Fachvortrag Entgeltgleichheit im Praxistest. Vergütung der Tätigkeit in den Hochschulsekretariaten

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Transcript Fachvortrag Entgeltgleichheit im Praxistest. Vergütung der Tätigkeit in den Hochschulsekretariaten

Entgeltgleichheit im Praxistest
Vergütung der Tätigkeiten in den
Hochschulsekretariaten
Erster „Office-Day“ an der Universität des Saarlandes
Saarbrücken, 20. März 2014
Rechtsanwältin Gisela Ludewig, Berlin
Telefon: 030/3255219
[email protected]
Überblick
 Was bedeutet Entgeltgleichheit?
 Wird die Arbeit von Frauen „gerecht“
bewertet und vergütet?
 Wie ist die Situation in den
Hochschulsekretariaten?
 Wie kann eine „gerechte“ Bewertung im
Sinne der Entgeltgleichheit erreicht werden?
Was ist unter Entgelt zu verstehen?
Nach Artikel 157 Abs. 2 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
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die üblichen Grund- oder Mindestgehälter
alle sonstigen Vergütungen, die der
Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses
dem Arbeitnehmer zahlt, in bar oder in
Sachleistungen, mittelbar oder unmittelbar
Was bedeutet Entgeltgleichheit?
Gleiches Entgelt für Männer und Frauen
bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit
verankert in Artikel 157 Abs. 1 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
Dieser Rechtsgrundsatz gilt bereits seit 1957
( Art. 119 EWG-Vertrag, Art. 141 EG-Vertrag)
Was ist gleichwertige Arbeit?
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
Inhaltlich unterschiedliche Arbeit, die aber
in Bezug auf Anforderungen und Belastungen
von gleichem Wert ist
Arbeit, die überwiegend von Frauen ausgeübt
wird, wird oft geringer bewertet als Arbeit, die
überwiegend Männer ausüben, denn:
Bewertungsmaßstäbe sind oft nicht gleich –
so, wenn bei Tierpflegern bewertet wird, dass
sie Verantwortung für Lebewesen tragen,
bei Erzieherinnen aber nicht
Wie sieht die Praxis aus?
Bruttojahresverdienste* von
* Verdienststrukturerhebung 2010
Bürofachkräften
Sonstigen Technikern
43.884
52.854
Krankenpfleger/innen
Maschinenbauschlosser/innen
37.245
41.539
Gilt denn nicht Tarifautonomie?
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Die Tarifvertragsparteien sind frei bei der
Regelung der Arbeitsbedingungen und des
Arbeitsentgelts.
Die Tarifvertragsparteien sind gebunden an
den Rechtsgrundsatz der Entgeltgleichheit
bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit von
Frauen und Männern.
Frauenabschlagsklauseln,
Leichtlohngruppen
Mit Urteil vom 15.01.1955 erklärte das BAG,
dass die Tarifklauseln, die Frauen bei gleicher
Arbeit nur einen bestimmten Prozentsatz der
Männerlöhne zubilligten, gegen den im
Grundgesetz verankerten Lohngleichheitsgrundsatz verstießen
Danach vereinbarten die Tarifvertragsparteien
Leichtlohngruppen und bewerteten die Arbeiten,
mit denen überwiegend Frauen beschäftigt
wurden, als „leicht“
Grundgesetz gebietet
Entgeltgleichheit
Artikel 3 Grundgesetz (18.05.1949), aktuelle Fassung:
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, (..)
benachteiligt oder bevorzugt werden.
EU-Grundrechtecharta gebietet
Entgeltgleichheit
In Art. 23 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta steht:
Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in
allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung,
der Arbeit und des Arbeitsentgelts sicher-
zustellen.
Wer mit einem Mann ein höheres Entgelt vereinbart
als mit einer Frau für gleiche oder gleichwertige
Arbeit, schuldet auch der Frau das höhere Entgelt.
Verbot der Entgeltdiskriminierung
aufgrund des Geschlechts
Seit 1975 bestimmt eine europäische Richtlinie,
geändert durch RL 2002/73/EG, aktuell RL: 2006/54/EG
Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die
als gleichwertig anerkannt wird, wird
mittelbare und unmittelbare Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts in Bezug auf
sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen beseitigt.
Dies gilt auch für Tarifverträge!
Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz - AGG
Gilt seit 18.08.2006, setzte die RL von 2002 um in
nationales Recht, bestimmt (§ 7 Abs. 1 i.V.m. §§ 1, 2
Abs. 1 Nr. 2)
Benachteiligungen wegen des Geschlechts
sind unzulässig
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in Bezug auf die Arbeitsbedingungen

einschließlich des Arbeitsentgelts
Unmittelbare Diskriminierung
nach AGG § 3 Abs. 1 Satz 1
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn
eine Person wegen ihres Geschlechts eine
weniger günstige Behandlung erfährt, als eine
andere Person in einer vergleichbaren Situation
erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Unmittelbare Diskriminierung
nach AGG § 3 Abs. 1 Satz 2
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des
Geschlechts liegt auch im Falle einer
ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen
Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

Arbeitsbewertung nach dem britischen NJC-Verfahren

Arbeitsbewertung nach schwedischem HAC-Verfahren

Unterschiede zwischen Logib-D und eg-check.de
Mittelbare Diskriminierung
nach AGG § 3 Abs. 2
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn
dem Anschein nach neutrale Vorschriften,
Kriterien oder Verfahren Personen wegen des
Geschlechts (gesellschaftliche Geschlechterrolle)
in besonderer Weise benachteiligen können
es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder
Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses
Ziels angemessen und erforderlich.
Beispiel Bilka-Urteil des BAG 14.10.1986 (3 AZR
66/83) Ausschluss
Teilzeitbeschäftigter
aus betrieblicher Altersversorgung



das BAG stellte mittelbare Diskriminierung fest,
weil die Betriebsrente nur nach mindestens
15jähriger Vollzeitbeschäftigung gezahlt wurde
und statistisch nachweisbar Teilzeitarbeit ganz
überwiegend von Frauen geleistet wurde (und wird)
und das BAG dies auf die Verteilung der
Geschlechterrollen zurückführte
Wird die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet und vergütet?
Der gesellschaftliche Hintergrund:
In einem Experiment wurde Frauen und Männern
ein Gemälde gezeigt, mit der Bitte,
es zu bewerten
- aus urheberrechtlichen Gründen
zeigt diese Folie das Gemälde nicht -
Ein Gemälde wurde Frauen und Männern gezeigt
mit der Bitte, es zu bewerten. Was geschah?
Das Gemälde
wurde gezeigt
Männern
Frauen
Ihnen wurde gesagt, es Sie bewerteten
sei gemalt von
es mit
einem Mann
44.000
einer unbekannten
45.000
Person
einer Frau
18.000
einem Mann
39.000
einer unbekannten
43.000
Person
einer Frau
28.000
Quelle: Nyberg, A.: Why do women earn less than men? The Swedish
Case, in: Schöner Wirtschaften – Europa geschlechtergerecht
gestalten, Dokumentation der Konferenz vom 29.-30.10.2004,
München 2005, S. 106
Statistische Entgeltücke
- Gender Pay Gap 

Bestehende Rechtsvorschriften, wonach
gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei
gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu zahlen
ist, werden oft nicht beachtet.
Statistisch erhalten Frauen ein geringeres
Entgelt als Männer – die Lohnlücke, der
Gender Pay Gap, beträgt bei uns 22% -
damit liegen wir auf dem vorletzter Platz in der EU!
Auf Gender Pay Gap folgt
Pension Pay Gap
In Deutschland beziehen Frauen um 59,6%
geringere eigene Alterssicherungseinkommen als
Männer (BMFSFJ, 2011)
Männer durchschnittlich € 1.595,00
Frauen durchschnittlich € 645,00
Wird die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet und vergütet?
Rechtliche Anforderungen an Arbeitsbewertung:
 Der rechtliche Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche und
gleichwertige Arbeit muss gewährleistet werden (Art. 157 Abs. 1 AEUV)
 Das Entgeltsystem muss transparent, nachvollziehbar und
überprüfbar sein (EuGH Danfoss 17.10.1989, Barber 17.05.1990)
 Die Tätigkeiten von Frauen und Männern müssen nach denselben
Kriterien bewertet werden (Art. 4 Satz 2 der RL 2006/54/EG)
 Die Kriterien für die Bewertung der Tätigkeiten müssen die
wesentlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes, das „Wesen“ der
Arbeit abbilden (EuGH Rummler 01.07.1986)
 Die Kriterien müssen diskriminierungsfrei definiert, gewichtet und
angewendet werden (EuGH Danfoss, Nimz 07.02.1991, Cadman
03.10.2006)
Wie sieht die Situation in den
Hochschulsekretariaten aus?
Wertschätzung aktuell und konkret am Beispiel einer Umfrage unter
Hochschulsekretärinnen an der TU Braunschweig:
 64/118: „Die Tätigkeit der Sekretärin wird noch immer
unterschätzt.“
 2/118: „Sekretärinnen genießen eine hohe Anerkennung.“
 51/100: „In meinem Arbeitsumfeld wird meine Arbeit als
selbstverständlich angenommen. Lob und Anerkennung gibt
es selten.“
 Hohe Arbeitsverdichtung, Zeitdruck
 Qualifizierung wird selten angeboten und anerkannt
 Gut gestaltete Arbeitsplätze
 43/118: „Oft wird die Sekretärin immer noch als ‚Tippse‘ bzw.
‚Mädchen für alles‘ gesehen.“
Wie sieht die Situation in den
Hochschulsekretariaten aus?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellte 2009 fest:
Finanzbuchhaltung, verschiedene Formen der Rechenschaftslegung und die Prüfungsorganisation werden in
erheblichem Umfang in den Sekretariaten der Lehrstühle
vorbereitet und unterstützt.
„Diesen Wandel des Tätigkeitsprofils zu einer Art von
‚Wissenschaftskoordination‘ und des dafür notwendigen
Qualifikationsanspruchs bilden die Tätigkeitsbeschreibungen
und die Entgeltgruppen nur unzureichend ab.“
(Arbeitsplatz Hochschule. Zum Wandel von Arbeit und Beschäftigung in der „unternehmerischen
Universität“, FES, Bonn 2009, S. 29)
Wie sieht die Situation in den
Hochschulsekretariaten aus?
Die Entgeltordnung des TV-L (Ein Auszug)
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Analytische Bewertung von Arbeit nach Katz und Baitsch: ABAKABA:
Intellektueller Bereich
Psycho-sozialer Bereich
4 Untermerkmale
4 Untermerkmale
Anforderungen und
Beeinträchtigungen
Physischer Bereich
Verantwortung
4 Untermerkmale
4 Untermerkmale
Die Instrumente von
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Gewichtung: Bandbreiten zur Orientierung
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Auf der gesellschaftlich-politischen Ebene
 Verbindliche Vorgaben für sinnvolle Prüfungen
der Entgeltreglungen der Entgeltpraxis – wie im
Entwurf für eies Entgeltgleichheitsgesetzes
vorgesehen
 Schaffung transparenter Entgeltsysteme und
verbesserter Klagemöglichkeiten
 Kampagnen, Informationen, Öffentlichkeit (Equal
Pay Day, Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit)
 Langfristig: gesellschaftliche Bewertung weiblich
dominierter Arbeit hinterfragen und verändern
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Auf der tariflichen Ebene:
 Überprüfung bestehender Eingruppierungsregelungen auf
Diskriminierungsfreiheit
 Vereinbarung diskriminierungsfreier Entgeltregelungen
Auf der betrieblichen Ebene:
 Sensibilisieren, informieren und Transparenz schaffen
 Durchführung von einzelnen Prüfungen oder umfassenden
Projekten
 Nutzen bestehender Netzwerke und Initiativen
Auf der individuellen Ebene:
 Schluss mit der Bescheidenheit! Durchsetzen des Rechts!
Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit
Und freue mich, dass wir nun noch
Gelegenheit zur Diskussion haben!
Rechtsanwältin Gisela Ludewig, Berlin
Telefon: 030/3255219
[email protected]
Anhang
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Wie kann die Arbeit von Frauen
„gerecht“ bewertet werden?
Unterschiede zwischen Logib-D und eg-check.de