1.3. Anwendbares Recht

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Transcript 1.3. Anwendbares Recht

Internationales Familienrecht
Internationales Familienrecht in Zahlen
Internationales Familienrecht
Fragestellung und Kursinhalt
1. Internationale Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
1.
2.
3.
4.
5.
Scheidung
Obsorge- und Besuchsrecht
Kindesentführung
Abstammung, Adoption
Unterhalt
Internationales Familienrecht
1. Scheidung
1.1.
1.2.
1.3.
Internationale Zuständigkeit
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Anwendbares Recht
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
räumlicher Anwendungsbereich (Dänemark)
sachlicher Anwendungsbereicht („Ehe“!?)
Österreichische Ehegatten leben gemeinsam in
den USA. Die Ehefrau zieht zurück nach
Österreich, der Ehemann zieht nach Italien.
Einvernehmliche Scheidung in Österreich ?
Ein österr Ehemann leitet in Italien die Sanierung
eines Tunnels. Er „wohnt“ in einer Bauhütte.
Einmal im Monat reist er für eine Woche zu
seiner Frau in Österreich. Nach einem Jahr
verlässt der Mann seine Frau und zieht zu seiner
Freundin in Italien, die ein Kind von ihm erwartet.
Welche Gerichte sind für eine Scheidung
zuständig ?
Ein deutsch-österr Ehepaar lebt in Triest
(Italien). Beruflich veranlasst, zieht die österr
Frau nach Klagenfurt (Österreich), während der
deutsche Ehemann eine Stelle in Maribor
(Slowenien) annimmt. Welche Gerichte sind für
eine Scheidung zuständig ?
1. abschließende Regelung – 2. perpetuatio fori
Ein österreichisch-italienisches
Ehepaar lebt in der Schweiz.
Internationale Zuständigkeit für eine
Scheidung nach der Brüssel IIa-VO?
OGH 1 Ob 76/11z
Die Kl ist österr Staatsbürgerin, der Beklagte Deutscher.
Beide wohnen in Bayern, wo sie ihren letzten gemeinsamen
gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Die Klägerin reicht Scheidungsklage am BG Salzburg ein und
legt eine „Zuständigkeitsvereinbarung“ vor, worin sie mit
ihrem Mann die Zuständigkeit des BG Salzburg vereinbart
hat.
Wie hat das BG Salzburg zu entscheiden?
EuGH, 29.11.2007, Rs C-68/07
[Sundelind Lopez/Lopez Lizazo]
Ein kubanisch-schwedisches Ehepaar hat
zuletzt gemeinsam in Frankreich gelebt.
Der kubanische Ehemann zieht wieder
nach Kuba. Die schwedische Ehefrau lebt
weiterhin in Frankreich. Sie leitet (unter
Berufung auf das schwedische
Zuständigkeitsrecht in Schweden ein
Scheidungsverfahren ein.
Variante:
Die Ehefrau zieht nach Schweden und
klagt dort.
... und das österr-italienische Ehepaar
in der Schweiz ?
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
Jurisdiktionsnorm (JN)
§ 76 (1) Für Streitigkeiten über die Scheidung, die Aufhebung, die Nichtigerklärung
oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den
Parteien ist das Gericht ausschließlich zuständig, …..
(2) Die inländische Gerichtsbarkeit für die im Abs. 1 genannten Streitigkeiten ist
gegeben, wenn
1. einer der Ehegatten österreichischer Staatsbürger ist oder
2. der Beklagte, im Fall der Nichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten zumindest einer
von ihnen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder
3. der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und entweder beide
Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt
haben oder der Kläger staatenlos ist oder zur Zeit der Eheschließung österreichischer
Staatsbürger gewesen ist.
§ 114a (4) Die inländische Gerichtsbarkeit in [außerstreitigen] Eheangelegenheiten
ist gegeben, wenn einer der Ehegatten österreichischer Staatsbürger ist oder seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
Beispiel (nach 7 Ob 155/08g)
Eine Österreicherin lebt mit ihrem schweizer Ehemann in der Schweiz.
Beide haben dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt.
Am BG Bregenz
- reicht die Ehefrau eine Scheidungsklage ein
- Variante: reicht der Ehemann eine Scheidungsklage ein
Ist das Gericht zuständig?
Art 6: ... darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats ...
Was ist das domicile ?
1 Ob 549/80: Ein Wahldomizil setzt den
tatsächlichen Aufenthalt (actual residence) und
die Absicht zu bleiben, die nach außen hin
manifestiert wird (animus manendi), voraus.
Es muss die Absicht einschließen, nicht mehr in das
Land des Ursprungsdomizils zurückzukehren.
Das Offenlassen einer „Hintertür“ zur
Rueckkehr in die alte Heimat steht damit einem
neuen domicile of choice entgegen.
OLG Stuttgart v. 6.7.2004 = FamRZ 2005, 911
„Sein durch Geburt begründetes „Domicile of
Origin" in Sri Lanka hat er — trotz
Beibehaltung der Staatsangehörigkeit von Sri
Lanka — aufgegeben, da er seine Heimat bis
auf einen einzigen Besuch i. J. 1991 nicht mehr
besucht hat und nach seinen glaubwürdigen
Ausführungen dorthin auch nicht mehr
zurückkehren möchte. Seine Eltern sind
verstorben; seine Geschwister (mit eigenen
Familien) leben dauerhaft im Ausland, u. a. in
Deutschland.“
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
1979 schlossen Herr Hadadi und Frau Mesko, beide ungarische
Staatsangehörige, in Ungarn die Ehe. 1980 wanderten sie nach
Frankreich aus, wo sie sich noch aufhalten. 1985 erhielten sie die
französische Staatsangehörigkeit, so dass sie beide die ungarische und
die französische Staatsangehörigkeit besitzen.
Am 23. Februar 2002 erhob Herr Hadadi Klage auf Ehescheidung
beim Gericht in Pest.
Frau Mesko erhob am 19. Februar 2003 beim Tribunal de grande
instance de Meaux (Frankreich) Klage auf Ehescheidung wegen
Verschuldens.
Internationale Zuständigkeit ?
EuGH 16. 7.2009 (Hadadi – Mesko)
Rechtshängigkeit? Art 3 Brüssel IIa-VO und Staatsbürgerschaft?
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
OGH 8 Ob 18/08t
Scheidungsklage in Serbien –
Prozesshindernis in Österreich?
Die Ehegatten sind serbische
Staatsangehörige, ihr letzter
gemeinsamer Wohnsitz (Aufenthalt)
liegt in Wien.
Am 23. 3. 2006 bringt der Ehemann
die Scheidungsklage in Belgrad ein.
Am 9. 10. 2006 bringt die Ehefrau
die Scheidungsklage am BG Hernals
ein.
Wie hat das BG Hernals zu
entscheiden?
S folgende Folie: § 232 ZPO
1.1. Scheidung – internationale Zuständigkeit
Streitanhängigkeit.
§. 232 ZPO
(1) Die Rechtshängigkeit der Streitsache (Streitanhängigkeit) wird
durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten
begründet. ...
§. 233.
(1) Die Streitanhängigkeit hat die Wirkung, dass während ihrer
Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder bei
demselben noch bei einem anderen Gerichte ein Rechtsstreit
durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit
wegen des nämlichen Anspruches angebrachte Klage ist auf
Antrag oder von amtswegen zurückzuweisen.
hL und Rsp: Streitanhängigkeit im EU-Drittstaat =>
Anerkennungs- und Vollstreckungsprognose !
Internationales Familienrecht
1. Scheidung
1.1.
1.2.
1.3.
Internationale Zuständigkeit
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Anwendbares Recht
1.2. Scheidung – Anerkennung ausländischer Entscheidungen
a) Entscheidung aus MSt
b) Entscheidung aus Drittstaat...
1.2. Scheidung – Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe
Anerkennung und Verweigerungsgründe - § 97 AußStrG
(1) Eine ausländische Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des
Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie
über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe wird in
Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur
Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Die Anerkennung kann als Vorfrage
selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens
bedarf.
(2) Die Anerkennung der Entscheidung ist zu verweigern, wenn
1. sie den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public)
offensichtlich widerspricht;
2. das rechtliche Gehör eines der Ehegatten nicht gewahrt wurde, es sei denn,
er ist mit der Entscheidung offenkundig einverstanden;
3. die Entscheidung mit einer österreichischen oder einer früheren die
Voraussetzungen für eine Anerkennung in Österreich erfüllenden
Entscheidung unvereinbar ist, mit der die betreffende Ehe getrennt,
geschieden, für ungültig erklärt oder das Bestehen oder Nichtbestehen der
Ehe festgestellt worden ist;
4. die erkennende Behörde bei Anwendung österreichischen Rechts
international nicht zuständig gewesen wäre.
Aufteilungsantrag - § 95 EheG (mater. Präklusivfrist); Art 24 Brüssel IIa: keine Prüfung der int. Zstdkt
1.2. Scheidung – Anerkennung ausländischer Entscheidungen
1.2. Scheidung – Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Verfahren der Anerkennung - § 98 AußStrG
(1) Die Anerkennung der Entscheidung in einem selbständigen Verfahren kann
beantragen, wer ein rechtliches Interesse daran hat. Der Staatsanwalt ist zur
Antragstellung befugt, wenn die Entscheidung auf einen den §§ 21 bis 25 des
Ehegesetzes vergleichbaren Nichtigkeitsgrund gegründet ist.
(2) Dem Antrag sind eine Ausfertigung der Entscheidung und ein Nachweis ihrer Rechtskraft nach dem
Recht des Ursprungsstaats anzuschließen. Im Fall der Nichteinlassung des Antragsgegners in das
Verfahren des Ursprungsstaats ist überdies der Nachweis der Zustellung des verfahrenseinleitenden
Schriftstücks oder eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, dass die säumige Partei mit der
ausländischen Entscheidung offenkundig einverstanden ist.
(3) Das Gericht kann den Antragsgegner auch erst durch die Zustellung der Entscheidung in das
Verfahren einbeziehen.
(4) Richtet sich ein Rekurs gegen eine Entscheidung erster Instanz, so beträgt die Frist für Rekurs und
Rekursbeantwortung einen Monat. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners im
Ausland und stellt ein Rekurs oder eine Rekursbeantwortung seine erste Möglichkeit dar, sich am
Verfahren zu beteiligen, so beträgt die Frist für den Rekurs oder die Rekursbeantwortung für ihn zwei
Monate.
1.2. Scheidung – Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Antrag auf Nichtanerkennung - § 99 AußStrG
Die §§ 97 und 98 sind auf Anträge, mit denen die
Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den
Bestand einer Ehe geltend gemacht wird, entsprechend
anzuwenden.
Vorrang des Völkerrechts - § 100 AußStrG
Die §§ 97 bis 99 sind nicht anzuwenden, soweit nach Völkerrecht
oder in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften Anderes
bestimmt ist.
Internationales Familienrecht
1. Scheidung
1.1.
1.2.
1.3.
Internationale Zuständigkeit
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Anwendbares Recht
1.3. Scheidung – Anwendbares Recht
Scheidungsvoraussetzungen ??
1.
Ehe wurde (wirksam) geschlossen .... = 1.3a
2.
Ehe wurde noch nicht (anerkennungsfähig) aufgelöst
Folgen nicht wirksamer Eheschließung bzw in Österreich
nicht anerkennungsfähiger Scheidungen:
„hinkende“ (Inlands/Auslands)-Ehen
(die „hinkende“ Inlandsehe besteht im Inland, nicht
aber im Ausland; und vice versa)
1.3a. Das auf die Eheschließung anwendbare Recht
1. Italiener haben in der Schweiz kirchlich geheiratet;
2. Ein Italiener hat eine Österreicherin in der Schweiz kirchlich geheiratet;
3. Österreicher haben in Spanien kirchlich geheiratet.
Welche Ehen sind (form)gültig zustande gekommen? Hinweis: In der Schweiz kann, ebenso wie in
Österreich, eine Ehe nur vor dem Standesbeamten wirksam geschlossen werden („obligatorische Zivilehe“)
1.3a. Das auf die Eheschließung anwendbare Recht
3 Ob 91/08s
Der österr Kläger und die Beklagte, eine kenianische Staatsangehörige,
schlossen am 8. 1. 2003 miteinander in Mombasa (Kenia) die Ehe. Der
letzte gemeinsame Aufenthalt war in Wien. Die Parteien hatten einander
in Kenia kennen gelernt. Am 9. April 2004 stellte man in einem
Krankenhaus eine HIV-Infektion der Beklagten fest. Die Infektion fand
bereits vor der Eheschließung zu einem nicht mehr feststellbaren
Zeitpunkt statt. Der Kläger begehrt die Aufhebung der Ehe (§ 37 EheG).
Grundsatz des „ärgeren Rechts“
1.3a. Das auf die Eheschließung anwendbare Recht
7 Ob 312/04i
Die StA klagt Ahmet T* (Türke) und Kornelia Z* (Österreicherin) auf
Nichtigerklärung der Ehe. Die Eheschließung sei nur erfolgt, um Ahmet den
Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen (was zutrifft).
Ahmet wendet ein, das türkische Recht kenne keinen dem § 23 EheG
vergleichbaren Nichtigkeitsgrund.
§ 17 IPRG
(1) Die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit und der
Aufhebung sind für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu
beurteilen.
Internationales Familienrecht
1. Scheidung
1.1.
1.2.
(1.3.a
1.3.
Internationale Zuständigkeit
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Das auf die Eheschließung anwendbare Recht)
Anwendbares Recht
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht
(IPR-Gesetz)
Grundsatz der stärksten Beziehung
§ 1. (1) Sachverhalte mit Auslandsberührung sind in privatrechtlicher
Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste
Beziehung besteht.
(2) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen besonderen Regelungen über
die anzuwendende Rechtsordnung (Verweisungsnormen) sind als
Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen.
Gerechtigkeitsideal des IPR
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Beispiel einer Kollisionsnorm:
§ 17 IPRG Voraussetzungen der Eheschließung
(1) Die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der
Ehenichtigkeit und der Aufhebung sind für jeden der
Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen.
Typische „Anknüpfungspunkte“ im IPR:
- Staatsangehörigkeit („Personalstatut“)
- Lebensmittelpunkt („gewöhnlicher Aufenthalt“)
- „domicile“
- Rechtswahl
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Personalstatut einer natürlichen Person
§ 9. (1) Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des
Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden
Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist
diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit
des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.
(2) Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht
geklärt werden, so ist ihr Personalstatut das Recht des Staates, in dem
sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Ehescheidung - § 20 IPRG
(1) Die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe sind
nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden
Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen.
Persönliche Rechtswirkungen der Ehe - § 18 IPRG
(1) Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe sind zu beurteilen
1. nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten
gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen
beibehalten hat,
2. sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht
des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt
haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat.
Eine Frau mit zunächst österreichischer, später österr-kanadischer
Doppelstaatsangehörigkeit lebt mit ihrem Ehemann, einem Kanadier, in den
USA. Scheidungsstatut?
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Rück- und Weiterverweisung - § 5 IPRG
(1) Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung umfaßt auch deren
Verweisungsnormen.
(2) Verweist die fremde Rechtsordnung zurück, so sind die
österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der
Verweisungsnormen) anzuwenden; im Fall der Weiterverweisung sind
unter Beachtung weiterer Verweisungen die Sachnormen der
Rechtsordnung maßgebend, die ihrerseits nicht mehr verweist bzw. auf
die erstmals zurückverwiesen wird.
(3) Besteht eine fremde Rechtsordnung aus mehreren
Teilrechtsordnungen, so ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, auf die
die in der fremden Rechtsordnung bestehenden Regeln verweisen.
Mangels solcher Regeln ist die Teilrechtsordnung maßgebend, zu der
die stärkste Beziehung besteht.
Ein norwegisches Ehepaar will die Scheidung in Österreich. Norwegisches IPR
„beruft“ für die Scheidungsvoraussetzungen das Recht am Wohnsitz der Parteien.
Scheidungsstatut?
Teilrechtsordnungen: territoriale – personale Rechtsspaltung
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Koran, Sure 4:3
„Und wenn ihr fürchtet, den Waisen nicht gerecht
werden zu können, nehmt euch als Frauen, was euch
gut erscheint, zwei oder drei oder vier. Doch wenn ihr
fürchtet, ihnen nicht gerecht werden zu können,
heiratet nur eine …“
Vorbehaltsklausel (ordre public) - § 6 IPRG
Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn
ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den
Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar
ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende
Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
OGH 28.2.2011 – 9 Ob 34/10f
Die Streitteile schlossen am 27. 10. 1983 vor dem Standesamt MedinaSaudiarabien die Ehe, beide waren damals saudiarabische Staatsbürger. Während
der Beklagte schon vor der Eheschließung in Österreich aufhältig war, kam die
Beklagte erst nach der Eheschließung nach Österreich, wo sich beide Streitteile bis
zuletzt aufhielten und auch ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten.
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien
geschieden und ausgesprochen, dass das Verschulden beide Teile treffe.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage ab 1. Juli 2005 einen laufenden Unterhalt
von 340 EUR monatlich. Diese Unterhaltsforderung hielt sie auch ausdrücklich für
den Zeitraum nach Rechtskraft der Scheidung aufrecht. Sie führte aus, dass
österreichisches Recht anzuwenden sei, weil die Anwendung des saudiarabischen
(islamischen) Rechts dem österreichischen ordre public widerspreche.
Insbesondere lasse es sich mit den Grundwerten der österreichischen
Rechtsordnung nicht vereinbaren, dass nach dem saudiarbischen Recht für die Zeit
nach der Scheidung - mit Ausnahme von drei Monaten im Anschluss an die
Scheidung - überhaupt kein Unterhaltsanspruch der Ehegattin gegenüber dem
früheren Ehegatten bestehe.
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar gemäß § 20 iVm § 18
IPRG grundsätzlich saudiarabisches (islamisches) Recht Anwendung zu finden
habe. Die Ermittlung sei jedoch in angemessener Zeit nicht möglich gewesen,
sodass gemäß § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht (§ 94 ABGB)
anzuwenden sei. Für den nachehelichen Unterhalt sei davon auszugehen, dass
die saudiarabische (islamische) Rechtslage dem ordre public widerspreche.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beschränkung
des Unterhaltsanspruchs der Frau auf drei Monate nach
Ehescheidung sei mit dem Grundgedanken des österreichischen
Unterhaltsrechts nicht vereinbar.
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Die sogenannte „versteckte Rückverweisung“
- oder: was tun, wenn das „verwiesene Recht“ kein IPR kennt?
OGH 30. 4. 1980, 1 Ob 549/80
Die Streitteile haben am 20. 8. 1955 vor dem Standesamt Wien-Penzing die
Ehe geschlossen. Sie sind Staatsbürger der USA. Der letzte gemeinsame
gewöhnliche Aufenthalt war in Wien. Die Klägerin begehrt die Scheidung der
Ehe vorerst aus dem Verschulden des Beklagten, eines pensionierten Offiziers
der US-Armee.
Der OGH: „Ist nach dem Recht der USA die Jurisdiktion ausländischer
Gerichte in Statussachen über ihre Staatsbürger zu bejahen, so soll nach
amerikanischem Rechtsdenken das Gericht auch sein heimisches Recht
anwenden.“
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
•
Fall 1: das ausl Forum (in den „USA“/England) ist nicht zuständig (weil keiner
der Eheleute sein Domizil im Staat des angerufenen Forums hat); wohl aber wäre
aus Sicht dieses Forums das angerufene Gericht zuständig (weil die Ehegatten
dort ihr domicile haben): Rückverweisung und somit Anwendung des eigenen
Rechts: ja
•
Fall 2: Die Zuständigkeiten konkurrieren (je einer der Gatten hat sein domicile in
England/USA, der andere im Staat des angerufenen Forums):
Lösung strittig, aber üA: versteckte Rückverweisung: ja
•
Fall 3: Nach der Jurisdiktion des ausl Forums besteht keine Zuständigkeit des
angerufenen Forums:
dann auch kein Einverständnis mit Anwendung von dessen Recht !
1.3. Scheidung – anwendbares Recht
Reform: „Rom III“ = EhescheidungsVO ab 21.6.2012
Gleichgeschlechtliche Ehen?
Privatscheidungen?
Internationales Familienrecht
2. Obsorge- und Besuchsrecht
• 2.1. Internationale Zuständigkeit
• 2.2. Anerkennung ausländischer Entscheidungen
• 2.3. Anwendbares Recht
„elterliche Verantwortung“
2.1. Obsorge- und Besuchsrecht – internationale Zuständigkeit
2.1. Obsorge- und Besuchsrecht – internationale Zuständigkeit
2.1. Obsorge- und Besuchsrecht – internationale Zuständigkeit
Art 8 – Art 20: „zweite Spur“