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Aktuelle vergaberechtliche Entwicklungen Dr. Martin Schellenberg Rechtsanwalt 7. April 2011 Agenda 1. Produktbezogene Ausschreibung 2. Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten 3. Schwellenwerte 4. Losaufteilung 5. Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht 6. Vorbefasste Personen 7. Bietergemeinschaften 8. Ausschluss wegen negativer Vorerfahrungen 9. Referenzen 10. Vorlagepflichten für konzerninterne Nachunternehmer 11. Nebenangebote 12. Unterkostenangebot 13. Unverzüglichkeitsanfordernis für Bieterrüge 14. Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte 2 1. Produktbezogene Ausschreibung Ist die öffentliche Hand verpflichtet, so auszuschreiben, dass möglichst viel Wettbewerb entsteht? Wie viel Spielraum hat sie bei der Bestimmung dessen, was sie haben will? 3 Beispiel 1 oder Oberklasse Fahrzeug 4 oder Mercedes 300 E Mercedes 300 E von einem bestimmten Händler Beispiel 2 oder Server 5 oder HP Server HP Server von HP direkt Beispiel 3 oder Tisch 6 oder USM Haller Tisch USM Haller Tisch von USM direkt Beispiel 4 oder HochwasserFunksystem oder ISM-Funksystem XY-System Funksystem mit Merkmalen, die nur XY-Geräte erfüllen 7 Beispiel 5 oder Türdrücker 8 oder SchössmetallTürdrücker oder Vergleichbares SchössmetallTürdrücker von Schössmetall Beispiel 6 oder Digitale Whiteboards oder Digitale Whiteboards ohne Spezialstift bedienbar nur 1 Anbieter am Markt! 9 Digitale Whiteboards von Hitachi Beispiel 7 oder Feuerwehralarmierungssysteme 10 oder Kauf des Systems, nicht Miete! Beschreibung mit Merkmalen, die nur 1 Anbieter erfüllen kann Beispiel 8 oder Patientenüberwachungsanlagen in Krankenhäusern 11 oder Nennung des Herstellers Kauf vom Hersteller Beispiel 9 oder Sprinkleranlagen für Brandschutz in Bibliotheken 12 Hochdrucknebel vs. Tiefdrucknebel Grundlagen des Gebots der Produktneutralität Waren- und Dienstleistungsfreiheit Art. 26 AEUV Wirtschaftlichkeitsgebot § 7 BHO Wettbewerbsgebot § 97 Abs. 1 GWB „Öffentliche Auftraggeber beschaffen ... im Wettbewerb“ Ausschreibungspflicht Vorrang des offenen Verfahrens § 101 Abs. 7 GWB 13 Gebot der Produktneutralität § 7 Abs. 8 VOB/A § 8 EG Abs. 7 VOL/A GeheimWettbewerb § 14 EG VOL/A § 11 a VOB/A Wertungsgrundsätze z.B. § 6 VOB/A § 19 EG VOL/A Nachprüfungsverfahren § 107 ff. GWB Grundlagen des Gebots der Produktneutralität Ausschreibungspflicht Vorrang des offenen Verfahrens § 101 Abs. 7 GWB Gebot der Produktneutralität § 7 Abs. 8 VOB/A § 8 EG Abs. 7 VOL/A GeheimWettbewerb § 14 EG VOL/A § 11 a VOB/A im LV unzulässig: Verweis auf Produktion, Herkunft, Verfahren, Marken, Patente Typen Wertungsgrundsätze z.B. § 6 VOB/A § 19 EG VOL/A Nachprüfungsverfahren § 107 ff. GWB es sei denn: durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt Rechtfertigungsgründe: Technische Zwänge 14 Aufwand für Ersatzteilhaltung Umweltgründe Schulungsaufwand Wartungsarbeiten Schnittstellenrisiken Beschaffungsphasen Markterkundung Was gibt es? Keine vergaberechtlichen Beschränkungen 15 Bedarfsfeststellung Was wollen wir? ? Leistungsbeschreibung So soll es sein! Gebot der Produktneutralität Angebot Ist es das? Verfahrensbestimmungen Vertragsschluss Das ist es! Vertragsrecht Beschaffungsphasen Markterkundung Was gibt es? Keine vergaberechtlichen Beschränkungen 16 Bedarfsfeststellung Was wollen wir? Beschaffungsautonomie „Die öffentliche Hand weiß selbst am besten, WAS sie benötigt.“ Leistungsbeschreibung So soll es sein! Gebot der Produktneutralität Angebot Ist es das? Verfahrensbestimmungen Vertragsschluss Das ist es! Vertragsrecht VK Arnsberg vom 10.08.2009, Az.: VK 17/09 VK Lüneburg vom 12.05.2005, Az.: VgK-15/2005 Markenausschreibung Storage abgelehnt nicht ausreichend als Begründung: Schnittstellenprobleme Mehrkosten 17 VK Lüneburg vom 16.11.2009, Az.: VgK 62/2009 VK Hamburg vom 10.10.2008, Az.: VgK 8/08 Anforderung: Schreiben ohne Spezialstift Verengung des Bewerberkreises durch Anforderung, die nur von einem Marktteilnehmer erfüllt werden kann zulässig 18 OLG Schleswig vom 19.12.2007, Az.: 1 Verg 14/06 „Kauf“, „Miete“ betrifft nicht Beschreibung des Gegenstandes, sondern den Gegenstand selbst Beschaffungsautonomie! 19 VK Südbayern vom 21.07.2008, Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08 Übernahme von Produktbeschreibungen eines Anbieters begründet die Vermutung einer Verletzung des Gebots der Produktneutralität Auf die Absicht kommt es nicht an 20 Produktspezifikation zulässig Kauf statt Miete Technologie - z.B. ISM-Standard gestalterische Merkmale - z.B. Bauhaus-Drücker Open Source Software Produktmerkmal - z.B. Whiteboard ohne Spezialstift - z.B. Länge Anschlusskabel 21 unzulässig Marke - z.B. Mercedes, HP bestimmter Händler mit bestimmtem Produkt Refill-Kartuschen Übernahme von Produktspezifikationen eines Bieters - auch nicht zulässig wenn neutralisiert OLG Düsseldorf 2010 Kein Zwang zu möglichst wettbewerbsoffener Ausschreibung Öffentliche Hand genießt Beschaffungsautonomie Bedarf kann zu Verengung des Wettbewerbs bis hin auf einen Anbieter führen 22 Prüfungsmaßstab Beruht die Beschaffungsentscheidung auf sach- oder auftragsbezogenen Gründen? NICHT: Lässt sich auch nach ausführlicher Prüfung dieser Gegenstand nicht wettbewerbsfreundlicher ausschreiben? 23 Anforderung an die Dokumentation der Entscheidung OLG Celle vom 24.05.2007, Az.: 13 Verg 4/07 OLG Jena vom 26.06.2006, Az.: 9 Verg 2/06 OLG Düsseldorf vom 14.02.2010, Az.: Verg 42/09 OLG Düsseldorf vom 03.03.2010, Az.: Verg 46/09 Versuch, dokumentiert sein muss, dass „auftragsbezogene“ Gründe für die Entscheidung ausschlaggebend waren NICHT: wettbewerbsfreundlich auszuschreiben muss erfolgt und dokumentiert sein 24 VK Arnsberg vom 10.08.2009, Az.: VK 17/09 Zusatz „oder gleichwertig“ immer erforderlich? Ja! Auch wenn produktspezifische Ausschreibung gerechtfertigt. 25 Praxistipp Für Vergabestellen: Kein Abschreiben von Produktspezifikationen empfehlenswert Für Bieter: „oder gleichwertig“ enthalten? Produktblätter von Konkurrenten übernommen? 26 2. Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten Beispiele Zulässigkeit Grüner Strom + Beschaffungsautonomie „was“ nicht „wie“ Elektroautos + Beschaffungsautonomie „was“ nicht „wie“ Ortsnähe - Verstößt gegen Binnenmarktgrundsatz 27 Beispiele Zulässigkeit Stromverbrauchsvorgabe + Leistungsbeschreibung Mindestvoraussetzungen Verwendung von Holz aus umweltgerechtem Anbau + Leistungsmerkmal Produktion von Steinen unter Beachtung der ILAKernarbeitsnormen + § 97 IV 2 GWB sachlicher Zusammenhang 28 Beispiele Zulässigkeit Tariflohn + wenn allgemein verbindlich Mindestlohn + Scientology-Erklärung + Mittelständisches Unternehmen - allgemein politisches Ziel nicht auftragsbezogen Frauenförderungsprogramm + 29 Vergabefremde Kriterien Zusätzliche Eignungskriterien § 97 Abs. 4 GWB Zusätzliche Anforderungen an die Leistung § 97 Abs. 4 GWB Wertungskriterien nur durch Landes- oder Bundesgesetze Leistungsanforderungen für die Ausführung des Auftrages Vergabefremde Aspekte dürfen gewertet werden, wenn sie zur Wirtschaftlichkeit beitragen Behindertenwerkstätten Blindenwerkstätten 30 Verwendung von Recycling-Papier Schadstoffarme Kfz Einsatz von Auszubildenden Gleichberechtigung Mann und Frau Reduzierung Energieverbrauch nachhaltige Qualität höhere Haltbarkeit Grünbuch der EU-Kommission Konsultation bis 18.04.2011 S. 33 ff. Strategic Use of Public Procurement in Responce to new Challenges Europe 2020 policy objetives Energieeffizienz Innovation Soziale Aspekte 31 3. Schwellenwerte Neue Schwellenwerte seit 01.01.2010 Bau 4,845 Mio. EUR (statt: 5,150 Mio. EUR) Dienstleistung + Lieferung 193.000 EUR (statt: 206.000 EÚR) Sektorenbereich 387.000 EUR (statt: 412.000 EUR) Oberste Bundesbehörden 125.000 EUR (statt: 133.000 EUR) 32 Erhöhung der Wertgrenzen im Rahmen des Konjunkturpakets II bis 31.12.2011 in Hamburg Freihändige Vergabe VOL/A bis 100.000 EUR Beschränkte Ausschreibung VOB/A bis 1.000.000 EUR Ohne Vergleichsangebote bis 20.000 EUR 33 Veröffentlichungspflicht über vergebene Aufträge (Ex-Post-Transparenz) Ausgangslage: Ex-Post-Transparenz nur bei EU-Vergaben Reform: Bei Vergaben ohne Veröffentlichung ab 25.000 EUR Veröffentlichungspflicht für 3 Monate nach Zuschlag 34 Hintergrundinformation: Schwellenwerte Ausschlaggebend: Voraussichtlicher Auftragswert auf Basis Schätzung der Vergabestelle vor Ausschreibung (§ 3 VgV) Optionen sind einzubeziehen Vertragsverlängerungen sind einzubeziehen Rahmenverträge sind auf der Basis des Höchstwertes zu schätzen Unbefristete Verträge sind auf der Basis einer 48 Monate-Laufzeit zu schätzen Lose sind zusammen zu zählen Auftraggeber-Beistellungen bei Bauaufträgen sind einzubeziehen 35 Hintergrundinformation: Schwellenwerte maßgeblicher Zeitpunkt für Schätzung Tag der Absendung der Bekanntgabe künstliche Auftragsteilung verboten Konsequenz einer zu niedrigen Schätzung keine Kartellvergabe, wenn Schätzung realistisch war Konsequenz einer zu hohen Schätzung Kartellvergaberecht bleibt anwendbar! 36 Praxistipp für Bieter Urteil vom 09.06.2009, Rs. C-480/06 – Stadtreinigung Hamburg Bei Verdacht, dass Schwellenwerte für EUAusschreibung überschritten sind, ohne dass eine EUVeröffentlichung erfolgt ist, kann Nachprüfung vor der Vergabekammer beantragt werden. 37 Antrag zulässig, wenn dargelegt wird, dass Auftragsvolumen voraussichtlich oder tatsächlich den einschlägigen Schwellenwert übersteigt. Antrag kann auch nach Zuschlag gestellt werden. Grund: Zuschlag mangels § 101 a GWB – Mitteilung unwirksam 4. Losaufteilung Rechtslage alt § 97 Abs. 3 GWB Rechtslage neu § 97 Abs. 3 GWB Angemessene Berücksichtigung des Mittelstandes Immer Aufteilung in Fach- und Teillose Aufteilung in Fach- und Teillose Verzicht auf Lose: nur bei wirtschaftlichen oder technischen Gründen ÖPP-Klausel: Losaufteilungspflicht muss auch vom Auftragnehmer beachtet werden 38 Erläuterungen des DVAL zur VOL/A 2010 „Als Gründe, von einer Losaufteilung abzusehen, kommen in Betracht: unverhältnismäßige Kostennachteile, die starke Verzögerung des Vorhabens, verringerter Koordinierungsaufwand, erleichterte Durchsetzung von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen sowie eine unwirtschaftliche Zersplitterung infolge einer Aufteilung. Letzteres liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Auftragswert so gering ist, dass von vornherein eine Beteiligung mittelständischer Unternehmen möglich ist.“ 39 Rechtsprechung typische Nachteile der Losvergabe rechtfertigen keine GU-Vergabe nicht beherrschte Schnittstellenprobleme rechtfertigen GU-Vergabe vergaberechtliche Kontrolle nur auf Beurteilungsfehler 40 Sachverhalt Der Auftraggeber, ein kommunales Entsorgungsunternehmen, schreibt die Lieferung von Abfallbehältern aus. Geliefert werden sollten verschiedene Größen, u. a. ein Behälter mit einem 40 l-Einsatz. Auf derartige Behälter Eine unterlegene besitzt die Firma S ein europäisches Patent und die Firma O eine entsprechende exklusive Vertriebslizenz. Eine unterlegene Bieterin stellt Nachprüfungsantrag mit der Begründung, die Vergabe hätte losweise erfolgen müssen. Die Vergabestelle verteidigt sich mit dem Argument, eine Losausschreibung sei nicht erforderlich, weil eine Koordination unterschiedlicher Lieferanten nicht zumutbar sei. Außerdem hätte das geforderte 40 l-Gefäß mit Einlage entweder in Unterlizenz bezogen werden können oder mit weniger Aufwand (2 - 3 Monate) von anderen Bietern neu entwickelt werden können. 41 Auflösung Die Ausschreibung verstößt gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB! Gründe Das Patent für das Variosystem führt derzeit zu einem Monopol. Irrelevant ist, ob durch Neuentwicklung das Monopol aufgehoben werden könnte. Die Zusammenfassung des Auftrags zur Lieferung des Variosystems mit anderen Behältern, für die kein Monopol besteht, führt dazu, dass der gesamte Auftrag nur von dem Monopolisten ausgeführt werden kann. Dies schließt den Wettbewerb aus. Unter den gegebenen Umständen kann die Wettbewerbsbeschränkung auch nicht durch Koordinations- und Schnittstellenerfordernisse gerechtfertigt werden. 42 5. Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht Sachverhalt Dringender Bedarf Ausnahme? I.d.R. nein, nur bei Naturkatastrophen Sonst selbst verschuldet Nach-Aufhebung einer Ausschreibung wegen Unwirtschaftlichkeit nein, wenn Vergabegegenstand nicht „grundlegend geändert wird“ Beispielfall 43 Sachverhalt Auftrag kann nur von einem Marktteilnehmer ausgeführt werden Ausnahme? ja, aber restriktiv zu behandeln Beschaffungsautonomie vs. Produktneutralität (s.o.) Sorgfältige Markterkundung erforderlich, wenn Ausschreibung vollständig unterbleiben soll Zusätzliche Lieferungen des ursprünglichen Auftragnehmers nur zulässig, wenn Wechsel des Lieferanten zu „unverhältnismäßig technischer Schwierigkeit führen würde“ i. d. R. nicht der Fall! unterhalb der Schwellen 20 % Auftragsvolumen 44 Sachverhalt Zusätzliche Dienstleistungen Ausnahme? ja, bei max. 50 % des Hauptauftrages wenn unvorhersehbares Ereignis und Untrennbar vom Hauptauftrag oder Zwar trennbar aber „unbedingt“ erforderlich Wiederholungsauftrag ja, wenn der erste Auftrag im offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben und Wiederholung dort angekündigt Auftrag an Behindertenwerkstätten und Justizvollzugsanstalten 45 ja aber nur im Unterschwellenbereich Sachverhalt Forschungs- und Entwicklungsaufträge Ausnahme? ja aber nur im Unterschwellenbereich ja bei der Beschaffung von Prototypen sonst: u. U. wenn kein Exklusivvermarktungsrecht des Auftraggebers Militäraufträge nein außer, wenn in Ausnahmeliste enthalten Staatssicherheitsrelevante Aufträge ja z.B. wenn klassifiziert nach SÜG 46 Sachverhalt Ausnahme? Internationale Organisationen ja Rundfunk ja, aber nur wenn öffentlich-rechtlich und unmittelbar programmbezogen Schiedsrichter, Schlichter und Rechtsanwälte ja Geld- und Kapitalbeschaffung ja aber nicht, wenn Beratungselement überwiegt 47 Sachverhalt „Interkommunale Kooperation“ Ausnahme? ja wenn kein Privater beteiligt ist und Öffentliche Aufgabe erfüllt wird und kein wesentliches Drittgeschäft besteht Dienstleistungskonzession ja aber nicht nach GWB-Regeln Grundstücksveräußerung ja außer wenn wesentliche Vorgaben zur Ausführung des Bauwerks von der öffentlichen Hand kommen 48 6. Vorbefasste Personen Beispiel FHH beabsichtigt Realisierung eines neuen Universitätsgeländes beauftragt Machbarkeitsstudie bei Fun und Old WPG („F + O“) (90.000 EUR) schreibt Vergabeberatung EU-weit aus gibt Bietern 3 Std. lang Einsicht in Machbarkeitsstudie erhält Rüge von International Ingenieure (I + I): F + O müsse als vorbefasst ausgeschlossen werden 49 Vorbefasste Personen Beratung oder Unterstützung des Auftraggebers durch Bewerber oder Bieter Vor Einleitung des Vergabeverfahrens Ungeschrieben: in Bezug auf das Vergabeverfahren Auftraggeber muss Wettbewerbsfälschung ausschließen 50 Vorbefasste Personen Automatischer Ausschluss unzulässig bei Vorbefassung Ausgleich des Wettbewerbsvorteils durch Offenlegung von Unterlagen an alle Bieter 51 Beschaffungsphasen Markterkundung Bedarfsfeststellung Leistungsbeschreibung Vorbefassung kann ausgeglichen werden Ausschluss nicht erforderlich Angebot Mitwirkung an Entscheidungen im Verfahren verboten Veröffentlichung der Ausschreibung 52 Vertragsschluss 7. Bietergemeinschaften Doppelbewerbung: Angebot Mitglied A Bietergemeinschaft 1 Mitglied B Auftraggeber Bietergemeinschaft 2 Mitglied C 53 Doppelbewerbung: Teilnahmeantrag Mitglied A Bietergemeinschaft 1 Mitglied B Auftraggeber Bietergemeinschaft 2 Mitglied C 54 Doppelbewerbung: einfache Überkreuzbeteiligung Bieter (B) Auftraggeber Nachunternehmer als Bieter 55 Nachunternehmer (N) Doppelbewerbung: doppelte Überkreuzbeteiligung Bieter (B) Nachunternehmer (N) Auftraggeber Nachunternehmer als Bieter 56 Bieter (B) Doppelbewerbung: Mutter-Tochter-Bewerbung 100 % Auftraggeber 57 Doppelbewerbung: Schwesterbewerbung 100 % A Auftraggeber C 100 % B 58 Doppelbewerbung: Konzernbewerbung mit Ergebnisabführungsvertrag 100 % A Auftraggeber C 100 % B 59 Doppelbewerbung: Geschäftsführeridentität A GeschäftsführerIdentität Auftraggeber B 60 Doppelbewerbung: Textidentität A Textidentität Auftraggeber B 61 Doppelbewerbung Hintergrund Geheimwettbewerb ist wesentliches vergaberechtliches Prinzip Herleitung aus Wettbewerbsgrundsatz Positive Kenntnis = Absprache! Mehrfachbewerbung ist unzulässig Ausschluss von Konzernunternehmen ohne zusätzliche Indizien ist unzulässig 62 8. Ausschluss wegen negativer Vorerfahrungen Fall Auftragnehmer streitet sich mit Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld über Herkunft der Steine für Terrazzoböden Auftraggeber kündigt den Vertrag und schreibt neu aus Bisheriger Auftragnehmer wird wegen „Unzuverlässigkeit“ ausgeschlossen 63 Lösung Überprüft die Vergabekammer die Wirksamkeit der Kündigung? Eilverfahren! Prüfung nur auf Überschreitung des Beurteilungsspielraums hier: Beurteilungsspielraum eingehalten Ausschluss wirksam! 64 9. Referenzen Ausgangslage Verengung des Wettbewerbs durch Anforderungen an Referenzen Beispiele 5 IT-Entwicklungsprojekte bei Bundesbehörden 3 Machbarkeitsstudien für Hafenerweiterungen etc. 65 Anforderungen der Rechtsprechung „vergleichbar“ ist nicht „gleich“ Sondern: Gleich hoher oder höherer Schwierigkeitsgrad „Newcomer“ müssen nicht berücksichtigt werden Referenzen von Konzernunternehmen nur berücksichtigbar, wenn diese als Nachunternehmer benannt Anforderungen müssen in der Veröffentlichung benannt werden 66 10. Vorlagepflichten für konzerninterne Nachunternehmer Fall Bieter gibt Referenzen von Tochter-, Mutter- oder Schwestergesellschaften an ohne sie als Nachunternehmer zu benennen und ohne entsprechende Erklärungen vorzulegen Vergabestelle schließt Bieter aus Bieter argumentiert: Konzerngesellschaften sind keine „Nachunternehmer“ 67 Lösung Konzernunternehmen sind wie konzernfremde Unternehmen zu behandeln Nachunternehmererklärungen müssen vorliegen! 68 11. Nebenangebote Nebenangebote enthalten eine andere als die vorgegebene Ausführungsart Beispiel: Niederdruck- statt Hochdrucksprinkleranlage Kann das Nebenangebot zu gewertet werden? Preis / Leistung 69 Preis 12. Unterkostenangebote Fall Ausschreibung von Sicherungsdienstleistungen für Polizeidirektion Angebotspreis Antragstellerin: Angebot der Beigeladenen: 154.037,88 EÚR p. a. 170.021,96 EUR p. a. Das Angebot der Antragstellerin lag unter der niedrigsten auskömmlichen Angebotssumme, die der Auftraggeber errechnet hat. Auftraggeber schließt Angebot aus, ohne eine Stellungnahme der Antragstellerin zu ihrer Kalkulation einzuholen. Die Antragstellerin rügt telefonisch die Ausschlussentscheidung und verlangt den Zuschlag auf ihr Angebot. 70 Lösung Der Ausschluss vom Angebot war verfahrensfehlerhaft. Ein Angebot darf nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Gesamtpreis im Verhältnis zur angebotenen Gesamtleistung unangemessen niedrig ist und der Bieter die Seriosität und Auskömmlichkeit seines Preises nicht stichhaltig begründen kann. Dem Bieter ist unter Setzung einer angemessenen Frist in Textform Aufklärung über diejenigen Elemente seines Angebots zu verlangen, die konkrete Zweifel hervorgerufen haben. Sodann ist über die Zulassung oder Ablehnung des Angebots zu entscheiden. Gegen diese Aufklärungsverpflichtung hat die Auftraggeberin verstoßen. 71 Lösung Eine Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters ist allenfalls dann entbehrlich, wenn der angebotene Preis derart eklatant vom angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt. 72 13. Unverzüglichkeitsanfordernis für Bieterrüge Ausgangslage Verstöße müssen unverzüglich gerügt werden nach Kenntnis. 73 Sinn der Regelung Vergabestelle soll die Chance zur Korrektur im Verfahren haben „unverzüglich“ ist zu unbestimmt (ähnlicher Sachverhalt in UK) 74 Streitig Unverzüglichkeitsanfordernis in Deutschland derzeit noch anwendbar? nein 75 ja 14. Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte Ausgangslage Öffentlicher Auftraggeber schreibt Errichtung eines Mehrzweckgebäudes im Unterschwellenbereich aus. In den Bewerbungsbedingungen wird festgelegt, dass der Auftraggeber nach den Vorschriften der VOB/A verfahre, ein Rechtsanspruch des Bieters auf die Anwendung jedoch nicht bestehe. Unterlegener Bieter stellt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Zuschlagsuntersagung), da die Auftraggeberin gegen die VOB/A verstoßen habe. Auftraggeberin meint, sie sei an die VOB/A nicht gebunden gewesen. Sie habe sich eine eigene Verdingungsordnung gegeben, die auch Nachverhandlungen zulasse. 76 Entscheidung Durch die Ausschreibung, in der der Auftraggeber insbesondere die Einhaltung der VOB/A und VOL/A verspricht, kommt ein schuldrechtliches (vorvertragliches) Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmen mit diesen Regeln zustande. Aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis folgt grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Handlungen. Auf eine willkürliche Abweichung des Auftraggebers kommt es insoweit nicht an. Für die Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs sprechen i. Ü. europarechtliche Gründe. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinie ist der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot sowie das Transparenzgebot zu beachten. Dies erfordert einen effektiven Rechtsschutz. Auf die Binnenmarktrelevanz komme es nach Ansicht des Senats insoweit nicht an. 77 Vielen Dank für Ihr Interesse! Dr. Martin Schellenberg Rechtsanwalt Sekretariat Anja Zipoll Telefon + 49 (40) 355280-86 Telefax + 49 (40) 355280-80 E-Mail [email protected] Bleichenbrücke 9 D-20354 Hamburg www.heuking.de 78