Fernleihe von E-Journals

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Transcript Fernleihe von E-Journals

Fernleihe von E-Journals
29.11.2013
ZBIW Köln
Oliver Hinte
Vorsitzender dbv Rechtskommission
Gliederung
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I. Rechtliche Grundlagen
•
II. Arbeitshinweise
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III. Einzelprobleme
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I. Urheberrechtsgesetz und Leihverkehrsordnung
§ 53a UrhG Kopienversand auf Bestellung (in Kraft seit 01.01.2008)
1) Zulässig ist auf Einzelbestellung die Vervielfältigung und Übermittlung einzelner in Zeitungen und Zeitschriften
erschienener Beiträge sowie kleiner Teile eines erschienenen Werkes im Wege des Post- oder Faxversands
durch öffentliche Bibliotheken, sofern die Nutzung durch den Besteller nach § 53 zulässig ist. Die
Vervielfältigung und Übermittlung in sonstiger elektronischer Form ist ausschließlich als grafische Datei und zur
Veranschaulichung des Unterrichts oder für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zulässig, soweit dies zur
Verfolgung nicht gewerblicher Zwecke gerechtfertigt ist. Die Vervielfältigung und Übermittlung in sonstiger
elektronischer Form ist ferner nur dann zulässig, wenn der Zugang zu den Beiträgen oder kleinen Teilen eines
Werkes den Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht offensichtlich von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl mittels einer
vertraglichen Vereinbarung zu angemessenen Bedingungen ermöglicht wird.
(2) Für die Vervielfältigung und Übermittlung ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der
Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
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Urheberrechtsschranke
§ 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch
(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen
Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich
rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die
Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um
Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit
ähnlicher Wirkung handelt.
(2) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen
1.zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und sie keinen
gewerblichen Zwecken dient,
2.zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die
Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird,
3.zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt,
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§ 53 UrhG geht weiter
4.zum sonstigen eigenen Gebrauch,
a)wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind,
b)wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.
Dies gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 2 nur, wenn zusätzlich
1.die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Ver fahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird oder
2.eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet oder
3.das Archiv im öffentlichen Interesse tätig ist und keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgt.
Dies gilt in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 und 4 nur, wenn zusätzlich eine der Voraussetzungen des Satzes 2 Nr. 1 oder 2 vorliegt.
(3) Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke von kleinen Teilen eines Werkes, von Werken von geringem Umfang oder von einzelnen Beiträgen, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht
worden sind, zum eigenen Gebrauch
1.zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in Einrichtungen der Berufsbildung in der für die Unterrichtsteilnehmer erforderlichen Anzahl oder
2.für staatliche Prüfungen und Prüfungen in Schulen, Hochschulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in der Berufsbildung in der erforderlichen Anzahl
herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist. Die Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist, ist stets nur mit
Einwilligung des Berechtigten zulässig.
(4) Die Vervielfältigung
a) graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
b) eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt,
ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 oder zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein
seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.
(5) Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 sowie Absatz 3 Nr. 2 finden keine Anwendung auf Datenbankwerke, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind. Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 sowie Absatz 3 Nr. 1
finden auf solche Datenbankwerke mit der Maßgabe Anwendung, dass der wissenschaftliche Gebrauch sowie der Gebrauch im Unterri cht nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgen.
(6) Die Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Zulässig ist jedoch, rechtmäßig hergestellte Vervielfältigungsstücke von Zeitungen und vergriffenen Werken sowie
solche Werkstücke zu verleihen, bei denen kleine beschädigte oder abhanden gekommene Teile durch Vervielfältigungsstücke ersetzt worden sind.
(7) Die Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger, die Ausführung von Plänen und Entwürfen zu Werken der bildenden Künste und der Nachbau eines Werkes
der Baukunst sind stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__53.html
http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0610.html.de
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Leihverkehrsordnung (Verwaltungsanweisung auf Länderebene)
Leihverkehrsordnung vom 08. März 2004
(Auszug)
Präambel
…
Der Zugriff auf elektronische Volltexte sowie deren Lieferung auf anderen Datenträgern ist im Rahmen von lizenzrechtlichen und
vertraglichen Bedingungen einzubeziehen.
1
Allgemeines
1.1
Der Deutsche Leihverkehr - im folgenden "Leihverkehr" - ist eine kooperative Einrichtung der Bibliotheken in der Bundesrepublik
Deutschland zur Vermittlung und Lieferung von Medien, unabhängig von der physischen Form.
15
Kopien im Leihverkehr
15.1
Aufsätze und Schriften geringeren Umfangs, Zeitungsartikel und Textausschnitte werden grundsätzlich nur in Kopie bzw. in einer
anderen Wiedergabeform geliefert, soweit dies urheberrechtlich und lizenzrechtlich zulässig ist; die neuen technischen
Kommunikationsmöglichkeiten sollen dabei vorrangig genutzt werden. Der Lieferung ist ein Bestellnachweis beizufügen.
http://www.hbz-nrw.de/dokumentencenter/produkte/online_fernleihe/aktuell/verordnungen/lvo_nrw2004.pdf
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II. Arbeitshinweise

Ziel des § 53a: Der digitale Kopienversand sollte
auf eine stabile Basis gebracht werden

Hintergrund: BGH ZUM 1999, 566 Urteil Kopienversanddienst; dieser ist zulässig

Grundlage für ein schnell funktionierendes und
wirtschaftlich arbeitendes Informationswesen
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Wie verfährt man richtig?
Auch nach Inkrafttreten des § 53a ist es gerade bei
der elektronischen Dokumentenlieferung nicht
einfach zu bestimmen, wann der Versand erlaubt
und wann er (ohne Erlaubnis der Rechteinhaber)
verboten ist.
Gründe: Interessengegensatz Bibliotheken
Verlage
Bei gedruckten Werken gilt § 17 UrhG (Erschöpfung)!
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Voraussetzungen Fernleihe
1. Beim Versand von Papierkopien muss eine
Einzelbestellung vorliegen. (der Auftrag darf nicht
lauten: Alle Aufsätze zu Thema XYZ)
2. Der Besteller muss sich auf § 53 UrhG berufen
können (im Zweifel kann die Bibliothek davon
ausgehen, dass diese Voraussetzung erfüllt ist).
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Voraussetzungen digitaler Versand
1. Die Datei muss zur Verwendung im Unterricht und
der Wissenschaft abgefordert werden
2. Bei der versendete Datei muss sich um eine
grafische Datei (PDF o. ä.) handeln.
3. Für die gewünschte Kopie darf es keinen
bedingten elektronischen Direktzugang geben.
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Was bedeutet „Vorliegen eines bedingten elektronischen Direktzugangs?“
Das kommerzielle Angebot muss:
1.
offensichtlich
2.
unter angemessenen Bedingungen
erfolgen.
(1)- Nachweis in EZB
(2) Einzelfallregelung (Preis pro Aufsatz; Regelung
kann durch Lizenzvertrag erfolgen)
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Was könnte sich ändern?
Wir werden eine Reform des Urheberrechts auf den
Weg bringen mit dem Ziel, den wichtigen Belangen von
Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker
Rechnung zutragen und eine Bildungs- und
Wissenschaftsschranke einführen. Wir werden prüfen,
ob den öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht
eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu
lizensieren.
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III. Einzelprobleme; die Interpretation von Vertragstexten; AGBs, etc.
1. Wie ist der Vertrag zu interpretieren, wenn er die Übermittlung
auf veraltete, elektronische Liefermethoden eingrenzt ? (Fax,
Ariel-Stationen etc.)?
§ 53a UrhG ist „offen“ formuliert, d. h. dass er keine bestimmte
Übermittlungsart vorschreibt; jede zeitgemäße Übermittlung ist
gestattet, so lange die Datei als grafische Datei (d. h. nicht
systematisch durchsuchbar) übermittelt wird.
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2. Wie ist der Vertrag zu interpretieren, wenn keine Formulierungen
zur Fernleihe im Vertrag stehen?
Bei der Vorschrift des § 53a UrhG handelt es sich
um eine sogenannte Schranke, d. h. die Vorschrift
schränkt die Rechte des Rechteinhabers ein. Wenn
im Vertrag keine Aussage zur Fernleihe getroffen
wird, kann diese nach den Voraussetzungen des
§ 53a UrhG erfolgen.
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3. Was ist zu tun, wenn gar kein Vertrag existiert? Gelten dann die
Nutzungsbedingungen von der Website des Anbieters?
Es wird kein schriftlicher Vertrag existieren. Zur
Auslegung sind dann die Nutzungs-/ Allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Anbieters
heranzuziehen.
Beispiele:
http://www.mohr.de/fileadmin/user_upload/Zeitschriften/Nutzungsbedingungen_Zeitschriften_Mohr_Siebeck.pdf
http://beck-online.beck.de/?typ=service&subtyp=becknet.service.agb
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4. Was geschieht im Fall eines Verstoßes / einer Fehlinterpretation
der Lizenz?
Wenn es der Anbieter überhaupt merken sollte,
erfolgt eine Aufforderung, das Verhalten zu
unterlassen. Wahrscheinlich wird ein
Lizenzangebot unterbreitet. Eine Abmahnung wird
in der Regel nicht erfolgen, da noch keine
Verletzung im Sinne der §§ 97 ff. UrhG vorliegt.
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5. Kann/Soll man Indikatoren, die für Nationallizenzen eingetragen wurden bei
Einzellizenzierungen übernehmen – in Fällen bei denen die Fernleihklausel fehlt?
Nein!
In der Regel ist der elektronische Versand zulässig!
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6. Gibt es Empfehlungen für die Auslegung von Einschränkungen im Lizenztext?
[…] If the number of copies provided in any one
calendar year for any one journal title to any one
library exceeds five articles, […]
Wie soll das nachvollzogen werden?
§ 53a UrhG sieht keine Beschränkung der Anzahl
vor!!!
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7. Wenn Titel über JSTOR Current lizensiert werden, gelten dann die Fernleih-Bedingungen von
JSTOR, die ggf. einschränkender sind, als die der einzelnen Verlage?
JSTOR ist Vertragspartner, also gelten dessen
Bedingungen.
Allerdings müsste JSTOR auch einzelne Artikel
zum Abruf bereit stellen, wenn elektronischer
Versand untersagt sein sollte.
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8. Was ist beim Umgang mit „Archivrechten“ (Abo nicht mehr laufend)
zu beachten ?
Solange Archivrechte existieren, kann mit den
Texten wie mit vorhandenen Printexemplaren
verfahren werden.
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9. Besteht eine Verpflichtung zur „laufende Beobachtung“
von Lizenzverträgen im Internet?
Nein, der Vertragspartner muss über eine
Änderung der Lizenzbedingungen informieren.
Eine andere Frage ist, ob die Verfügbarkeit eines
offensichtlichen, angemessenen Angebots geprüft
werden muss; dies ist zu bejahen.
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10. Nachfragen und Auskünfte von Verlagen zu Einzellizenzen?
Verlage sind zur Auskunft verpflichtet!
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Beispiele
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Ist die Fernleihe von E-Journals möglich?
Ja, wenn man die Grenzen
des § 53a UrhG richtig auslegt!!!
Danke!
[email protected]
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