Eigentumserwerb an Grundstücken

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Transcript Eigentumserwerb an Grundstücken

WuV-Kurs Sachen- und
Zivilprozessrecht, 12.05.2014
PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)
Der Eigentumserwerb an Grundstücken
I. Das Grundbuch
1. Funktionen des Grundbuchs:
Das Grundbuch verwirklicht den Publizitätsgrundsatz
im Liegenschaftsrecht:
• Übertragungsfunktion: Jede rechtsgeschäftliche
Änderung von Rechten an einem Grundstück bedarf
der Eintragung (§ 873);
• Vermutungsfunktion: Grundbuch hat die
Vermutung der Richtigkeit für sich (§ 891);
• Gutglaubensfunktion: Wer auf das Grundbuch bei
Rechtserwerb vertraut, wird in seinem guten
Glauben geschützt (§ 892).
2. Unrichtiges Grundbuch
• Das Grundbuch kann aus vielen Gründen
unrichtig sein.
• Für den durch die Unrichtigkeit Betroffenen ist
das problematisch (§§ 891, 892, 900, 901, 927)
• Widerspruch schließt gutgl. Erwerb aus (§ 892).
• Eintragung eines Widerspruchs nach § 899,
aufgrund von Bewilligung, einstweiliger
Anordnung oder von Amts wegen.
• Widerspruch auch gegen Vormerkung zulässig,
soweit gutgläubiger Erwerb möglich.
Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB)
• Auch bei Grundbuchberichtigung gilt der
Bewilligungsgrundsatz, daher Anspruch auf
Zustimmung nach § 894 BGB.
• Ausnahme nach § 22 GBO nur, wenn Unrichtigkeit
„nachgewiesen“ wird (durch öffentliche Urkunden,
§ 29 GBO).
Beispiel:
Nach der Satzung der X-GbR kann ein Gesellschafter
per Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen werden. Der
Beschluss ist endgültig, wenn nicht binnen vier Wochen
Klage erhoben wird. Die Gesellschafter A, B und C
schließen per notariell beurkundetem Beschluss D aus
und verlangen fünf Wochen später Berichtigung des
Grundbuchs, in das immer noch D als Gesellschafter
mit eingetragen ist. Zurecht?
Unterscheide: § 894 und schuldrechtliche
Berichtigungsansprüche
Beispiel:
V hat im Juli 1919 sein Grundstück an K verkauft
und aufgelassen. K wurde auch als Eigentümer in
das Grundbuch eingetragen. Im November 1919
veräußerte K das Grundstück weiter an B, der auch
als neuer Eigentümer eingetragen wurde. Später
stellt sich eine Geisteskrankheit des K heraus. Der
Vormund des K klagt gegen B auf Berichtigung des
Grundbuchs, weil K bei der Veräußerung des
Grundstücks bereits geisteskrank gewesen sei. K
verteidigt sich damit, dass K schon bei dem Erwerb
von V wahnsinnig gewesen und deshalb nie
Eigentümer gewesen sei. Zurecht?
Bei § 894 BGB ist EBV nach hM entsprechend
anwendbar:
• Bucheigentümer entspricht unrechtmäßigem
Besitzer
• Berichtigungsklage entspricht Herausgabeklage.
Beispiel:
A hat vor einigen Jahren ein Grundstück erworben
und ist auch als Eigentümer eingetragen. Um einen
Hausbau zu finanzieren, hat er einen Kredit
aufgenommen, der durch eine Hypothek gesichert ist.
Das Haus ist mittlerweile erbaut, die Hypothek
besteht weiter. Nun meldet sich der wahre
Eigentümer E und verlangt Berichtigung des
Grundbuchs und Beseitigung der Hypothek. A will
erstmal den Wert des Hauses ersetzt haben. Wie ist
die Rechtslage?
II. Die Begründung und Übertragung von
Grundstücksrechten
1. Die Einigung
• Dinglicher Vertrag, AT grds. anwendbar
• Grds. formlos; Ausnahme: Eigentumserwerb
(Auflassung nach § 925 BGB). Allerdings: GBO
verlangt öffentl. begl. oder beurk. Bewilligung
• Bedingungen und Befristungen mgl.;
Ausnahme: Eigentumserwerb (§ 925 II BGB)
• Einigung frei widerruflich, wenn nicht nach
§ 873 Abs. 2 BGB bindend.
• Problem: Anwartschaftsrecht des Erwerbers
bei bindender Einigung und erteilter
Eintragungsbewilligung?
2. Eintragung
• Neben der Einigung ist als tatsächliches Element
für die Rechtsentstehung noch die Eintragung
erforderlich.
• Bei inhaltlicher Divergenz von Einigung und
Eintragung entsteht weder das vereinbarte noch
das eingetragene Recht.
• Bei Änderungen zwischen Einigung und
Eintragung ist zu unterscheiden:
– Bei Tod bzw. Verlust der Geschäftsfähigkeit gilt
§ 130 Abs. 2 BGB;
– Bei Verlust der Verfügungsbefugnis Eintragung
grds. unwirksam; Ausnahme: § 878 BGB.
Beispiel (BGHZ 28, 182):
V hat K am 27.11.1993 eine Auflassungsvormerkung
bewilligt und am selben Tag Antrag auf Eintragung
beim Grundbuchamt gestellt. Am 6.11.1993 erging
zugunsten des D ein gerichtliches
Veräußerungsverbot. Die Auflassungsvormerkung
wurde am 10.11., das Veräußerungsverbot am 2.12.
eingetragen. Am 30.6.1994 wurde K als Eigentümer
eingetragen.
• Eine Einigung nach Eintragung kann das zunächst
unrichtige Grundbuch heilen.
• Aufhebung eines Rechts nach § 875;
• Inhaltsänderung eines Rechts nach § 877.
III. Vormerkung
• Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung
eines Grundstücks bietet grundsätzlich keinen
Schutz gegen Dritte.
• Bedingte Übereignungen von Grundstücken sind
nicht möglich (§ 925 II), so dass Veräußerer nicht
in Vorleistung treten wird.
• Die Vormerkung dient als dingliches Sicherungsmittel dazu, die Erfüllung schuldrechtlicher
Ansprüche auf die Vornahme dinglicher
Rechtsänderungen zugunsten des Gläubigers zu
sichern.
Voraussetzungen einer Vormerkung
• Bestehen eines sicherungsfähigen Anspruchs (§ 883 I)
– Vertragliche und gesetzliche Ansprüche
– Auch bedingte oder künftige (h.M.: soweit Rechtsgrund
gelegt) Ansprüche
– Beachte: Akzessorietät der Vormerkung!
– Übertragung der Vormerkung durch Abtretung der
Forderung (§§ 398, 401 analog)
• Bewilligung der Vormerkung
– Einseitige Bewilligung (§ 885 BGB; § 29 GBO);
– Einstweilige Verfügung (§ 885 BGB; §§ 935 ff. ZPO);
– Urteil gemäß § 895 ZPO
• Berechtigung des Bewilligenden
• Eintragung in das Grundbuch, §§ 883, 885
Wirkungen der Vormerkung:
Sicherungswirkung:
• Verfügungen, die die Erfüllung des gesicherten
Anspruchs vereiteln oder beeinträchtigen
würden, sind relativ unwirksam (§ 883 II 1 BGB);
Beispiel:
K hat großes Interesse an einem Altbau des V in dem
begehrten Hamburger Stadtteil Eppendorf. Er will das
Haus sanieren und die Wohnungen dann zu hohen
Preisen verkaufen. Die Gelegenheit scheint günstig,
weil gerade alle Wohnungen unvermietet sind. K
schließt mit V einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über das Grundstück ab und erhält eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Nun aber tritt der M an
V heran. M will unbedingt eine Wohnung in dem Haus
mieten und wird sich auch bald mit V einig. Als K
schließlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragen
wird, ist M längst eingezogen. K meint, dass ihn der
Mietvertrag des M nichts angehe. Zurecht?
Wirkungen der Vormerkung:
Sicherungswirkung:
• Verfügungen, die die Erfüllung des gesicherten
Anspruchs vereiteln oder beeinträchtigen
würden, sind relativ unwirksam (§ 883 II 1 BGB);
• Anspruch aus § 888 BGB um Eintragung des
Berechtigten nach vormerkungswidriger
Verfügung zu sichern.
Beispiel:
A verkauft sein Grundstück an B und bewilligt die
Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das
Grundbuch. Danach verkauft A das Grundstück an
C, der als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen
wird.
• Rangwirkung: Das gesicherte künftige Recht erhält
den Rang der Vormerkung (§ 883 III).
• Vollwirkung: Die Vormerkung sichert das künftige
Recht und nimmt in bestimmten Fällen bereits seine
Wirkungen vorweg:
– In der Insolvenz (§ 106 InsO);
– In der Zwangsvollstreckung (§ 48 ZVG).
• §§ 985 ff. BGB (EBV) nach h.M. analog anwendbar
Beispiel:
F veräußert ein Grundstück, für das eine Auflassungsvormerkung für M eingetragen ist, an X. In dem Kaufvertrag ist
die Vormerkung erwähnt. X lässt das Dach reparieren und
die Fassade neu streichen. Später setzt M seinen Anspruch
auf Übereignung durch. Was kann X von M verlangen?
III. Gutglaubensschutz
• Das Eintragungsverfahren bietet eine gewisse
Gewähr für die Richtigkeit des Grundbuchs.
• Nach § 891 besteht eine Vermutung für die
Richtigkeit des Grundbuchs (entspr. § 1006).
• Auch der Rechtsverkehr wird in seinem Vertrauen
auf die Richtigkeit des Grundbuchs geschützt
(öffentlicher Glaube des Grundbuchs) durch
gutgläubigen Erwerb eingetragener Rechte.
• Der Gutglaubensschutz beschränkt sich auf die
dinglichen Verhältnisse; kein Schutz im Vertrauen
auf Tatsachen, die bezüglich auf das Grundstück
im Grundbuch eingetragen sind.
§ 892 Öffentlicher Glaube des Grundbuchs
(1) Zugunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem
Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht durch
Rechtsgeschäft erwirbt, gilt der Inhalt des Grundbuchs als
richtig, es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist. Ist der Berechtigte in der Verfügung über ein im
Grundbuch eingetragenes Recht zugunsten einer bestimmten Person beschränkt, so ist die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch
ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist.
(2) Ist zu dem Erwerb des Rechts die Eintragung erforderlich, so ist für die Kenntnis des Erwerbers die Zeit der
Stellung des Antrags auf Eintragung oder, wenn die nach §
873 erforderliche Einigung erst später zustande kommt, die
Zeit der Einigung maßgebend.
Anwendungsbereich des § 892 BGB
• Der Gutglaubensschutz besteht nur bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen, nicht bei Rechtsänderungen kraft Gesetzes oder Verwaltungsakts.
• § 892 regelt nicht nur den gutgläubigen reinen
Rechtserwerb, sondern auch den lastenfreien
Rechtserwerb (dh. die Fälle des § 936).
Beispiel: Bestehende Grundschuld wurde
versehentlich gelöscht.
• Nach § 892 I 2 besteht ein Schutz auch dann,
wenn relative Verfügungsbeschränkungen nicht
eingetragen oder gelöscht sind.
• Achtung: § 892 I 2 gilt nicht bei absoluten
Verfügungsbeschränkungen!
Beispiel:
M und F sind glücklich miteinander verheiratet
und leben im gesetzlichen Güterstand. M ist
zudem stolzer Grundstücksbesitzer und
Hauseigentümer obendrein. Sonst hat er nur
noch F, aber das reicht ihm auch. Der X ist ganz
neidisch. F will er zwar nicht, aber das Haus
hätte er gerne. X, der um die Vermögensverhältnisse des M weiß, überredet M zum Verkauf
und wird auch als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen.
F ist empört. Was kann sie machen?
Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs
nach § 892 BGB
• Rechtsgeschäftlicher Erwerb, § 873;
• Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts;
• Veräußerer ist als Rechtsinhaber eingetragen;
• Der Eintrag ist auch zulässig;
• Der Erwerber weiß nicht um die Unrichtigkeit
der Eintragung;
• Es ist kein Widerspruch eingetragen;
• Es kommt zur Eintragung des Rechtserwerbs.
Gutgläubiger Erwerb einer Vormerkung
• Die Bestellung einer Vormerkung ist eine
Verfügung über das Grundstück; der Erwerber
einer Vormerkung ist deshalb nach § 893
geschützt.
• Gegenüber dem wahren Eigentümer kann der
gutgläubige Vormerkungserwerber analog § 888
Zustimmung zu seiner Eintragung verlangen.
• Umstritten ist, ob ein gutgläubiger Zweiterwerb
einer Vormerkung bei bestehendem Anspruch
aber nicht existierender (bloß eingetragener)
Vormerkung möglich ist.
Beispiel:
K hat schon lange ein Auge auf das Haus des E, der
einen Verkauf bislang aber stets abgelehnt hat. Nun ist
E wahnsinnig geworden und endlich zum Verkauf
bereit. K und E werden sich einig, und K wird als neuer
Eigentümer eingetragen. X hat das alles interessiert
verfolgt. Er weiß, dass der Scheich S viel Geld für so ein
Haus zahlen würde. X wendet sich an K und bietet ihm
soviel Geld, dass dieser schwach wird, das Haus an X
verkauft und ihm eine Vormerkung bewilligt, die auch
eingetragen wird. X spricht nun den S an, der
tatsächlich eine hohe Summe auf den Tisch legt. X tritt
deshalb dem gutgläubigen S seinen Eigentumserwerbsanspruch ab. Nun wird ein Widerspruch zugunsten des
E eingetragen. Kann S noch Eigentum erwerben?
A, B und C wollen gemeinsam ein Grundstück erwerben und
gründen zu diesem Zweck die Z-GbR. Im Grundbuch wird nach
Erwerb des Grundstücks die „Z-GbR bestehend aus den
Gesellschaftern A, B und C” als Eigentümerin eingetragen.
Später überträgt C zulässig seine Gesellschafterstellung an D,
ohne dass dies im Grundbuch eingetragen wird. Nachdem die
Grundstückspreise in der Folgezeit kräftig gestiegen sind,
fassen A und B den Entschluss, das Grundstück zu verkaufen.
D will abwarten und legt sein Veto ein. Um das Grundstück
dennoch veräußern zu können, überreden A und B den C, mit
ihnen gemeinsame Sache zu machen. Gegenüber dem
interessierten und nichtsahnenden E treten A, B und C als
Gesellschafter der Z-GbR auf. A, B und C schließen im Namen
der Z-GbR mit E einen notariellen Kaufvertrag ab und
erklären, gleichfalls vor dem Notar, die Auflassung des
Grundstücks. Außerdem bewilligen sie zu Gunsten des E eine
Vormerkung, die alsbald im Grundbuch eingetragen wird.
Der Antrag auf Eintragung des E wird vom Notar im Auftrag
des E ordnungsgemäß gestellt. Noch bevor es zur Eintragung
von E als Eigentümer kommt, erfährt D von den Vorgängen
und ist empört. Was raten Sie D? (vgl. JuS 2011, 723 ff.)
Literaturhinweise:
Auer, Referendarexamensklausur- Bürgerliches
Recht: Vormerkung und EBV - Wie gewonnen, so
zerronnen, JuS 2007, 1122 ff.
Kaiser, (Original-)Referendarexamensklausur Zivilrecht: Scheingeschäft und Vormerkung, JuS
2012, 341 ff.
Teichmann/Körber/Schaub,
Referendarexamensklausur - Zivilrecht:
Gesellschaftsrecht und Sachenrecht - Der aktive
Ex-Gesellschafter, JuS 2011, 723 ff.