Stalking und das Gleichstellungsgesetz - SKS-COC

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Liebeswahn und Verbrechen am Arbeitsplatz Stalking und das Gleichstellungsgesetz
Nationale Tagung der Schlichtungsstellen nach Gleichstellungsgesetz SKS
RA Dr. iur. Eylem Copur
School of Management and Law
Zentrum für Sozialrecht
[email protected]
Building Competence. Crossing Borders.
Liebeswahn und Verbrechen:
sexualisierte Gewalt und das
Gleichstellungsgesetz
I)
Einleitung.
II)
Begriff und Definition Stalking.
III) Hintergrund und Statistik.
IV) Stalking und das Gleichstellungsgesetz
V) Rechtliche Grundlagen und Rechtschutz de lege lata.
VI) Rechtsvergleich und Ausblick de lege ferenda.
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Stalking – Einleitung 1/2
„Eine schwere Taubheit fährt in ihre Glieder. Zarte Rinde umschlingt ihre weichen
Brüste, die Haare werden zu Blättern und die Arme wachsen zu Zweigen empor.
Daphnes Füße erstrecken sich ins Erdreich und werden zu Wurzeln, ihr Antlitz verliert
sich im Blätterdach. Schließlich bleibt nur noch ihre Schönheit zurück. Apoll (hier:
Phoebus) berührt sie (nun in Gestalt des Baumes) und fühlt noch ihr Herz schlagen.
Er will sie küssen, aber sie weicht, nun als Baum, noch immer zurück.“
(Ovid, Metamorphosen Buch 1, Vers 545-55)
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Stalking – Einleitung 2/2
Ein altes Verhalten - ein neues Verbrechen Hintergrund der Kriminalisierung von
Stalking
•
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Veränderung gesellschaftlicher Normen – soziokulturellen Verhaltens
•
Patriarchale Strukturen werden aufgelöst
•
Persönlichkeits- und Menschenrechte schaffen Bewusstsein
•
Bewusstsein - Anzeigeverhalten
4
Hintergrund 1/4
Die «Erotomanie» in Zahlen
•
2- 15% der Allgemeinbevölkerung war bereits Stalkingopfer
•
Stalker: 10 – 20 % Frauen, 70 – 80 % Männer
•
20% führt zu physischer Gewalt
•
10% gleichgeschlechtliches Stalking
•
Deutschland (PKS) : 11.401 Fälle nach § 238 StGB Deutschland
•
Studie Österreich: 11% der Probanden waren Stalkingopfer
•
Schweiz Statistiken zur häuslichen Gewalt (KRISTA) – Stalking nicht explizit
aufgeführt
Quelle: TU Darmstadt 2005, Uni Graz 2009
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Hintergrund 2/4
Die Stalkerpersönlichkeit
(nach Mullen, Pathé & Purcell, 2001) :
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1.
Zurückgewiesener Stalker (Ex-Partner)
2.
Beziehungssuchender Stalker (Verliebter)
3.
Inkompetenter Stalker (Ungenügende Sozialkompetenz)
4.
Rachsüchtiger Stalker
5.
Sadistischer Stalker (Befriedigung)
6
Hintergrund 3/4
Die Stalkerpersönlichkeit aus psychiatrischer Sicht
•
Affektive Störungen, Anpassungsstörungen, Schizophrenie, wahnhafte Störungen
•
Zusätzlich bei 75% histrionische, antisoziale, narzistische oder BorderlinePersönlichkeitsstörung
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•
Substanzmittelmissbrauch oder –abhängigkeit
•
Überdurchschnittliches Ausbildungsniveau, gering beschäftigt/arbeitslos
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Hintergrund 4/4
Das Stalkingopfer aus psychiatrischer Sicht
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•
Chronische Traumatisierung
•
Veränderungen im Alltagsverhalten
•
Schlafstörungen
•
ängstlich-depressive Syndrome
•
posttraumatische Belastungsstörung
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Stalking: Begriff und Definition (1/4)
Langenscheidt, Englisch-Deutsch Wörterbuch 2010:
Jagen, hetzen, pirschen, sich anschleichen (Jägersprache) aus dem Gälischen „stalc“
oder dem Substantiv „stalcaire“ = Jäger, Falkner
Duden 2012:
Aufgrund nicht erwiderter Liebe, aus Rache u.a. jemanden verfolgen, ihm auflauern
und ihn (durch unablässige Liebesbriefe, Telefonanrufe, Drohungen) terrorisieren
Cyberstalking (Wikipedia 2011):
Verschiedene Formen der Diffamierung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung
anderer Menschen oder Firmen mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel über
das Internet, in Chatrooms, beim Instant Messaging und/oder auch mittels
Mobiltelefonen bezeichnet. Dazu gehört auch der Diebstahl von (virtuellen) Identitäten,
um in fremden Namen Beleidigungen auszustoßen oder Geschäfte zu tätigen
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Stalking: Begriff und Definition (2/4)
Sozialwissenschaftlich:
•
Belästigen des Opfers durch ständige unerwünschte Kommunikation (Direkt/Indirekt)
•
Beobachten
•
Diffamierungen
•
Zerstören oder Beschädigen von Eigentum des Opfers bis zu tatsächlichen
körperlichen oder sexuellen Übergriffen
•
Verletzung der physischen Integrität des Opfers
Zona et. al. (1993); Meloy und Gothard (1995) Pathe und Mullen (1997)
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Stalking: Begriff und Definition (3/4)
Art. 238 StGB Deutschland
Wer einem Menschen unbefugt nachstellt,
(1) indem er beharrlich seine räumliche Nähe aufsucht, unter Verwendung von
Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte
Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
(2) unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst,
mit diesem Kontakt aufzunehmen,
(3) ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder
Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder eine andere
vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung
schwerwiegend beeinträchtigt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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Begriff und Abgrenzung (4/4)
Sexuelle Belästigung
(Verletzung der sexuellen Integrität)
Mobbing
Stalking
Belästigung am Arbeitsplatz
Belästigung durch Nachstellen
Gewaltformen:
-
Stalking: Verletzung der Persönlichkeit durch Nachstellen
-
Sexuelle Belästigung: Verletzung sexueller Integrität
-
Mobbing: Person oder eine Gruppe am Arbeitsplatz von gleichgestellten,
vorgesetzten oder untergebenen Mitarbeitenden schikaniert, belästigt, beleidigt,
ausgegrenzt oder mit kränkenden Arbeitsaufgaben bedacht wird
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Stalking als Form sexualisierter Gewalt
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•
Gewalt in Geschlechterverhältnissen (häusliche Gewalt, sexuelle Integrität)
•
(Geschlechter-) Hierarchien begünstigen und perpetuieren Machtstrukturen
•
Beziehungsebene ist besonders sensibel für Übergriffe
•
Diskriminierung ist eine Form von «Gewalt»
•
Stalking ist ein Beziehungsdelikt
•
Stalking ist eine Form von Gewalt - Verletzung der Persönlichkeit
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Rechtliche Grundlagen 1/6
Persönlichkeitsrechtverletzung Art. 28 i.V.m. 28a ZGB
1.
Drohende oder bereits bestehende Verletzung
2.
Persönlichkeit:
»
»
»
3.
-
Physischer Schutzbereich (Recht auf Leben, körperliche
Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit, etc.)
Psychischer Schutzbereich (Recht auf Respekt,
Gefühlsleben, etc.)
Sozialer Schutzbereich (Recht auf eigenen Namen,
Selbstbestimmung, Achtung der Privatsphäre)
Massnahmen bei Persönlichkeitsverletzungen:
Unterlassung und/oder Beseitigung durch Verbot drohender oder andauender
Verletzung (Bsp. Annäherungs- Kontakt, Strassen-, oder Quartierverbot)
-
Androhung von strafrechtlicher Ahndung bei Nichtbefolgung richterlicher
Anordnungen (Art. 292 StGB)
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Rechtliche Grundlagen 2/6
Massnahmen bei „Stalking“ nach Art. 28b ZGB
Zum Schutz gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen kann die klagende
Person dem Gericht beantragen, der verletzenden Person insbesondere zu verbieten:
1. sich ihr anzunähern oder sich in einem bestimmten Umkreis ihrer Wohnung
aufzuhalten;
2. sich an bestimmten Orten, namentlich bestimmten Strassen, Plätzen oder
Quartieren, aufzuhalten;
3. mit ihr Kontakt aufzunehmen, namentlich auf telefonischem, schriftlichem oder
elektronischem Weg, oder sie in anderer Weise zu belästigen.
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Rechtliche Grundlagen 3/6
Das Zivilverfahren

Opfer muss Klageweg bestreiten, Sühneverfahren

Kostenvorschuss ist zu leisten/Kostenauflage bei Freispruch (wenn Zivilansprüche
gestellt wurden)
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
Lange Verfahrensdauer

Beweislast trägt klagende Partei

Unbekannte Täterschaft
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Rechtliche Grundlagen 4/6
Das Strafverfahren – Mögliche Delikte
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•
Art. 179septies StGB Missbrauch einer Fernmeldeanlage
•
Art. 186 StGB Hausfriedensbruch
•
Art. 144 StGB Sachbeschädigung, Art. 139 StGB Diebstahl
•
Art. 126 StGB Tätlichkeiten, Art. 123 StGB Körperverletzung
•
Art. 180 StGB Drohung, Art. 181 StGB Nötigung
•
Art. 183 StGB Freiheitsberaubung und Entführung
•
Art. 111 StGB Tötungsdelikt
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Rechtliche Grundlagen 5/6
Probleme des Strafverfahren
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•
Mangelnde eindeutige Qualifikation von Stalkinghandlungen.
•
keine geeigneten Sanktionen
•
Keine Handhabe bei «weichem» Stalking
•
Zum Teil Antragsdelikte, Hemmungen des Opfers zur Strafanzeige
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Rechtliche Grundlagen 6/6
Das Opferhilfegesetz (OHG)
1. Jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder
sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), hat Anspruch auf
Unterstützung nach diesem Gesetz (Opferhilfe)
2. Anspruch auf Opferhilfe haben auch der Ehegatte oder die Ehegattin des Opfers, seine
Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen
(Angehörige)
3. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Täter oder die Täterin: a. ermittelt
worden ist;, b. sich schuldhaft verhalten hat; c. vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt
hat
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Gleichstellungsgesetz und Stalking (1/3)
Art. 4 GlG:
Diskriminierung ist jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes
Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und
Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt
Art. 5 GlG
Bei einer Diskriminierung durch sexuelle Belästigung kann das Gericht oder die
Verwaltungsbehörde der betroffenen Person zudem auch eine Entschädigung
zusprechen, wenn Arbeitgebende nicht beweisen, dass sie Massnahmen getroffen
haben, die zur Verhinderung sexueller Belästigung nach der Erfahrung notwendig sind
und die ihnen billigerweise zugemutet werden können (…)
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Gleichstellungsgesetz und Stalking (2/3)
«Die Belästigung einer Person und die sexuelle Belästigung stellen einen Verstoss
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen dar und sind
somit als Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie anzusehen»
Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 2006/54/EG Nr. 6
1.
Persönlichkeitsverletzung: Angriff auf Persönlichkeit, namentlich sexuelle Freiheit
und Würde/Komponente («Machtfaktor»)
2.
Sexuelle Komponente: «sexueller Ausdruck von Aggression»
3.
Formen: «`Quid pro quo` Belästigung» und «Schaffung feindseliger
Arbeitsatmosphäre», durch Mitarbeitende und Dritte
4.
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Adressat:: Arbeitgebender (Verantwortlichkeit für den Schutz der Persönlichkeit)
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Gleichstellungsgesetz und Stalking (3/3)
Konstellationen:
1. Stalker: Mitarbeitende, Vorgesetzte, Kunden, Dritte (Partner)
2. Stalkingopfer: Angestellte
3. Stalkinghandlung:
a.
Nachstellen mit dem Ziel, eine sexuelle Beziehung zu begründen oder
aufrechtzuerhalten (sexueller Belästigung)
b.
Nachstellen, mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstosses aus dem
Arbeitsverhältnis (Mobbing)
4. Adressat: Arbeitgeber
5. Massnahmen: Prävention und Sanktionen: z.B. Hausverbot, Versetzung
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Das Gewaltschutzgesetz
Das Gewaltschutzgesetz (Kanton Zürich)
Schutz von Opfern häuslicher Gewalt (sofern diese im Kanton Zürich wohnen oder
arbeiten oder sich der Vorfall im Kanton Zürich ereignete).
„Gefährdende“ sind unabhängig von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort bestimmbar.
•
Anordnung von Schutzmassnahmen, §3 GewG (Wegweisung aus der Wohnung,
Betretverbot, Kontaktverbot für 14 Tage verlängerbar bis zu 3 Monate).
•
Polizei kann gefährdende Person in Gewahrsam nehmen, § 13 GewG (24 Stunden
verlängerbar für 4 Tage).
•
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Flankierende Massnahmen, Informationspflichten § 15 GewG.
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Rechtsvergleich
§ 238 STGB Nachstellung (Deutschland)
Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1. seine räumliche Nähe aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der
Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst,
mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4.ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder
Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine
Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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Resümee und Diskussion
•
Stalking ist eine Form diskriminierender oftmals sexualisierter Gewalt
•
Stalking stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar
•
Es besteht noch ungenügender Rechtsschutz gegenüber Stalking
•
Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nach dem Gleichstellungsgesetz auch gegenüber
Stalking , mangelnde Sensibilisierung für subtilere und private Formen von Gewalt
•
Der Arbeitsort stellt eine besonders «gefährdete und gefährdende Zone» für
Stalkingopfer dar
•
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Bestehender Forschungsbedarf (Untersuchungen in der Schweiz fehlen)
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Stalking
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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