Dr. Jörg Maywald

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Transcript Dr. Jörg Maywald

Kinder
haben Vorfahrt!
Artikel 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention
Die Herausforderung weltweit
Jörg Maywald, Mainz, 10.12.2010
Das Gebäude der Kinderrechte
________________________________________
Übereinkommen der Vereinten Nationen
über die Rechte des Kindes
vom 20.11.1989
Artikel 3
Bei allen Maßnahmen,
die Kinder betreffen, (…), ist das
Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt,
der vorrangig zu berücksichtigen ist.
Schutzrechte
Förderrechte
Beteiligungsrechte
Artikel
Artikel
Artikel
2, 8, 9, 16, 17, 19, 22,
30, 32, 33, 34, 35, 36,
37, 38
6, 10, 15, 17, 18, 23, 24,
27, 28, 30, 31, 39
12, 13, 17
Artikel 1
Artikel 4
Artikel 42
Geltung für Kinder;
Begriffsbestimmung
Verwirklichung
der Kinderrechte
Verpflichtung
zur Bekanntmachung
Vorrang des Kindeswohls
________________________________________
Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen,
gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten
Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten,
Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen
getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein
Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.
UN-Kinderrechtskonvention Artikel 3, Absatz 1
UN-Behindertenrechtskonvention:
Kinder mit Behinderungen (Artikel 7)
________________________________________

Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen,
um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen
gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte
und Grundfreiheiten genießen können.

Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen,
ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu
berücksichtigen ist.

Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit
Behinderungen das Recht haben, ihre Meinung in allen sie
berührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen
Kindern frei zu äußern, wobei ihre Meinung angemessen und
entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt wird,
und behindertengerechte sowie altersgemäße Hilfe zu erhalten,
damit sie dieses Recht verwirklichen können.
Einzigartigkeit
des Vorrangs des Kindeswohl
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„Es ist nicht etwas so, dass jeder gruppenspezifische
Menschenrechtsvertrag eine Verpflichtung zur vorrangigen
Berücksichtigung der Belange seiner Zielgruppe statuiert.
Vielmehr kommt vorrangige Bedeutung auch nach den anderen
Menschenrechtsverträgen immer nur dem Kindeswohl zu.
Der Vorrang des Kindeswohls gewinnt dadurch einen im internationalen
Vergleich beispiellosen Schutzgehalt und scheint sich als allgemeine
völkerrechtliche Zielbestimmung herauszubilden.“
Ralph Alexander Lorz (2010): Expertise im Auftrag der National Coalition
„Nach der Rücknahme der deutschen Vorbehaltserklärung: Was bedeutet die uneingeschränkte
Verwirklichung des Kindeswohlsvorrangs nach der UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Recht
Abrufbar unter www.national-coalition.de
Verbindlichkeit
von Völkerrechtsnormen
________________________________________
Zu unterscheiden sind…

Unmittelbare Geltung
(Eingliederung des Vertrages in die innerstaatliche Rechtsordnung
und seine Verbindlichkeit)

Unmittelbare Anwendbarkeit (self executing)
(Anwendung des Vertragsinhalts in Abhängigkeit von Regelungsdichte)

Einklagbarkeit
(individueller Rechtsanspruch)
Ralph Alexander Lorz 2003, 2010
Vorrang des Kindeswohls:
Eigenschaften
________________________________________

Dreh- und Angelpunkt der Kinderrechtskonvention

Verfahrens- und materielles Recht

Bereichsübergreifende Bedeutung

Verpflichtende Ermessens- und Abwägungsleitlinie

Unmittelbar anwendbar und individuell einklagbar

Begründungszwang bei Nichtbeachtung im Einzelfall
Rücknahme
der Vorbehaltserklärung
________________________________________
„Heute ist ein großer Tag für die Kinderrechte. Mit der Rücknahme
wird deutlich, dass Deutschland Kinderrechte ohne Vorbehalt achtet
und schützt. (…)
Auch wenn deutsche Gesetze Kinderrechte schon in der Vergangenheit
respektiert haben, erwarte ich für die Rechtsanwendung das klare
Signal, dass dem Kindeswohl Vorrang gebührt. Kinder haben Rechte
– und sie haben diese Rechte ohne Vorbehalte, ohne Wenn und Aber.“
Stellungnahme der Bundesjustizministerin anlässlich des Kabinettsbeschlusses zur Rücknahme
der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention am 3.5.2010.
Kindeswohl: Arbeitsdefinition
________________________________________
Wohl des Kindes
(best interests of the child)
Ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln
ist dasjenige, welches die an den
Grundbedürfnissen und Grundrechten
von Kindern orientierte jeweils günstigste
Handlungsalternative wählt.
Abwägungsgebot
________________________________________

Es muss erwogen werden, welche positiven
und negativen Implikationen eine anstehende
Entscheidung für ein Kind hat.
(1. Verfahrensschritt)

Die auf das Kindeswohl bezogenen Erwägungen
müssen in hohem Maße berücksichtigt werden.
(2. Verfahrensschritt)

Besondere Begründung notwendig, wenn im
Einzelfall Kindeswohl keinen Vorrang erhält
Nichtbeachtung dieser Verfahrensschritte stellt Verfahrensfehler dar
und führt dazu, dass Entscheidung aufgehoben wird.
Kindesrecht und Elternrecht
________________________________________
Elternrecht heißt vor allem Elternverantwortung.
Diese Verantwortung beinhaltet das Recht
und die Pflicht der Eltern, „das Kind
bei der Ausübung seiner anerkannten Rechte
in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise
angemessen zu leiten und zu führen“.
Artikel 5 UN-Kinderrechtskonvention
Rechtliche und politische
Reformschritte
________________________________________

Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung

Reform des Kinder- und Jugendhilferechts

Unabhängiges Monitoring der Kinderrechte
(Inklusion: „Große Lösung“ für Kinder mit (drohender) Behinderung;
Kinder als Anspruchsberechtigte für Hilfen zur Erziehung)
(Kinderrechtsbeauftragter plus Kinder- und Jugendbeirat)

Alle Programme für Kinder und mit Kindern
an den Kinderrechten orientieren
(Child Rights based Approach)

Individualbeschwerderecht
auf internationaler Ebene (Zusatzprotokoll zur UN-KRK)
Eigenwert des Kindes
_________________________________________
An unserer Neigung, Unreife als bloßen Mangel aufzufassen,
und Wachstum als etwas, was die Lücke zwischen Unreife
und Reife ausfüllt, ist die Tatsache schuld, dass wir den Zustand
der Kindheit vergleichend, nicht an sich betrachten.
Wir behandeln ihn einfach als mangelhaft, weil wir ihn an der
Erwachsenheit als dem festen Maß messen. Das lenkt unsere
Aufmerksamkeit auf die Dinge und Eigenschaften, die das Kind
nicht hat und nicht haben wird, bis es erwachsen sein wird.
Wenn wir den Versuch aufgeben, den Begriff der Unreife
durch Vergleich mit den Leistungen Erwachsener zu definieren,
müssen wir anerkennen, dass Unreife nicht in einem Fehlen
wünschenswerter Züge besteht. (...) Wenn Leben identisch ist mit
Wachstum, so lebt ein Geschöpf in einem Stadium seines Lebens
genauso wirklich wie in einem anderen, mit der gleichen inneren
Fülle und den gleichen Ansprüchen auf Absolutheit.
John Dewey, Demokratie und Erziehung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!