Transcript KaufV

Veräusserungsverträge I: Kauf V
(= Grundstückskauf)
OR-BT 7. März 2012
Rechtsquellen zum Grundstückskauf
Art. 184-186 OR und Art. 216-221 OR
Art. 216 Abs. 1 OR Beurkundung
(notariatsrechtliche Erlasse der Kantone sowie
bundesrechtliche Minimalanforderungen an die
öffentliche Beurkundung).
Art. 218 verweist auf das Bundesgesetz über das
bäuerliche Bodenrecht vom 4.10.1991 (v.a. Art.
40ff. BGBB «Veräusserungsverträge» und Art.
58ff. BGBB «öffentlich-rechtliche Beschränkungen
des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Gewerben
und Grundstücken»)
Unterscheide:
• Grundstückskauf (im engen Sinne), Art. 216
Abs. 1 OR
• Vorvertrag zu einem Grundstückskauf, Art. 216
Abs. 2 OR
• Vertrag auf Einräumung eines Vorkaufs-,
Kaufs- oder Rückkaufsrechts an einem
Grundstück, Art. 216b OR
 Einheitliche Regelung: Formzwang,
Ausnahme Art. 216 Abs. 3 OR
Grundstückskauf, Art. 216 Abs. 1 OR
• Gegenstand: «Grundstück», vgl. Art. 655 Abs.
2 ZGB: Liegenschaften und in das Grundbuch
aufgenommene selbstständige und dauernde
Rechte, z.B. Miteigentumsanteil (Art. 646ff.
ZGB) oder Stockwerkseigentum (Art. 712aff.
ZGB)
• Inhalt: «Grundstück gegen Geld»
• Art. 184 Abs. 2 Zug um Zug ist anwendbar
Vertragsentstehung
• Art. 1 Abs. 1 OR Austausch von
Willenserklärungen
• öffentliche Beurkundung, Art. 216 Abs. 1 OR
= «die Aufzeichnung rechtserheblicher Tatsachen oder
rechtsgeschäftlicher Erklärungen durch eine vom Staat mit dieser
Aufgabe betraute Person, in der vom Staate geforderten Form
und in dem dafür vorgesehenen Verfahren» (BGE 99 II 159)
Zweck der Form in Art. 216 OR:
• Übereilungsschutz
• Abschluss- und Inhaltsklarheit
• Rechtssicherheit
Umfang des Formzwangs
• Personeller Umfang des Formzwangs:
Willenserklärungen von Käufer und Verkäufer
• Materieller Umfang des Formzwangs: alle wesentlichen
Vertragspunkte müssen erfasst sein
 Parteien und ihre Stellvertreter
 Kaufobjekt (Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit
des Grundstücks oder Grundstücksteils; Flächenangabe allein
ist nicht ausreichend; Angaben über Form und Lage der
Parzelle)
 Kaufpreis (Gesamtheit aller Leistungen, welche der
Käufer
dem Verkäufer zu erbringen hat; auch Zahlungen, die vor Aufnahme
der Urkunde getätigt wurden)
 Mitverkaufte Fahrnis ist anzugeben
(Wahrheitsgebot)
Zusicherung und Form
• Zusicherungen iSd Art. 197 Abs. 1 OR
bedürfen nach BG nicht der in Art. 216 OR
vorgeschriebenen Form
• Gewährsübernahme des Verkäufers für das
Grundstücksmass iSd Art. 219 Abs. 3 OR ist
formbedürftig (str.)
Formmangel und seine Folgen
Gültigkeitsmängel der öffentlichen Beurkundung
 öffentliche Beurkundung fehlt
 Urkunde ist unvollständig
 Urkunde ist nicht inhaltlich unrichtig
 Urkunde ist keine öffentliche im Rechtssinne,
weil Verfahrensvorschrift verletzt wurde
Nichtigkeit und Rechtsmissbrauchsverbot
• Grundsatz: Formungültigkeit = Nichtigkeit 
Grundstückskaufvertrag vermag keine
Rechtsfolgen herbeizuführen  Verkäufer ist
nicht zur Übertragung des Eigentums, Käufer
nicht zur Zahlung verpflichtet.
• Verbot des Rechtsmissbrauchs: Die Berufung
auf den Formmangel kann im konkreten Fall
offenbar rechtsmissbräuchlich sein, Art. 2 Abs.
2 ZGB.
BGE 112 II 107 «Kaiseraugst»
Am 5. Dezember 1973 erteilte der Gemeinderat Kaiseraugst dem Kernkraftwerk
Kaiseraugst AG (KKAG) die baupolizeiliche Bewilligung für die Erstellung eines
Kernkraftwerks im Schützenhölzli. Nach der Baubewilligung hatte die Gemeinde als
Bauherrin neue Gemeindestrassen zu erstellen, die von der Bauherrschaft zu bezahlen
waren. Diese hatte überdies die entsprechenden Landflächen unentgeltlich an die
Einwohnergemeinde, die Ortsgemeinde bzw. den Kanton abzutreten. Die Gemeinde
sollte ihrerseits zwei Areale (Wegparzellen) unentgeltlich einwerfen.
Am 17. Januar 1975 genehmigte die Einwohnergemeindeversammlung Kaiseraugst die
entsprechenden Strassenausbauprojekte und den erforderlichen Kredit von Fr. 3 Mio.,
der zulasten der KKAG ging. In der Folge wurden die vier Strassen erstellt und von der
KKAG bezahlt. Der Verkehr benützt schon seit Jahren die neuen Strassen. Die KKAG
bemüht sich seither um den Vollzug der Landabtretungen gemäss Baubewilligung und
unterzeichnete entsprechende Verträge. Der Gemeinderat Kaiseraugst behielt
dagegen die Zustimmung der Einwohnergemeindeversammlung vor, die schliesslich
am 27. Januar 1982 verweigert wurde.
Am 27. Oktober 1982 erhob die KKAG Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag,
den Beschluss der Gemeindeversammlung aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, das Eigentum an den beiden Wegparzellen an sie zu übertragen. Das
Verwaltungsgericht sah die Gemeinde für verpflichtet an, die Strassen auf die KKAG zu
übertragen.
Das BG hatte zu entscheiden, ob die Gemeinde sich (zivilrechtlich) wirksam zur
Übertragung der Strassen verpflichtet hatte.
Eine öffentliche Beurkundung fehlt, ist
der Vertrag nichtig?
«Ob in diesem Sinn ein Rechtsmissbrauch gegeben sei, hat der Richter
nicht nach starren Regeln, sondern unter Würdigung aller Umstände
des konkreten Falles zu entscheiden (BGE 104 II 101 E. 3 mit
Hinweisen). Die Rechtsprechung misst dabei der freiwilligen Erfüllung
des mangelhaften Vertrags durch die Parteien besondere Bedeutung
zu; so gehe es nicht an, auf dem Umweg über die Missbrauchseinrede
die Erfüllung des fehlerhaften Vertrags zu erwirken (a.a.O. S. 102 f.).
Das Bundesgericht lehnt indes auch diesbezüglich eine starre Regel ab
und verlangt die Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung
von Rechtsempfinden,Rechtsethik und Rechtssicherheit (a.a.O. S. 104
E. 3c). In Abweichung von früheren Entscheiden hat es schliesslich
erkannt, dass sich die Missbrauchseinrede auch dann rechtfertigen
könne, wenn ein Vertrag nicht ganz, sondern nur annähernd oder zur
Hauptsache erfüllt sei (a.a.O. S. 104 E. 3d).»
In concreto:
«Die Beklagte hat die Arbeiten ausgeführt und diese sind mit rund Fr. 5
Mio. von der Klägerin bezahlt worden. Damit ist diese
Erschliessungsvereinbarung, mit Ausnahme der Landabtretungen,
praktisch vollständig erfüllt; das neue Strassennetz ist schon seit etwa
zehn Jahren dem öffentlichen Verkehr übergeben worden.
Bei diesem Sachverhalt, der verbindlich festgestellt und auch
unangefochten ist, hiesse es aufgrund formalistischer Beurteilung nach
starrer Regel entscheiden, wenn ein Rechtsmissbrauch allein deshalb
verneint würde, weil die Beklagte sich bisher erfolgreich der Erfüllung
ihres Abtretungsversprechens widersetzt hat. Es muss gegenteils
berücksichtigt werden, dass sie selbst durch die Ausführung der
Erschliessungsarbeiten, genau wie die Klägerin durch deren Bezahlung,
die Erschliessungsvereinbarung zur Hauptsache erfüllt hat. Die
Beklagte setzt sich mit der Ablehnung der vereinbarten Landabtretung
in klaren Widerspruch zu ihrem eigenen bisherigen Verhalten, nach
welchem die Klägerin auf die Vertragstreue der Beklagten vertrauen
durfte und deshalb auch die namhaften Zahlungen geleistet hat. Ein
solches Vorgehen ist als missbräuchlich zu verwerfen.»
Pflichten des Verkäufers
• Einräumung des Besitzes nach Art. 922ff. ZGB
(z.B. Übergabe der Schlüssel)
• Verschaffung des Eigentums am Grundstück,
Art. 184 Abs. 1 OR, d.h. Eintragung ins
Grundbuch, Art. 656 Abs. 1 ZGB (Anmeldung
beim Grundbuch unter Vorlage der
entsprechenden Ausweise, Art. 963ff. ZGB)
Pflichten des Käufers
• Kaufpreiszahlung , Art. 184 Abs. 1 OR
• Annahme des Grundstücks, Art. 211 OR iVm
Art. 221 OR
Vorvertrag zu einem Grundstückskauf
• Art. 216 Abs. 2 OR
• einseitige oder zweiseitige Verpflichtung zum
Abschluss eines zukünftigen
Grundstückskaufvertrages, Art. 22 Abs. 1 OR
Vertrag auf Einräumung eines Vorkaufs-, Kaufsoder Rückkaufsrechts an einem Grundstück
• Gegenstand: Gestaltungsrechte = der
Berechtigte hat die Befugnis, unter
bestimmten, vertraglich festgelegten
Bedingungen durch einseitige Erklärung einen
Grundstückskaufvertrag herbeizuführen (und
die Übertragung des Eigentums am
Grundstück zu verlangen)
• Art. 216b Abs. 1 OR: vererblich, aber nicht
abtretbar (es bedarf besonderer
Vereinbarung, Art. 216b Abs. 2 OR)
Vorkaufsvertrag
• Berechtigte erhält Befugnis, durch einseitige
Erklärung die Rechtslage herbeizuführen, als
ob die Parteien einen Grundstückskaufvertrag
geschlossen hätten
 Qualifiziertes Vorkaufsrecht = Kaufpreis ist
schon im Vorkaufsvertrag festgelegt
 nicht limitiertes Vorkaufsrecht = Kaufpreis
muss noch fixiert werden.
• Voraussetzung für die Ausübung des Rechts ist
der Vorkaufsfall, Art. 216c Abs. 1 OR
Situation Vorkaufsfall
Verkäufer
Käufer
Ausübung des Vorkaufsrechts
Vorkaufberechtigter
Situation Vorkaufsfall
Verkäufer
Käufer
Art. 97 Abs. 1 Schadenersatz
Kaufvertrag
Ausübung des Vorkaufsrechts
Vorkaufberechtigter
Vertrag auf Einräumung eines Kaufrechts =
Kaufrechtsvertrag
Der Kaufrechtsgeber räumt dem
Kaufrechtsnehmer das Gestaltungsrecht ein,
durch einseitige Willenserklärung – und
unabhängig von einem Vorkaufsfall – die Sache
käuflich zu erwerben.
 höchstens für 10 Jahre, Art. 216a OR und Art.
959 Abs. 1 ZGB
 Vormerkung nach Art. 959 Abs. 2 ZGB
Vertrag auf Einräumung eines Rückkaufsrechts
Dem Veräusserer wird die Befugnis eingeräumt,
das Grundstück durch einseitige Erklärung unter
gewissen vertraglich festgelegten Bedingungen
vom Erwerber zurück zu erlangen.
 für höchstens 25 Jahre, Art. 216a OR und Art.
959 Abs. 1 ZGB
 Vormerkung,. Art. 959 Abs. 2 ZGB