Transcript Einheit 12

Staatshaftungsrecht
Einheit 12: Der
Folgenbeseitigungsanspruch
Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele
24/07/16
Der Folgenbeseitigungsanspruch
A. Einführung
Durch den FBA kann der Einzelne die Beseitigung der durch einen
rechtswidrigen Eingriff herbeigeführten tatsächlichen Folgen vom
handelnden Hoheitsträger verlangen.
Es handelt sich also um einen Widerherstellungsanspruch (nicht
um einen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch).
Es geht also um die Widerherstellung „in natura“. Der Anspruch
ist daher regelmäßig nicht auf Geld gerichtet.
Anders als die Naturalrestitution ist der FBA nicht in die Zukunft
gerichtet. Hergestellt wird also der Zustand wie er vor dem
rechtswidrigen Eingriff bestand, nicht wie er heute bestehen
würde.
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24/07/16
Der Folgenbeseitigungsanspruch
Die RGL des FBA ist nicht eindeutig geklärt.
Auch § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO enthält keine RGL, sondern setzt
diesen Anspruch voraus und regelt lediglich die prozessuale
Geltendmachung.
Herrschend ist heute wohl die Ansicht, die den FBA in den
Grundrechten wurzeln lässt.
Zudem: Gewohnheitsrecht.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
B. Anspruchsvoraussetzungen
I. Hoheitliches Handeln
In Betracht kommt grds. jede öffentlich-rechtliche Handlungsform.
Ausgeschlossen ist der FBA allerdings bei Eingriffen der
Judikative.
Umstritten ist, inwieweit legislatives Unrecht einen FBA zu
begründen vermag.
Hier ist zu unterscheiden: Geht es um die Folgen eines auf einem
verfassungswidrigen Gesetz beruhenden VAs, so ist ein FBA
möglich.
Ausgeschlossen ist der FBA aber soweit es sich um unmittelbare
Folgen eines verfassungswidrigen Gesetzes handelt.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
Umstritten ist zudem, ob ein Unterlassen ebenfalls einen FBA zu
begründen vermag.
Häufig lässt sich diese Frage umgehen, indem man den
Bezugspunkt wechselt und auf ein Handeln umstellt (vor allem
Obdachlosenfälle).
II. Eingriff in ein subjektives Recht
Das hoheitliche Handeln muss zu einem Eingriff in subjektive
Rechte des Betroffenen geführt haben.
Insoweit gelten keine Besonderheiten.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
III. Schaffung eines rechtswidrigen Zustands
Das Handeln muss zu einem rechtswidrigen Zustand geführt
haben.
Achtung: Entscheiden ist allein, ob der aktuelle Zustand als
rechtswidrig angesehen werden kann. Das Handeln selbst muss
nicht unbedingt rechtswidrig gewesen sein, auch wenn das
regelmäßig der Fall gewesen sein wird.
Achtung II: Beim rechtswidrigen VA ist dies gerade nicht der Fall.
Dieser ist zwar rechtswidrig aber nicht nichtig und bildet für den
jeweiligen Zustand daher eine ausreichende RGL, so dass dieser
gerade nicht als rechtswidrig angesehen werden kann und
geduldet werden muss.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
Ein FBA kommt erst in Betracht, wenn dieser VA gerichtlich oder
durch die Behörde aufgehoben worden ist.
Bsp.: Obdachloser wird rechtswidrig per VA für drei Monate in
eine leere Wohnung eingewiesen.
Siehe dazu auch die besondere prozessuale Regelung in § 113 Abs.
1 S. 2 VwGO.
IV. Andauern des rechtswidrigen Zustands
Ausgeschlossen ist ein FBA etwa bei nachträglicher Legalisierung.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
V. Ausschlussgründe
1. Rechtliche und tatsächliche Wiederherstellungsmöglichkeit
Die Herstellung des vorherigen Zustands muss rechtlich möglich
und tatsächlich durchführbar sein.
Rechtlich unmöglich ist eine Wiederherstellung, soweit es der
Behörde an der erforderlichen Rechtsmacht fehlt.
Bei Zwei-Personen-Verhältnissen ist dies regelmäßig der Fall.
Probleme können jedoch Drei-Personen-Verhältnisse bilden, bei
denen die Erfüllung des FBA mit Eingriffen in die Rechts Dritter
einhergeht.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
Umstritten ist hier unter welchen Umständen die Behörde hier die
erforderliche Rechtsmacht für einen solchen Eingriff hat:
– Nach einer Ansicht folgt die Rechtsmacht aus dem FBA selbst. Eine
gesonderte RGL sei nicht erforderlich.
– Nach anderer Ansicht bedarf es neben dem FBA einer weiteren
gesonderten RGL für den Eingriff.
Überzeugen kann aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes allein die
zweite Ansicht. Außerdem setzt der FBA die rechtliche Möglichkeit
der Wiederherstellung voraus, kann diese aber nicht zugleich
begründen („Zirkelschluss“).
Im Rahmen einer Klausur wäre daher hier zu untersuchen, ob für
die Behörde eine gesonderte RGL existiert, auf die der
erforderliche Eingriff gestützt werden kann.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
2. Zumutbarkeit
Die Herstellung muss aus der Perspektive der Behörde auch
zumutbar erscheinen. Das ist dann nicht der Fall, wenn die
Erfüllung des FBA mit einem unverhältnismäßigen Aufwand
verbunden wäre.
Dabei kommt es letztlich zu einer Abwägung zwischen den Kosten
der Wiederherstellung und der Beeinträchtigung des jeweiligen
subjektiven Rechts.
In solchen Fällen kommt dann der Gedanke des § 251 BGB zur
Anwendung. Der FBA wandelt sich dann in einem anteiligen
Folgenentschädigungsanspruch.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
3. Mitverschulden
Ein vorheriger Zustand lässt sich nicht teilweise wiederherstellen.
Probleme kann es daher bereiten, wenn ein Mitverschulden des
Geschädigten vorliegt. Soll dieser dann alles oder nichts erhalten?
Früher hat das BVerwG tatsächlich nach der Verschuldensquote
entschieden. Lag diese unter 50% erhielt der Geschädigte alles, lag
sie über 50% bekam er nichts.
Mittlerweile zieht die Rechtsprechung aber auch hier den
Gedanken des § 251 BGB heran.
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Der Folgenbeseitigungsanspruch
C. Inhalt des Anspruchs
Der Betroffene kann die Beseitigung der unmittelbaren Folgen des
rechtswidrigen Eingriffs verlangen.
Bei der Frage der Unmittelbarkeit handelt es sich erneut um ein
wertendes Zurechnungskriterium.
Verpflichteter des Anspruchs ist der Hoheitsträger der befugt ist,
den vorherigen Zustand wiederherzustellen.
Rechtsweg: § 40 VwGO (Verwaltungsrechtsweg).
Klageart: Leistungsklage, ggf. Anfechtungsklage mit VollzugsFBA.
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