Transcript Einheit 2

Staatshaftungsrecht
Einheit 2: Amtshaftungsanspruch Teil 1
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
A. Überblick und Rechtsgrundlage
Art. 34 GG normiert in Verbindung mit § 839 BGB die Besondere
Form der Amtshaftung, mit der Überleitung der Haftung des
Beamten auf den Staat.
Historisch geht dies auf die sog. Mandatstheorie zurück. Was war
das noch mal?
Bereits im 19. Jahrhundert wurde die persönliche Haftung in
einigen Staaten nicht mehr als zeitgemäß angesehen, die daher eine
Überleitung der Haftung auf den Staat vorsahen.
In Weimar wurde diese etwas umständliche Konstruktion
übernommen und fand dann auch Eingang in das Grundgesetz.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
Art. 34 GG und § 839 BGB bilden damit eine einheitliche
Anspruchsgrundlage.
Art. 839 BGB fungiert dabei gewissermaßen als die
„haftungsbegründende Norm“, Art. 34 GG sorgt anschließend für
die Überleitung der Haftung auf den Staat.
Allerdings führt Art. 34 GG auch zu einer partiellen Erweiterung
des Anwendungsbereichs des § 839 BGB: Während bei § 839 BGB
nämlich nur Statusbeamte erfasst sind, betrifft Art. 34 GG
„jedermann“ und damit den Beamten im „haftungsrechtlichen
Sinne“.
Daher ist es im Ergebnis dogmatisch auch nicht vorgegeben in
welcher Reihenfolge die Normen genannt werden.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
Welche Regelungen beinhaltet Art. 34 GG?
S. 1 bestimmt zunächst die Überleitung der Haftung. Danach trifft
die Verantwortlichkeit grds. den Staat oder die Körperschaft in
deren Dienst die Person steht, die in Ausübung eines ihr
anvertrauten öffentlichen Amtes die ihr einem Dritten gegenüber
obliegende Amtspflicht verletzt. Daraus folgt zunächst:
– Es geht um öffentlich-rechtliche Haftung.
– Die Haftung trifft den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst
die Person steht.
– Die Überleitung ist nicht an den formalen Beamtenstatus geknüpft.
– Die Haftung setzt die Verletzung drittgerichteter Amtspflichten
voraus.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
S. 2 bestimmt, dass der Staat oder die Körperschaft ggf. Regress bei
der handelnden Person nehmen kann, sofern diese vorsätzlich oder
grob fahrlässig gehandelt hat. Merke: Im Grundsatz bleibt also
auch in diesen Fällen der Staat oder die Körperschaft
Haftungsschuldner. Allenfalls in besonderen Konstellationen kann
etwas anderes gelten.
S. 3 bestimmt schließlich, dass Amtshaftungsansprüche auf den
ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sind. Hintergrund
bildete ein gewisses Misstrauen gegen die
Verwaltungsgerichtsbarkeit als die „Gerichtsbarkeit des Staates“,
das heute jedoch überholt erscheint. Die Regelung sollte
rechtspolitisch daher überdacht werden.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
Welche Regelungen beinhaltet § 839 BGB?
Abs. 1 S. 1 bestimmt zunächst den Grundsatz der persönlichen Haftung
bei Verletzungen drittgerichteter Amtspflichten. Hier greift dann die in
Art. 34 S. 1 GG niedergelegte Überleitung: Die persönliche Haftung des
Beamten geht auf den Staat über, d.h. es haftet nur noch der Staat. Der
Beamte haftet nicht neben dem Staat, sondern überhaupt nicht mehr.
Abs. 1 S. 2 bestimmt die Subsidiarität der Haftung. Diese Regelung
diente der Abmilderung der persönlichen Haftung. Auf diese Weise
haftete der Beamte zwar persönlich aber immerhin nur subsidiär. Mit
der Überleitung nach Art. 34 GG hat diese Norm ihre Berechtigung
verloren. Sie wird in der Rechtsprechung daher auch restriktiv
interpretiert, ist aber weiterhin geltendes Recht.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1
Abs. 2 S. 1 enthält das sogenannte „Spruchrichterprivileg“, das der
Rechtssicherheit dient und daher besser als
„Richterspruchprivileg“ bezeichnet werden sollte. Nach Abs. 2 S. 2
greift dieses Privileg jedoch nicht bei pflichtwidriger
Verweigerung oder Verzögerung der Amtsausübung. Siehe jetzt
auch § 198 Abs. 1 GVG – eine Regelung, die auf ein Urteil des
EGMR zurückgeht.
Abs. 3 schließlich enthält eine besondere Ausprägung des
Mitverschuldens. Danach ist eine Haftung ausgeschlossen, sofern
es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den
Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Amtshaftungsanspruch Teil 1: Prüfungsschema
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Jemand
In Ausübung eines öffentlichen Amtes
Verletzung einer Amtspflicht
Drittgerichtetheit der Amtspflicht
Verschulden
Kausaler Schaden
Keine anderweitige Ersatzmöglichkeit
Kein Haftungsausschluss
Mitverschulden
Art und Umfang des Schadensersatzes
Anspruchsgegner
Verjährung
Rechtsweg
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16