Sind AD(H)S – Kinder eine Zumutung für die Schule oder ist die

Download Report

Transcript Sind AD(H)S – Kinder eine Zumutung für die Schule oder ist die

AD(H)S in Schule und Beratung
Pädagogische Interventionen
und
Therapeutische Möglichkeiten
Ulbricht 2013, SBMuc
1
Pädagogisch-psychologische
Basishilfen
1. Selbstwahrnehmung und Standortbestimmung
2. Normen und Wertvorstellung
3. Personenwahrnehmung
4. Beziehungsaufbau
5. Ursachenzuschreibungen - Attributionen
6. Verhaltenssteuerung und pädagogischtherapeutische Intervention
7. Umgang mit Konflikten
Ulbricht 2013, SBMuc
2
1. Selbstwahrnehmung und Standortbestimmung
Bin ich selbst hektisch oder besonnen?
Was möchte ich bei mir und anderen vermeiden?
Wie gehe ich mit Misserfolgen um?
Welche Ansprüche stelle ich an meine
pädagogische Wirksamkeit?
Welche Bedürfnisse bestimmen meinen Umgang
mit anderen – meine oder die des Anderen?
Ulbricht 2013, SBMuc
3
2. Normen und Wertvorstellungen
Welches Schülerbild trage ich in mir?
Lasse ich Alternativen zu?
Muss ein Schüler dankbar für mein Engagement sein?
Welche pädagogischen Zielvorstellungen habe ich?
Kann ich andere Lebensentwürfe akzeptieren?
Ulbricht 2013, SBMuc
4
3. Sehen und Wahrnehmen (1)
Ein oder zwei
Gesichter?
Ulbricht 2013, SBMuc
Kaninchen oder
Ente?
Alte oder junge
Frau?
5
Personenwahrnehmung
 Wegen nicht sichtbaren Charakteristika (Intelligenz, Freundlichkeit...) ist
soziale Wahrnehmung sehr schwierig. Häufige Fehleinschätzungen sind die
Folge. Gemachte Fehler sind oft schwer aufzudecken.
 Wir nehmen praktisch nie unvoreingenommen Informationen auf. Gefühle,
Einstellungen, Motivationen haben großen Einfluss auf die Wahrnehmung.
 Unsere Wahrnehmung wird beeinflusst durch unser Wissen und unsere
Erfahrung sowie durch dominante Details (lautes Geschrei, grelle Farben .. ).
 Die meisten Merkmale sind nur ungefähr beschreibbar.
 Selektive Wahrnehmung ist für die Reaktionsfähigkeit lebenswichtig.
Ulbricht 2013, SBMuc
6
4. Beziehungsaufbau
 Menschen leben als soziale Wesen in Beziehung zu anderen.
 Das Verhalten ist Ergebnis und Ziel unterschiedlicher Beziehungen.
 Eine stabile, angstfreie Beziehung hält mehr Belastungen aus aus als
eine instabile, von Widersprüchen geprägte.
 Die Beziehung zwischen Lehrer und dem AD(H)S-Kind muss in
belastungsfreien Situationen aufgebaut werden (Freizeit, musischer
Unterricht, Vorviertelstunde ...)
 Gespräche, gemeinsame Aktivitäten, Zuwendung sind die Grundlagen
für den Beziehungsaufbau.
 Störungen und Probleme können nur auf der Grundlage einer stabilen,
grundsätzlich positiven Beziehung bearbeitet werden.
Ulbricht 2013, SBMuc
7
5. Ursachenzuschreibungen Attributionen
 Wahrnehmungen werden in der Regel durch Ursachenzuschreibungen
/ Attributionen begleitet.
 Bei der Ursachenzuschreibung stellen wir Vermutungen an über
Persönlichkeitseigenschaften, über die Absicht der Handlung und über
die Stabilität und Qualität der Eigenschaft.
 Attributionen sind Alltagstheorien. Sie sind eine Folge der
Lebenserfahrung und des Wissens einer Person.
 Auch Attributionsfehler sind „normal“. Sie dürfen aber nicht zu einer
unangemessenen Behandlung des AD(H)S-Kindes führen.
 Auch das Verhalten des AD(H)S-Kindes hat unterschiedliche Ursachen
und Intentionen.
Ulbricht 2013, SBMuc
8
6. Verhaltenssteuerung und
pädagogisch-therapeutische Intervention
 Verhaltenssteuerung soll Hilfen anbieten, nicht verurteilen.
 Angemessenes und unangemessenes Verhalten muss miteinander
besprochen, beschrieben und bewertet werden.
 Wenige, überschaubare Verhaltensweisen werden herausgegriffen
und für einen bestimmten Zeitraum in einen Zielkatalog aufgenommen.
 Positiver Verhaltensaufbau findet über Verstärkung statt.
 Auf negatives Verhalten folgen mit dem Kind abgesprochene,
konsequente Reaktionen.
 Die Konsequenzen sollen nicht das Selbstwertgefühl des betroffenen
Kindes gefährden.
Ulbricht 2013, SBMuc
9
7. Umgang mit Konflikten
 Mit Konflikten im Schulalltag muss gerechnet werden.
 Das Verhalten des Kindes kann kritisiert werden, es ist ihm aber als
Person Respekt und Achtung zuzusichern.
 Sinnvoll ist, auf vorher besprochene Maßnahmen konsequent
zurückzugreifen.
 Mit vereinbarten Zeichen und Hinweisen arbeiten.
 Im „Akutfall“, wenn das AD(H)S-Kind ein zu hohes Erregungsniveau
erreicht hat, sollte eine Auszeit angeordnet werden.
 Für die aktuelle, inhaltliche Problemlösung Zeit nehmen, Gespräche
anbieten.
Ulbricht 2013, SBMuc
10
Manchmal hilft auch Umdenken ...
Sehen Sie das Kind nicht als ...
Sehen Sie es als ...
hyperaktiv
energisch
impulsiv
spontan
zerstreut
kreativ
Tagträumer
phantasievoll
unaufmerksam
offen für neue Eindrücke
unberechenbar
flexibel
streitsüchtig
unabhängig
störrisch
engagiert
unkonzentriert
einzigartig
(Thomas Armstrong)
Ulbricht 2013, SBMuc
11
Konkrete Hilfen im Schulalltag –
der Sitzplatz
 Der Sitzplatz sollte „fest“ sein und nicht
wechseln.
 Häufiger Sitzplatzwechsel bedeutet den
Umgang mit „neuen Reizen“.
 Der Wechsel des Sitznachbarn ist ebenfalls mit
„neuen Reizen“ verbunden.
 Sitzen am Gruppentisch bietet zu viel
Ablenkung.
 Der Arbeitsplatz sollte dort sein, wo der Lehrer
häufig hinschaut oder präsent ist.
 Der Schüler darf entscheiden, ob es beim
Arbeiten steht, kniet oder eine andere Position
einnimmt.
Ulbricht 2013, SBMuc
12
Konkrete Hilfen im Schulalltag –
Aufmerksamkeit lenken









Ulbricht 2013, SBMuc
Blick- oder Körperkontakt vereinbaren und regelmäßig
einsetzen (Alter und persönliche Bedürfnisse beachten)
Anweisungen in einfachen, überschaubaren Sätzen
geben.
Anforderungen und Ziele ankündigen.
Anforderungen und Ziele vom Kind wiederholen lassen.
Hinweise zur Beendigung und zum Neubeginn einer
Arbeit geben.
Arbeitsplatz herrichten lassen.
Den „Arbeitsbeginn“ kontrollieren und loben.
Häufige Rückmeldungen auch für Teilerfolge geben.
Während der Arbeitsphase für Ruhe sorgen, nonverbal
arbeiten.
13
Konkrete Hilfen im Schulalltag –
Strukturierung der Arbeit
Prinzipien: Klare Vorstrukturierung, kleine Teilschritte,
Zwischenkontrollen und Erinnerungshilfen
 Abknicken des Aufgabenblattes, so dass nur die zu
bearbeitende Aufgabe sichtbar ist.
 Bearbeitung einer Teilaufgabe in vorgegebener Zeit mit
anschließender Bestätigung des Teilerfolges.
 Bearbeitung einer Aufgabe mit Unterstützung von
Checklisten oder Signalkarten.
- Was ist meine Aufgabe? Was brauche ich? Was will ich
erreichen? Warum komme ich nicht weiter? Was ist der
nächste Schritt? Fehler kann man verbessern …
 Ausführliche und klare Angaben zu den Hausaufgaben, ggf.
Kontrolle der Mitschrift, Akzeptanz von Teilhausaufgaben
 Kontrolle der Durchführung und Durchführungsqualität
 Rechtzeitige Termine zur Nacharbeit, um die Übersicht zu
behalten
Ulbricht 2013, SBMuc
14
Konkrete Hilfen im Schulalltag –
Stützen und verstärken








Ulbricht 2013, SBMuc
AD(H)S-Kinder wollen geliebt und anerkannt
werden.
AD(H)S-Kinder wollen lernen und Erfolge
haben.
Viele Trainingsbausteine aus der Therapie
lassen sich auch als „Co-Therapeut“
anwenden.
Vertrauen vermitteln.
Hilfen anbieten.
Keine Schuldgefühle erzeugen.
Loben, loben, ....
Erfolge hervorheben und belobigen.
15
Selbstinstruktionstraining
mit Signalkarten
Auf dem Tisch liegt nur
das Arbeitsmaterial, das
ich für die Aufgabe
brauche.
Ich lese die Aufgabe
genau durch und
überlege dann, was ich
tun muss. Stopp! Was
muss ich tun?
Ich zerlege die Aufgabe
in kleine Schritte. Stopp!
Was ist mein Plan?
Ich gehe Schritt für
Schritt vor. Sorgfältig!
Schritt für Schritt zum
Ziel!
Ich kontrolliere am Ende,
ob ich alles richtig
gemacht habe. Stopp!
Überprüfen!
Ich räume mein
Arbeitsmaterial wieder
ein. Mein Platz muss
übersichtlich sein.
Ulbricht 2013, SBMuc
16
Punktekonto für die Schule
Mein Punktekonto
Regel
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Summe
Ich melde
mich im
Unterricht
4
Ich räume
nach einer
Arbeit auf
5
....
....
Ulbricht 2013, SBMuc
17
Therapeutische Hilfen eine Übersicht
Ulbricht 2013, SBMuc
18
Hilfe durch Therapien - 1
Therapieansatz
Behandlungsziel
Beispiel
Wirkung/ Effekt
Mögliche
Probleme
Kindzentrierte
Therapie
Medikamentöse
Therapie/
Pharmakotherapie
Veränderung der
psychophysiologischen
Grundlage
Psychopharmaka
Methylphenidat
Ritalin
Medikinet
Concerta
zugelassen von 6 –
18 Jahren
70 – 90% der
Kinder über 6
Jahre sprechen
auf die
Behandlung an;
Verhalten
normalisiert sich;
schafft oft
Voraussetzung
für andere
Therapien
Nur wirksam, so
lange die
Behandlung
durchgeführt
wird; Nebenwirkungen nicht
endgültig geklärt; kontrollierte, optimale
Dosierung von
großer
Bedeutung.
Kindzentrierte
Therapie
Diät-Behandlung
Umstellung der
Ernährung
Verzicht auf:
Industriezucker
Phosphate
Farb- und
Aromastoffe
Konservierungsmittel
Positive Effekte
in Langzeitbeobachtungen,
keine wissenschaftlich
nachgewiesenen
Zusammenhänge
zwischen AD(H)S
und Ernährung.
Aufwendige
Umstellung auf
Langzeitveränderung angelegt;
Diätbehandlung
muss sorgfältig
begleitet
werden;
Ulbricht 2013, SBMuc
19
Hilfe durch Therapien – 2
Therapieansatz
Behandlungsziel
Beispiele
Wirkung/ Effekt
Mögliche Probleme
Kindzentrierte
Therapie
Psychomotorische
und ergotherapeutische Methoden
Das „Sich-Bewegen“
und die innere
Befindlichkeit sollen in
Einklang gebracht
werden
Förderung nach
den Prinzipien
der sensorischen Integration (Jean
Ayres); Tanz und Bewegungstherapie,
Mototherapie
Steigerung der
Körperbewussthei
tSteigerung der
Wahrnehmung;
Steigerung der
Geschicklichkeit;
Kinder empfinden
die Therapie in
der Regel als
lustvoll;
Keine
Nebenwirkungen, aber
häufig nicht ausreichend, um den
(bewegungsarmen)
Schulalltag bewältigen
zu können; es liegen
keine Wirksamkeitsstudien vor.
Psychotherapeutische Ansätze
Soziales
Kompetenztraining
Aufbau sozialer
Kompetenz bei sozial
unsicheren,
aggressiven oder
impulsiven Kindern
Trainingsprogramm von
PETERMANN
und
PETERMANN
1997
Bessere
Wahrnehmung
und Interpretation
sozialer Situationen; Entwicklung
alternativer
Lösungen;
Einüben von Problemlöseschritten
Trainingsinhalte
werden von Kindern,
die schnell wütend
werden, nicht immer
auf die Realität
übertragen; Therapie
muss in der Schule
und zu Hause
unbedingt begleitet
werden.
Ulbricht 2013, SBMuc
20
Hilfe durch Therapien - 3
Therapieansatz
Familienzentrierte
Intervention
Aufklärung und
Beratung
Familienzentrierte
Intervention
Eltern-KindTraining
Ulbricht 2013, SBMuc
Behandlungsziel
Eltern sollen
Wissen über die
Störung
erwerben
Eltern sollen
Situationen
anders
interpretieren
Es werden
neue Interaktionsmuster
aufgebaut; das
Erziehungsverhalten als
Ganzes wird
reflektiert und
verändert
Beispiel
Interventionsbausteine bei
PETERMANN
oder DÖPFNER
Trainingsbausteine bei
PETERMANN
oder DÖPFNER
Wirkung/ Effekt
Mögliche Probleme
Information führt zur
Versachlichung und
entlastet die Eltern
von Schuldgefühlen, sie wissen,
welche Reaktionen
ihrerseits sinnvoll
sind.
Eltern sind nicht bereit
oder in der Lage, am
Programm
teilzunehmen;
Familiensituation ist
ungünstig (getrennte
Eltern, konkurrierende
Erziehung ...)
Eltern können die
Rahmenbedingungen zu Hause
angemessener
gestalten,
Interaktionen
werden
kontrollierter;
Erziehungsverhalten wird
konsequenter
Eltern sind nicht
bereit oder in der
Lage, am Programm
teilzunehmen;
Familiensituation ist
ungünstig (getrennte
Eltern,
konkurrierende
Erziehung ...)
21
Hilfe durch Therapien – 4
Therapieansatz
Behandlungs-ziel
Beispiel
Wirkung/ Effekt
Mögliche Probleme
Kindergarten- und
schulzentrierte
Intervention
Aufklärung und
Beratung
Verhaltensauffälligkeiten sollen
verringert werden;
Information über
stabilisierende
bzw. modifizierende Bedingungen;
Interventionsbausteine bei
PETERMANN
oder DÖPFNER
Information führt zur
Versachlichung und
entlastet das Kind
als „Schuldigen“.
Lehrer/Erzieher ist nicht
bereit, am Programm
teilzunehmen;
Häufiger Lehrerwechsel
erschwert notwendige
Kontinuität in der
Verhaltenssteuerung.
Kindergartenund
schulzentrierte
Intervention
Intervention im
Kindergarten/ in
der Schule
Es werden vor
allem verhaltenstherapeutische Techniken
eingeübt, um
Verhalten zu
steuern
(Verstärkung,
Löschung ...)
Trainingsbausteine bei
PETERMANN
oder
DÖPFNER
Verhaltenstherapeutische
Bausteine erzielen
in der Gruppe
Entlastung.
Gleichzeitig wird
angemessenes
Verhalten
aufgebaut und das
Selbstwertgefühl
des Kindes
gestärkt.
Lehrer/Erzieher ist
nicht bereit, am
Programm
teilzunehmen;
Häufiger
Lehrerwechsel
erschwert notwendige
Kontinuität in der
Verhaltenssteuerung.
Ulbricht 2013, SBMuc
22