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Aktuelle vergaberechtliche Entwicklungen
Dr. Martin Schellenberg
Rechtsanwalt
7. April 2011
Agenda
1. Produktbezogene Ausschreibung
2. Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten
3. Schwellenwerte
4. Losaufteilung
5. Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht
6. Vorbefasste Personen
7. Bietergemeinschaften
8. Ausschluss wegen negativer Vorerfahrungen
9. Referenzen
10. Vorlagepflichten für konzerninterne Nachunternehmer
11. Nebenangebote
12. Unterkostenangebot
13. Unverzüglichkeitsanfordernis für Bieterrüge
14. Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte
2
1. Produktbezogene Ausschreibung
Ist die öffentliche Hand verpflichtet, so auszuschreiben, dass möglichst
viel Wettbewerb entsteht?
Wie viel Spielraum hat sie bei der Bestimmung dessen, was sie haben
will?
3
Beispiel 1
oder
Oberklasse
Fahrzeug
4
oder
Mercedes 300 E
Mercedes 300 E
von einem
bestimmten
Händler
Beispiel 2
oder
Server
5
oder
HP Server
HP Server von
HP direkt
Beispiel 3
oder
Tisch
6
oder
USM Haller Tisch
USM Haller Tisch
von USM direkt
Beispiel 4
oder
HochwasserFunksystem
oder
ISM-Funksystem
XY-System
Funksystem mit
Merkmalen, die
nur XY-Geräte
erfüllen
7
Beispiel 5
oder
Türdrücker
8
oder
SchössmetallTürdrücker oder
Vergleichbares
SchössmetallTürdrücker von
Schössmetall
Beispiel 6
oder
Digitale
Whiteboards
oder
Digitale
Whiteboards
ohne Spezialstift
bedienbar
nur 1 Anbieter
am Markt!
9
Digitale
Whiteboards von
Hitachi
Beispiel 7
oder
Feuerwehralarmierungssysteme
10
oder
Kauf des
Systems, nicht
Miete!
Beschreibung
mit Merkmalen,
die nur 1
Anbieter erfüllen
kann
Beispiel 8
oder
Patientenüberwachungsanlagen in
Krankenhäusern
11
oder
Nennung des
Herstellers
Kauf vom
Hersteller
Beispiel 9
oder
Sprinkleranlagen
für Brandschutz
in Bibliotheken
12
Hochdrucknebel
vs.
Tiefdrucknebel
Grundlagen des Gebots der Produktneutralität
Waren- und Dienstleistungsfreiheit
Art. 26 AEUV
Wirtschaftlichkeitsgebot
§ 7 BHO
Wettbewerbsgebot
§ 97 Abs. 1 GWB
„Öffentliche Auftraggeber
beschaffen ... im Wettbewerb“
Ausschreibungspflicht
Vorrang des
offenen
Verfahrens
§ 101 Abs. 7 GWB
13
Gebot der
Produktneutralität
§ 7 Abs. 8 VOB/A
§ 8 EG Abs. 7
VOL/A
GeheimWettbewerb
§ 14 EG VOL/A
§ 11 a VOB/A
Wertungsgrundsätze
z.B.
§ 6 VOB/A
§ 19 EG VOL/A
Nachprüfungsverfahren
§ 107 ff. GWB
Grundlagen des Gebots der Produktneutralität
Ausschreibungspflicht
Vorrang des
offenen
Verfahrens
§ 101 Abs. 7 GWB
Gebot der
Produktneutralität
§ 7 Abs. 8 VOB/A
§ 8 EG Abs. 7
VOL/A
GeheimWettbewerb
§ 14 EG VOL/A
§ 11 a VOB/A
im LV unzulässig:
Verweis auf Produktion, Herkunft,
Verfahren, Marken, Patente Typen
Wertungsgrundsätze
z.B.
§ 6 VOB/A
§ 19 EG VOL/A
Nachprüfungsverfahren
§ 107 ff. GWB
es sei denn:
durch den Auftragsgegenstand
gerechtfertigt
Rechtfertigungsgründe:
Technische
Zwänge
14
Aufwand für
Ersatzteilhaltung
Umweltgründe
Schulungsaufwand
Wartungsarbeiten
Schnittstellenrisiken
Beschaffungsphasen
Markterkundung
Was gibt es?
Keine vergaberechtlichen
Beschränkungen
15
Bedarfsfeststellung
Was wollen
wir?
?
Leistungsbeschreibung
So soll es
sein!
Gebot der
Produktneutralität
Angebot
Ist es das?
Verfahrensbestimmungen
Vertragsschluss
Das ist es!
Vertragsrecht
Beschaffungsphasen
Markterkundung
Was gibt es?
Keine vergaberechtlichen
Beschränkungen
16
Bedarfsfeststellung
Was wollen
wir?
Beschaffungsautonomie
„Die öffentliche
Hand weiß
selbst am
besten, WAS
sie benötigt.“
Leistungsbeschreibung
So soll es
sein!
Gebot der
Produktneutralität
Angebot
Ist es das?
Verfahrensbestimmungen
Vertragsschluss
Das ist es!
Vertragsrecht
VK Arnsberg vom 10.08.2009, Az.: VK 17/09
VK Lüneburg vom 12.05.2005, Az.: VgK-15/2005
Markenausschreibung Storage abgelehnt
nicht ausreichend als Begründung:
Schnittstellenprobleme
Mehrkosten
17
VK Lüneburg vom 16.11.2009, Az.: VgK 62/2009
VK Hamburg vom 10.10.2008, Az.: VgK 8/08
Anforderung: Schreiben ohne Spezialstift
Verengung des Bewerberkreises durch Anforderung, die nur von einem
Marktteilnehmer erfüllt werden kann
zulässig
18
OLG Schleswig vom 19.12.2007, Az.: 1 Verg 14/06
„Kauf“, „Miete“ betrifft nicht Beschreibung des Gegenstandes,
sondern den Gegenstand selbst
Beschaffungsautonomie!
19
VK Südbayern vom 21.07.2008, Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08
Übernahme von Produktbeschreibungen eines Anbieters begründet die
Vermutung einer Verletzung des Gebots der Produktneutralität
Auf die Absicht kommt es nicht an
20
Produktspezifikation
zulässig
Kauf statt Miete
Technologie
- z.B. ISM-Standard
gestalterische Merkmale
- z.B. Bauhaus-Drücker
Open Source Software
Produktmerkmal
- z.B. Whiteboard ohne
Spezialstift
- z.B. Länge Anschlusskabel
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unzulässig
Marke
- z.B. Mercedes, HP
bestimmter Händler mit
bestimmtem Produkt
Refill-Kartuschen
Übernahme von
Produktspezifikationen eines
Bieters
- auch nicht zulässig wenn
neutralisiert
OLG Düsseldorf 2010
Kein Zwang zu möglichst wettbewerbsoffener Ausschreibung
Öffentliche Hand genießt Beschaffungsautonomie
Bedarf kann zu Verengung des Wettbewerbs bis hin auf einen Anbieter
führen
22
Prüfungsmaßstab
Beruht die Beschaffungsentscheidung auf sach- oder auftragsbezogenen
Gründen?
NICHT:
Lässt sich auch nach ausführlicher Prüfung dieser Gegenstand nicht
wettbewerbsfreundlicher ausschreiben?
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Anforderung an die Dokumentation der Entscheidung
OLG Celle vom 24.05.2007,
Az.: 13 Verg 4/07
OLG Jena vom 26.06.2006,
Az.: 9 Verg 2/06
OLG Düsseldorf vom
14.02.2010, Az.: Verg 42/09
OLG Düsseldorf vom
03.03.2010, Az.: Verg 46/09
Versuch,
dokumentiert sein muss, dass
„auftragsbezogene“ Gründe für
die Entscheidung
ausschlaggebend waren
NICHT:
wettbewerbsfreundlich
auszuschreiben muss erfolgt
und dokumentiert sein
24
VK Arnsberg vom 10.08.2009, Az.: VK 17/09
Zusatz „oder gleichwertig“ immer erforderlich?
Ja!
Auch wenn produktspezifische Ausschreibung gerechtfertigt.
25
Praxistipp
Für Vergabestellen:
Kein Abschreiben von
Produktspezifikationen
empfehlenswert
Für Bieter:
„oder gleichwertig“
enthalten?
Produktblätter von
Konkurrenten
übernommen?
26
2. Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten
Beispiele
Zulässigkeit
Grüner Strom
+ Beschaffungsautonomie
„was“ nicht „wie“
Elektroautos
+ Beschaffungsautonomie
„was“ nicht „wie“
Ortsnähe
- Verstößt gegen
Binnenmarktgrundsatz
27
Beispiele
Zulässigkeit
Stromverbrauchsvorgabe
+ Leistungsbeschreibung
Mindestvoraussetzungen
Verwendung von Holz aus
umweltgerechtem Anbau
+ Leistungsmerkmal
Produktion von Steinen unter
Beachtung der ILAKernarbeitsnormen
+ § 97 IV 2 GWB
sachlicher Zusammenhang
28
Beispiele
Zulässigkeit
Tariflohn
+ wenn allgemein verbindlich
Mindestlohn
+
Scientology-Erklärung
+
Mittelständisches
Unternehmen
- allgemein politisches Ziel
nicht auftragsbezogen
Frauenförderungsprogramm
+
29
Vergabefremde Kriterien
Zusätzliche
Eignungskriterien
§ 97 Abs. 4 GWB
Zusätzliche
Anforderungen an die
Leistung
§ 97 Abs. 4 GWB
Wertungskriterien
nur durch Landes- oder
Bundesgesetze
Leistungsanforderungen
für die Ausführung des
Auftrages
Vergabefremde Aspekte
dürfen gewertet werden,
wenn sie zur Wirtschaftlichkeit beitragen
Behindertenwerkstätten
Blindenwerkstätten
30
Verwendung von
Recycling-Papier
Schadstoffarme Kfz
Einsatz von
Auszubildenden
Gleichberechtigung
Mann und Frau
Reduzierung
Energieverbrauch
nachhaltige Qualität
höhere Haltbarkeit
Grünbuch der EU-Kommission
Konsultation bis 18.04.2011
S. 33 ff.
Strategic Use of Public
Procurement in Responce to
new Challenges
Europe 2020 policy objetives
Energieeffizienz
Innovation
Soziale Aspekte
31
3. Schwellenwerte
Neue Schwellenwerte seit 01.01.2010
Bau
4,845 Mio. EUR
(statt: 5,150 Mio. EUR)
Dienstleistung + Lieferung
193.000 EUR
(statt: 206.000 EÚR)
Sektorenbereich
387.000 EUR
(statt: 412.000 EUR)
Oberste Bundesbehörden
125.000 EUR
(statt: 133.000 EUR)
32
Erhöhung der Wertgrenzen im Rahmen des Konjunkturpakets II bis 31.12.2011
in Hamburg
Freihändige Vergabe VOL/A
bis 100.000 EUR
Beschränkte Ausschreibung
VOB/A
bis 1.000.000 EUR
Ohne Vergleichsangebote
bis 20.000 EUR
33
Veröffentlichungspflicht über vergebene Aufträge
(Ex-Post-Transparenz)
Ausgangslage:
Ex-Post-Transparenz nur bei EU-Vergaben
Reform:
Bei Vergaben ohne Veröffentlichung ab 25.000 EUR Veröffentlichungspflicht
für 3 Monate nach Zuschlag
34
Hintergrundinformation: Schwellenwerte
Ausschlaggebend:
Voraussichtlicher Auftragswert auf Basis Schätzung der Vergabestelle vor
Ausschreibung (§ 3 VgV)
Optionen sind einzubeziehen
Vertragsverlängerungen sind einzubeziehen
Rahmenverträge sind auf der Basis des Höchstwertes zu schätzen
Unbefristete Verträge sind auf der Basis einer 48 Monate-Laufzeit zu
schätzen
Lose sind zusammen zu zählen
Auftraggeber-Beistellungen bei Bauaufträgen sind einzubeziehen
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Hintergrundinformation: Schwellenwerte
maßgeblicher Zeitpunkt für
Schätzung
Tag der Absendung der
Bekanntgabe
künstliche Auftragsteilung
verboten
Konsequenz einer zu niedrigen
Schätzung
keine Kartellvergabe, wenn
Schätzung realistisch war
Konsequenz einer zu hohen
Schätzung
Kartellvergaberecht bleibt
anwendbar!
36
Praxistipp für Bieter
Urteil vom 09.06.2009, Rs. C-480/06 – Stadtreinigung Hamburg
Bei Verdacht, dass
Schwellenwerte für EUAusschreibung überschritten
sind, ohne dass eine EUVeröffentlichung erfolgt ist,
kann Nachprüfung vor der
Vergabekammer beantragt
werden.
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Antrag zulässig, wenn
dargelegt wird, dass Auftragsvolumen voraussichtlich oder tatsächlich den
einschlägigen Schwellenwert übersteigt.
Antrag kann auch nach
Zuschlag gestellt werden.
Grund: Zuschlag mangels
§ 101 a GWB – Mitteilung
unwirksam
4. Losaufteilung
Rechtslage alt
§ 97 Abs. 3 GWB
Rechtslage neu
§ 97 Abs. 3 GWB
Angemessene
Berücksichtigung des
Mittelstandes
Immer Aufteilung in Fach- und
Teillose
Aufteilung in Fach- und
Teillose
Verzicht auf Lose:
nur bei wirtschaftlichen oder
technischen Gründen
ÖPP-Klausel:
Losaufteilungspflicht muss
auch vom Auftragnehmer
beachtet werden
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Erläuterungen des DVAL zur VOL/A 2010
„Als Gründe, von einer Losaufteilung abzusehen, kommen in Betracht:
unverhältnismäßige Kostennachteile,
die starke Verzögerung des Vorhabens,
verringerter Koordinierungsaufwand,
erleichterte Durchsetzung von Gewährleistungs- und
Garantieansprüchen sowie
eine unwirtschaftliche Zersplitterung infolge einer Aufteilung.
Letzteres liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Auftragswert so gering
ist, dass von vornherein eine Beteiligung mittelständischer Unternehmen
möglich ist.“
39
Rechtsprechung
typische Nachteile der Losvergabe rechtfertigen keine GU-Vergabe
nicht beherrschte Schnittstellenprobleme rechtfertigen GU-Vergabe
vergaberechtliche Kontrolle nur auf Beurteilungsfehler
40
Sachverhalt
Der Auftraggeber, ein kommunales Entsorgungsunternehmen, schreibt die
Lieferung von Abfallbehältern aus. Geliefert werden sollten verschiedene
Größen, u. a. ein Behälter mit einem 40 l-Einsatz. Auf derartige Behälter
Eine unterlegene
besitzt die Firma S ein europäisches Patent und die Firma O eine
entsprechende exklusive Vertriebslizenz.
Eine unterlegene Bieterin stellt Nachprüfungsantrag mit der Begründung,
die Vergabe hätte losweise erfolgen müssen. Die Vergabestelle verteidigt
sich mit dem Argument, eine Losausschreibung sei nicht erforderlich, weil
eine Koordination unterschiedlicher Lieferanten nicht zumutbar sei.
Außerdem hätte das geforderte 40 l-Gefäß mit Einlage entweder in
Unterlizenz bezogen werden können oder mit weniger Aufwand (2 - 3
Monate) von anderen Bietern neu entwickelt werden können.
41
Auflösung
Die Ausschreibung verstößt gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs.
1 GWB!
Gründe
Das Patent für das Variosystem führt derzeit zu einem Monopol. Irrelevant ist,
ob durch Neuentwicklung das Monopol aufgehoben werden könnte.
Die Zusammenfassung des Auftrags zur Lieferung des Variosystems mit
anderen Behältern, für die kein Monopol besteht, führt dazu, dass der
gesamte Auftrag nur von dem Monopolisten ausgeführt werden kann. Dies
schließt den Wettbewerb aus.
Unter den gegebenen Umständen kann die Wettbewerbsbeschränkung auch
nicht durch Koordinations- und Schnittstellenerfordernisse gerechtfertigt
werden.
42
5. Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht
Sachverhalt
Dringender Bedarf
Ausnahme?
I.d.R. nein,
nur bei Naturkatastrophen
Sonst selbst verschuldet
Nach-Aufhebung einer Ausschreibung
wegen Unwirtschaftlichkeit
nein, wenn Vergabegegenstand nicht
„grundlegend geändert wird“
Beispielfall
43
Sachverhalt
Auftrag kann nur von einem
Marktteilnehmer ausgeführt werden
Ausnahme?
ja, aber restriktiv zu behandeln
Beschaffungsautonomie vs.
Produktneutralität (s.o.)
Sorgfältige Markterkundung erforderlich,
wenn Ausschreibung vollständig
unterbleiben soll
Zusätzliche Lieferungen des
ursprünglichen Auftragnehmers
nur zulässig, wenn Wechsel des
Lieferanten zu „unverhältnismäßig
technischer Schwierigkeit führen
würde“
i. d. R. nicht der Fall!
unterhalb der Schwellen 20 %
Auftragsvolumen
44
Sachverhalt
Zusätzliche Dienstleistungen
Ausnahme?
ja, bei max. 50 % des Hauptauftrages
wenn
unvorhersehbares Ereignis und
Untrennbar vom Hauptauftrag oder
Zwar trennbar aber „unbedingt“
erforderlich
Wiederholungsauftrag
ja,
wenn der erste Auftrag im offenen
oder nicht offenen Verfahren
vergeben und Wiederholung dort
angekündigt
Auftrag an Behindertenwerkstätten und
Justizvollzugsanstalten
45
ja
aber nur im Unterschwellenbereich
Sachverhalt
Forschungs- und Entwicklungsaufträge
Ausnahme?
ja
aber nur im Unterschwellenbereich
ja
bei der Beschaffung von
Prototypen
sonst: u. U. wenn kein Exklusivvermarktungsrecht des Auftraggebers
Militäraufträge
nein
außer, wenn in Ausnahmeliste
enthalten
Staatssicherheitsrelevante Aufträge
ja
z.B. wenn klassifiziert nach SÜG
46
Sachverhalt
Ausnahme?
Internationale Organisationen
ja
Rundfunk
ja, aber nur
wenn öffentlich-rechtlich und
unmittelbar programmbezogen
Schiedsrichter, Schlichter und
Rechtsanwälte
ja
Geld- und Kapitalbeschaffung
ja
aber nicht, wenn
Beratungselement überwiegt
47
Sachverhalt
„Interkommunale Kooperation“
Ausnahme?
ja
wenn kein Privater beteiligt ist und
Öffentliche Aufgabe erfüllt wird
und kein wesentliches
Drittgeschäft besteht
Dienstleistungskonzession
ja
aber nicht nach GWB-Regeln
Grundstücksveräußerung
ja
außer wenn wesentliche Vorgaben
zur Ausführung des Bauwerks von
der öffentlichen Hand kommen
48
6. Vorbefasste Personen
Beispiel
FHH beabsichtigt Realisierung eines neuen Universitätsgeländes
beauftragt Machbarkeitsstudie bei Fun und Old WPG („F + O“)
(90.000 EUR)
schreibt Vergabeberatung EU-weit aus
gibt Bietern 3 Std. lang Einsicht in Machbarkeitsstudie
erhält Rüge von International Ingenieure (I + I):
F + O müsse als vorbefasst ausgeschlossen werden
49
Vorbefasste Personen
Beratung oder Unterstützung des Auftraggebers durch Bewerber oder Bieter
Vor Einleitung des Vergabeverfahrens
Ungeschrieben: in Bezug auf das Vergabeverfahren
Auftraggeber muss Wettbewerbsfälschung ausschließen
50
Vorbefasste Personen
Automatischer Ausschluss unzulässig bei Vorbefassung
Ausgleich des Wettbewerbsvorteils durch
Offenlegung von Unterlagen an alle Bieter
51
Beschaffungsphasen
Markterkundung
Bedarfsfeststellung
Leistungsbeschreibung
Vorbefassung kann ausgeglichen
werden
Ausschluss nicht erforderlich
Angebot
Mitwirkung an
Entscheidungen
im Verfahren
verboten
Veröffentlichung der
Ausschreibung
52
Vertragsschluss
7. Bietergemeinschaften
Doppelbewerbung: Angebot
Mitglied A
Bietergemeinschaft
1
Mitglied B
Auftraggeber
Bietergemeinschaft
2
Mitglied C
53
Doppelbewerbung: Teilnahmeantrag
Mitglied A
Bietergemeinschaft
1
Mitglied B
Auftraggeber
Bietergemeinschaft
2
Mitglied C
54
Doppelbewerbung: einfache Überkreuzbeteiligung
Bieter (B)
Auftraggeber
Nachunternehmer
als Bieter
55
Nachunternehmer (N)
Doppelbewerbung: doppelte Überkreuzbeteiligung
Bieter (B)
Nachunternehmer (N)
Auftraggeber
Nachunternehmer
als Bieter
56
Bieter (B)
Doppelbewerbung: Mutter-Tochter-Bewerbung
100 %
Auftraggeber
57
Doppelbewerbung: Schwesterbewerbung
100 %
A
Auftraggeber
C
100 %
B
58
Doppelbewerbung: Konzernbewerbung mit Ergebnisabführungsvertrag
100 %
A
Auftraggeber
C
100 %
B
59
Doppelbewerbung: Geschäftsführeridentität
A
GeschäftsführerIdentität
Auftraggeber
B
60
Doppelbewerbung: Textidentität
A
Textidentität
Auftraggeber
B
61
Doppelbewerbung Hintergrund
Geheimwettbewerb ist wesentliches vergaberechtliches Prinzip
Herleitung aus Wettbewerbsgrundsatz
Positive Kenntnis = Absprache!
Mehrfachbewerbung ist unzulässig
Ausschluss von Konzernunternehmen ohne zusätzliche
Indizien ist unzulässig
62
8. Ausschluss wegen negativer Vorerfahrungen
Fall
Auftragnehmer streitet sich mit Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld
über Herkunft der Steine für Terrazzoböden
Auftraggeber kündigt den Vertrag und schreibt neu aus
Bisheriger Auftragnehmer wird wegen „Unzuverlässigkeit“
ausgeschlossen
63
Lösung
Überprüft die Vergabekammer die Wirksamkeit der Kündigung?
Eilverfahren!
Prüfung nur auf Überschreitung des Beurteilungsspielraums
hier: Beurteilungsspielraum eingehalten
Ausschluss wirksam!
64
9. Referenzen
Ausgangslage
Verengung des Wettbewerbs durch Anforderungen an Referenzen
Beispiele
5 IT-Entwicklungsprojekte bei Bundesbehörden
3 Machbarkeitsstudien für Hafenerweiterungen
etc.
65
Anforderungen der Rechtsprechung
„vergleichbar“ ist nicht „gleich“
Sondern:
Gleich hoher oder höherer Schwierigkeitsgrad
„Newcomer“ müssen nicht berücksichtigt werden
Referenzen von Konzernunternehmen nur berücksichtigbar, wenn diese als
Nachunternehmer benannt
Anforderungen müssen in der Veröffentlichung benannt werden
66
10. Vorlagepflichten für konzerninterne Nachunternehmer
Fall
Bieter gibt Referenzen von Tochter-, Mutter- oder Schwestergesellschaften
an ohne sie als Nachunternehmer zu benennen und ohne entsprechende
Erklärungen vorzulegen
Vergabestelle schließt Bieter aus
Bieter argumentiert: Konzerngesellschaften sind keine
„Nachunternehmer“
67
Lösung
Konzernunternehmen sind wie konzernfremde Unternehmen zu behandeln
Nachunternehmererklärungen müssen vorliegen!
68
11. Nebenangebote
Nebenangebote enthalten eine andere als die vorgegebene Ausführungsart
Beispiel: Niederdruck- statt Hochdrucksprinkleranlage
Kann das Nebenangebot zu gewertet werden?
Preis / Leistung
69
Preis
12. Unterkostenangebote
Fall
Ausschreibung von Sicherungsdienstleistungen für Polizeidirektion
Angebotspreis Antragstellerin:
Angebot der Beigeladenen:
154.037,88 EÚR p. a.
170.021,96 EUR p. a.
Das Angebot der Antragstellerin lag unter der niedrigsten auskömmlichen
Angebotssumme, die der Auftraggeber errechnet hat.
Auftraggeber schließt Angebot aus, ohne eine Stellungnahme der
Antragstellerin zu ihrer Kalkulation einzuholen.
Die Antragstellerin rügt telefonisch die Ausschlussentscheidung und
verlangt den Zuschlag auf ihr Angebot.
70
Lösung
Der Ausschluss vom Angebot war verfahrensfehlerhaft.
Ein Angebot darf nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Gesamtpreis im
Verhältnis zur angebotenen Gesamtleistung unangemessen niedrig ist und der
Bieter die Seriosität und Auskömmlichkeit seines Preises nicht stichhaltig
begründen kann.
Dem Bieter ist unter Setzung einer angemessenen Frist in Textform Aufklärung
über diejenigen Elemente seines Angebots zu verlangen, die konkrete Zweifel
hervorgerufen haben. Sodann ist über die Zulassung oder Ablehnung des
Angebots zu entscheiden. Gegen diese Aufklärungsverpflichtung hat die
Auftraggeberin verstoßen.
71
Lösung
Eine Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters ist allenfalls
dann entbehrlich, wenn der angebotene Preis derart eklatant vom
angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt.
72
13. Unverzüglichkeitsanfordernis für Bieterrüge
Ausgangslage
Verstöße müssen unverzüglich gerügt werden nach Kenntnis.
73
Sinn der Regelung
Vergabestelle soll die Chance zur Korrektur im Verfahren haben
„unverzüglich“ ist zu unbestimmt
(ähnlicher Sachverhalt in UK)
74
Streitig
Unverzüglichkeitsanfordernis in Deutschland derzeit noch anwendbar?
nein
75
ja
14. Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte
Ausgangslage
Öffentlicher Auftraggeber schreibt Errichtung eines Mehrzweckgebäudes
im Unterschwellenbereich aus.
In den Bewerbungsbedingungen wird festgelegt, dass der Auftraggeber
nach den Vorschriften der VOB/A verfahre, ein Rechtsanspruch des
Bieters auf die Anwendung jedoch nicht bestehe.
Unterlegener Bieter stellt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
(Zuschlagsuntersagung), da die Auftraggeberin gegen die VOB/A
verstoßen habe.
Auftraggeberin meint, sie sei an die VOB/A nicht gebunden gewesen. Sie
habe sich eine eigene Verdingungsordnung gegeben, die auch
Nachverhandlungen zulasse.
76
Entscheidung
Durch die Ausschreibung, in der der Auftraggeber insbesondere die
Einhaltung der VOB/A und VOL/A verspricht, kommt ein schuldrechtliches
(vorvertragliches) Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem
Unternehmen mit diesen Regeln zustande.
Aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis folgt grundsätzlich ein
Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Handlungen. Auf eine willkürliche
Abweichung des Auftraggebers kommt es insoweit nicht an.
Für die Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs sprechen i. Ü.
europarechtliche Gründe. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der
Vergaberichtlinie ist der Gleichbehandlungsgrundsatz, das
Diskriminierungsverbot sowie das Transparenzgebot zu beachten. Dies
erfordert einen effektiven Rechtsschutz. Auf die Binnenmarktrelevanz komme
es nach Ansicht des Senats insoweit nicht an.
77
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Dr. Martin Schellenberg
Rechtsanwalt
Sekretariat Anja Zipoll
Telefon + 49 (40) 355280-86
Telefax + 49 (40) 355280-80
E-Mail [email protected]
Bleichenbrücke 9
D-20354 Hamburg
www.heuking.de
78