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Philipps-Universität Marburg
Institut für Schulpädagogik
Prof. Dr. Rainer Lersch
Bildungsstandards
Kerncurricula/Kernlehrpläne
Schulcurricula
Kompetenzorientierter Unterricht
Vortrag auf der MINT-Tagung
Essen, 09.05.2012
Ein Gespenst geht um in Europa…
PISA 2000
2003/2004
Beschlüsse der KMK zur Implementierung
nationaler Bildungsstandards
für 6 bzw. 7 sog. Kernfächer
Anschließend: Länderspezifische Umsetzung insbesondere
durch die Entwicklung neuer kompetenzorientierter
(Kern)Lehrpläne oder Kerncurricula z.T. für alle Fächer
10. Dez. 2009
„Konzeption der KMK zur Nutzung
der Bildungsstandards für die
Unterrichtsentwicklung“
Impulse für die Unterrichtsentwicklung
A) direkt durch Lehrpläne bzw. Kerncurricula:
1. Reduzierung der Stofffülle/Fokussierung auf den Kern
der Fächer
mit dem Ziel
2. mehr Freiheit für die Einzelschule bei der Entwicklung
des schuleigenen Curriculums
B) indirekte Impulse:
3. Implementierungsstrategien u. Unterstützungssysteme
4. Kernaufgabe: Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte
5. Illustration durch Aufgabenbeispiele
6. Didaktische Aufbereitung in Lehr- und Lernmitteln
7. Initiierung eines Kreislaufs von „Überprüfen u. Entwickeln“
8. „Nötigung“ der Lehrkräfte durch Tests?
C) kontraproduktive Impulse:
9. Standards = Ziele - Inhalte i.d. Progression = Weg ???
Kompetenzorientierung
Das Ziel: kumulativer Kompetenzerwerb
Der Weg: kompetenzorientierter Unterricht
Die Mittel: Inhalte in der Progression
Bildungsstandards im Gesamtzusammenhang
Bildungsstandards
Inhaltsfelder/Inhalte
Kerncurriculum
Validierung
Aufgabenbeispiele
Schulcurriculum
Kompetenzmodelle
Unterrichtsgestaltung
Tests
zur Überprüfung der Wirksamkeit der
Standards (als Ergebnis und zur
Verbesserung des Unterrichts)
Lersch 2009
Wer nicht weiß, worauf es im kompetenzorientierten Unterricht
ankommt um dies in seinem professionellen Handeln zu nutzen,
• kann als Lehrer(in) weder entsprechend unterrichten noch
fachgerecht am Schulcurriculum arbeiten
• wird als Schulleitung kaum in der Lage sein, die nötigen Entwicklungsprozesse an der Schule zu initiieren, sie zielführend
zu steuern, zu unterstützen und zu koordinieren
kurz: die oder der verfügt nicht über die nötige Kompetenz, um die
im Zuge dieser Reform zentrale Unterrichtsentwicklung in die
richtige Richtung lenken zu können!
Lersch 17.03.2012 / Seite 7
Professionalisierung durch
Aus- und Fortbildung:
1. Individuelle Qualifizierung der Lehrkräfte für
kompetenzorientiertes Unterrichten
2. Kollektive Befähigung der Kollegien für die
gemeinsame Erstellung eines Schulcurriculums
in den Fach- bzw. Jahrgangskonferenzen
1. Ziel der Implementation von Bildungsstandards ist
deren Verwirklichung im Unterricht, d. h. deren Umsetzung
in zielführendes Lehrerhandeln.
2. Auf die Kardinalfrage, wie sich gemessener Output in
wirkungsvolleren Input und in verbesserte
Lehr-Lern-Prozesse (rück)verwandeln lässt,
gibt es keine test-diagnostischen,
(und auch keine administrativen, R.L.)
sondern nur didaktische Antworten, die nur der geben kann,
der über erweiterte didaktische Kompetenzen verfügt.
(Reusser 2007)
3. Die didaktische Antwort auf die Frage
„Wie unterrichtet man Kompetenzen?“
besteht in einer pointierten Veränderung
bislang dominierender Unterrichtsskripte.
Bildungsstandards
Kompetenzen
Erwartungen an das
Ergebnis schulischen Lernens
Schülerleistungen:
Neues
UnterrichtsSkript
Entwicklung
von
Fähigkeiten
Bewältigen von Anwendungssituationen
mit fachl. u. überfachl. Anforderungen
WISSEN + KÖNNEN = KOMPETENZ
Altes
UnterrichtsSkript
Vermittlung
von
Inhalten
Inhalte
Lehrpläne
Lersch 2008
Reproduzieren von u. Auseinandersetzen mit meist fachl. Inhalten
Vorgaben für die
Inhalte schulischen Lernens
Orientierung für Lehrkräfte, Schüler(innen) und Eltern
in den bisherigen Lehrplänen:
in erster Linie detaillierte Angaben über zu unterrichtende
Inhalte
also darüber, was die Schüler(innen) alles wissen sollen
in den neuen Kernlehrplänen:
neben sparsam konkretisierten Inhaltsfeldern vor allem
Standards,
die Erwartungen in Form von Kompetenzen darüber
formulieren, was die Schüler(innen) zu bestimmten
Zeitpunkten ihres Bildungsgangs
können sollen
Lersch 2009
Überfachliche Kompetenzen
im Kontext schulischer Bildungsarbeit
(„cross curricula competencies“)
Fachliche
Bildungsziele
Kerncurricula
der Fächer...
D M E F P C B G E R L S
e a n r h h i e k e a p
Fachliche Kompetenzen
überfachl. Kompetenzen
Überfachliche
Bildungsziele
wie z. B.:
Hessisches Kerncurriculum: Fachliche Kompetenzen
Grundstruktur des
Fachwissens zur
inhaltlichen Orientierung
Standards als
Könnenserwartung
wenig konkrete Inhalte
Wissen
Kompetenz =
+
Können
1. Systematischer Wissenserwerb
(vertikaler Lerntransfer)
Ziele
LERNEN
Lernform
Lersch 2007
Erwerb intelligenten (wohlorganisierten,
vernetzten) Wissens
Ermöglichung u. Erleichterung des weiteren
Lernens im gleichen Inhaltsgebiet
Sachlogisches, inhaltsbezogenes
systematisches Lernen
Unterrichtsform
Wiederholen + Direkte Instruktion oder
Gemeinsames Erarbeiten neuen Wissens
Herstellen von Zusammenhängen zum
Vorwissen
(nach hintern sichern u. nach vorne
beweglich machen = Anschlussfähigkeit)
Methodische Hilfe:
Informierender Unterrichtseinstieg u./o.
advance organizer
Didaktische Grundrelationen
(Klingberg 1986)
Inhalt
Lernen
Ziel
Lehren
Methode
Alle Unterrichtsprozesse sind Prozesse des Lehrens und Lernens.
Als didaktische Prozesse sind sie ziel-, inhalts- u. methodenbestimmt.
Didaktische Grundrelationen
(Klingberg 1986)
Inhalt
Lernen
Ziel
Lehren
Methode
Methode dient nicht nur zur Aneignung eines Inhalts,
sondern:
Kompetenz = Wissen + Können
dafür muss der Unterricht die erforderlichen
Lerngelegenheiten bereitstellen!
Insofern: Unterrichtsmethode = Lehr- + Lernmethode
2. Situiertes Lernen
(horizontaler Lerntransfer)
LERNEN
Verschiedene Anwendungssituationen
Ziel
Lernform
Unterrichtsformen
Lersch 2007
Anwenden des Gelernten in unterschiedlichen Situationen
Situiertes Lernen: variables, lebensnahes Üben (auch bereits
während des Wissenserwerbs), Übertragen, Anwenden usw.
(die Lern-Situation ist bedeutsam für deren Ergebnis!)
Situiertes Lehren + intelligentes Üben, Lösen von Aufgaben,
Beobachten u. Erklären von Phänomenen, Experimente,
Projektunterricht, problemlösender Unterricht, selbstständ.
Gruppenarbeit, Planspiele, Werkstattunterricht, Praktisches
Lernen, außerschulische Lernorte usw.
Erwerb fachlicher Kompetenzen
Kenntnisse
Fertigkeiten
(vertikaler + horizontaler Lerntransfer)
Lersch 2008
Vertikaler Lerntransfer
Systematische Lehr-Lern-Prozesse
Wissen
Kompetenz
(Wissen + Können)
Horizontaler Lerntransfer
Anwendungssituationen
mit dem Wissen
etwas anfangen
können
Didaktische Systematisierung kompetenzorientierten Unterrichts
NUTZUNG
Intelligentes Wissen aneignen
System. Wissen
vermitteln
Können
Lehren
Anforderungssituationen arrangieren
ANGEBOT
Lersch 2007
NUTZUNG
Kompetenz
Wissen
anwenden
ANGEBOT
Wissen
Lernen
Nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer,
sondern auch die Schülerinnen und Schüler sind gefordert,
und zwar nicht als Objekte didaktischer Strategien,
sondern als aktive Nutzer der Lernangebote:
Denn die Bewältigung der Anforderungssituationen wird
mit wachsender Kompetenz zunehmend
reine Schülersache!
Denn: Kompetenzen können nicht im klassischen Sinne
gelehrt werden – sie müssen von den Schüler(innen)
aktiv erworben werden!
Dies zu wissen (und bei Planung u. Gestaltung von Unterricht
zu beachten) ist zentraler Bestandteil kompetenzorientierter
Lehrerprofessionalität!
Die Methodik kompetenzfördernden Unterrichts
Lehrmethode
PROZESS
Vermittlung von Wissen
und
dessen Situierung:
Lerngelegenheiten
arrangieren
Lersch 2009
+
Lernmethode
PROZESS
PERFORMANZSITUATIONEN
Aktivitäten der Schüler
(Denkoperationen und
Handlungen wie Üben,
Anwenden, Aufgaben o.
Probleme lösen usw.)
PRODUKT
Fachliche und
überfachliche
KOMPETENZEN
(Wissen und Können)
Grundstrukturen des Kompetenzerwerbs
a) deduktiv
Systematischer
Wissenserwerb
Situationen selbstständiger Schülerarbeit
W
S1
S2
S3
S4
Kompetenz
Fortschritte im Können
Situativ erforderlicher
Wissenserwerb
b) induktiv
W
S1 !!
S2
S3
Kompetenz
S1 ??
Fortschritte im Können
Lersch 2009
Lersch 2010
Unterricht und Kompetenzerwerb
Inhaltliche Progression + Bewältigung variabler Anforderungssituationen
Wissenszuwachs + Fortschritte im Können = Kompetenzzuwachs
+ Kultivierung überfachl. Kompetenzen
Wissen
Fachl.-inhaltl. Progression
Einheit 3
Inhalt 3
Einheit 2
Inhalt 2
Einheit 1
Inhalt 1
Fortschritte im Können
Kumulativer Kompetenzerwerb:
Curriculumentwicklung und Unterrichtsplanung
(„backward planning“)
Inhaltliche Progression
Kompetenzerwerb im
Unterricht
z.B. als
abschlussbezogener
Standard
formuliert
Distale
Kompetenz
„downsizing“
Proximale Kompetenz 2
Curriculumentwicklung
Unterrichtsplanung
Proximale Kompetenz 1
Fortschritte im
Können
Klasse 4
Klasse 6
Klasse 8
Klasse 9/10
Lersch 2010
Lersch 2010
Inhaltsauswahl u. kumulativer Kompetenzerwerb
1. Kriterium: Eignung für den Kompetenzerwerb
Orientierung: Standards bzw. Kompetenzbereiche des KLP
Beispielstandard Deutsch: „Die Lernenden können einen oder mehrere
Ausgangstexte zu einem eigenen Text verarbeiten.“
Der ausgewählte Inhalt ermöglicht „schöne“ altersgemäße Situierungen für
selbstständige Schülerarbeit möglichst mit steigendem Anforderungsgehalt; z.B.
für Klasse 5/6 bei „Erzählen“: a) Märchen nacherzählen aus der Erzählerperspektive b) Wechsel der Erzählperspektive c) Erzählen aus der Sicht einer Figur usw.
„Kumulativer Kompetenzerwerb“
2. Kriterium: Fachliche Systematik in der Progression
Orientierung: Inhaltsfelder/Inhalte des KC bzw. Kernlehrplans
Kl. 5/6: Nacherzählung eines Märchens – Kl. 7/8: eine Ballade in einen Erzähltext
oder Bericht umwandeln - Kl.9/10: Nacherzählen eines Aktes eines Dramas oder
Vergleich zweier Kurzgeschichten
(dabei werden zugleich weitere fachl. Kompetenzen aus den Kompetenzbereichen
„Schreiben“, „Lesen und Rezipieren...“, „Sprache und Sprachgebrauch...“ sowie
ggf. die eine oder andere überfachliche Kompetenz jeweils altersgemäß kultiviert)
What works best?
„If the teacher‘s lens can be changed to
seeing learning through the eyes of students,
this would be an excellent beginning.“
(Hattie 2009, S. 252)
Titel von: bildungbewegt, AfL Hessen Nr.9 Juni 2010
Titel von: bildungbewegt, AfL Hessen Nr.9 Juni 2010
Lersch 2010
Unterricht und Kompetenzerwerb
Inhaltliche Progression + Bewältigung variabler Anforderungssituationen
Wissenszuwachs + Fortschritte im Können = Kompetenzzuwachs
+ Kultivierung überfachl. Kompetenzen
Wissen
Fachl.-inhaltl. Progression
Einheit 3
Inhalt 3
Einheit 2
Inhalt 2
Einheit 1
Inhalt 1
Fortschritte im Können
Kriterien für die Auswahl der Inhalte
und das gilt sowohl für das Schulcurriculum
als auch für die konkrete Unterrichtsplanung!
•
Eignung für den Kompetenzerwerb
(Situierungen mit steigenden Anforderungen)
orientiert am erwarteten Kompetenzzuwachs (Kumulation)
•
Fachliche Systematik in der Progression
(exemplarische u. fundamentale Inhalte)
•
Schulische Besonderheiten
(Schulprofil, Entwicklungsperspektiven, Kollegium,
Schülerschaft, Umfeld, Ausstattung usw.)
Kompetenzorientiertes Schulcurriculum
Bildungsstandards
Vision von kompetenzorientiertem Unterricht
didaktische Impulse
Inhaltsfelder/
Inhalte
Lersch 2010
Unterrichtsentwicklung
„Eine Implementation von Bildungsstandards,
die nicht bis zum Unterricht durchschlägt und
die nicht die Lehrpersonen und letztlich die
Schülerinnen und Schüler als eigenständig
Lernende erreicht, wird nichts bewirken. Für
das Lehren und das Lernen gilt:
keine Qualität der Produkte ohne
entsprechende Prozessqualität.“
(Oelkers & Reusser 2008, 324)
Kompetenzerwerbsschema (Lersch 2007)
Didaktisch-methodische Modellierung kompetenzfördernden Unterrichts
für eine Unterrichtsreihe
Übungs-, Anwendungs- und
Verwendungs-
Kenntnisse
Fertigkeiten
Wissen
gemeinsame
Erarbeitung
W2
W1
Ausgangslage
der Schüler
S8
S9
S4
S5
S1
S2
S13
S14
S10
S11
S6
TK 3
S7
TK 2
1
S3
2
TK 1
3
Fortschritte im Können
(mit dem Wissen etwas anfangen)
Anspruchsniveau
Komplexität
Instruktion
W3
ZielKompetenz
Situationen
S12
Systematischer
Wissenserwerb
Komponenten
überfachlicher
Kompetenzen
Niveaustufen
123