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Paulus aus Tarsus
Rückblick und Eröffnung der Akademie am Vormittag
„Stoff für Reformationen-der Römerbrief , Januar – Mai 2013
Paulus war als Diasporajude mit römischem
Bürgerrecht in Tarsus aufgewachsen
Tarsus war eine hellenistische Metropole, wie z.B.
das antike Pergamon an der Westküste Kleinasiens
Im Seleukidischen Großreich (3.-1. Jh. v. Chr.)
herrschte die hellenistische Kultur – Griechisch war
Weltsprache
Die Kultur wirkte auch auf die zahlreichen jüdischen
Diasporagemeinden ein, von denen Alexandria die größte
war, der Überlieferung nach Ort der Übersetzung der
hebräischen Bibel ins Koine-Griechische (Septuaginta)
Grab Schammais
Unter dem Einfluss der Pharisäer entwickelte sich das
Rabbinentum. Es bildeten sich exegetische Schulen.
Schammai begründete im 1. Jh. v. Chr. eine strenge
pharisäischen Schule, der auch Paulus sich in
Jerusalem anschloss
Über keine andere Gestalt aus dem
Urchristentum wissen wir mehr als
über Paulus.
Die von Lukas um 90 n. Chr.
verfasste Apostelgeschichte erzählt
seinen Weg nach, von seiner
Berufung, seine drei Missionsreisen
bis zu seinem Aufenthalt in Rom.
Weniger ausschmückend und
harmonisierend sind die
autobiografischen Zeugnisse in den
Paulusbriefen, vor allem im
Galaterbrief, den er Mitte der 50ziger
n. Chr. verfasst.
Im Unterschied zu Lukas sieht
Paulus sich selbst als Apostel Christi.
Tiberius Claudius Caesar, grüßt die
Stadt Delphi…Da sie aber jetzt von
Bürgern verwaist sein soll, wie mir
jüngst Lucius Iunius Gallio, mein
Freund und Proconsul, berichtet hat, so
gebe ich als Ausdruck meines Willens,
dass Delphi den früheren Glanz
vollkommen wiedererlange…
Fragmente eines Dekretes des Kaisers Claudius für
Delphi, in dem er seinen Prokonsul Gallio erwähnt,
der auch in Apk 18,12 erwähnt wird – Ansatz für die
zeitliche Einordnung
Lukas schreibt in der Apostelgeschichte 18,1-3.12 über den
Aufenthalt von Paulus in Korinth während seiner zweiten
Missionsreise:
„Danach verließ Paulus Athen und kam nach Korinth und
fand einen Juden mit Namen Aquila, aus Pontus gebürtig;
der war mit seiner Frau Priscilla kürzlich aus Italien
gekommen, weil Kaiser Claudius allen Juden geboten
hatte, Rom zu verlassen…
Als aber Gallio Statthalter in Achaja war, empörten sich die
Juden einmütig gegen Paulus und führten ihn vor den
Richterstuhl.“
Autobiographisches Zeugnis im Galaterbrief 1, 11ff.
„Denn ich tue euch kund, liebe Brüder, dass das
Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht von
menschlicher Art ist. Denn ich habe es nicht von
einem Menschen empfangen oder gelernt, sondern
durch eine Offenbarung Jesu Christi. Denn ihr habt
ja gehört von meinem Leben früher im Judentum, wie
ich über die Maßen die Gemeinde Gottes verfolgte
und sie zu zerstören suchte und übertraf im Judentum
viele meiner Altersgenossen in meinem Volk weit und
eiferte über die Maßen für die Satzungen der Väter.
Als es aber Gott wohlgefiel, der mich von meiner
Mutter Leib an ausgesondert und durch seine Gnade
berufen hat, dass er seinen Sohn offenbarte in mir,
damit ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte
unter den Heiden, da besprach ich mich nicht erst mit
Fleisch und Blut, ging auch nicht hinauf nach
Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren,
sondern zog nach Arabien und kehrte wieder zurück
nach Damaskus.“
„Danach, drei Jahre später, kam ich
hinauf nach Jerusalem, um Kephas
kennen zu lernen, und blieb fünfzehn Tage
bei ihm. Von den andern Aposteln aber
sah ich keinen außer Jakobus, des Herrn
Bruder. Was ich euch aber schreibe –
siehe, Gott weiß, ich lüge nicht! Danach
kam ich in die Länder Syrien und Zilizien.
Ich war aber unbekannt von Angesicht den
christlichen Gemeinden in Judäa. Sie
hatten nur gehört: Der uns früher verfolgte,
der predigt jetzt den Glauben, den er
früher zu zerstören suchte, und priesen
Gott über mir.“
Galater 1, 18ff.
„Danach, vierzehn Jahre später, zog ich abermals
hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm
auch Titus mit mir…
Aber selbst Titus, der bei mir war, ein Grieche,
wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu
lassen.…die, die das Ansehen hatten, haben mir
nichts weiter auferlegt. Im Gegenteil, da sie sahen,
dass mir anvertraut war das Evangelium an die
Heiden so wie Petrus das Evangelium an die
Juden… gaben Jakobus und Kephas und
Johannes, die als Säulen angesehen werden, mir
und Barnabas die rechte Hand und wurden mit
uns eins, dass wir unter den Heiden, sie aber
unter den Juden predigen sollten, nur dass wir an
die Armen dächten, was ich mich auch eifrig
bemüht habe zu tun.“
Galater 2,1ff: Paulus auf dem „Apostelkonzil“
vgl. Apostelgeschichte15
„Als aber Kephas nach Antiochia kam, widerstand
ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage
gegen ihn. Denn bevor einige von Jakobus kamen,
aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich
zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem
Judentum fürchtete. Und mit ihm heuchelten auch die
andern Juden… Als ich aber sah, dass sie nicht
richtig handelten nach der Wahrheit des
Evangeliums, sprach ich zu Kephas öffentlich vor
allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst
und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die
Heiden, jüdisch zu leben? Wir sind von Geburt Juden
und nicht Sünder aus den Heiden. Doch weil wir
wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes
nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an
Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an
Christus Jesus gekommen…“
Galater 2, 11ff.: Trotz der Absprachen auf dem
Apostelkonzil kommt es in Antiochia zum Bruch
zwischen Heidenchristen und Judenchristen. Paulus
geht fortan eigene Wege
Blick auf Antakya, das antike Antiocheia
Alte Römerstraße bei Antiochia, eine der führenden
Städte neben Karthago, Alexandria und Rom, wurde
zum Sammelbecken der hellenistischen „Christianoi“
Petrusgrotte, der Überlieferung nach
Versammlungsort der ersten Christen in Antiochia
um Petrus, Paulus und Barnabas
Relative Chronologie (zwischen 49 und 51 ist Paulus in Korinth, nach seinem
Selbstzeugnis in Gal 1 hat er sich nach dem Konflikt in Antiochia auf eigene Missionsreisen gemacht;
17 Jahre zuvor wurde er nach eigenem Bekunden zum Apostel berufen: 50-17=33 n. Chr.)
nach drei Jahren
30
Tod Jesu
Paulus verfolgt die christliche Gemeinde (Apg 8)
33
„Damaskuserlebnis“ (Apg 9, Gal 1,11ff)
35
1. Aufenthalt in Jerusalem (Gal 1,18)
36-42 Paulus in Kilizien (Gal 1,21)
42
Paulus in Antiochia (Apg 11,19ff)
45-47 1. Missionsreise: Zypern, Pamphylien, Pisidien
nach 14 Jahren
48
48
(Frühjahr) Apostelkonvent in Jerusalem (Apg 15, Gal 2)
(Sommer) Antiochenischer Zwischenfall (Gal 2,11ff)
Relative Chronologie
48-51
2. Missionsreise: Antiochia, Kilizien, Galatien, Troas,
Philippi, Thesssaloniki, Beröä, Athen, Korinth,
Ephesus
Absolute Chronologie
49
Claudiusedikt (Vertreibung der Juden aus Rom)
51
Gallio-Inschrift in Delphi
Relative Chronologie
51/52
Rückkehr nach Antiochia
52-55
3. Missionsreise
52-55 in Ephesus
Kollektensammlung in Mazedonien und Achaja
56
Römerbrief in Korinth verfasst
56-58
58
59
64
Verhaftung in Jerusalem, Haft in Caesarea
Appellation an den Kaiser
Rom
Todesjahr während der Christenverfolgung unter
Nero?
Die Schriften (Tora, Nebiim,
Ketubim) sichern den
Zusammenhalt in der jüdischen
Diaspora. Der
Synagogengottesdienst am
Sabbat wird Mittelpunkt
jüdischen Lebens in der Fremde
Wohin immer Paulus auf seinen Reisen kommt, wendet er sich zuerst
stets an die jüdische Gemeinde, besucht ihren Gottesdienst in der
Synagoge, genießt ihre Gastfreundschaft, beginnt Christus zu
verkündigen – und dann beginnen meistens die Konflikte. Offenbar
aber folgt ihm stets ein Teil der Gemeinde, ebenso wie er vor allem
auch aus der Gruppe der Gottesfürchtigen Menschen für den
Glauben an Christus gewinnt. Paulus gründet eigene Gemeinden
neben der Synagoge, mit denen er über Briefe im Kontakt bleibt.
Das Nebeneinander
von Synagoge und
christlicher
Hauskirche kann
man gut am antiken
Dura Europos
rekonstruieren.
(D.E. am Euphrat an
der Grenze zum
Irak, 300 v. Chr.
gegründet, 300 n.
Chr. zerfallen)
Rekonstruktion der Synagoge von Dura Europos,
neben dem Sakralraum eine weitläufige
Gemeinschaftsanlage
Fresko in der Synagoge von Dura Europos
aus hellen.-röm. Zeit
Plan der Hauskirche von
Dura Europos, älteste
bisher archäologisch
nachgewiesene Kirche (232
n. Chr.)
Antijüdische Religionspolitik der Römer
Im Jahr 6 n. Chr. hob Augustus die Privilegien der Juden
auf, gestattete „nationalistischen“ Kreisen Hetze gegen sie
und Beraubung ihres Eigentums.
Kaiser Tiberius verfügte 19 die Vertreibung der Juden aus
Rom und später die Einsetzung des Pontius Pilatus zum
Statthalter Judäas. Dieser provozierte die Juden gleich
beim Amtsantritt mit Kaiserstandarten im Jerusalemer
Tempelbezirk.
38 folgte mit kaiserlicher Duldung ein großes Pogrom an
den Juden in Alexandria: Ihre Synagogen wurden zerstört,
viele wurden gefoltert und massakriert, der Rest wurde
verjagt. Darauf reagierten die Diasporajuden im römischen
Reich mit verstärkter Abgrenzung: Sie verweigerten die
Tisch-, Ehe- und Kult-Gemeinschaft mit Andersgläubigen
vor Ort.
Kaiser Claudius,
41 – 54 n. Chr.
versucht eine moderate
Religionspolitik, die
einerseits alte Privilegien
um des inneren Friedens
willen respektiert und
andererseits die
Ausbreitung und den
Einfluss orientalischer
Mysterienreligionen in Rom
begrenzt.
Das Claudiusedikt zur
Ausweisung der Juden
Roms, 49 n. Chr., wird von
Sueton erwähnt und
indirekt in Apg 18 bestätigt.
Trennung von Judentum und Christentum
Um 50 n. Chr. verschärften sich die Konflikte im
wechselseitigen Ablösungsprozess von Christentum und
jüdischer Mutterreligion, sei es aus Gründen der
Konkurrenz, oder des Blasphemie-Vorwurfs oder des
erstarkenden jüdischen Nationalismus. Auch das
Claudiusedikt 49 n. Chr. steht vermutlich in diesem
Zusammenhang. Das Christentum bildet sich als eine
eigenständige Bewegung heraus.
Dabei ging die Jerusalemer Urgemeinde und später auch
das sich in Palästina nach der Zerstörung Jerusalems (70
n. Chr.) entwickelnde Christentum andere Wege in der
Interpretation der Tradition (Tora), als es im Zuge der
paulinischen Mission und danach in der Paulusschule
geschah, deren Zentrum man in Ephesus vermuten kann.
Wo steht Paulus?
Paulus steht genau an der Trennlinie zwischen dem Judentum und
dem sich verselbständigenden Christentum. Dadurch aber, dass es
innerhalb der christlichen Bewegung sowohl Gläubige jüdischer
Abstammung gibt, als auch solche, die aus den Völkern dazu
gekommen sind^(aus Sicht der Juden sind es Heiden), wird der
Konflikt auch in die christlichen Gemeinden hineingetragen. Wie weit
dürfen sich die Christen vom Judentum lösen? Was geschieht mit den
Juden, die nicht an Christus als Erlöser glauben wollen.
Paulus selbst, von Geburt Jude, unter Heiden in der Diaspora
aufgewachsen, glaubt an die Freiheit des Glaubens an Christus, die
Juden wie Heiden gilt. Er weiß sich zum Völkerapostel berufen und
spürt doch zugleich in sich selbst den Konflikt der Trennung von
seinen Wurzeln.
Der Römerbrief reflektiert wie kein anderes seiner Sendschreiben
diesen Zusammenhang zwischen den Universalität des Glaubens und
der Treue gegenüber der Tora. Er schreibt an die vorwiegend
heidenchristliche Gemeinde in Rom, die Judenchristen in ihren Reihen
hat und Synagogen in ihrer Nachbarschaft.
„An die Geliebten Gottes und
berufenen Heiligen in Rom“ –
Der Brief des Paulus an die
Römer, Teil 1 (1-8)
Paulus, ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausgesondert zu
predigen das Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat durch
seine Propheten in der Heiligen Schrift, von seinem Sohn Jesus
Christus, unserem Herrn, der geboren ist aus dem Geschlechte
Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt
ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von der Toten.
Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem
Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden,
zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus.
Römer 1, 1-6
…bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen
…
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft
Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und
ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit,
die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben zum Glauben…
Römer 1, 16f
Denn Gottes Zorn wird vom Himmel
offenbart über alles gottlose Wesen und alle
Ungerechtigkeit der Menschen…
Darum, o Mensch kannst du dich nicht
entschuldigen, wer du auch bist…
Römer 1,18; 2,1
…weil kein Mensch durch die Werke des
Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn
durch das Gesetz kommt Erkenntnis der
Sünde.
Römer 3,20
Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart… die
da kommt durch den Glauben an Jesus Christus
zu allen, die glauben… So halten wir nun dafür,
dass der Mensch gerecht wird ohne des
Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Römer 3,21f.28
Heben wir denn das Gesetz auf durch den
Glauben? Das sei ferne!
…
Abraham ist sein Glaube zur Gerechtigkeit
angerechnet worden, als er noch nicht
beschnitten war
…
auch um unseretwillen, denen es zugerechnet
werden soll, wenn wir glauben an den, der unsern
Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt
hast
Römer 3,31; 4,9f. 24
Wie nun durch die Sünde des Einen (Adam)
die Verdammnis über alle Menschen
gekommen ist, so ist auch durch die
Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die
Gerechtigkeit gekommen, die zum Leben
führt.
Römer 5,18
Sollen wir denn in der Sünde beharren,
damit die Gnade umso mächtiger werde?
Das sei ferne!
…
Haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben
seid und lebt Gott in Jesus Christus.
Römer 6,11
Nun aber sind wir vom Gesetz frei geworden…
sodass wir dienen im neuen Wesen des
Geistes und nicht im alten Wesen des
Buchstabens
Römer 7,6
Ist das Gesetz denn Sünde? Das sei ferne!
…
Ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem
inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes
Gesetz in meinen Gliedern, das hält mich
gefangen im Gesetz der Sünde.
Römer 7, 7.23
Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen
Leibe? Dank sei Gott durch Jesus Christus,
unsern Herrn. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Jesus
Christus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde
und des Todes. Desgleichen hilft der Geist unserer Schwachheit auf.
Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
…
Denn ich bin gewiss… noch eine andere Kreatur kann uns scheiden von
der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist,
unserem Herrn
Römer 7,24f; 8, 2.26.31
Grobgliederung des Röm
1,1-7
Präskript
1,8-17
Proömium
1,18-3,20
Die Universalität der Sünde
3,21-5,21
Die Universalität des Heils
6,1-8,39
Die neue Existenz der Christen
9,1-11,36
Gerechtigkeit Gottes und Israel
12,1-15,13
Mahnungen zum Gemeindeleben
15,14-33
Schlussparänese 1
6,1-24
Postskript
16,25-27
später angefügter Schlusshymnus
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