Präsentation von Naile Tanis - Aktionsbündnis gegen Frauenhandel

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Transcript Präsentation von Naile Tanis - Aktionsbündnis gegen Frauenhandel

Fachtagung in
Kooperation mit dem Aktionsbündnis gegen
Frauenhandel und Renovabis
Opfer von Menschenhandel
Sprachlos, hilflos, rechtlos?
17.10.2012
….aus juristischer Sicht
Naile Tanis Geschäftsführerin,
KOK e.V.
Vier Schwerpunkte des Vortrags
1.
Vorstellung des KOK
2. Bedarf der Betroffenen
3. Opferrechte
4. Perspektiven und Empfehlungen
•
„Menschenhandel ist moderne Sklaverei. Opfer von Menschenhandel
werden häufig mittels Gewalt, Nötigung oder Betrug unter
ausbeuterischen Bedingungen angeworben, verschleppt oder versteckt,
sexuell ausgebeutet und zur Arbeit, zu Dienstleistungen, zum Betteln,
zu Straftaten oder zur Organspende gezwungen. (…) Nach den
jüngsten Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation vom
Juni 2012 belief sich im Zeitraum 2002-2012 die Zahl der Betroffenen
von Zwangsarbeit, einschließlich erzwungener sexueller Ausbeutung,
weltweit auf 20,9 Millionen, wobei die Zahl der Kinder, die dem
Menschenhandel zum Opfer fielen, circa 5,5 Millionen betrug.
Allerdings wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei um
konservative Schätzungen handelt. Menschenhandel ist ein lukrativer
Kriminalitätszweig und generiert den TäterInnen einen jährlichen EuroGewinn in zweistelliger Milliardenhöhe.“
•
Mitteilung der Europäischen Kommission vom 19.06.2012, COM(2012) 286 final, Seite 1
fgh
1. Vorstellung des KOK
Struktur und Aufgaben des KOK:
 Nichtregierungsorganisation in Deutschland mit Sitz in Berlin
 Eingetragen als Verein seit 1999, Vernetzung seit mehr als 25
Jahren

•
•
•
•
•
•
38 Mitgliedsorganisationen:
FBS für OvMH in Deutschland
Frauenhäuser
Schutzwohnungen
Lobbyorganisationen
Wohlfahrtsverbände
Prostituiertenberatungsstellen
1. Vorstellung des KOK
Ziele des KOK:
 Stärkung und Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen des
Menschenhandels der Gewalt an Frauen im Migrationsprozess
 Umsetzung und Anwendung nationaler und internationaler
menschenrechtlicher Standards im Umgang mit den Betroffenen
 Verbesserung der rechtlichen (aufenthalts-, alimentierungs-,
arbeitsrechtlichen) und sozialen Situation der Betroffenen von
Menschenhandel
1. Vorstellung des KOK
Schwerpunktaufgaben des KOK:
 Bündelung des spezifischen Fachwissens
 Koordinierung der regionalen Kräfte
 Öffentlichkeits-/Sensibilisierungsarbeit
 Gremien- und Netzwerkarbeit
 Politische Lobbyarbeit
1. Vorstellung des KOK
2. Bedarf der Betroffenen
Eine Auswahl:
•Informationen zu Opferrechten
•Umfassender Opferschutz
•professionelle Beratung und psycho-sozialer Unterstützung
•Medizinischer Bedarf
•Psychologischer Bedarf: Therapiemöglichkeiten
•Sprachen – SprachmittlerInnen, DolmetscherInnen
•Prozessbegleitung
•Unterstützung bei der Rückkehr
•Klärung von rechtlichen Fragestellungen zum:
•Aufenthaltsrecht
•zur Alimentierungssituation
•Arbeitsrechtliche Fragestellungen: Entschädigungsansprüche
3. Opferrechte
Es besteht eine staatliche Schutzpflicht:
„Schutz vor Gewalt sowie Hilfe und Unterstützung für
gewaltbetroffene Menschen ist ein grundrechtlicher Anspruch der
Betroffenen an den Staat. (Art. 2 Absatz 2 S.1 GG iVm
Sozialstaatsprinzip).“
(Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten „Bestandsaufnahme zur Situation der Frauenhäuser,
Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und Kinder“, August
2012, S. XXVI)
3. Opferrechte:
Internationale Verpflichtungen
•Völkerrechtliche Bindungen: CEDAW, WSK, CAT
•Europarat:
•Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des
Menschenhandels Nr. 197 (2005), Verabschiedung Bundestag am
28.06.2012; Verabschiedung Bundesrat 21.09.2012
•Europäische Union:
•Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung
und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer
sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses von 2002 (2010/0065)
(Umsetzungsfrist zwei Jahre bis April 2013)
•Richtlinie über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen
gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen
Aufenthalt beschäftigen (2009/52/EG), (Verabschiedet November 2011)
3. Opferrechte
Nationale Umsetzung:
• Anspruch auf Beratung, Krisenintervention, Begleitung und
Betreuung – als staatliche Schutzpflicht, Problem: Finanzierung
der spezialisierte FBS für Opfer von Menschen/Frauenhandel
• Strafprozessual: Opferschutzmaßnahmen:
§ 406 h Nr. 5 StPO: Auskunft und Information über
Hilfemöglichkeiten, § 406 h Nr. 3: Hinweis zum OEG,
Rechtsberatung und Rechtsvertretung: Verletztenbeistände (407 f,
406 g StPO), Nebenklage (395 ff StPO), anwaltlicher
Zeugenbeistand § 68 b StPO
3. Opferrechte
Nationale Umsetzung:
• Alimentierung: Regelungen im AsylbLG, im SGB II
• Lohnanspruch: Arbeitsrecht
• Materielle Unterstützungsleistungen/Schadensersatz: OEG,
Unfallversicherung, Zivilrecht
• Recht auf Aufenthalt: Aufenthaltsgesetz
3. Opferrechte
3. Opferrechte
Polizeiliche Kontrolle/Zugang
über FBS und andere
Bedenk- und
Stabilisierungsfrist § 59 Abs.
7 AufenthG
ZeugIn im Strafverfahren
Kein/e ZeugIn im
Strafverfahren
Aufenthaltserlaubnis
§ 25 Abs. 4a oder 4b
AufenthG
Ausreisepflicht
Hauptverhandlung
Ausreise
Längerfristiger Aufenthalt
in Einzelfällen aus
Gefährdungsgründen
hh jj
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Aufenthaltssituation
 Neue rechtliche Änderungen seit dem 26.11.2011 “Gesetz zur
Umsetzung aufenthaltsrechtliche Richtlinien der Europäischen Union
und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EUVisakodex“:
 § 59 Absatz 7 AufenthG (Drei Monate: Verlängerung der
Bedenk- und Stabilisierungsfrist von einem auf mindestens drei
Monate!), § 59 Absatz 8 AufenthG
 § 25 Absatz 4 b AufenthG;
 § 62 a AufenthG: Zugang von Unterstützungseinrichtungen zu
den Abschiebungsgefangenen;
 § 98 a AufenthG: Rechtsfolgen der illegalen Beschäftigung
(Vergütung, Haftungsfragen),
 §§ 10 a, 11 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Aufenthaltssituation
 Überblick über die aktuellen Änderungen und
Empfehlungen
 § 59 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz:
 Hinweise für die Praxis
– Setzung einer möglichst langen Frist zur freiwilligen Ausreise.
Notwendig zur geordneten Organisation der Rückreise sowie zur
besseren Vernetzung FBS in Deutschland und im Herkunftsland.
Der Begriff „mindestens“ ist zu berücksichtigen und großzügig
auszulegen. Der Wortlaut deutet nicht darauf hin, dass in der
Regel lediglich drei Monate gewährt werden, sondern dass die
Ausreisefrist im Grundsatz länger als diese Mindestfrist dauern
sollte.
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Aufenthaltssituation
 Überblick über die aktuellen Änderungen und
Empfehlungen
 § 59 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz:
 Hinweise für die Praxis:
– Es sollte daher Umständen nachgegangen werden, die dafür
sprechen, dass die Ausreisefrist für einen möglichst langen
Zeitraum anzusetzen ist (z.B. Traumatisierung, notwendige Zeit
zur Stabilisierung der Betroffenen, langer Aufenthalt im
Bundesgebiet, Ermittlung und Eindämmung von Gefahren durch
Täter/innen im Herkunftsland).
– Beachten: Konkrete Anhaltspunkte für ein Vorliegen von MH
können sowohl von der FBS als auch von der Staatsanwaltschaft
benannt werden, siehe hierzu Bundesverwaltungsvorschrift zum
AufenthG
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Alimentierungssituation
 Für Drittstaatsangehörige: AsylbLG
 Bitte beachten: Urteil des BVerfG vom Juli 2012 - Novellierung des
AsylbLG steht aus. Zumindest bezüglich der Leistungshöhe, weitere
Überlegungen bzw. Inhalte sollten berücksichtigt werden
 Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen für
AsylbewerberInnen und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für
Wanderbewegung durch ein im internationalen Vergleich eventuell
hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein
Absenken des Leistungsstandards unter das psychische und
soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. (RN 121)
 Das Gericht weist darauf hin, dass falls der Gesetzgeber bei der
Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die
Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, bei
der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht
pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenziert werden darf. (RN
99)
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Alimentierungssituation
 Für Drittstaatsangehörige: AsylbLG
 Bitte beachten: Urteil des BVerfG vom Juli 2012 - Novellierung des
AsylbLG steht aus. Zumindest bezüglich der Leistungshöhe, weitere
Überlegungen bzw. Inhalte sollten berücksichtigt werden
 Allein aus der Kurzfristigkeit des Aufenthalts leitet sich jedoch kein
geringerer Anspruch gegenüber anderen HilfsempfängerInnen ab,
sondern lediglich dann wenn diese Personengruppe gerade wegen
ihres kurzfristigen Aufenthalts einen Minderbedarf gegenüber der
Gruppe der Personen mit Daueraufenthalt hätte. Das Gericht weist
darauf hin, dass zu berücksichtigen ist, ob gerade durch die Kürze des
Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, die
gerade unter den Bedingungen eines vorübergehenden Aufenthalts
anfallen. (RN 100)
3. Opferrechte
Rechtliche Situation:
Alimentierungssituation
für EU/BürgerInnen:

Bislang: Unterschiedliche Handhabung in den Bundesländern:
Leistungen nach SGB XII, SGB II oder AsylbLG

Seit November 2011 gibt es einen internen Dienstanweisung zu §
7 SGB II der Bundesagentur für Arbeit:
„EU-Bürger/-innen aus EU-Mitgliedstaaten, die Opfer von
Menschenhandel geworden sind, können einen Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II haben. Der Leistungsausschluss für die
ersten drei Monate gilt nicht. Auch nach Ablauf der drei Monate haben
sie einen Anspruch auf Leistung und der Ausschlussgrund
„Arbeitssuche“ gilt nicht, da ihr Zweck die Mitwirkung am
Strafverfahren ist. Diese Rechte gelten auch für Betroffener schwerer
Arbeitsausbeutung.“
3. Opferrechte:
Entschädigungsansprüche:
•
•
Arbeitsrecht: Lohn: z.B. Vergütung, Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall, Urlaubsabgeltung, Schadensersatz:
Heilbehandlungskosten, Kosten für Atteste, Gutachten
Medikamente, Rechtsanwaltskosten. (Arbeitsausbeutung und
Menschenhandel, eine Handreichung des DIMR, 2012)
Hinweis: Auch Undokumentierte können Ansprüche geltend
machen
Strafrecht: Schadensersatz und Schmerzensgeld, z.B. für erlittene
Schmerzen, Verletzungen, psychische Beeinträchtigung und
Folgen, dauerhafte Körperschäden,
Hinweis: Adhäsionsverfahren beachten, Zahlung im Rahmen
einer Bewährungsauflage oder eines Deals
3. Opferrechte:
Entschädigungsansprüche:
•
•
Zivilrecht: Schadensersatz und Schmerzensgeld
Sozialrecht: Leistungen nach dem OEG oder der gesetzlichen
Unfallversicherung
Aktuelles Projekt des KOK zum Thema Entschädigung mit dem
Titel: „Opferrechte stärken! Leistungen nach dem OEG und der
gesetzlichen Unfallversicherung für Betroffene von
Menschenhandel“
Hinweis: Für zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Verfahren oder
für einen Antrag nach dem OEG ist nicht zwingend ein Strafurteil
notwendig
4. Perspektiven:
Was steht an rechtlichen/politischen Maßnahmen an?
•
•
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•
Zeichnung des Übereinkommens des Europarates zur
Bekämpfung des Menschenhandels Nr. 197
Umsetzung der EU-Richtlinie
Novellierung des AsylbLG
Novellierung des OEG
Herzlichen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit
Für nähere Information:
www.kok-buero.de
[email protected]