Arbeit auf Abruf

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Transcript Arbeit auf Abruf

Herzlich Willkommen
Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Flexibel auf Biegen und Brechen
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Begrüssung und Eröffnung
Andreas Rieger, Co-Präsident Unia
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Flexible Arbeitsformen, Auswirkungen Arbeitsrecht
Arbeit auf Abruf, Stand der Dinge, Gesetzgebung und Jurisprudenz
Dr. Giacomo Roncoroni, ehemaliger Leiter Abteilung
für Gesetzgebungsprojekte des Bundesamtes für Justiz
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Gelegenheits- oder Aushilfsarbeit
Zeitpunkt und Dauer der einzelnen Einsätze durch
Parteivereinbarung bestimmt.
Keine Pflicht, (weitere) Einsätze anzubieten bzw. zu
akzeptieren.
Kein Rahmenvertrag
Kettenverträge als Gesetzesumgehung?
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Arbeit auf Abruf
Unechte Arbeit auf Abruf
Echte Arbeit auf Abruf
Rahmenvertrag
Zeitpunkt und Dauer der
einzelnen Einsätze durch
Parteivereinbarung bestimmt.
Zeitpunkt und Dauer der
einzelnen Einsätze einseitig vom
Arbeitgeber festgelegt.
Keine Pflicht, (weitere) Einsätze
anzubieten bzw. zu akzeptieren.
Zwei Pflichten des
Arbeitnehmers:
- sich zur Arbeitsleistung bereit
zu halten (Rufbereitschaft)
- bei Abruf (einseitiges Begehren
des Arbeitgebers) Arbeit zu
leisten.
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Art. 324 OR
III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung
1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers
1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet
werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der
Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes
verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet
ist.
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Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er
wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch
anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen
hat.
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Art. 326
V. Akkordlohnarbeit
1. Zuweisung von Arbeit
1 Hat der Arbeitnehmer vertragsgemäss ausschliesslich Akkordlohnarbeit nur
für einen Arbeitgeber zu leisten, so hat dieser genügend Arbeit zuzuweisen.
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Ist der Arbeitgeber ohne sein Verschulden ausserstande, vertragsgemässe
Akkordlohnarbeit zuzuweisen oder verlangen die Verhältnisse des Betriebes
vorübergehend die Leistung von Zeitlohnarbeit, so kann dem Arbeitnehmer
solche zugewiesen werden.
3 Ist der Zeitlohn nicht durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder
Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den
vorher durchschnittlich verdienten Akkordlohn zu entrichten.
4 Kann der Arbeitgeber weder genügend Akkordlohnarbeit noch Zeitlohnarbeit
zuweisen, so bleibt er gleichwohl verpflichtet, nach den Vorschriften über den
Annahmeverzug den Lohn zu entrichten, den er bei Zuweisung von
Zeitlohnarbeit zu entrichten hätte.
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Art. 69 Abs. 1 ArGV 1
Bekanntgabe der Arbeitszeiten und der Schutzvorschriften
1
Bei der Planung für die im Betrieb massgeblichen Arbeitszeiten, wie
Rahmeneinsatzzeiten, Pikettdienst, Einsatzpläne, bewilligte
Stundenpläne und deren Änderungen sind die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen beizuziehen. Über den Zeitpunkt der konkreten
Einführung der massgeblichen Arbeitszeiten sind die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen möglichst frühzeitig zu informieren, in der Regel
zwei Wochen vor einem geplanten Einsatz mit neuen Arbeitszeiten.
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Grundsätzliche Pflicht, die Rufbereitschaft zu entlöhnen
Bei der Arbeit „muss es sich nicht unbedingt um ein Tätigsein handeln. Auch die
blosse Arbeitsbereitschaft dient der Bedürfnisbefriedigung des Arbeitgebers, dies
selbst dann, wenn die Präsenzzeit ausserhalb des Betriebs geleistet wird. Ebenso
zu bejahen ist, dass ein solcher Bereitschaftsdienst [also die Rufbereitschaft] nur
gegen Lohn zu erwarten ist (Art. 320 Abs. 2 OR), denn der Arbeitnehmer leistet ihn
nicht uneigennützig, sondern im Hinblick auf die (entgeltliche) Hauptleistung.
BGE 124 III 249 E. 3.b
Höhe des Lohns für die Rufbereitschaft
Allerdings hat der Arbeitgeber an diesem Dienst regelmässig ein geringeres
betriebswirtschaftliches Interesse als an der Tätigkeit, für welche er den
Arbeitnehmer eigentlich eingestellt hat. Dazu kommt, dass ausserhalb des Betriebs
geleistete Bereitschaftszeit für arbeitsfremde Verrichtungen genutzt werden kann,
soweit dies nicht die vereinbarte Einsatzbereitschaft mindert oder ausschliesst.
Folglich muss die Rufbereitschaft - abweichende Vereinbarung vorbehalten - nicht
gleich wie die Haupttätigkeit entlöhnt werden.
BGE 124 III 249 E. 3.b
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
Arbeit auf Abruf und Betriebsrisiko nach Bundesgericht
(…) « régie par le Titre dixième du Code des obligations, relatif au contrat de
travail », cette forme de travail [scil. le travail sur appel] doit respecter les
dispositions légales impératives (art. 361 et 362 CO).
BGE 125 III 65 E. 3.b
(…) « il résulte de l'art. 324 al. 1 CO que le risque de l'entreprise incombe non
pas au travailleur, mais à l'employeur. En conséquence, lorsque, pour des motifs
économiques, il refuse la prestation de travail dûment offerte, l'employeur tombe
en demeure et reste devoir le salaire. Cette règle est impérative (…) ».
« La loi ne réserve aucune exception à l'application de l'art. 324 al. 1 CO en
faveur du travail sur appel. La cour cantonale n'expose d'ailleurs pas quelle raison
justifierait une telle exception. Force est ainsi d'admettre que l'autorité intimée a
clairement violé cette disposition en jugeant que le travailleur pouvait valablement
accepter de prendre à sa charge les risques qui, de par la loi, incombaient à
l'employeur.
BGE 125 III 65 E. 5
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Arbeit auf Abruf und Betriebsrisiko nach der Lehre
- Die Arbeit auf Abruf stellt eine Umgehung von Art. 324 OR dar; der
Verzicht auf eine Entlöhnung für die Rufbereitschaft ist nur gültig, wenn
damit keine Umgehung der Tragung des Betriebsrisikos bezweckt wird
(Vischer).
- Ist die Arbeitszeit offen, d.h. nicht vertraglich geregelt und so dem
Gutdünken des Arbeitgebers überlassen, liegt eine unzulässige
Überwälzung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer vor (Egli).
- Vertragsklauseln, die keine minimale Arbeitszeit (und so keinen Lohn)
garantieren, überwälzen das Betriebsrisiko auf den Arbeitnehmer (ByrneSutton).
- Auf die Arbeit auf Abruf könnte Art. 326 OR, also die Regelung eines
Sonderfalls des Annahmeverzugs des Arbeitgebers, angewendet werden
(Wyler, Byrne-Sutton).
- Dem Arbeitnehmer auf Abruf, dem gekündigt wird, steht ein Lohnanspruch
nach Art. 324 OR zu, wenn der Arbeitgeber ihn während der
Kündigungsfrist nicht beschäftigt.
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Vorschläge der Lehre zur Bemessung des Lohns für die
Rufbereitschaft
- Ein tieferer als der Grundlohn ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer innert einer angemessenen Frist mitteilen muss, wann der Einsatz
erfolgt, oder wenn die Einsätze von vornherein nur für bestimmte Wochentage
möglich sind (Vischer).
- Der Lohn für die Rufbereitschaft muss der Einschränkung der Disponibilität des
Arbeitnehmers entsprechen: Je kürzer die Ankündigungsfrist, also der Zeitraum
zwischen Abruf und Einsatztermin ist, desto höher muss der Lohn sein (Vischer).
- Unterscheidet sich die Rufbereitschaft zu Hause nur unwesentlich von derjenigen
im Betrieb, dürfte annähernd der volle Lohn geschuldet sein (Egli).
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Juristische und gewerkschaftliche Fachtagung
„In der Praxis wird aber kaum ein Arbeitnehmer bereit sein, ohne Zusicherung einer
durchschnittlichen Beschäftigung“ einen Rahmenvertrag abzuschliessen, bei dem der
Arbeitgeber „keine feste Anstellungsdauer garantiere, sondern nach seinen
Bedürfnissen den Arbeitnehmer abrufe“.
Streiff/von Kaenel, 1992
„Die engagierte Stellungnahme des Bundesgerichts, Arbeit auf Abruf sei zulässig (124
III 249 E.2a), steht in einem Spannungsverhältnis zur Aussage, Art. 324 sehe für die
Arbeit auf Abruf keine Ausnahme vor und verbiete die Übertragung des Betriebsrisikos
auf den Arbeitnehmer (BGE 125 III 65 E.5 […]). Konsequent angewandt würde
Letzteres das Ende jeder kapazitätsorientierten, variablen Arbeitszeit bedeuten, ein
Grundsatzentscheid von einer Tragweite, der einer klaren Stellungnahme des
Gesetzgebers bedürfte und sich nicht allein auf eine an der Betriebsrisikolehre
orientierte Exegese von Art. 324 stützen kann. Umgekehrt ist unerträglich und
verstösst gegen Art. 27 ZGB, wenn sich ein Arbeitnehmer ständig in Rufbereitschaft
zu halten hat, deshalb seinen Lebensunterhalt nicht anderweitig verdienen kann und
plötzlich mangels Abruf seine Existenz nicht mehre bestreiten kann (…).
Streiff/von Kaenel, 2006
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Juristische Lösungsansätze zur
Wiedereinführung der Planbarkeit der Arbeit
Prof. Thomas Geiser, Professor Universität
St. Gallen, Institut für Arbeitsrecht
Pause
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Auswirkungen prekärer Arbeitsformen
auf die Arbeitslosenversicherung
Danièle Riva, SECO, Arbeitsmarkt und
Arbeitslosenversicherung
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Die gewerkschaftliche Kampagne gegen die
Prekarisierung der Arbeit im Stundenlohn
Philip Thomas, Rechtsdienst Unia
Catherine Laubscher, Mitglied der Sektorleitung Tertiär Unia
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• Unia kämpft für sichere und geregelte
Arbeitsbedingungen
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-
Unia fordert, dass jeder Vertrag eine bestimmte Anzahl
wöchentlicher oder zumindest monatlicher Arbeitsstunden enthält.
- Unia fordert, dass auch Teilzeitangestellte die Arbeitsstunden, die
über die vereinbarte Arbeitzeit hinaus gehen entweder mit einem
Zuschlag von 25 % ausbezahlt erhalten oder kompensieren
können.
- Unia fordert, dass die Arbeitspläne 3 Wochen im Voraus bekannt
gegeben werden.
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- Unia fordert, dass Arbeitnehmende, deren Arbeitspläne
kurzfristig geändert werden, Lohnzuschläge erhalten.
- Unia fordert, dass die in den Arbeitsplänen vorgesehenen
Stunden vom Arbeitgeber bezahlt werden, auch wenn der
Arbeitgeber kurzfristig auf die Arbeitsleistung verzichtet,
- Unia fordert, dass die Ferienentschädigung der Arbeitnehmenden
im Stundenlohn zum Zeitpunkt des Ferienbezugs bezahlt wird.
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GAV- Regelungen statt Arbeit auf Abruf
1. Der Genfer Gesamtarbeitsvertrag Non-Food Verkauf
Alle Verträge haben eine vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit vorzusehen
Ende Monat wird ein Fixlohn überwiesen
Alle Arbeitnehmenden können zwischen Montag und Samstag zur Arbeit
verpflichtet werden, haben aber Anspruch auf fix definierte freie Tage
während der Woche. Die Anzahl freier Tage hängt vom Beschäftigungsgrad
ab, nämlich:
Beschäftigungsgrad 0 % bis 45 %
Beschäftigungsgrad 46 % bis 50 %
Beschäftigungsgrad 51 % bis 70 %
Beschäftigungsgrad 71 % bis 89 %
die Arbeitstage sind fix
Anspruch auf 2,5 fixe freie Tage pro Woche (oder 5 Halbtage)
Anspruch auf 2 fixe freie Tage pro Woche (oder 4 Halbtage)
Anspruch auf 1 fixen freien Tag pro Woche (oder 2 Halbtage)
Die fixen freien Tage sind in jedem Arbeitsvertrag vorgesehen
Es ist möglich, mehr als die vereinbarten wöchentlichen Stunden zu
arbeiten, aber dann sind:
die ersten 30 Stunden, die während des Jahres zusätzlich gearbeitet
wurden, zu 100% zu entlöhnen;
diejenigen Stunden, die über die ersten 30 Stunden hinaus zusätzlich
gearbeitet wurden, mit einem Zuschlag von +35% auszuzahlen.
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2. Rahmenvertrag für den Genfer Detailhandel
(allgemeinverbindlich)
Alle Verträge müssen schriftlich abgefasst sein
Alle Verträge haben eine Anzahl wöchentlicher Arbeitsstunden
vorzusehen
Alle über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinaus
geleisteten Stunden gelten als Überstunden und sind:
entweder durch Freizeit auszugleichen oder
jedes Mal, wenn sie nicht innerhalb von 4 Monaten
kompensiert werden, mit einem Zuschlag von +25 %
auszuzahlen.
Fragen???