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Verband polnischsprachiger Juristen (VPJ) e.V.
Jahresseminar des Verbandes
polnischsprachiger Juristen (VPJ) e.V.
11./12.5.2012
Köln
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im europäischen
Ausland
Anerkennung und Wirksamkeit –
Prof. Dr. Heinz Vallender, Köln
Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
1. Anwendbarkeit der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO)
Artikel 16
Grundsatz
(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3
zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird in allen übrigen
Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der
Verfahrenseröffnung wirksam ist.
Dies gilt auch, wenn in den übrigen Mitgliedstaaten über das
Vermögen des Schuldners wegen seiner Eigenschaft ein
Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte.
(2) Die Anerkennung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 steht
der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 durch ein
Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegen. In diesem Fall
ist das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 ein Sekundärinsolvenzverfahren im Sinne von Kapitel III.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
Artikel 17
Wirkungen der Anerkennung
(1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet
in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es hierfür irgendwelcher
Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates
der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese
Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen
Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist.
(2) Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in
den anderen Mitgliedstaten nicht in Frage gestellt werden. Jegliche
Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine
Stundung oder eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens, wirkt
hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen
Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung
hierzu erteilt haben.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
Artikel 26
Ordre Public
Jeder Mitgliedstaat kann sich weigern, ein in einem anderen
Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine
in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu
vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu
einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen
Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den
verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des
einzelnen, unvereinbar ist.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
EuGH
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 21. Januar 2010.
MG Probud Gdynia sp. z o.o.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Sąd Rejonowy Gdańsk-Północ w
Gdańsku - Polen.
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EG) Nr.
1346/2000 - Insolvenzverfahren - Weigerung eines Mitgliedstaats,
die Entscheidung des zuständigen Gerichts eines anderen
Mitgliedstaats über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die
Entscheidungen über die Durchführung und die Beendigung dieses
Insolvenzverfahrens anzuerkennen.
Rechtssache C-444/07.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
Leitsätze
Die Verordnung Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren ist so
auszulegen, dass in einem Fall, in dem nach der Eröffnung
eines Hauptinsolvenzverfahrens im Mitgliedstaat des
Hauptsitzes eines Unternehmens die zuständigen Behörden
eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieses Unternehmen über
eine Zweigniederlassung Bauarbeiten durchführt und in dem
kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist,
vorbehaltlich der in Art. 25 Abs. 3 und in Art. 26 der Verordnung
genannten Nichtanerkennungsgründe verpflichtet sind, alle
Entscheidungen im Zusammenhang mit diesem Hauptinsolvenzverfahren anzuerkennen und zu vollstrecken, und daher
nicht berechtigt sind, nach dem Recht des anderen Mitgliedstaats Vollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf in diesem
anderen Mitgliedstaat befindliche Vermögenswerte des
Schuldners, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, anzuordnen, wenn das Recht des Staates
der Verfahrenseröffnung dies nicht erlaubt und die Voraussetzungen für die Anwendung der Art. 5 und 10 der Verordnung
nicht erfüllt sind.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
Vorbehaltlich dessen erstreckt sich nämlich wegen der
universalen Geltung, die jedem Hauptinsolvenzverfahren
zuzuerkennen ist, das in einem Mitgliedstaat eröffnete
Insolvenzverfahren auf alle Vermögenswerte des Schuldners
einschließlich der in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen,
und nicht nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern
auch dessen Durchführung und Beendigung unterliegen dem
Recht des Staates der Eröffnung. Aufgrund dessen richtet sich
das Schicksal des in den anderen Mitgliedstaaten befindlichen
Vermögens und die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die
Maßnahmen, denen das Vermögen unterworfen werden kann,
nach diesem Recht.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
2. Anwendbarkeit des autonomen internationalen
deutschen Insolvenzrechts (§§ 335 InsO)
§ 335 InsO
Grundsatz
Das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen unterliegen, soweit
nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das
Verfahren eröffnet worden ist.
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Anerkennung und Wirksamkeit der ausländischen
Entscheidung
§ 343 InsO
Anerkennung
(1) Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird
anerkannt. Dies gilt nicht,
1. wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach
deutschem Recht nicht zuständig sind;2. soweit die Anerkennung zu
einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere
soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist.(2) Absatz 1 gilt
entsprechend für Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden, sowie für
Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des
anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland



Eine ausdrückliche Regelung zur Anerkennung einer Restschuldbefreiung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft
enthält die EuInsVO nicht.
Da die Erteilung der Restschuldbefreiung sich auf die Rechte der
Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens auswirkt
(siehe Art. 4 Abs. 2 lit k EuInsVO), ist es sachgerecht, sie als eine der
lex fori unterliegende „andere“ Entscheidung i.S.d. oben genannten
Vorschriften ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen.
Ein Anerkennungsverfahren findet demnach nicht statt. Beruht die im
Ausland erteilte Restschuldbefreiung auf einer gesetzlichen Anordnung, bedarf es bezüglich der Anerkennung nicht zwingend des
Rückgriffs auf die Regelungen der Art. 25 Abs. 1 Unterabsatz 1 und
Art. 25 Abs. 2 EuInsVO. Vielmehr ist die Anerkennung der Restschuldbefreiung in einem solchen Fall Folgewirkung der Anerkennung der
Eröffnungsentscheidung.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland

Die automatische Anerkennung der Restschuldbefreiung hat zur
Folge, dass weder eine Kontrolle der Entscheidung im
Anerkennungsstaat noch eine Nachprüfung in der Sache selbst
zulässig sind.
1. Wirkungen einer in einem Hauptinsolvenzverfahren
ergangenen Restschuldbefreiung
Das Hauptinsolvenzverfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das
gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen. Folgerichtig wirkt
nach Art. 17 Abs. 1 EuInsVO die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat unmittelbar auch auf die im Inland
belegene Masse. Dementsprechend erstrecken sich auch bei einer im
Hauptinsolvenzverfahren ergangenen Restschuldbefreiung die
Wirkungen der Entscheidung auf den gesamten Anwendungsbereich
der EuInsVO. Die Anerkennung betrifft nicht nur die Entscheidung
selbst, sondern bezieht sich auch auf die materiellrechtliche
Folgewirkung der Restschuldbefreiung.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
2. Wirkungen einer in einem Sekundärinsolvenzverfahren
ergangenen Restschuldbefreiung
Besonderheiten gelten hinsichtlich eines Territorialverfahrens
(Verfahren mit räumlich begrenzter Wirkung), bei dem die Gültigkeit
der Eröffnung des Verfahrens und seine Wirkungen auf die im Gebiete
des Staates der Verfahrenseröffnung belegenen Vermögenswerte
anerkannt werden (Art 3 Abs 2 S 2, 28 EuInsVO). Sieht das Recht des
Staates, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist,
eine Restschuldbefreiung nicht vor, steht den Gläubigern die
Möglichkeit von Einzelzwangsvollsteckungsmaßnahmen zu, die sich
jedoch auf das in diesem Staate (künftig belegene) Vermögen
beschränken.
Wird dem Schuldner indes im Sekundärinsolvenzverfahren Restschuldbefreiung erteilt, findet die Vorschrift des Art 17 Abs 2 S 2
EuInsVO Anwendung. Die Restschuldbefreiung bezieht sich in erster
Linie nur auf das im Inland (Eröffnungsstaat des Sekundärinsolvenzverfahrens) belegene Vermögen.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
3. Ordre public
Die aus der Anerkennung der im Ausland erteilten Restschuldbefreiung folgende Verpflichtung zur Beachtung von Regelungen und
Ergebnissen des ausländischen Insolvenzrechts, die als Teil der
ausländischen lex fori concursus diese Beachtung verlangen können,
hindert im inländischen Verfahren indes die Berufung auf den
Vorbehalt des ordre public nicht.
Gerichte, die mit einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung
befasst sind, haben das ausländische Insolvenzrecht, das der
Entscheidung zugrunde liegt, nach § 293 ZPO bzw. § 12 FGG von
Amts wegen zu ermitteln.Bei einem Streit darüber, ob die im Ausland
erteilte Restschuldbefreiung oder einzelne ihrer Folgewirkungen
anzuerkennen ist oder nicht, obliegt die Darlegungslast für einen
Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung demjenigen, welcher
der Anerkennung widerspricht .
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
Siehe dazu LG Köln, Urt. v. 14.10.2011 – 82 O 15/08 (nicht
rechtskräftig), ZIP 2011, 2119
Leitsatz
Verlegt ein Schuldner seinen Wohnsitz nur zum Schein nach
Großbritannien, um sich – die Möglichkeiten des organisierten
Insolvenztourismus nutzend – durch das unkomplizierte
englische Insolvenzverfahren innerhalb eines Jahres zu
entschulden und sich dadurch berechtigten Gläubigerforderungen zu entziehen, liegt ein Verstoß gegen den deutschen
Ordre public vor, der dazu führt, dass von der englischen
Restschuldbefreiung erfasste Forderungen in Deutschland
gleichwohl durchsetzbar sind.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
Cour d‘Appel Colmar v. 13.12.2011 - I A 11/01869, ZInsO 2012, 441444
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des sittenwidrigen
Erschleichens eines Insolvenzverfahrens in Frankreich
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
BGH v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, NJW 2008, 3640-3641
Leitsatz
Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangenen
Urteil könne wegen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr
vollstreckt werden, kann nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgt werden.
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Restschuldbefreiung im „EU“-Ausland
BGH:
„Der Schuldner kann den Einwand, aufgrund der Entscheidung des High
Court of Justice vom 2. Oktober 2006 sei ihm die RSB erteilt worden, aus dem
Versäumnisurteil des Landgerichts Dresden vom 5. September 2005 könne
daher nicht mehr vollstreckt werden, nur im Weg der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen. Eine Geltendmachung der RSB im Wege der
Vollstreckungserinnerung nach $ 766 ZPO ist unzulässig. Es handelt sich nicht
um eine Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung.“
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Insolvenztourismus nach England
Restschuldbefreiung in England
Royal Courts of Justice, High Court Re Vitus Anton
Mitterfellner v. 10.6.2009 – Ca. Nr. 10421/2008
Leitsätze (des Verfassers)
1. Die in dem Schuldnerantrag gemachten tatsächlichen
Angaben sind einer sorgfältigen Plausibilitätsprüfung zu
unterziehen.
2. Die Gerichte haben Behauptungen der am Verfahren
beteiligten Parteien scharfsinnig zu hinterfragen und
Unterlagen kritisch zu überprüfen, um einen Missbrauch und
– unerlaubtes – „forum shopping“ zu verhindern.
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Insolvenztourismus nach England
Problemstellung
Welche Anforderungen sind an den Eigenantrag eines
ausländischen Schuldners auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen in England zu
stellen?
Bisherige Gerichtspraxis in England
Gerichte prüften bislang lediglich die formelle Ordnungsgemäßheit des Schuldnerantrags.
Diese Praxis ist nach der vorgenannten Entscheidung nicht mehr
zulässig. Danach ist zu erwarten, dass künftig rechtsmíßbräuchlich gestellte Anträge häufiger wegen mangelnder
internationaler Zuständigkeit zurückgewiesen werden.
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