtschaft (mit Brache) • Viehzucht • „Wildnis“ (Jagd)

U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell

Johann Heinrich von Thünen (1783 – 1850)

1

Bilder aus dem Thünen-Museum in Tellow mit dem Direktor, Herrn Bartz (Globalisierungsseminar SS 2006) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 2

1826 1830 1842 1848 1850 1793 1802 1806 1809 1810

Lebensdaten Johann Heinrich von Thünen

(Quelle: Thünengesellschaft (www.thuenen.de) • 24. Juni: Geburt in Canarienhausen (Jeverland) • Ausbildung bei Lucas Andreas Staudinger (Flottbeck) und Albrecht Daniel Thaer (Celle), anschließend Studium in Göttingen • Heirat mit der mecklenburgischen Gutsbesitzertochter Helene Sophie Johanna Berlin • Kauf des ca. 465 Hektar großen Gutes Tellow bei Teterow • Beginn Tellower Buchführung • Veröffentlichung des Hauptwerkes „Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und National-Oekonomie “ (Hamburg) • Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosphischen Fakultät der Universität Rostock auf Grund wissenschaftlicher Verdienste • Veröffentlichung der zweiten, vermehrten und verbesserten Auflage des „Isolierten Staates “ (Rostock) • Mandat für die Frankfurter Nationalversammlung • Ernennung zum Ehrenbürger von Teterow • Veröffentlichung des zweiten Teils des „Isolierten Staates“: „Der naturgemäße^Arbeitslohn und dessen Verhältnis zum Zinsfuß und zur Landrente“ (Rostock); Tod am 22. September in Tellow, Beisetzung in Belitz U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 3

Thünens Mustergut Tellow (heute)

U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 4

Das berühmte Grab Thünens mit der Lohnformel

U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 5

Die Lohnformel

U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 6

Thünen-Modell (formal)

Bietrente r(u) Entfernung u

Vereinfachungen:

• 2-Güter-Fall • Preise gegeben • lineare Beziehungen • keine externen Effekte r 1 (u) u* U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell r 2 (u) Entfernung u 7

Vereinfachtes Thünen-Modell

(vgl. UvS, Die Thünen ´ schen Ringe, WiSt 8/1980)

Annahmen:

• Preise im Zentrum seien gegeben • Nachfrage zu diesem Preis unbegrenzt hoch • Homogene Fläche, punktförmiger Absatzmarkt im Zentrum • Produktion in der Fläche, Produktionskosten überall gleich hoch • ubiquitäre Produktionsfaktoren

Symbole:

• p i • t i = Preis von Gut i im Zentrum = Transportkosten Gut i pro Tonne und km • u = Entfernung vom Zentrum • k i • e i = Stückkosten von Gut i (ohne Transportkosten) = physischer Ertrag von Gut i pro Flächeneinheit (in Tonnen) • p i (u) = Preis von Gut i in Entfernung u • G i (u) = Gewinn pro Flächeneinheit Gut i • r i (u) = Bietrente Gut i (Gewinn vor Bodenkosten) pro Flächeneinheit U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 8

1.1 Thünen´sche Kreise

Formale Lösung vereinfachtes Modell (1)

(1) r 1 (u) = (p 1 – t 1 u – k 1 )e 1 (2) r 2 (u) = (p 2 – t 2 u – k 2 )e 2 Bietrentenfunktionen (W. Alonso)

(Location and Land Use. Toward A General Theory of Land Rent. Massachusetts 1964)

(p 1 – k 1 )e 1 r 1 (u) (p 2 – k 2 )e 2 r 2 (u) u u* An der Grenze u* muss gelten: (3) r 1 (u*) = r 2 (u*) => (4)

u

* 

e

1 (

p

1 

k

1

e

1

t

1 ) 

e

2 ( 

e

2

t

2

p

2 

k

2 ) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 9

Gut 1 wird in Entfernung u produziert, wenn (5) r 1 (u) > r 2 (u) Einsetzen von (1) und (2) in (5) liefert (5a) e 1 (p 1 – k 1 ) – e 2 (p 2 – k 2 ) > u(e 1 t 1 – e 2 t 2 ) Einsetzen von (4) in (5a) liefert (5b) u*(e 1 t 1 – e 2 t 2 ) > u (e 1 t 1 – e 2 t 2 )  Für e 1 t 1 > e 2 t 2 (positiver Klammerausdruck) folgt u < u* d.h. Gut 1 wird dann in Zentrumsnähe angebaut  Für e 1 t 1 < e 2 t 2 (negativer Klammerausdruck) folgt u > u* d.h. Gut 1 wird dann in Peripherie angebaut U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 10

Schlussfolgerungen/Interpretation

• Entscheidend sind physische Erträge e i und Transportkosten t i • In Zentrumsnähe rückt das Gut mit den höchsten Transportkosten pro Flächeneinheit: • Die Preise im Zentrum sind hier ohne Einfluß auf die Standortwahl (sofern nicht ein Gut ganz aufgegeben werden muss) • Gesamte Transportkosten der Volkswirtschaft werden minimiert Kritik/Erweiterungen: • Preise und Nachfrage endogenisieren (wie bei Thünen im Original) • Restriktionen (homogene Fläche, Linearität etc.) lockern • Auf moderne Fragestellungen anwenden (Einzelhandel, Industrie) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 11

Übertragung des Thünen-Modells auf die Stadt

Stadtzentrum

Einzelhandel Büro

(teilweise zwar großer Flächenbedarf, aber hohe Fühlungsvorteile => Transportkostenersparnis der Kunden durch Zentrumsnähe) (hohe Intensität der Flächennutzung) Wohnraum (mittlere Intensität der Flächennutzung) Gewerbe (mittlerer bis hoher Flächenbedarf) Entfernung nach: Harald Bathelt, Johannes Gl ü ckler, Wirtschaftsgeographie, 2. Auflage, Stuttgart 2003. S. 102 U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 12

Peripherie

Thünen-Kreise in der Stadt

Speckgürtel Innenstadt • intensivste Bodennutzung in Zentrumsnähe • Grund weniger Transportkosten als Wegekostenersparnis der Kunden • Agglomerations vorteile (siehe später) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 13

Verallgemeinertes Thünen-Modell

• Güterpreise im Zentrum p jetzt variabel, ergeben sich aus Angebot und Nachfrage im Zentrum • Es konkurrieren zwei Güter (1 und 2) um die marktnächsten Standorte (z.B. Gemüse und Weizen) • Feste, aber je nach Gut unterschiedliche Transportkosten t i Gütereinheit pro Entfernungs- und • Genutzte Bodenfläche um das Zentrum ergibt sich aus Nachfragemengen der Güter, die wiederum von Preisen abhängig sind • An der Bebauungsgrenze ist der Bodenpreis Null • Statt Fläche wird mit Entfernung u gerechnet (nur mathematische Vereinfachung) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 14

Formale Lösung

Symbole:

• p i (x i ) = Preis von Gut i im Zentrum • t i = Transportkosten Gut i pro Tonne und km • u = Entfernung vom Zentrum p i a/g • k i = Stückkosten von Gut i (ohne Transportkosten) • e i = physischer Ertrag von Gut i pro Flächeneinheit (in Tonnen) • p i (u) = Preis von Gut i in Entfernung u • g i (u) = Gewinn pro Flächeneinheit Gut i • r i (u) = Bietrente Gut i (Gewinn vor Bodenkosten) pro Flächeneinheit • x i = nachgefragte Menge Gut i im Zentrum • a, g = feste Parameter der Nachfragefunktionen • Angebot sei proportional zur Entfernung: x i

Nachfragefunktionen: (1) x i (p i ) = a – gp i

= e i u i (p i -k i )e i (mit u i = Anbau“fläche“ Gut i)

Bietrentenfunktionen: (2) r i (u) = (p i (x i ) – k i – t i u)e i

a x U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell

u i

u 15

Es gelte e

1

t

1

> e

2

t

2

=> Gut 1 hat steilere Bietrentenfunktion:

(p 1 -k 1 )e 1 (p 2 -k 2 )e 2 r 1 (u) r 2 (u) u*

u

u • links von u* wird Gut 1 angebaut wegen r 1 (u) > r 2 (u) • rechts von u* wird Gut 2 angebaut wegen r 2 (u) > r 1 (u) • Für die „Zonengrenze“ u* errechnet sich analog zu oben: (3)

u

* 

e

1 (

p

1 

k

1 )

e

1

t

1  

e

2

e

2 (

t

2

p

2 

k

2 ) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 16

Für den Flächenbedarf gelten folgende Beziehungen:

(4) u 1 = x 1 /e 1 bzw u 2 = x 2 /e 2 (Flächenbedarf der einzelnen Güter) mit => (4a)

u

1 

u

2 

u

Einsetzen der Nachfragefunktionen (1):

a

1 

g

1

p

1

e

1 

a

2 

g

2

p

2

e

2 

u

(Gesamter Flächenbedarf) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 17

• Aus

r

2 (

u

)  0 (Nullgewinn von Gut 2 an der Anbaugrenze) und (2) folgt (5):

p

2 

t

2

u

k

2 (Preis von Gut 2 im Zentrum) • Gut 1 wird genau bis u* angebaut: (4) => u 1 = u* = x 1 /e 1 Einsetzen der Nachfragefunktion (1) => (6)

u

* 

a

1 

g

1

p

1

e

1 Wir haben 4 Gleichungen (3,4,5,6) sowie vier Unbekannte (

u

,

u

*, => das System ist eindeutig lösbar.

p

1 ,

p

2 ) U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 18

Man erhält folgende Lösungsgleichungen:

p

1 

N

2

N

3

N

4 

e

1

e

2

t

2

N

2

N

4 (

a

1

e

2 

e

1

e

2  2

t

2

a

2

e

1

g

1 

g

2

e

1

k

2 )

u

a

1

e

2 

a

2

e

1 

g

2

e

1

k

2 

g

1

e

2

p

1

N

4 mit folgenden Hilfsvariablen:

N

1 

e

1

t

1 

e

2

t

2

N

2 

e

1 2 

g

1 *

N

1

N

3

N

4 

a

1

N

1 

e

2 2

k

1 

e

1

e

2

N

2 

g

2

e

1

t

2 Alle weiteren Variablen sind aus Gl. (3) bis (6) zu ermitteln U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 19

Ergebnisse des Modells

r 2 (u) r 1 (u) u • Neuzutritt von Gut 2: Gut 1 wird aus innerem Kreis verdrängt • Preis von Gut 1 steigt wegen größerer Knappheit, Bietrente dito • jetzt wird Gut 2 knapper und sein Preis und seine Bietrente steigen • Prozess setzt sich fort bis Nachfrage = Angebot auf beiden Märkten • Bodenpreis steigt überall, Anbaufläche wird ausgedehnt • Reihenfolge des Zutritts ist unerheblich für Zonenbelegung U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 20

Gut 1 wird verdrängt Gut 2 wird verdrängt r 1 (u) r 2 (u) r 1 (u) r 2 (u) u Was passiert im Grenzfall identischer Bietrentensteigungen?

• Standortbelegung erfolgt zufällig bzw. gemischt durch beide Güter • Nachfrageerhöhung nach einem Gut verteuert beide Güter und Boden • Anbaufläche geringer als Summe der Flächen im Ein-Gut-Fall, da steigender Bodenpreis die Nachfrage nach beiden Gütern dämpft Thünen-Modell.xlsx

u U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 21

Weiterführende Literatur zur Thünen´schen Standorttheorie

• W. Isard: Location and Space-economy, A General Theory Relating to Industrial Location, Market Areas, Land Use, Trade an Urban Structure, New York 1956 • W. Isard: Methods of Regional Analysis: An Introduction to regional science Cambridge 1960 • Edwin von Böventer, Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962 • Edwin von Böventer, Standortentscheidung und Raumstruktur, Hannover 1979 Einfaches Thünen-Modell zum „Spielen“ im Internet: 3. THUNEN.EXE

Centre for Advanced Spatial Analysis (CASA) - University College London

Personal Website:

http://www.casa.ucl.ac.uk/ U. van Suntum, Regionalökonomik, Thünenmodell 22