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Rechtliche Aspekte im Bereich der
elektronischen Aktenablage
mag. iur. Maria Winkler
ECM-Themenfrühstück
26. März 2013
Agenda
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Einleitung
Gesetzliche Aufbewahrungspflichten
Technische und organisatorische Massnahmen
Risiken bei Missachtung von Aufbewahrungsvorschriften
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Gründe für Archivierung
 Unternehmen und Behörden müssen zum Nachweis der Tätigkeit
geschäftsrelevante Dokumente ablegen und archivieren.
 Geschäftsrelevant sind alle Dokumente, welche durch das
Unternehmen / die Behörde erstellt werden oder welche dieses von
Dritten erhält und welche
 allgemein aus Beweisgründen zur Geltendmachung von eigenen
Ansprüchen oder zur Abwehr von Ansprüchen Dritter benötigt werden;
 sich in der Buchhaltung niederschlagen;
 aufgrund besonderer spezialgesetzlicher Vorschriften erstellt und
archiviert werden müssen;
 das Unternehmen als Gesellschaft betreffen (Statuten, VR-Protokolle);
 dem Nachweis der Geschichte des Unternehmens dienen.
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Elektronische Aufbewahrung und
Archivierung von Geschäftsdokumenten
 Privatrechtliche Unternehmen dürfen ihre Geschäftsdokumente seit
2002 auch elektronisch führen und aufbewahren.
 Die Buchführungs- und Rechnungslegungsvorschriften wurden
revidiert, die neuen Vorschriften sind auf den 01.01.2013 in Kraft
getreten.
 Auch im öffentlich-rechtlichen Bereich (Bund, Kantone, etc.) ist die
elektronische Aktenführung grösstenteils anerkannt.
 In beiden Bereichen dürfen nicht nur originär elektronische Daten und
Dokumente elektronisch aufbewahrt bzw. archiviert werden sondern es
dürfen auch Papierdokumente gescannt werden, wenn die
gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.
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Agenda
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Einleitung
Gesetzliche Aufbewahrungspflichten
Technische und organisatorische Massnahmen
Risiken bei Missachtung von Aufbewahrungsvorschriften
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Gesetzliche Grundlagen
 Kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957 ff. OR,
GeBüV)
 Steuerrecht (MWSTG, WMSTGV, ElDI-V)
 Verjährungsvorschriften (z.B. Art. 127 f. OR)
 Prozessrecht (z.B. ZPO)
 Spezialgesetze und Verbandserlasse (z.B. Produktehaftpflichtgesetz,
Bankengesetz, Geldwäschereigesetz, Kotierungsreglement, Richtlinien
der schweizerischen Bankiervereinigung)
 Behörden des Bundes und der Kantone müssen eigene
Rechtsgrundlagen beachten (Archivgesetze, Vorgaben des
Bundesarchivs, des Staatsarchivs, etc.)
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Buchführungs- und
Rechnungslegungspflicht
 Die neuen gesetzlichen Grundlagen sind auf den 01.01.2013 in Kraft
getreten.
 Die Buchführung bildet nach den neuen Vorschriften die Grundlage
der Rechnungslegung.
 Es müssen alle Geschäftsvorfälle und Sachverhalte erfasst werden,
welche für die Darstellung der Vermögens-, Finanzierungs- und
Ertragslage des Unternehmens (wirtschaftliche Lage) erforderlich sind.
 Die Rechnungslegung wiederum soll die wirtschaftliche Lage des
Unternehmens so darstellen, dass sich Dritte ein zuverlässiges Urteil
bilden können.
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Wer ist Buchführungspflichtig? (Art. 957 OR)
 Pflicht zur Buchführung für alle juristischen Personen und
Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem
Jahresumsatz über CHF 500‘000. Pflicht zur einfachen Buchhaltung (Milchbüchleinrechnung)
für Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem
Jahresumsatz unter CHF 500‘000.-, Vereine und Stiftungen die
verpflichtet sind sich ins Handelsregister einzutragen sowie
Stiftungen, die von der Pflicht zur Bezeichnung der
Revisionsstelle befreit sind.
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Grundsätze der ordnungsgemässen
Buchführung (Art. 957a Abs. 2 OR)
 Die seit Jahrzehnten anerkannten «Grundsätze der
ordnungsgemässen Buchführung» werden im Gesetz nun
ausdrücklich erwähnt.
1. Die Geschäftsfälle und Sachverhalte müssen vollständig,
wahrheitsgetreu und systematisch dargestellt werden.
2. Die einzelnen Buchungsvorgänge müssen mit Belegen
nachgewiesen werden.
3. Die Buchführung muss den Grundsatz der Klarheit erfüllen.
4. Sie muss im Hinblick auf die Grösse und Bedeutung des
Unternehmens zweckmässig sein.
5. Die Buchführung muss nachprüfbar sein.
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Was muss aufbewahrt werden? (Art. 958f OR)
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Geschäftsbücher
Buchungsbelege
Geschäftsbericht
Revisionsbericht
schriftlich, elektronisch
oder in vergleichbarer Form
schriftlich unterzeichnet
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Buchungsbelege (Art. 957a Abs. 3 OR)
 Alle Buchungen müssen durch Buchungsbelege nachgewiesen
werden.
 Als Buchungsbeleg gelten alle schriftlichen Aufzeichnungen auf
Papier oder in elektronischer oder vergleichbarer Form, die notwendig
sind, um den einer Buchung zugrunde liegenden Geschäftsvorfall
oder Sachverhalt nachvollziehen zu können.
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Geschäftskorrespondenz
 Die Geschäftskorrespondenz wird nicht mehr ausdrücklich erwähnt.
 Auch Geschäftskorrespondenz kann unter Umständen als Beleg
qualifiziert werden und muss dann aufbewahrt werden.
 Der Begriff der Geschäftskorrespondenz muss weit interpretiert
werden: „ Zur Geschäftskorrespondenz gehören alle ein- oder
ausgehenden oder auch intern erstellten Dokumente, deren Inhalt sich
in irgendeiner Form bilanzmässig niederschlagen.“
 Zur Geschäftskorrespondenz können daher auch e-Mails, SMS,
Publikationen auf einer Website, der unternehmenseigenen FacebookSeite etc. gehören!
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Aufbewahrungspflichtige
Geschäftskorrespondenz
 Die neuen Vorschriften befreien daher nicht generell von der Pflicht zur
Aufbewahrung von Geschäftskorrespondenz.
 ACHTUNG! Andere rechtliche Grundlagen können ebenfalls die
Aufbewahrung von Geschäftskorrespondenz fordern (z.B. Beweisrecht,
Spezialgesetze).
 Bei der Archivierung von E-Mails ist zu beachten, dass die
Mitarbeitenden bei einer erlaubten privaten Nutzung über das
Vorgehen informiert sein müssen.
 Ist die private Nutzung untersagt, dann gelten alle E-Mails als
Geschäftskorrespondenz und diese kann ohne Weiteres archiviert
werden.
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Journaling
 Auf dem Markt sind zahlreiche Angebote für sogenannte „E-MailArchive“ erhältlich – dabei handelt es sich um Software und / oder
Hardware, die eine integritätssichere Speicherung der E-Mails
ermöglicht.
 Dabei werden alle ein- und ausgehenden E-Mails automatisch auf
einem Datenträger gespeichert.
 Achtung! Die Archivierung von E-Mails ist nur dann gesetzeskonform,
wenn sämtliche Voraussetzungen von Art. 957 ff OR sowie der GeBüV
erfüllt sind.
 Da die E-Mail-Archive in der Regel z.B. keine Zuordnung der E-Mails
zum Geschäftsfall ermöglichen, erfüllt das „Journaling“ in der Regel
nicht sämtliche gesetzlichen Anforderungen.
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Archivierungsfrist (Art. 958f Abs. 1 OR)
 Die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist beträgt zehn Jahre.
 Da die Aufbewahrungsfrist erst mit dem Ende des Geschäftsjahres
beginnt, beträgt die gesamte Aufbewahrungs- und Archivierungsdauer
der Dokumente bis zu 11 Jahre.
 Die steuerrechtliche Archivierungsfrist beträgt in der Regel
ebenfalls 10 Jahre. Gemäss MWSTG müssen aber Belege im
Zusammenhang mit Liegenschaften 20 Jahre archiviert werden.
 Es ist zu beachten, dass die Verjährung einer Forderung (z.B. bei
Dauerschuldverhältnissen) oft nicht bereits mit dem Ende des
Geschäftsjahres, sondern zu einem späteren Zeitpunkt beginnt,
wodurch sich die Aufbewahrungs- und Archivierungsdauer ebenfalls
verlängert.
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Beweisrecht
 Gemäss Art. 8 ZGB muss derjenige, der sich auf das Vorhandensein
einer behaupteten Tatsache beruft, diese auch beweisen.
 Das Unternehmen / die Behörde muss zudem alles aufbewahren, was
in einem allfälligen späteren Rechtsstreit als Beweismittel benötigt
wird (Sorgfaltspflicht).
 Beispiele:
 AGB, Rechtliche Hinweise, Vertragscharakter
 Interne Weisungen (z.B. gegen Forderungen aus Arbeitsrecht)
 Handbücher (z.B. gegen Forderungen aus Haftpflichtrecht)
 Diese Dokumente werden häufig im Intranet, auf einer Website
oder auch auf der eigenen Facebook-Seite publiziert!
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Bsp. Internetportal für Aktionäre
Gemäss Tagesanzeiger
wird die UBS in Umsetzung der
Abzockerinitiative ein Internetportal
schaffen,
auf dem sich Aktionäre registrieren und
Anweisungen an den
Stimmrechtsvertreter abgeben können.
Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Die-UBS-setzt-die-Abzockerinitiative-vorzeitig-um/story/29946688?dossier_id=1874,
abgerufen am 08.03.2013
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Spezialgesetze
 Zahlreiche Branchen haben spezielle gesetzliche Bestimmungen,
welche grosse Auswirkungen auf die Aufbewahrung von Informationen
und Dokumenten haben.
 Beispiele:
 Ad-hoc-Publizität gemäss dem Kotierungsreglement der SIX: Jede
publizierte Ad hoc-Mitteilung ist zeitgleich mit der Verbreitung auch auf der
Website des Emittenten aufzuschalten und muss dort während zwei
Jahren abrufbar sein (Pull-System).
 Gemäss PrHG haftet bei einem Schaden die Herstellerin des Produkts,
ausser sie beweist, dass sie den Schaden nicht verursacht hat.
Unternehmen, die Produkte nach dem PrHG herstellen, müssen daher die
Nachweisdokumente erstellen und aufbewahren, welche eine solche
Enthaftung ermöglichen (Konstruktionspläne, technische Handbücher, etc.).
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Bsp. Archivieren von Webinhalten
Quellen:
http://www.six-exchange-regulation.com/regulation/listing_rules_de.html
http://www.ubs.com/global/de/asset_management/gre/switzerland/ad_hoc.html
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Agenda
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Einleitung
Gesetzliche Aufbewahrungspflichten
Technische und organisatorische Massnahmen
Risiken bei Missachtung von Aufbewahrungsvorschriften
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Elektronische Aufbewahrung (Art. 958f OR)
 Voraussetzungen für die elektronische Aufbewahrung von
Geschäftsbüchern und Buchungsbelegen:
 Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden
Geschäftsfällen ist gewährleistet
 Sie können jederzeit lesbar gemacht werden
 Die Voraussetzungen der Geschäftsbücherverordnung müssen
beachtet werden!
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Beweiskraft der Dokumente
 Gemäss Art. 178 ZPO hat die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft,
die Echtheit zu beweisen, sofern diese von der anderen Partei
bestritten wird. Bei der Beweisführung muss in der Regel
nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen der
Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) erfüllt sind.
 Art. 3 GeBüV verlangt, dass die Geschäftsdokumente so geführt und
aufbewahrt werden, dass sich nachträglich feststellen lässt, ob sie
geändert wurden.
 Um die Beweiskraft der Dokumente zu sichern, muss deren Integrität
bereits nach Fertigstellung oder Eingang gesichert werden und nicht
erst bei der Archivierung.
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Integritätssicherung bei der Archivierung
 Zur Integritätssicherung können unterschiedliche technische und/oder
organisatorische Massnahmen wie z.B. Signaturen, unveränderbare
Datenträger, Verschlüsselungen, die restriktive Erteilung von
Zugriffsberechtigungen, die Aufzeichnung von Zugriffen, etc. verwendet
werden.
 Die Speicherung auf veränderbaren Datenträgern ist erlaubt,
– wenn technische Verfahren Integrität gewährleisten (z.B. digitale Signatur)
– und der Zeitpunkt der Speicherung nachweisbar ist (Zeitstempel)
– und die Abläufe, Verfahren und Hilfsinformationen protokolliert werden.
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Verfahrensdokumentation
 Umfangreiche Dokumentationspflichten stellen sicher, dass die
Geschäftsbücher, Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz
während der gesamten Aufbewahrungsdauer verstanden werden
können.
 Zu dokumentieren sind beispielsweise die technische Infrastruktur, die
Organisation, die Zuständigkeiten, die Arbeitsabläufe und Verfahren,
die zum Verständnis notwendig sind (Verfahrensdokumentation).
 Die Dokumentationen sind aktuell zu halten und müssen gleich lang
aufbewahrt werden, wie die Geschäftsbücher.
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Verfügbarkeit
 Die aufbewahrten Dokumente müssen innerhalb einer angemessenen Frist
von berechtigten Personen eingesehen und überprüft werden können.
 Personal, Geräte und Hilfsmittel sind während der gesamten
Aufbewahrungsdauer zur Verfügung zu halten!
 Die Dokumente müssen auch in Papierform vorgelegt werden können.
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Organisation
 Archivierte Dokumente müssen von aktiven Informationen getrennt
oder so gekennzeichnet werden, dass eine Unterscheidung möglich ist.
 Die archivierten Dokumente müssen regelmässig auf ihre Lesbarkeit
überprüft werden.
 Der Zugriff auf die archivierten Dokumente muss geregelt werden,
Zugriffe und Zutritte sind aufzuzeichnen.
 Der Umgang mit aufbewahrungspflichteigen Dokumenten sollte in
Weisungen und mit Prozessen geregelt sein.
 Eine Migration auf andere Formate oder andere Datenträger zur
Gewährleistung der Lesbarkeit ist erlaubt. Der Vorgang der Migration
muss protokolliert und die Protokolle müssen archiviert werden.
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Scannen von Papierbelegen
 Das Scannen und die anschliessende elektronische Ablage und
Archivierung von Papierdokumenten (Verträge, Kreditorenrechnungen)
ist erlaubt, wenn sichergestellt wird, dass
– die Vollständigkeit und Richtigkeit der Information gewährleistet bleibt
und
– die Verfügbarkeit und die Lesbarkeit den gesetzlichen Anforderungen
weiterhin genügen.
 Der Scanprozess stellt eine Migration auf einen anderen Datenträger
gemäss Art. 10 GeBüV dar.
 Der Scanprozess muss protokolliert und das Protokoll muss mit
archiviert werden. Dabei müssen die verwendete technische
Infrastruktur beschrieben und die Arbeitsanweisungen dokumentiert
werden (Verfahrensdokumentation).
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Agenda
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Einleitung
Gesetzliche Aufbewahrungspflichten
Technische und organisatorische Massnahmen
Risiken bei Missachtung von Aufbewahrungsvorschriften
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Risiken und Verantwortung
 Unterliegen in Rechtsstreitigkeiten, Verlust von Vermögen
(Bsp. Unterliegen in arbeitsrechtlicher Streitigkeit mangels Nachweisbarkeit der
gültigen Weisungen)
 Art. 325 StGB: Strafe für Verletzung der Pflichten zur ordnungsgemässen
Buchführung
 Mehrwertsteuer: Verlust von Vorsteuern, Nachsteuern
 Verstoss gegen spezialgesetzliche Vorgaben (z.B: Kotierungsvorschriften: Art.
61 Abs. 1 KR: Busse bis zu CHF 10 Mio)
 Der VR ist gemäss Gesetz verantwortlich dafür, dass die Gesetze und
Weisungen im Unternehmen eingehalten werden. Er muss entsprechende
Weisungen erlassen und die Ressourcen zur Verfügung stellen!
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Zusammenfassung
 Die neuen Buchführungs- und Rechnungslegungsvorschriften sind am
01.01.2013 in Kraft getreten. Sie befreien die Unternehmen nicht von
der Archivierung von Geschäftskorrespondenz.
 Je nach Branche gelten verschiedene Spezialvorschriften, welche
zusätzlich zu den Buchführungsvorschriften beachtet werden müssen.
 Das Scanning von Dokumenten ist grundsätzlich erlaubt, allerdings
bestehen Anforderungen an den Prozess und die zu verwendende
Infrastruktur.
 Es ist es wichtig, dass die Aufbewahrung so erfolgt, dass die
Beweiskraft erhalten bleibt und die Dokumente weiterhin verstanden
werden können!
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Danke für die Aufmerksamkeit!
mag. iur. Maria Winkler
IT & Law Consulting GmbH
Grafenaustrasse 5
6300 Zug
Telefon: +41 41 711 74 08
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