Wie entsteht Reichtum - Appell für eine Vermögensabgabe

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Transcript Wie entsteht Reichtum - Appell für eine Vermögensabgabe

Der Preis der Ungleichheitdie neue Umverteilung
Dieter Lehmkuhl, WS Kongress Umverteilen. Macht.Gerechtigkeit
24.-26.5.2013
Die Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe
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Wer wir sind und was wir wollen ?
Beweggründe, Entwicklung, Resonanz
Wachsende Ungleichheit und ihre Ursachen
Wie entsteht Reichtum ?
Die Debatte um Umverteilung
Die gesundheitl. und sozialen Folgen von Ungleichheit die empirische Evidenz (www.equalitytrust.org.uk)
• Finanzkrise als Ausdruck einer tiefen System- und
Legitimationskrise
• Verteilungsgerechtigkeit als Fairnessfrage wirtschaftsethische Aspekte
• Die Rolle der Zivilgesellschaft/sozialer Bewegungen ?
Wachsende Ungleichheit und ihre Ursachen
• Goldenes Zeitalter der Nachkriegszeit (soziale Marktwirtschaft, rel. faire
Verteilung von Wachstum und Wertschöpfung, starke Gewerkschaften, soziale
Sicherheit, Wachstum, Zwiebelmodell, Ölkrise, Wachstum, marktliberale
Globalisierung)
• Stagnation der unteren und mittleren Einkommen (Harz IV, Löhne + Gehälter
ohne angemessene Beteiligung am Produktionsfortschritt)
• Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse (20% aller BV?)
• Eine fortgesetzte Steuerpolitik in Verbindung mit Steuerumgehung, die
einseitig die Wohlhabenden und Unternehmen begünstig;
• Steuerflucht, -vermeidung, aggressive Steuerplanung ((€ 10 Billionen EU, $
21-32 Bill. Weltweit)
• Spielregeln wurden zugunsten der Einkommen der Eliten geändert
(Selbstbedienung)(Verhältnis Primäreinkommen früher 1:20, heute bis 1:200)
• Krisenlasten werden auf Normalverdiener und sozial Schwache abgeladen
(soziale Einschnitte, Banken, Banker u.a. verschont)
• Neoliberale Agenda, Wegfall Systemkonkurrenz: in regellosen Märkten setzen
sich immer die Stärksten durch: die Monopolisten und die Reichsten
• Der „abnehmende Aneignungswiderstand“ großer Einkommen und Vermögen
(„rent seeking“, Zins- und Zinseszinseffekt)
Zu den EK- und Vermögensverhältnisse in D.
• Zunehmende Kluft zwischen arm und reich und Polarisierung der Einkommen
(Pyramide statt Zwiebel), national und international
• Starke EK- und Vermögenskonzentration bei den Reichen und Superreichen, nur
Top 20% noch mit deutlichen Zuwächsen ihrer finanziellen Spielräume (seit Beginn
der 90er Jahre bis 2007)*
• Wachstumsgewinne gehen fast nur noch an die TOP 10% der Einkommensbezieher
• Mittelschicht erodiert (Anteil 62% (2000) --54%(2006)identifiziert sich aber mit den
Wohlhabenden: Grabka u.a.2008, Q: Thielemann
• Zunehmende Armut (Kinder) in einem reichen Land (15%)
• Stagnation bzw. sinkende Nettoeinkommen bei der Mehrheit, insbesondere bei den
unteren 10% (minus 15%) und Renten(-20%)
• Weltweite Tendenz, in einigen Ländern besonders stark ausgeprägt (aber
Ausnahmen)
• Fast stärkster Anstieg der Ungleichheit von allen Industrieländern seit etwa 2000
mit höchster Millionärsdichte nach Schweiz, Japan, vor USA
• Deutschlands Sonderweg in der OECD und Europa (Globalisierung als Vorwand)
*freidisponible EK nach Abzug notwendiger Lebenshaltungskosten(F.A.S.)
Abgabenquoten Deutschlands und des EU-Durchschnitts
in zeitlicher Entwicklung
Deutschland
EU 15
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2006
Jahr
Quelle: Gerd Grözinger: Wider die Globolobotomie. In: Regina Kreise u.a. (Hrsg) : Transnationale
Verrechtlichung. Nationale Demokratien im Kontext globaler Politik, Campus, 2008
Vermögenssteuern Deutschlands und des EU-Durchschnitts als
Prozentanteil am BIP in zeitlicher Entwicklung
Deutschland
EU 15
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
1965
1970
1975
1980
1985
1990
Jahr
Quelle: dito
1995
2000
2006
Einkommenssteuern Privater in Deutschland und EUDurchschnitt in % BIP
Deutschland
EU 15
12,0
10,0
8,0
6,0
4,0
2,0
0,0
1965
Quelle: dito
1970
1975
1980
1985
Jahr
1990
1995
2000
2006
Gewinnsteuern von Kapitalgesellschaften in Deutschland
und EU-Durchschnitt in % BIP in zeitl. Entwicklung
Deutschland
EU 15
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
1965
1970
Quelle:dito
1975
1980
1985
Jahr
1990
1995
2000
2006
EK-Entwicklung 2000-2011
Vorstandsbezüge und Arbeitnehmereinkommen 2001 - 2010
EK-Zuwachs 2003 - 2009
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Realer Anstieg Haushaltseinkommen 1985 - 2008
Quintilverhältnis Alt EU
Refeudalisierung der Einkommensverhältnisse ?
USA Top 1% = 23.5% der EK und 34,6% bzw. 42,7% (mit bzw.
ohne Immobilien) der Vermögen(2007); UK ähnlich
Vermögenverteilung USA nach Quintilen
From Building a Better America - One Wealth Quintile at a Time by Michael I. Norton
of the Harvard Business School and Dan Ariely of Duke University, 2011
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Einige Mythen/Erzählungen
• Deutschland ist ein Hochsteuerland
• Löhne sind zu hoch
• Die Reichen tragen die höchste Steuerlast (TOP 10%= 54% der
EKST) (Anteile an Gesamtsteueraufkommen: EKST 38,5%, indirekte
Steuern 50% (TOP 10 = 19,7%, Sozialabgaben: Top10 = 23% (Fazit
Top 10 Anteil am Gesamtsteueraufkommen: 27,6% (Q:Thielemann
S.12)
• Die Globalisierung lässt uns keine andere Wahl (z.B. DK u.a.)
• Von Wachstum, Steuersenkung, Investitionen profitieren Alle (trickle
down, Pferdeäppeltheorie, Flut hebt alle Boote: wie ist die Evidenz ?)
• „Steuern sind so hoch wie nie zuvor“ (INSM) (fast 3%Punkte Verlust
BIP zw 2000+2010 Jahren), Grünes Steuerprogramm lasse die
Mittelschichten verarmen, laut verdi aber nur 5 % betroffen;
Steuererhöhung für Reiche  Wachstum
Vielmehr: der Reichtum des einen ist die Armut des anderen, beide
sind interdependent
Wie ist es zu dieser Umverteilung gekommen?
• „durch weitgehend geteilte sozial-konservative Grundüberzeugungen einer
immer homogener gewordenen politischen Klasse, getrieben durch mächtige
Interessengruppen und verstärkt durch eine ebenfalls ähnlich homogene
Medienlandschaft (Hartmann)“
• Paul Kirchhoff spricht vom „Feudalismus“ im deutschen Steuerrecht. Es beruhe
auf dem „Recht des ökonomisch Stärkeren“ und führe zu einer „Umverteilung
von Arm zu Reich“. Die Politik habe über lange Zeit Ausnahmen und Privilegien
geschaffen, die vor allem gut organisierte Interessengruppen begünstigten, die
ohnehin ökonomisch bevorteilt seien. „Die Schwachen werden belastet und die
Starken begünstigt“, Viele Politiker hätten an dem bisherigen „Verwirr- und
Privilegiensystem“ mitgewirkt. Sie sähen in den Vergünstigungen, die sie für
ihre Lobby erkämpft hätten, ihren beruflichen Erfolg und stünden einer Reform
im Weg. (F.A.S. Interview 21.8.11) „Postdemokratie“, z.B. US Kongress
• Joseph Stiglitz: durch „Rentseeking“ der oberen 1 %, die sich einen immer
größeren Teil des Kuchens zu Lasten aller anderen angeeignet hätten, ohne den
gesellschaftlichen Mehrwert zu erhöhen
• Umfrage Bertelsmannstiftung (2008) zur Frage der EK- und
Vermögensverteilung in D. (gerecht/ungerecht) bei Parlamentariern (2:1
gerecht), und in der dazu parallel befragten Bevölkerung (1:2 = mehrheitlich
ungerecht)
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Wie entsteht Reichtum ?
Durch eigene Anstrengung und Leistung (Frage: welche Leistung ist
was wert?)
„leistungslos“: Kapitalgewinne, Erbe (die meisten großen Vermögen,
Bsp Buffet), sinkender „Aneignungswiderstand“
Spekulation (Finanzkapital)
„Dirty money“ (Ausbeutung/Kolonialisierung, organisierte
Kriminalität, widerrechtliche Aneignung, Steuerhinterziehung,
Korruption, Bestechung)
Privilegierung, Begünstigung, Macht, Netzwerke (z.B.Monopole bzw.
Oligopole)
„Unfaire“ Primärverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten
Wohlstands („Dschungeltheorie“, Thielemann)
Wehler:Verhältnis der VS Gehälter großer dt. Aktiengesellschaften zu
o AN Einkommen 1985 noch 20:1; 2011 200:1 (DAX VS 1989 o
500.000 DM, 2009 bei o € 6 Millionen (VW Winterkorn 17 Mill.)
In USA: best verdienende Manager hat das 350.000 fache des gesetzlichen Mindestlohnes*, es gibt EK, die keine Leistung, wie auch immer,
rechtfertigt (z.B. Gates)* Mindestlohn 24.7.09 $ 7.25 (US Dep.o.Lab); John Paulson verdiente 2010 $ 5 Mrd. laut WSJ v. 28.1.11; Quelle:
Christian Felber: Gemeinwohlökonomie
Legitimationsideologien von Reichtum
• Mythos Leistung (Gates, Vasella, Steinbrück,
Depardieu, UBS)
• Jeder ist seines Glückes Schmied !
• Wer sich nur anstrengt, schafft es ! (IfMW)
• die Armen sind selbst Schuld an ihrem Schicksal !
• Elitedenken (wir sind die Auserwählten/Narzismus,
Rassismus)
u.a. ( Bsp. Ex Siemenschef von Pierer: „wir haben es
herabgereicht“)
Ist dem wirklich so ?
Ergebnisse der neueren Glücksforschung
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Familiäre Beziehungen
Finanzielle Situation (Einkommen)
Arbeitszufriedenheit
soziales Umfeld
Gesundheit
Persönliche Freiheit/Wahlfreiheit
Kontrolle über das eigene Leben
Partizipation/Beteiligung
Lebensphilosophie (Religion, Sinngebung u.ä.)
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen durchschnittl. pro Kopf
Einkommen und sozialem Wohlergehen in reichen Gesellschaften.
Größeres ökonomisches Wachstum wird NICHT dahin führen.
Quelle: Karl-Heinz Ruckriedel: Glücksforschung:How it affects politics and bussiness - a change of paradigm, CRM
Newsletter 2006 (ergänzt)
Index gesundheitlicher + sozialer Probleme
Health and Social Problems are Worse in More Unequal Countries
Index of:
• Life expectancy
• Math & Literacy
• Infant mortality
• Homicides
• Imprisonment
• Teenage births
• Trust
• Obesity
• Mental illness –
incl. drug &
alcohol addiction
• Social mobility
Source: Wilkinson & Pickett, The Spirit Level (2009)
www.equalitytrust.org.uk
Die sozialen Kosten von Ungleichheit
Menschen in EK-gleicheren Gesellschaften (sind)
• Körperlich und seelisch gesünder (LE, IM, PK, Sucht, Fettsucht,
teenager Schwangerschaft)
• Weniger gewaltsam (Tötungsdelikte, Gefangenenrate)
• Zeigen ein Mehr an Vertrauen und sozialen Beziehungen
• Haben besser Aufstiegschancen
• Im Umgang mit Kriminalität sozial integrativer
• Sozial funktionaler (sozialer Zusammenhalt, Solidarität)
• Besser für (fast) alle, auch die Reichen
• Die humanen und sozialen Kosten von Ungleichheit sind enorm
(Krankheit, Kriminalität, Vertrauen, Bildung)
Fazit: Größere Ungleichheit zerstört die soziale Matrix der Gesellschaft
(www.equalitytrust.org.uk)
Joseph Stiglitz
• Rentseeking als wesentliche Ursache
• Falsche Anreize (Monopolpreise, Oligopole, Subventionen etc).-Marktverzerrungen: kein zusätzlicher gesellschaftlicher MW, nur
größerer Teil des Kuchens wird nach oben verteilt
• Finanzmacht --- Begünstigung durch das politische und rechtliche
System
• Die Menschen mit wirklich bahnbrechenden Innovationen finden
sich nicht unter den TOP 1%
• Von einer Gesellschaft des Wohlstandes für alle zu einer G. des
Wohlstandes für wenige
• Große Ungleichheit beeinträchtigt die wirtschaftliche Stabilität und
geht einher mit weniger Wachstum, da ungleiche Staaten weniger in
die Bildung der Menschen, die wertvollste Ressource eines Landes,
investieren.
Fazit:Gesellschaften können nur prosperieren, wenn sie als Ganze
balanciert sind (Quelle: Stiglitz: Der Preis der Ungleichheit (2012)
Warum Wohlhabende für höher Steuern eintreten ?
• Wir sind Teil einer Gesellschaft, der wir viel verdanken und der wir uns verpflichtet
fühlen und der wir auch unseren Reichtum verdanken. Auch Wohlhabende und
Unternehmen profitieren von einer guten Infrastruktur, einem guten Gesundheitsund Bildungswesen, Rechtssicherheit und gut ausgebildeten Arbeitnehmern, die zum
gemeinsam erarbeiteten gesellschaftlichen Reichtum beitragen
• Die Anhäufung großen Wohlstandes in den Händen weniger beruht oft nicht so sehr
auf eigener Leistung, sondern des Versagens von Staat und Gesellschaft den
gemeinsam erarbeiteten gesellschaftlichen Reichtum fair zu verteilen
(Primärverteilung und Ausgleich ungerechter Marktverhältnisse durch
Transferleistungen)
• Wohlhabende haben von dem Wirtschaftsboom stark profitiert und müssen daher für
die Folgen mit aufkommen (Gerechtigkeits- und Verursacherprinzip)
• Überschussliquidität ist Mitursache der Finanzkrise und ihrer Folgen und nährt
weitere spekulative Krisen, wenn sie nicht abgeschöpft wird.
• Solidarität und Fairness sind wichtige Bestandteile eines Gemeinwesens. Stärkere
Schultern haben auch die stärkere Lasten zu tragen und die Besteuerung muss sich
wieder nach der Leistungsfähigkeit der zu besteuernden richten.
• Uns ginge es allen besser, wenn... Nur balancierte Gesellschaften prosperieren als
Ganze. Armut und Reichtum stehen in einem wechselseitigen Zusammenhang.
Was lässt sich tun (Ansatzpunkte) ?
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Ungleichheit hat viele Dimensionen
Höhere Besteuerung der Reichen (Mix) - Abschöpfung
Überschussliquidität
Primärverteilung (z.B. 1:12 Initiative + Christian Felber)
Bekämpfung der Steuervermeidung und Schließung der
Steueroasen (EU in 1 Jahrzehnt frei von Schulden)
Minderung struktureller Ungleichheit (kollektive solidarische
Schutzsysteme stärken)
Investition in Bildung
Andere Finanz- + Geldordnung
alternative Ökonomien und genossenschaftliche Formen
stärken (Wirtschaftsdemokratie)
Es bedarf angesichts der Vielfachkrisen eines Kultur- und
Mentalitätswandel - Wir müssen wieder die Fragen stellen:
was ist gerecht, wieviel ist genug? Was ist ein gutes Leben,
wie wollen wir leben?