Anselm von Canterbury Cur deus homo - Universität Duisburg

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Anselm von Canterbury
Cur deus homo (1194 – 1198)
Warum Gott Mensch geworden

bearbeitet von

Andreas Otte
Duisburg 2001


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Übersicht
1
2
3

4
5
6
7

Biographischer Überblick
Sein Werk
Die Entstehung von „Cur deus homo“
- Zeit und Ort
- Adressatenkreis
Die Hauptgedanken
Textauszüge
Quellen- und Literaturhinweise
Linkliste

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1

Biographischer Überblick

1033
1060
1079
1093
1097-1100
1103-1106
1107
1109

Geburt in Aosta (Piemont)
Eintritt in das Benediktinerkloster zu Bec
(Normandie)
Weihe zum Abt des Klosters Bec
Weihe zum Erzbischof von Canterbury,
Primas der Kirche von England
Erstes Exil
Zweites Exil
Konkordat von London
Tod in Canterbury

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Sein Werk

1070
1076
1077/1078
1080-1084

1094-1098
1099/1100

„De grammatico“ (Rhetoriklehrbuch)
„Monologion“ (Gottesbeweis)
„Proslogion“
(Gottesbeweis)
„De veritate“
(über die Wahrheit)
„De libertate arbitrii“ (vom freien Willen)
„De casu diaboli“ (Fall der Engel)
„Cur deus homo“ (Satisfaktionslehre)
„De conceptu virginali et de originali peccato“
(Jungfrauengeburt und Erbsünde)

1102

„De processione Spiritus sancti“

(Filioque)

Überliefert sind außerdem:
19 Gebete, drei Meditationen und 472 Briefe

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Entstehung der Schrift
a) Zeit und Ort
Im Jahre 1094 begann Anselm mit der Abfassung von „Cur deus
homo“.
In dieser Schrift ist Boso, Anselms Schüler und Nachfolger als Abt im
Kloster Bec, sein Gesprächspartner. Anselm wählte in seinen Schriften
wiederholt, nach antikem Vorbild, den Dialog als literarische Form.
Bereits vor der Fertigstellung wurden ohne Anselms Wissen und gegen
seinen Willen Auszüge aus „Cur deus homo“ verbreitet. Diese wohl
frühe Urschrift wurde von ihm später überarbeitet und fertiggestellt.
Die Vollendung der Schrift erfolgte im Jahre 1098. Zu dieser Zeit befand sich Anselm in Italien (Erstes Exil). Er verweilte dort auf dem
klösterlichen Landgut Sclavia bei Caserta (Campania).

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Entstehung der Schrift
b) Adressatenkreis
Die Adressaten der Schriften Anselms sind im allgemeinen seine
Schüler. Zunächst beschränkte sich dies auf die Schüler des Klosters
Bec. Nach den Klosterneugründungen, insbesondere auf englischem
Boden, wurden auch die Mönche dieser Klöster zu Anselms Adressaten.
Über den Kreis der christlichen Theologen wendet sich Anselm in
„Cur deus homo“ zudem auch an Juden und Heiden. Nicht Autoritäten,
sondern objektive Vernunftgründe sollten seine Argumentationsgrundlage bilden. Die Beweisführung Anselms sollte auch von jenen nachvollzogen werden können, die die christliche Glaubenserfahrung nicht
teilen.
Die Rolle des Ungläubigen im Dialog wird von Boso übernommen.

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Die Hauptgedanken

1 Der Mensch ist Geschöpf Gottes. Als solches schuldet er Gott die freie
Unterordnung des Willens. Dies ist die einzige Ehre, die der Mensch
Gott erweisen kann.
2 Vollzieht der Mensch diese Unterwerfung nicht, so ist dies Sünde.
Durch die Sünde und den Fall der Engel ist die Schöpfungsordnung
gestört.
3 Diese Sünde ist unendlich und die Schuldigkeit des Menschen wird
dadurch unerfüllbar.
4 Diese Lage fordert entweder ewige Verdammnis des Menschen oder
unendliche Genugtuung.
5 Die Strafe kann nicht das letzte Wort sein, da sonst die Schöpfung zu
Schanden würde, was der Vollkommenheit Gottes nicht geziemt.
6 Die Wiederherstellung der Schöpfungsordnung erfordert allerdings
eine Leistung, die größer ist als das, was die Menschen insgesamt an
Genugtuung erbringen können. Eine solche unendliche Genugtuung
kann nur Gott leisten. Nur Gott ist über allem.
7 Was der Mensch leisten sollte, aber nur Gott leisten kann, hat der GottMensch Jesus Christus geleistet.
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5 Textauszüge














Zur Fragestellung
Von der Art der Sühne
Gegen die überlieferte Lösegeldtheorie
Vom Willen Gottes
Vom rechten Willen Christi
Von der Sünde
Ehre Gottes als oberstes Ordnungsprinzip
Die Größe der Sühne
Die Selbstverpflichtung des Schöpfers
Die Notwendigkeit einer Inkarnation Gottes
Wahrer Mensch und wahrer Gott
Jungfrauengeburt
Unendlichkeit der Liebe
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Textauszüge: Zur Fragestellung
„Quam quaestionem solent et infideles nobis simplicitatem Christianam quasi
fatuam deridentes obicere, et fideles multi in corde versare: qua scilicet ratione
vel necessitate deus homo factus sit, et morte sua, sicut credimus et
confitemur, mundo vitam reddiderit, cum hoc aut per aliam personam, sive
angelicam sive humanam, aut sola voluntate facere potuerit.“ ( Cur deus homo,
I c. 1)
Übersetzung:
„Folgende Frage pflegen sowohl die Ungläubigen, die christliche Einfalt als
töricht verlachend, uns vorzuwerfen, als auch viele Gläubige in ihrem Herzen
zu erwägen: Aus welchem Grunde nämlich oder aus welcher Notwendigkeit
Gott Mensch geworden sei und durch seinen Tod, wie wir glauben und
bekennen, der Welt das Leben wiedergeschenkt habe, da er das doch entweder
durch eine andere Person - sei sie engelhafter oder menschlicher Natur - oder
durch bloßen Willen hätte tun können.“

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Textauszüge: Von der Art der Sühne
„Oportebat namque ut, sicut per hominis inoboedentiam mors in humanum
genus intraverat, ita per hominis oboedientiam vita restitueretur. Et quemadmodum peccatum quod fuit causa nostrae damnationis, initium habuit a
femina, sic nostrae iustitiae et salutis auctor nasceretur de femina.“
(Cur deus Homo, I c. 3)
Übersetzung:
„Wie nämlich durch eines Menschen Ungehorsam der Tod in das Menschengeschlecht eingetreten war, so mußte auch durch den Gehorsam eines Menschen das Leben wieder hergestellt werden. Und wie die Sünde, die Ursache
unserer Verdammnis, von einer Frau ihren Ausgang nahm, so mußte auch der
Urheber unserer Gerechtigkeit und unseres Heiles aus einem Weibe geboren
werden.“

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Textauszüge: Gegen die überlieferte Theorie

einer Auslösung des Menschen aus des
Teufels Macht
„Cum autem diabolus aut homo non sit nisi dei et neuter extra
potestatem dei consistat: quam causam debuit agere deus cum suo, de
suo, in suo, nisi ut servum suum puniret, qui suo conservo communem
dominum deserere et ad se transire persuasisset, ac traditor fugitivum,
fur furem cum furto domini sui suscepisset ?“ (Cur deus homo, I c. 7)
Übersetzung:
„Da aber der Teufel oder Mensch nur Gott gehört und keiner von
beiden außer Gottes Macht steht: welche Rechtssache sollte Gott mit
seinem Eigentum, über sein Eigentum und in seinem Eigentum führen,
es sei denn, daß er seinen Knecht bestrafte, der seinen Mitknecht
verleitet hatte, den gemeinsamen Herrn zu verlassen und zu ihm
überzulaufen und der als Verräter den Fahnenflüchtigen, als Dieb den
Dieb samt dem seinem Herrn gestohlenen Gute aufgenommen hatte?“

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Textauszüge: Vom Willen Gottes
„Sufficere nobis debet ad rationem voluntas dei cum aliquid facit, licet
non videamus cur velit. Voluntas namque dei numquam est
irrationabilis.“ (Cur deus homo, I c. 8)
Übersetzung:
„Es muß uns der Wille Gottes zur Begründung genügen, wenn er etwas
tut, auch wenn wir nicht einsehen, warum er es will. Denn der Wille
Gottes ist niemals unvernünftig.“

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Textauszüge: Vom rechten Willen Christi
„Nullus vero homo a se habet veritatem quam docet, aut iustam
voluntatem, sed a deo. Non ergo venit Christus voluntatem suam
facere sed patris, quia iusta voluntas quam habebat, non erat ex
humanitate, sed ex divinitate.“ (Cur deus homo, I c. 9)
Übersetzung:
„Kein Mensch aber hat aus sich die Wahrheit, die er lehrt, oder den
rechten Willen, sondern von Gott. Christus kam also nicht, seinen
Willen, sondern den des Vaters zu tun, denn der rechte Wille, den er
besaß, war nicht aus der Menschheit, sondern aus der Gottheit.“

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Textauszüge: Von der Sünde
„A. Si angelus et homo semper redderet deo quod debet, numquam peccaret.
B. Nequeo contradicere.
A. Non est itaque aliud peccare quam non reddere deo debitum.“
B. Quod est debitum quod deo debemus ?
A. Omnis voluntas rationalis creaturae subiecta debet esse voluntati dei.“
(Cur deus homo, I c. 11)

Übersetzung:
„A. Wenn Engel und Mensch Gott immer leisten würden, was sie schuldig
sind, würden sie niemals sündigen.
B. Dem kann ich nicht widersprechen.
A. Mithin ist Sündigen nichts anderes als Gott das Geschuldete nicht leisten.
B. Was ist das Geschuldete, das wir Gott schulden?
A. Aller Wille der vernunftbegabten Schöpfung muß dem Willen Gottes unterworfen sein.“

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Ehre Gottes als oberstes Ordnungsprinzip
„Nihil minus tolerandum in rerum ordine, quam ut creatura creatori debitum
honorem auferat et non solvat quod aufert.“ (Cur deus homo, I c. 13)
Übersetzung:
„Nichts ist in der Ordnung der Welt weniger zu ertragen, als daß das Geschöpf
dem Schöpfer die schuldige Ehre nimmt und nicht abzahlt, was es nimmt.“
„Deum constat proposuisse, ut de humana natura quam fecit sine peccato,
numerum angelorum qui ceciderant restitueret.“ (Cur deus homo, I c. 16)
Übersetzung:
„Es steht fest, daß Gott beschlossen hat, aus der menschlichen Natur, die er
sündelos geschaffen, die Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen.“

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Textauszüge: Die Größe der Sühne
„Non ergo decet deum hominem peccantem sine satisfactione ad restaurationem angelorum assumere perditorum, quoniam veritas non patitur eum levari
ad aequalitatem beatorum.“
(Cur deus homo, I c. 19)
Übersetzung:
„Also ziemt es sich für Gott nicht, den sündigen Menschen ohne Genugtuung
zum Ersatz für die verlorenen Engel aufzunehmen, weil die Wahrheit nicht
zuläßt, daß er zur Gleichheit mit den Seligen erhoben werde.“
„Patet quia secundum quantitatem peccati exigit deus satisfactionem.“
(Cur deus homo, I c. 21)
Übersetzung:
„Es ist klar, daß Gott die Genugtuung nach der Größe der Sünde fordert.“

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Text: Die Selbstverpflichtung des Schöpfers
„At si nihil pretiosius cognoscitur deus fecisse quam rationalem naturam ad
gaudendum de se, valde alienum est ab eo, ut ullam rationalem naturam
penitus perire sinat. (...) Necesse est ergo, ut de humana natura quod incepit
perficiat. Hoc autem fieri, sicut diximus, nequit, nisi per integram peccati
satisfactionem, quam nullus peccator facere potest.“ (Cur deus homo, II c. 4)
Übersetzung:
„Aber wenn erkannt wird, daß Gott nichts Kostbareres geschaffen hat als die
vernünftige Natur, damit sie sich an ihm erfreue, so ist es mit ihm ganz unvereinbar, daß er eine vernünftige Natur völlig zugrunde gehen lasse. (...) Es ist
also notwendig, daß er mit der menschlichen Natur vollende, was er begonnen
hat. Das kann aber, wie wir sagten, nur durch eine völlige Genugtuung für die
Sünde geschehen, die kein Sünder leisten kann.“

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Die Notwendigkeit der Inkarnation Gottes
„Si ergo, sicut constat, necesse est ut de hominibus perficiatur illa
superna civitas, nec hoc esse valet, nisi fiat praedicta satisfactio, quam
nec potest facere nisi deus nec debet nisi homo: necesse est ut eam faciat
deus-homo.“ (Cur deus homo, II c. 6)
Übersetzung:
„Wenn also, wie es feststeht, notwendig ist, daß aus den Menschen jene
himmlische Stadt vollendet wird und das nicht geschehen kann, wenn
nicht die er-wähnte Genugtuung erfolgt, die einerseits nur Gott leisten
kann und anderer-seits nur der Mensch leisten darf: so ist es notwendig,
daß sie ein Gott-Mensch leiste.“

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Textauszüge: Wahrer Mensch und wahrer Gott
„Ut ergo hoc faciat deus-homo, necesse est eundem ipsum
esse perfectum deum et perfectum hominem, qui hanc
satisfactionem facturus est; quoniam eam facere nec potest
nisi verus deus, nec debet nisi verus homo.“
(Cur deus homo, II c. 7)
Übersetzung:
„Damit das also ein Gott-Mensch leiste, ist es notwendig,
daß ein und derselbe, der die Genugtuung leisten soll,
vollkommener Gott und vollkommener Mensch sei; denn
sie kann nur ein wahrer Gott und darf nur ein wahrer
Mensch leisten.“
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Textauszug:

Die Notwendigkeit einer Jungfrauengeburt
„Si mulier quam fecit deus de viro sine femina, facta est de
virgine, convenit valde ut vir quoque, qui fiet de femina
sine viro, fiat de virgine.“
(Cur deus homo, II c. 8)
Übersetzung:
„Wenn das Weib, das Gott aus einem Manne ohne Frau
bildete, aus einem jungfräulichen Manne geschaffen
wurde, ziemt es sich sehr, daß auch der Mann, der aus
einem Weibe ohne Mann herstammen wird, aus einer
Jungfrau hervorgehe.“

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Textauszüge:

Die Unendlichkeit der Liebe
„Cogita etiam quia peccata tantum sunt odibilia quantum sunt mala, et vita ista
tantum amabilis quantum est bona. Unde sequitur quia vita haec plus est amabilis, quam sint peccata odibilia. (...) Vides igitur quomodo vita haec vincat
omnia peccata, si pro illis detur.“ (Cur deus homo, II c. 14)
Übersetzung:
„Bedenke auch, daß die Sünden so hassenswert sind, wie sie schlecht sind, und
jenes Leben so liebenswert, wie es gut ist. Daraus folgt, daß dieses Leben
mehr liebenswert ist als die Sünden hassenswert. (...) Du siehst also, wie dieses
Leben alle Sünden überwiegt, wenn es für sie hingegeben wird.“

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Quellen und Literaturhinweise

Quellen:

Canterbury, Anselm von: Cur deus homo. Warum Gott Mensch
geworden. Lateinisch und Deutsch. Übersetzt von Franciscus S.
Schmitt. O.S.B. 5. Auflage. München 1993.
S. Anselmi Cantuariensis archiepiscopi Opera omnia. Rec. F. S. Schmidt, 6
Bde., Nachdr. Stuttgart-Bad Cannstatt 1968.
Literatur:

Evans, Gillian: Anselm von Canterbury. In: RGG4 1 (1998) 515-516.
Hödl, Ludwig: Anselm von Canterbury. In: TRE. 2 (1978) 759-778.
Schwager, Raymund: Logik und Freiheit des Natur-Wollens. Zur
Erlösungslehre Anselms von Canterbury. In: ZKTh 105 (1983) 125155.
Schmidt, Martin Anton: Anselm von Canterbury. In: Gestalten der
Kirchengeschichte 3. Mittelalter I, Stuttgart 1983, S. 123-147.
Tillich, Paul: Vorlesungen über die Geschichte des christlichen Denkens. Teil I: Urchristentum bis Nachreformation. Herausgegeben und
übersetzt von Ingeborg Henel. Stuttgart 1971. S. 173-181.
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Linkliste
„Cur deus homo“-online (Lateinisch):
http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/anselm/curdeushomo.html

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (1990):
http://www.bautz.de/bbkl/a/anselm_v_c.shtml
Ökumenisches Heiligenlexikon (mit Karten):
http://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Anselm_von_Canterbury.htm

Catholic Encyclopedia:
http://www.newadvent.org/cathen/01456a.htm
Encyclopaedia Britannica:
http://www.britannica.com/eb/article?eu=7815&tocid=0

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Kindheit und Jugend
1033

Geburt in Aosta (Piemont)

Anselms Vater Gundulf (aus der Lombardei) und seine Mutter Ermenberga (aus Aosta) stammten aus Adelsfamilien und führten ein Leben
in feudalistischen Verhältnissen. Der Hausfrieden soll allerdings unter
dem aufwendigen und anstößigen Leben des Vaters gelitten haben.
Anselms Mutter war für seine religiöse Erziehung verantwortlich.
Nach ihrem Tod überwarf er sich mit seinem Vater und verließ das
Vaterhaus.
Er schlug den Bildungsweg ein und besuchte verschiedene Schulen in
Burgund, Frankreich und der Normandie, so auch u.a. das Kloster
Cluny. Zuletzt besuchte er die Klosterschule in Bec.

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Mönch in Bec
1060

1063

1079

Anselm tritt als Novize dem Benediktinerkloster in Bec
bei.
In der Nachfolge seines Landsmannes Lanfrank wird Anselm
Prior des Klosters und Leiter der Klosterschule. Als Prior hat
Anselm bereits vielfältige Außenbeziehungen des Klosters wahrzunehmen.
Am 22. Februar empfängt Anselm die Weihe zum Abt des
Klosters Bec. Er tritt damit in die Nachfolge des verstorbenen
Abtes Herluin. Anselm gründet fünf Priorate neu. Drei dieser
Neugründungen liegen in England. Zu den englischen Neugründungen kommt es auf Anregung Lanfranks, der 1070 Erzbischof
von Canterbury wurde. Die Klostergründungen in England und
der persönliche Kontakt zu Lanfrank machen Anselm im ganzen
anglo-normannischen Königreich bekannt.

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Mönch in Bec

1089

Unter Anselms Leitung werden Kloster und Konvent in Bec zu
einer Stätte hoher Gelehrsamkeit und Spiritualität.
Anselm sieht in Grammatik, Rhetorik und Dialektik die Basis
seines Bildungsprogrammes.
Konzil von Bari:
Anselm sprach auf Wunsch des Papstes mit den Griechen über
das „filioque“

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Erzbischof von Canterbury (1)
1093

März: Der englische König Wilhelm II. liegt todkrank danieder.
In dieser Situation bedrängen ihn sein Hof und die englischen
Bischöfe, den seit fünf Jahren vakanten Stuhl des Erzbischofs
von Canterbury zu besetzen. Ihr Kandidat ist Anselm.

1093

September: Anselm leistet Wilhelm II. den Lehnseid und wird als
Erzbischof von Canterbury inthronisiert.

1093

Dezember: Anselm wird durch Erzbischof Thomas von York
zum Bischof geweiht.

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Erzbischof von Canterbury (2)
Als Primas der Kirche kämpfte er um die Freiheit und Unabhängigkeit
der Kirche von der Krone. Er wandte sich hierbei insbesondere gegen
die Laieninvestitur durch den König (Investiturstreit).
Als Erzbischof von Canterbury verteidigte er die Vorrechte des Primas
von Canterbury gegen die Ansprüche des Erzbischofs von York.
Des weiteren widmete er sich der inneren Reform der Kirche.

1095

Auf dem Hoftag zu Rockingham verlangte Anselm von König
Wilhelm II., Papst Urban II. (1088-1099) anzuerkennen.
Da dies den „norman customs“ widersprach, weigerte sich der
König. Die Mehrzahl der Bischöfe stellte sich auf die Seite Willhelms II.

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Erzbischof von Canterbury (3)
1097

Auf dem Hoftag zu Winchester setzt sich Anselm erneut für die
Freiheit der Kirche und eine Reform des Klerus ein. Des weiteren
fordert er einen freien Verkehr mit Rom. Als sich erneut die
Mehrheit der Bischöfe gegen ihn stellt, geht Anselm in das Exil.

1. Exil: 1097-1100
Im Alter von 64 Jahren verlässt Anselm England und zieht zunächst nach Lyon.
1098

Auf Einladung des Papstes reist Anselm nach Rom. Dort
vollendet er auf dem Landgut Sclavia sein Werk „Cur deus
homo“.

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Erzbischof von Canterbury (4)
1100

Tod Wilhelms II. bei einem Jagdunfall. Im August des Jahres
wird sein Bruder Heinrich I. zum König gekrönt. Heinrich ruft
Anselm nach England zurück. Am 23. September 1100 ist
Anselm wieder in England. Anselm segnete die Ehe des Königs
und stand in dessen Auseinandersetzungen mit Herzog Robert
von der Normandie (ein Bruder des neuen Königs) treu an der
Seite Heinrichs.
Dennoch verweigerte er Heinrich den Lehnseid und den Empfang des Erzbistums aus dessen Hand.

1103

Anselm reist mit einem königlichen Gesandten nach Rom, um
dort den Streit beilegen zu lassen. Dies geschieht jedoch ergebnislos. Auf der Rückreise wird er in Lyon durch einen königlichen Gesandten vor die Wahl gestellt, die Investitur durch...

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Erzbischof von Canterbury (5)
den König anzunehmen, oder auf die Rückkehr nach England zu
verzichten. Anselm geht erneut in das Exil.
2. Exil: 1103-1106
70jährig verbringt Anselm sein Exil in Lyon und Umgebung. Hier hält
er zahlreiche Predigten.
1105

In Rom bannt eine Bischofssynode einen Ratgeber Heinrichs I.
und erneuert den Bann gegen die von Königshand investierten
Bischöfe.
Anselm reist in die Normandie, wo der König durch seine
Schwester, die Gräfin Adele von Blois, vermitteln lässt. Heinrich
verzichtet auf die Investitur, dafür leistet Anselm den Lehnseid.

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Erzbischof von Canterbury (6)
1106

Papst Paschalis II. (1099-1118) stimmt dem Vermittlungsergebnis zu. Im gleichen Jahr kehrt Anselm nach England zurück.

1107

Auf dem Hoftag zu Westminster wird mit dem „Konkordat von
London“ der englische Investiturstreit beigelegt.

1109

21. April: Tod Anselms in Canterbury
Nach seinem Tode bleibt der Primatssitz für fünf Jahre vakant.

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Information: Der Erzbischof von Canterbury und die Lage der englischen
Kirche
Der Erzbischof von Canterbury war der Primas der angelsächsischen
Kirche. Als solcher war er quasi „Papst“ in einem eigenen Reich.
Gleichzeitig war er der Erste unter den Granden des Königs von
England.
König Wilhelm I. der Eroberer (1066-87) hatte die englische Kirche
nach normannischem Vorbild (den „norman customs“) organisiert. Der
König bestellte Bischöfe, Äbte und höhere Prälaten. Nur mit seiner
Genehmigung durften Schreiben oder Gesandte des Papstes empfangen werden. Darüber hinaus durfte kein Bischof über Barone oder
Diener des Königs wegen eines Kapitalverbrechens eine öffentliche
Kirchenstrafe verhängen.
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Information: Unabhängigkeit der Kirche und innere Reform
Anselms Kirchenbild war von der cluniazensischen Idee geprägt.
„Nichts liebt Gott mehr in dieser Welt als die Freiheit der Kirche. ...
Gott will, daß seine Braut frei und nicht Magd sei!“ (Ep. 235.21-24,
Op. omnia IV,143) Hier spiegelt sich das Kirchenverständnis des
Hohen Liedes wieder. Die Kirche muss sich von irdischen Verwicklungen frei halten, um bereit zu sein für den wiederkehrenden Herrn.
Die Kirche steht nur unter dem Gesetz Gottes. Als Wächter kirchlichen Freiheit erkannte er die Päpste Urban II. und Paschalis II. an
und fühlte sich dem Stuhl Petri verpflichtet.
Anselm verband seine Kampf für die Freiheit der Kirche mit dem
Versuch einer inneren Reform. Hier bekämpfte er insbesondere die
Priesterehe, die zu dieser Zeit noch weit verbreitet war. Er entließ verheiratete Priester und forderte die Gläubigen auf, ihre Gottesdienste zu
meiden.
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Juden und Heiden
„Cum enim sic probes deum fieri hominem ex necessitate, ut etiam si
removeantur pauca quae de nostris libris posuisti, ut quod de tribus dei
personis et de Adam tetigisti, non solum Iudaeis sed etiam paganis sola
ratione satisfacias ... .“ (Cur deus homo, II c. 22)
Übersetzung:
„Da du nämlich auf solche Weise beweist, daß Gott mit Notwendigkeit Mensch wurde, daß du - auch wenn man das Wenige beseitigt, das
du aus unseren Büchern gebracht hast, so was du über die drei Personen Gottes und über Adam berührt hast - nicht nur den Juden, sondern
auch den Heiden durch bloße Vernunft Genüge tust ... .“
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Auszüge vor Fertigstellung
„Opus subditum propter quosdam qui, antequam perfectum et exquisitum esset, primas partes eius me nesciente sibi transcribebant, festinantius quam mihi opportunum esset, ac ideo brevius quam vellem
sum coactus, ut potui, consummare.“ (Cur deus homo, Praefatio)
Übersetzung:
„Vorliegendes Werk mußte ich um einiger willen, die, bevor es vollendet und geprüft war, seine ersten Teile ohne mein Wissen für sich
abschrieben, eiliger, als mir gelegen kam und deshalb kürzer, als ich
vorhatte, so gut ich konnte, abschließen.“
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Vollendung der Schrift
„In magna enim cordis tribulatione, quam unde et cur passus sim novit
deus, illud in Anglia rogatus incepi et in Capuana provincia peregrinus
perfeci.“ (Cur deus homo, Praefatio)
Übersetzung:
„In großer Herzenstrübsal nämlich - von woher und warum ich die
erlitt, weiß Gott - habe ich es in England auf Bitten hin begonnen und
in der Provinz Capua als Fremdling vollendet.“
(zurück)

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Lanfrank von Bec (ca. 1010 - 1089)
- Er entstammte einer städtischen Familie aus Pavia (Lombardei).
- 1030 verließ er Italien und arbeitete als Grammatik-, Logik- und Rhetoriklehrer im Loiretal und der Normandie.
- Nach einem Bekehrungserlebnis trat er 1042 der Einsiedlergemeinschaft von
Bec (Normandie) bei. Dort wurde er auch Prior (1045 - 1063).
- 1063 wurde er Abt von St. Stephan in Caen (Normandie).
- Nach der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer (1066) leitete
Lanfrank die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse In England.
- 1070 - 1089 war Lanfrank Erzbischof von Canterbury. In diesem Amt
sicherte er sich 1072 die Primatialrechte gegenüber dem Erzbischof von York.
- Lanfrank sorgte für den Wiederaufbau der Kathedrale und des Klosters von
Canterbury.
- Während seiner Amtszeit nahm der päpstliche Einfluss in England rapide ab.
- Lanfrank war treuer Ratgeber und Bundesgenosse Wilhelms I. und auch
seines Nachfolgers Wilhelm II.
(zurück)

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Papst Urban II. (1088 - 1099)
- Er wurde, aus vornehmer Familie stammend, 1035 in Châtillon-sur-Marne
geboren, studierte in Reims und trat 1068 als Mönch in das Kloster Cluny ein.
Dort stieg er bis zum Prior auf.
- 1080 wurde er zum Kardinalbischof von Ostia berufen und diente 1084/85
als päpstlicher Legat in Deutschland.
- 1088 wurde er in Terracina (südl. von Rom) zum Papst gewählt. Die Wahl
fand nicht in Rom statt, da dort noch der Gegenpapst Clemens III. regierte.
Erst 1093 konnte Ur-ban II. endgültig in Rom einziehen.
- Er wandte sich gegen Priesterehe, Simonie (Ämterkauf) und Laieninvestitur.
- Auf der Synode von Clermont (1095) wurde es den Klerikern untersagt, einem Laien den Treueid zu leisten, die Befolgung des Gottesfriedens (treuga
dei) wurde verlangt und Urban II. rief zum 1. Kreuzzug auf.
- Seine Politik war von einer diplomatischen Fortführung des Reformprogramms Gregors VII. und einer Annäherung an die Ostkirche von Byzanz geprägt.
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Anselm v. Canterbury - Cur deus homo - Sommersemester 2001 – GMU Duisburg


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Papst Paschalis II. (1099 - 1118)
- Der spätere Paschalis II. wurde, aus bescheidenen Verhältnissen stammend,
in Bieda di Galeata (Romagna) geboren.
- Er wurde Cluniazensermönch, später Abt von S. Lorenzo fuori le Mura und
Kardinalpriester von S. Clemente.
- Er erbte von seinem Vorgänger das Problem eines feindlich gesinnten Kaisers (Heinrich IV.) und eines Gegenpapstes (Clemens III.).
- Sein Pontifikat wurde bestimmt vom Investiturstreit mit den deutschen
Kaisern Heinrich IV. und Heinrich V., in dessen Verlauf Paschalis u.a. in die
Gefangenschaft Heinrichs V. geriet.
- Im Investiturstreit mit dem englischen König und dem französischen König
gelang Paschalis eine Einigung. Der deutsche Investiturstreit blieb allerdings
weiterhin ungeklärt.
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