Professionelles Selbst und professionelles Handeln im Lehrerberuf Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Hochschule Vechta Münster, 30.

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Transcript Professionelles Selbst und professionelles Handeln im Lehrerberuf Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Hochschule Vechta Münster, 30.

Professionelles Selbst und
professionelles Handeln im
Lehrerberuf
Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Hochschule Vechta
Münster, 30. Januar 2008
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Anregung
„Zur Persönlichkeit kann niemand
erziehen, der sie nicht selber hat.“ C. G.
Jung
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Gliederung des Vortrags
Kernaussagen, Leitfragen, Definitionen
Konzepte der Selbst-Entwicklung
Pädagogische Basiskompetenzen
Tugenden und pädagogischer Optimismus
Konsequenzen für Ausbildung
und Entwicklung des professionellen Selbst
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Kernaussagen
„Wenn ich einen guten Unterricht erteile, verschafft mir das
größere Energie. Dieses Wohlbefinden ist authentisch.“
Martin Seligman, Professor für Psychologie an der University of
Pennsylvania
„Lehrer sind nicht nur Experten für das Lernen der Schüler […],
sie werden in wachsendem Maße auch Experten für ihr eigenes
berufliches Weiterlernen in gezielter Fortbildung werden
müssen.“
Ewald Terhart, Professor für Pädagogik an der Universität Münster
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Leitfragen
1.
2.
3.
Was können Lehrkräfte, was nicht jeder andere
auch kann? (Frage nach der spezifisch
pädagogischen Kompetenz)
Was bedeutet es, Lehrerin oder Lehrer zu sein?
(Frage nach der beruflichen Identität)
Wie kann professionelles Wachstum gefördert
werden? (Frage nach der besseren Praxis)
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Was ist professionell?
„Pädagogisch professionell handelt eine Person, die gezielt ein
berufliches Selbst aufbaut, das sich an berufstypischen Werten
orientiert. Sie ist sich eines umfassenden impliziten
pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von
Arbeitsaufgaben sicher, kann sich mit sich selbst (innerlich)
und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer
nichtalltäglichen Berufssprache verständigen, ihre Handlungen
aus einem empirisch-wissenschaftlichen Habitus heraus unter
Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen und übernimmt
persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem
Einflussbereich.“
(Quelle: Bauer 2005, Begründung in: Bauer 2000b, Bauer 2000c, zur Orientierung an
berufstypischen Werten bzw. zum Thema „Berufsmoral von Lehrpersonen“ siehe Oser
1998).
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Was ist ein „Selbst“?
Unter „Selbst“ soll ein dem Bewusstsein teilweise
zugänglicher stabiler Kern der Person verstanden
werden, von dem aus diese ihre eigene Sicht der Dinge
und ihre Entwicklung organisiert. Das Selbst entsteht
in der Interaktion mit anderen und in der praktischen
Bewältigung von Aufgaben und Herausforderungen. Es
bleibt zu einem großen Teil implizit und besteht außer
aus Kognitionen auch aus Emotionen und
Handlungsprogrammen sowie Motiven und erlebt sich
als dauerhaft und einmalig. Es entwickelt sich ständig
weiter, oft durch die Bewältigung von Krisen.
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Professionelles Selbst
• im Beruf sichtbar werdender Teil des Selbst,
orientiert an berufstypischen Werten, nach
Kompetenz strebend
• der Kern, von dem aus das Subjekt sein
berufliches Handeln und seine
Berufsbiographie organisiert
• ein zunehmend individuelles Profil von
Können, Wollen und Fühlen in pädagogischen
Interaktionen
• überflüssiger Begriff?
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„teacher change“ – Forschungsansätze
(nach Richardson/Placier 2002)
• naturalistische Ansätze
• Stufentheorien, biographische
Entwicklung
• Interventionistische Ansätze:
Lehrerbildung und
Kollegiumsentwicklung,
Organisationsentwicklung und effektive
Schule
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Wandel des Selbst durch Erfahrung
Selbst
Reflexion
Handlungsentwurf
Wahrnehmung von
Handlungseffekten
Handlung/Interaktion
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Gezielte Förderung der Selbstentwicklung im
Beruf
Interne
Selbst
Prozesse
Wahrnehmungen,
Bewertung, Attribuierung,
Emotionen,
innere
Professionelles
Konflikte,
Selbst
Handlungsprogramme…
Wissenschaftliche
Ausbildung/Fortbildung
Reflexion: Supervision,
Coaching, Kollegiale Beratung,
professional communities
Training
Praxis, experience
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Fähigkeitsentwicklungsmodell
(nach Blom 2000)
unbewusst
unfähig
bewusst
unfähig
bewusst
fähig
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unbewusst
fähig
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Lehrerpersönlichkeit
und Unterrichtswirksamkeit
Lehrerpersönlichkeit
Expertise,
Fachwissenschaft
Fachdidaktik
Klassenführung
Diagnostik
Werte und Ziele
Subjektive Theorien
Selbstreflexion
Selbstverbesserung
Selbstwirksamkeit
Unterricht
(Angebot)
Individuelle
Eingangsvoraussetzungen
(Schüler)
Wirkungen
Qualität des
Unterrichts
Mediationsprozesse
(Schüler)
Lernaktivitäten
Fachliche
Effekte
Überfachlich
e Effekte
Klassenkontext und fachlicher Kontext
(nach Helmke 2003, S. 42, modifiziert)
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Innere Struktur des Selbst
•
•
•
•
•
•
•
Kompetenzen
Handlungsrepertoires
Werte und Ziele
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Selbstkonzept
Berufssprache
Subjektive Theorien
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Dimensionen der Selbstentwicklung im
Beruf
• Pädagogische Kompetenzen: fachübergreifende
Basiskompetenzen, fachwissenschaftliche und
fachdidaktische Kompetenzen, spezielle
Kompetenzen
• Charaktermerkmale, Tugenden, z.B. Sinn für
Gerechtigkeit und Fairness, Klugheit und
Besonnenheit, Weisheit und Wissbegier, Optimismus
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Merkmale pädagogischer
Basiskompetenzen
• Alle Angehörigen pädagogischer Berufe sollen über
diese Kompetenzen verfügen.
• Laien und Angehörige anderer Professionen verfügen
nicht oder weniger über diese Kompetenzen.
• Diese Kompetenzen können systematisch gefördert
werden.
• Diese Kompetenzen sind eine Voraussetzung für
wirksame Berufsausübung.
• Diese Kompetenzen können empirisch überprüft
werden.
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Pädagogische Basiskompetenzen
Ziele klären
Inhalte strukturieren
Hintergrundarbeit
Planen/Organisieren
Soziale Strukturen
bilden
Pädagogische
Basiskompetenzen
Lernumgebung
gestalten
Interaktion steuern
Kommunizieren
und Informieren
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Charaktermerkmale: Interpretationskubus
Quelle: Herrmann 2002, S. 212
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Geglückte Berufsbiographie
Eine geglückte Berufsbiographie zeigt sich darin,
dass positive Ereignisse global, stabil und internal
attribuiert werden, negativ bewertete Ereignisse
dagegen variabel, spezifisch und oft external.
In der zweiten Lebenshälfte findet eine
Neubewertung beruflicher Ziele statt. Auf die
Frage nach dem Sinn werden persönliche
Antworten gesucht.
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Skala Pädagogischer Optimismus
Item
stimmt ganz und gar
nicht (1) bis stimmt
ganz genau (5)
Die Schülerinnen und Schüler lernen bei uns vieles, was
sie später im Berufsleben gar nicht brauchen. (-)
Auf die lebensweltlichen Erfahrungen und Probleme der
Schülerinnen und Schüler wird in unserer Schule in
hohem Maß Bezug genommen.
Ich bin davon überzeugt, dass in unserer Schule die
Schülerinnen und Schüler gut auf die Lebensprobleme
vorbereitet werden.
Im Unterricht können unsere Schülerinnen und Schüler
gut an ihre Vorkenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen.
Cronbachs Alpha 0.70, Wertebereich 0 - 16
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Benotung der eigenen Schule nach pädagogischem
Optimismus der Lehrkräfte
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Note 4 - 5
Note 3
Noten 1 - 2
niedriger Optimismus
mittlererOptimismus
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hoher Optimismus
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Pädagogischer Optimismus und Burnout-Risiko
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
hoch
mittel
Burnout niedrig
niedriger Optimismus
mittlererOptimismus
hoher Optimismus
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Wie verhalten sich pädagogische
Optimisten im Unterricht?
Je höher der pädagogische Optimismus einer Lehrkraft ist, desto
häufiger finden Diskussionen in der Klasse statt (Kendall‘s tau-b=.08),
desto mehr wird im Unterricht auch an Computern gearbeitet (.11),
wird selbstständig gearbeitet (.12), werden eigene Untersuchungen
durchgeführt von Schülern (.11), externe Experten in den Unterricht
geholt (.14) und Multimedia eingesetzt (.08).
N = 984
(Bauer/Kanders 2000, S. 319)
Pädagogischer Optimismus geht also mit einer differenzierten,
abwechslungsreichen und zeitweise die Selbstständigkeit der Schüler
fördernden Didaktik in der Unterrichtspraxis einher.
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Konsequenzen
Zur Unterstützung der Selbst-Entwicklung:
• statt „trial and error“ geordnetes Feedback in der Ausbildung, v. a. in
Praktika
• Training pädagogischer Basiskompetenzen zur Erzeugung impliziten
Wissens/Könnens
• Verwenden globaler und dauerhafter positiver Selbstattributionen
(Charakter fördern)
• Üben, an Fällen zu arbeiten
• berufsbegleitend kollegiale Beratung anbieten
• Unterrichtsentwicklung in professional communities
• Diagnostik zur Erfassung von Kompetenzzuwächsen bei Pädagogen
• pädagogische Selbstwirksamkeit erhöhen
• Besonderheiten der Lebensphase ansprechen
• Perspektive eröffnen: glücklich werden im Beruf durch die Kultivierung
des professionellen Selbst
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