Transcript Nr. 6.4

Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Methode: „Subjektive Landkarte“
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1. Subjektive Landkarte: Grundlagen
• Diese Methode ist von den Intentionen her in etwa mit der
Stadtteilbegehung und der Autofotografie vergleichbar. Im
Zusammenhang mit diesen und weiteren Methoden sind wir
aber in der Lage diese Lebenswelten, die Interpretationen (+/-)
der Kinder... besser verstehen zu können.
• Die Spuren, Abdrücke der Kinder in ihren Lebenswelten
werden so für uns sichtbarer, eindrucksvoller.
• Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass der materielle und
zeitliche Aufwand sehr gering ist, und dass sie uns sehr
intensive Ein-drücke über die subjektiven Bedeutungen (+/-)
und Bedingungen der Lebenswelten (Wohnumfeld, Spielorte
etc.) von Kindern... vermittelt. Auf „Drinnen-Kinder“ achten!!!
• Variante: Wünsche in die Landkarte mit aufzunehmen!
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.2 Subjektive Landkarte: Grundlagen
• Beginnend mit einem Fixpunkt – der Wohnung – wird ein
großes Blatt (DIN A 3) sukzessive mit Plätzen, Orten etc.
versehen und diese – je nach gestalterischer Fähigkeit – in
ihrer spezifischen Qualität zeichnerisch kommuniziert.
• Hinweis: Die künstlerischen und argumentativen Fähigkeiten
der Kinder bei der Präsentation berücksichtigen!
• Es geht hier nicht um geographisch genaues Zeichnen,
sondern um die eigene persönliche Welt- (Sicht) der Dinge.
• Die Kinder sollten beim Zeichnen animiert werden, weitere
wichtige Orte (Inseln?) in ihre Karten einzuzeichnen.
• Tipp: Lehrer/innen, Sozialarbeiter/innen zeichnen an der Tafel
ihre subjektive Landkarte (mit: 9/10 Jahren)! Dieses Vorgehen
unterstützt und animiert die Kinder – so die Erfahrung!
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.3 Subjektive Landkarte des Lehrers
Spontaner
Einfall, um die
Kinder in die
„Startspur“ zu
bringen.
Die Kinder
finden diese
Informationen
spannend,
haben sehr
viel nachgefragt!
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.4 Subjektive Landkarte: Durchführung
1. Schritt: Stegreifzeichnung:
– Nach der Erklärung der Methode beginnen die
Kinder ihr Haus, ihre Wohnung, die Straße auf
Papierbögen (DIN A 3) zu zeichnen. Danach
zeichnen sie die Orte in ihrem Nahbereich, die
ihnen wichtig (+/-) sind. Sie markieren dabei
die bevorzugten Orte in blau, die Orte, die sie
nicht mögen, Angsträume z.B., in rot.
– Es entstehen häufig „Inselbilder“ mit einzelnen
Orten und Räumen, die für die Kinder... oder
Erwachsenen von Bedeutung sind.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.5 Subjektive Landkarte: Durchführung
2. Schritt: Konkretisierung und Details:
– Nachdem die Kinder... Ihre Bilder angefertigt
haben, werden diese in einem zweiten Schritt
präsentiert und durch Nachfragen, Anregungen
konkretisiert. (Kleingruppen bieten sich hier an).
– Die Kinder...können die Inhalte der Zeichnung aber
auch noch einmal mit allen reflektierten Details
schriftlich niederschreiben. Manche Kinder
wünschen sich diese Variante, um eine schriftliche
Zusammenfassung (Präsentationshilfe) zu haben.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.6 Subjektive Landkarte: Durchführung
3. Schritt: Einschätzung der Räume:
– Die fertigen subjektiven Landkarten werden aufgehängt und
miteinander verglichen.
– Es kommt zu interessanten Gesprächen über subjektive
Sichtweisen z.B. über bestimmte Orte, die unterschiedlich
genutzt, gesehen werden.
– Durch Nachfragen der Kinder und der Pädagogen kann
man sich gezeichnete Details in der subjektiven Landkarte
noch genauer erklären, sie verstehen. Andererseits wird
der/die Zeichner/in angeregt, neue Impulse umzusetzen.
Die Mobilität wird deutlich (siehe Nadelmethode!).
– Ergebnisse – ähnlich der Nadelmethode!
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.7 Subjektive Landkarte: Ergebniszusammenfassung
• An informellen Lieblings-Treffs wurden wie bei der
Nadelmethode genannt:
– Haltestellen der Straßen-U-Bahn,
– Bestimmte Bänke in der Siedlung
– Treppenstufen am Bahndamm der Straßenbahnlinie
– Bolzplätze, Parks, Unterführungen, City, Jugendzentren
– Sportflächen, Hallen, allgemein, Schwimmbäder
– Bäche, Fluss, Teiche, Stausee, Tierpark etc.
• Interessant ist auch wieder, dass die Mädchen – mit einer Ausnahme –
ihre Lieblingstreffs nicht in ihrem Wohnumfeld, sonder weiter entfernt
oder nur ihr Zuhause als Lieblingsort haben (Mobilität); im Gegensatz zu
den Jungen! Drei Mädchen haben denselben Lieblingsort, aber zu
verschieden Zeiten! (völlig verschiedene Temperamente)!
• Zu den Lieblingsorten werden auch immer die Aktivitäten, Hobbys erläutert
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
1.8 Subjektive Landkarte: Ergebniszusammenfassung
•
An unangenehmen, angstbesetzen Orten, Straßen,
Plätzen und Situationen stellten sich z.B. wieder heraus:
•
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•
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Erscheinungen von Obdachlosigkeit im Nahraum der Kinder
Alkohol-Drogenkonsum: Spritzen liegen in Parks, auf
Spielplätzen herum, Anpöbeleien von Betrunkenen etc.)
Gehandikapte Personen aus Bethel machen einigen Kindern
Angst (an der Bushaltestelle)
Besucher eines nahegelegenen „sozialen Tisches“ werden sehr
negativ wahrgenommen
Gewalt, Lärm im Wohnhaus und der Nachbarschaft (1-EuroGaststätte)
Stark befahrene, breite Straßen und gefährliche Kreuzungen auf
dem Schulweg
Einige Orte werden daher – wenn möglich – gemieden!
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1.9 Subjektive Landkarte:
Individuelle Ergebnisse
•
Im Folgenden eine kleine Auswahl
subjektiver Landkarten von
Schülerinnen und Schülern einer 6.
Klasse, in denen das persönliche
Erleben ihrer Welt stärker zum
Ausdruck gebracht wird.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Beispiel 1: Subjektive Landkarte einer 13-jährigen Schülerin
Die Lebenswelt einer engagierten, sehr selbständigen afghanischen Schülerin mit Vorlieben und
Ablehnungen bezüglich bestimmter Orte, mit denen sie Erinnerungen, Erfahrungen verbindet:
Krankenhaus, Friedhof, Straßen, Tunnel. Ein hoher Mobilitätsgrad und bedeutungsvolle „Inseln“
(Nordpark, Schwimmbad, Stadtbibliothek, Wohnungen von Freundinnen etc.) sind im Stadtgebiet zu
erkennen, die i.d.R. mit Freundinnen aufgesucht werden dürfen. Das Zuhause bekommt im Vortrag die
höchste Wertnote (links unten im Bild)
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Beispiel 2: Subjektive Landkarte einer 13-jährigen Schülerin
Typisch für die meisten Schülerinnen der Klasse ist diese lebensweltliche Struktur einer marokkanischen
Schülerin. Das Leben spielt sich nicht im Viertel ab, sondern wesentlich zuhause, mal beim Onkel oder
auch mal bei der Freundin, die mit der U-Bahn am anderen Ende der Stadt besucht wird. Außerdem geht
dieses Schülerin auch einmal wöchentlich zu einem mobilen Sportangebot in der Nähe ihrer Wohnung.
Sie geht aber sehr erfahren mit dem U-Bahnsystem um, weil oft benutzt; ängstigt sich aber auch, wenn es
abends an den Haltestellen schon mal spät geworden ist. Die Mädchen beziehen die Bahn oft mit ein.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Beispiel 3: Subjektive Landkarte einer 12-jährigen Schülerin
Die Lebenswelt einer türkischen Schülerin, die sich in ihrem Viertel äußerst frei bewegen darf.
Wohnhaus und informelle Treffs, U-Bahn-Haltestelle, Spielehaus, Jugendhaus, Spielplatz sind
bevorzugte Orte. Mehr mit Angst, Unsicherheit besetzt sind einige Straßen, eine Brücke und das 11.
Stockwerk eines Hochhauses. Die Schülerin geht häufig nach der Schule direkt ins Spielehaus bis
spät abends. Gründe???
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Beispiel 5: Subjektive Landkarte eines 13-jährigen Schülers
Die Lebenswelt eines irakischen Schülers, der in der Nähe der Schule zwischen Zugbrücken,
Unterführungen und stark befahrenen vierspurigen Straßen wohnt. Die überdimensional erlebten
Straßenabbildungen sollen einfach mal für sich sprechen. Seine Lieblingsgegen ist das „U-Eck“
(Underground-Eck) mit zu kleinen Spiel- und Naturflächen unten links im Bild. Dort trifft er Freunde
aus der Klasse zum „Abhängen“; sie besuchen dort gern ein (leider zu kleines) Jugendzentrum.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Beispiel 4: Subjektive Landkarte eines 13-jährigen Schülers
Die Lebenswelt eines „Draußen-Schülers“: die Natur, der Fluss die Lutter und die Stauteiche dazu
animieren ihn zum Angeln und Relaxen; ferner die Touren mit dem BMX-Rad, um mit Freunden
den Fluss abzufahren, auch die Radrennbahn wird einbezogen. Die Wohnung im Bild unten ist
kaum zu bemerken, ebenso die gefährlichen Zuggleise oben. Dieser mehr introvertierte Schüler
hat mit seiner Präsentation seiner Welt von den Mitschüler/innen eine riesige Anerkennung
erfahren, die ihm sehr gut getan hat, denn er ist erst kürzlich zu unserer Schule gewechselt.
Manfred Grimm, Pädagogischer Mitarbeiter
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit