246, 22, 23 I StGB

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Transcript 246, 22, 23 I StGB

Klausur S 163 Strafrecht
WS 2010/2011
Friedrich Toepel
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Zu Frage 1
I) Strafbarkeit des A
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1.) Das Geschehen in der
Wohnung des O
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a) §§ 242 I, II, 22 23 I StGB durch
Einstecken der EC-Karte
aa) Vorprüfung:
Diebstahl vollendet, Karte für A nicht
fremd,
Versuch strafbar, § 242 II StGB
bb) Tatentschluss:
Vorsatz des A bezüglich
Karte = fremde bewegliche Sache,
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Vorstellung einer Wegnahme?
Bruch von Os Gewahrsam +, kein
Einverständnis;
Begründung neuen Gewahrsams +,
Wohnung = genereller
Herrschaftsbereich des O,
körpereigene Sphäre der Gäste, die
deren Kleidung mit umfasst, aber =
Gewahrsamsexklave
mit Einstecken Karte in diese Exklave
verbracht.
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(noch vertretbar: verhindert Begründung
neuen Gewahrsams –, wegen
Beobachtung und sofortigen Eingreifens
des O
(später bei versuchtem § 252 StGB evtl.
von Bedeutung)
cc) Abs. rw Zueignung: +
(Auftreten als Eigentümer
beabsichtigt: behalten und für
Einkäufe benutzen)
dd) § 22 StGB: unproblematisch
ee) Rw, Schuld +, Strafbarkeit gem.
§§ 242 I, II, 22 23 I StGB +
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b) §§ 249, 22, 23 I StGB durch
dasselbe Verhalten i. V. m.
Faustschlägen gegen Brust und
Arme
Tatentschluss:
aa) Gewalt (vis absoluta) +,
bb) Finalzusammenhang GewaltWegnahme:
Gewalt Mittel, um die Wegnahme zu
ermöglichen,
O soll nur abgelenkt werden
(Ablenkung bzw. Täuschung 
Raubmittel)
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Keine Absicht O bei seiner Verteidigung
gegen die Wegnahme der EC-Karte
einzuschränken werden,
daher Tatentschluss –
c) §§ 240 I, II, III, 22, 23 I StGB durch
die Faustschläge gegen Brust und
Arme?
Finalzusammenhang: Einsatz der
Nötigungsmittel zur Herbeiführung
eines Nötigungserfolgs?
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Vertretbar:
A will O mit Hilfe der Schläge zwingen,
sich zu rechtfertigen und soll gerade so
abgelenkt werden
(Sachverhalt nicht ganz klar, auch
vertretbar, hier Tatfrage anzunehmen)
d) § 223 I StGB aufgrund der
Faustschläge:
unproblemat. 1. u. 2 Alt. +
(schmerzhaft,
bei lebensnaher Interpretation zumindest blaue Flecke)
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e) § 187 StGB aufgrund Bezeichnung
als Falschspieler
aa) obj. Tb.: Falschspieler = falsche
Tatsachenbehauptung gegenüber
Dritten
(B hört mit)
bb) subj. Tb.: wider besseres Wissen +
(A hat auch Vorsatz, dass B zuhört),
Rw, Schuld +, Strafbarkeit gem. § 187
StGB +
[§§ 246, 22, 23 I StGB aufgrund
Verdeckens oder Einsteckens: muss
nicht erwähnt werden, jedenfalls
verdrängt, § 246 I StGB]
2.) Die Vorgänge nach dem Verlassen
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der Wohnung des O
a) §§ 223 I, 224 I Nr. 4 StGB aufgrund
Niederschlagens des O:
aa) Grundtb. unproblemat. 1. u. 2 Alt.
+;
bb) § 224 I Nr. 4 StGB:
A und B wirken zusammen,
nach h. L. unabhängig davon, ob Bs
Mitwirken mittäterschaftlich oder nur
Beihilfe
(anders möglicherweise BGH NStZ
2000, 194, 195,
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insofern Ablehnung des § 224 I Nr. 4
StGB mit der Begründung vertretbar, B
habe nicht mittäterschaftlich gehandelt)
cc) Rw, § 32 StGB:
a) Angriff des O +,
b) Versuch, dem A die Karte wieder
abzunehmen = rw Angriff?
Nur dann, wenn Erfolgsunwert
ausreichend
O irrt sich, Handlungsunwert des
Angriffs fehlt insofern
g) Gegenwärtigkeit des Angriffs +
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d) Verteidigungshandlung,
Erforderlichkeit der Abwehr?
Mildestes Mittel unter mehreren
gleich geeigneten ausgewählt?
Hinweis auf den Namen auf der Karte
als milderes Mittel?
(so Musterlösung, dieser Weg aber
nicht zugänglich für A, weil er ihn nicht
kannte)
e) Subj. Rechtfertigungselement:
Verteidigungswille fehlt wegen As
Irrtum, es handle sich um Os Karte:
Meinungsstreit:
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aa) überwiegende Ansicht: bei
Verwirklichung des
Handlungsunwerts Anwendbarkeit der
Versuchsregeln
bb) auch vertretbar: keine volle
Rechtfertigung, daher Strafbarkeit
vollständig gegeben
(Finalisten, ältere Rspr. BGHSt 2, 114)
gg) Mindermeinung (Spendel): subj.
Rechtfertigungselement bei Notwehr
überflüssig, volle Rechtfertigung
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Ergebnis: je nachdem
Vollendung,
Anwendbarkeit der Versuchsregeln
Straflosigkeit
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b) §§ 240 I, II StGB durch Zwingen
des O, Abnehmen der Karte zu
unterlassen
Rw, § 32 StGB: Problematik wie
soeben in Bezug auf Körperverletzung
zu entscheiden
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Aber auch vertretbar: obj. Tatbestand
ablehnen:
objektiv berechtigter Zweck: das
Eigentum des Täters zu verteidigen
selbes Ergebnis unter der
Verwerflichkeitsklausel
c) §§ 252, 22 , 23 I StGB durch
Niederschlagen des O und Entfernen
mit der Karte
aa) Tatentschluss, Vorstellung des A:
a) Gewalt nach Vollendung des
Diebstahls (nach Begründung neuen
Gewahrsams)? +
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es sei denn: Beobachtung und
sofortiges Eingreifen des O würde
Gewahrsamsbegründung hindern,
dann Raubversuch zu prüfen
b) auf frischer Tat betroffen? +
Gewaltanwendung im
Beendigungsstadium
bb) Besitzerhaltungsabsicht +
cc) § 22 StGB: unproblematisch
dd) Rw, § 32 StGB: Problematik wie in
Bezug auf Körperverletzung zu
entscheiden
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3.) Konkurrenzen:
§§ 252, 22, 23 I; 240 I; 224 I Nr. 4; 52
StGB
(Konsumtion von §§ 242 I, II , 22, 23 I
StGB durch §§ 252, 22, 23 I StGB)
II) Strafbarkeit des B
1.) Das Geschehen in der Wohnung
des O
§§ 242 I, II, 22 23 I, 25 II [27 I] StGB
durch Zwischen-O-und-A-Stellen
B hat nicht selbst weggenommen
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Mittäterschaftliche Zurechnung der
gewollten Wegnahmehandlung durch A
aufgrund des § 25 II StGB?
a) subjektive Theorie:
Täterwille?
Indizien: keine soziale Abhängigkeit des
B vom A,
gewichtige Hilfe dem A gegenüber,
aber: kein Eigeninteresse (Abwägung,
beides vertretbar);
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b)Tatherrschaftslehre: wohl eher
Täterschaft,
sofern nicht unmittelbare Mitwirkung bei
der Verwirklichung von
Tatbestandsmerkmalen gefordert wird
(Rudolphi, Bockelmann-FS)
(Musterlösung: Beihilfe liege näher)
Sukzessive Mttäterschaft?
Nur falls bereits Verdecken der Karte
als Begründung neuen Gewahrsams
betrachtet wird (entgegen h. M., bei
guter Begründung aber gerade noch
vertretbar),
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[§§ 246, 22, 23 I, 25 II bzw. 27 I StGB:
wiederum jedenfalls verdrängt, § 246 I
StGB]
2.) Die Vorgänge nach dem Verlassen
der Wohnung des O
a) §§ 223 I, 224 I Nr. 4, 25 II [27 I]
StGB aufgrund Festhaltens des O
(auch Versuchstrafbarkeit, je nach
Ergebnis bei der Haupttat des A):
Täterschaft: auch hier beides, Annahme
und Ablehnung vertretbar
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b) §§ 240 I, 25 II [27 I] StGB aufgrund
desselben Verhaltens
Selbes Abgrenzungsproblem
Mittäterschaft/Beihilfe
c) §§ 252, 22 , 23 I, 25 II [27 I] StGB
aufgrund desselben Verhaltens
aa) Täterschaft: selbes
Abgrenzungsproblem wie voriger Tb.
bb) Absicht, sich im Besitz der Karte
zu erhalten fehlt jedenfalls?
(weil B weiß, dass er nicht Gewahrsam
an der Karte hat),
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BGHSt 6, 248, 250: dem Mittäter kann
auch Tun und Besitz des anderen
Mittäters als eigenes Verhalten
zugerechnet werden, danach
mittäterschaftlicher Tatentschluss
vertretbar, falls Merkmale der
Täterschaft erfüllt sind;
Strafbarkeit dann gegeben, je nach
Haupttat des A
d) §§ 253, 255, 22, 23 I, 25 II [27 I]
StGB aufgrund desselben Verhaltens
Tatentschluss:
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Vermögensverfügung stellt sich B
nicht vor,
nach Rspr. nicht erforderlich,
vorgestellter Vermögensschaden:
Rückgängigmachung des
Gewahrsamswechsels?
(vertretbar, anders der BGH NJW 1984,
500)
Aber:
Sperrwirkung des § 252 StGB,
Drittbesitzerhaltungsabsicht soll
nicht auf dem Umweg über §§ 253,
255 StGB strafbar sein
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(BGH StV 1991, 349, LK-Herdegen §
252 Rdnr. 23, a. A. nur nach
Auseinandersetzung mit dieser Ansicht
vertretbar),
Strafbarkeit gem. §§ 253, 255, 22, 23
I, 25 II [27 I] StGB –
Zu Frage 2 (Entscheidung des
Revisionsgerichts)
I. Zulässigkeit
1. Statthaftigkeit der Revision gem. §§
335 I, 312 StPO (Sprungrevision)
2. A rechtsmittelberechtigt:
Beschuldigter, § 296 I StGB
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3. A beschwert: als Verurteilter
[Einhaltung der Form und
Fristvorschriften sowie der
Voraussetzungen gem. §§ 344, 345
StPO ist zu unterstellen]
II. Begründetheit, §§ 337, 338 StPO
1.) Gesetzesverletzung, § 337 II StPO:
Straferwartung von mehr als 4 Jahren
Freiheitsstrafe,
sachliche Zuständigkeit des LG große
Strafkammer, § 71 I GVG
nicht Schöffengerichts, § 24 I Nr. 2
GVG,
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(außerdem „Strafbann“ gemäß § 24 II
GVG überschritten)
2.) Beruhen des Urteils auf der
Gesetzesverletzung, § 337 I StPO:
absoluter Revisionsgrund: § 338 Nr. 4
StPO (Zuständigkeit zu Unrecht
angenommen),
Beruhen unwiderlegbar vermutet
III. Entscheidung des
Revisionsgerichts: Aufhebung und
Verweisung an das örtlich zuständige
LG (Große Strafkammer) gem. §§ 74 I,
76 I 1 GVG